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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-74 (1. März 1902 - 29.März 1902)
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' > cheiiit täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Dnrch die Post be-
^ zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

^ "zcigcnpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezcile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bcstimmt
^Seschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkcit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidclberger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschlnß Nr. 82.

Kisenöaynkatastrophen öei Kegne und
^eidelöerg in der Wudgetkommisston der
2. Kammer.

sj jiarlsruhe, 15. März. Die B u d g c t k o m m i s -

hj o >i Veranlassung genommen, mit der Großhcrzoglichen
^^Tierung die schweren Unglücksfälle, welche sich am 29. August
h "0 pxj Hegne und am 7. Oktobcr gleichen Jahres am
tz^ftsthor bei Heidelberg ereignet haben, einer mündlichen
^tterung zu unterziehen.

>>ia ^bei ergab sich, daß die Ursache des Unfalls bei Hegne
^ >-L-icherheit nicht ermittclt werden konnte. Es spricht indes
Ansicht der Großherzoglichen Regierung grohe Währschein-
d^bit dafür, daß an dcr Stelle, an welcher die Entgleisung
Schnellzuges eintrat, cine elastische und sogleich wieder
d^chivindende Senkung des Bahndammes stattgefundcu hat und
h o dadurch die Entgleisung herbeigeführt worden ist. Der
tzj >ftgnmd ist nach lden Mitteilungen der Großherzoglichen
i>>,A^rnng auf der in Betracht kommcnden Strccke überhaupt
s^bnstig, indem er zum Teil aus Seeschlick besteht. Dazu
t' daß in der Zeit, in welcher sich die Katastrophe zutrug,
Stand dcs Sees ein ungewöhnlich hoher war und datz
St^rch die Ableitung des Wassers vom Bahndamme in der
skj^Ung gegen den See erschwert wurde, währcnd anderer-
ein starker Wasserzufluß von der Bergseite her nach dem
ez Wdamm stattfand. Die Großherzogliche Regierung hält
mzgtich, daß diese Verhältnisse dazu beigetragen haben,
i^^.kesten Bestartd des Bahndamms zu gefährden. Sie hat auch
Kommission erklärt, es habe an dem nämlichen Tage,


dkxs Ur sich gegcn Mend das Unglück ereigncte, das Lokomotiv-
Tft°»al cines Zuges, dcr cinige Stunden zuvor die betresfende
tz^?ue passiertc, beim Fahren über dieselbc eine auffallende
itzD^llung an der Maschine wahrgenommen. Es sei diese
chchlrnehmung gemeldet woüden und habe Anlaß zu sofortiger
^ie i?uchung der Strecke durch die Bahnwärter (!) gcgcben;

habe aber nichts Verdächtiges zu Tage ge-

stjsl^r, ivaZ sjch pk'i der oben erwähnten Annahme ciner elasti
kx^», rasch vorübcrgehenden Senkung in einfachstcr Weise
ykN?rt. übrigen sei der Eisenbahnvcrwaltung bekannt

baß die in Betracht kommende Bahnstrecke auf einem
sej u«in von schlechter Bodenbeschaffenheit licge. Die Strecke
^.uber gerade deshalb schon seit langer Zeit mit größter
hmAE beaufsichtigt wovden, und so habe sich bis zu dem
>>ich?U vom 29. August 1900 in cinem 36jährigen Betriebe
^«Ikk »reignct gehabt, !vas den Zustand als einen gefahr-
fttzl.» erscheinen lassen. Selbstverständlich sei alles auf-
Kxworden, um die Wiederkehr ähnlicher Katastrophen
«>>t^- 8olge zu verhindcrn. Jnsbesondere sei cine ivirksame
§>iZrU>serung des Bahndamms in Verbindung mit stärkerer
Ä » bng des Secschlicks ausgeführt wordcn, die voraussicht-
'°i^?vsreichen und insbesondere die von einem Mitgliede der
^chdon angeregte vollständige Verlegung des Bahndamms
^ brr Bergseite zu unnötig machen wcrde. Die in der
"iehWision ausgesprochene Vermutung, das llnglück könne
^ l>»Ü dadurch herbeigeführt worden seiu, daß dcr Schnell-
>»> 3»>ei Maschinen bespannt war, von denen die leichtere

!>»d d n ^srlle und die schwcrere an zweiter Stelle sich befand
nachfahrende schiverere Maschine die voransfahrcnde
^ ive gi,§ vkm Gleis drängtc, wurde von dcn Technikern
L . »oßherzoglichen Regierung für unbegründet erklärt.

Mstlchichtlich dcs Unfalls am Karlsthor bei Heidelberg
?» >^. Großherzogliche Rcgierung mit aller Entschiedenhcit

j Anschauung fest, daß derselbe durch dic F a h r l ä s s i g-
, ches Epeditionsgehilfen Weipert herbeigeführt wor-
, Der Gcnannte habe laut Urteil der Strafkammer
""kigE v^^vZvlltichcn Landgcrichts Heidelberg vom 15. März
?>>> ^»bres, wodiirch er wegen fahrlässiger Tötung ,began-
lstf "ter Außcrachtlassung seiner Amtspflichten, im Zusammen-
?»kz ^mit fahrlässiger Körperverletzung und Gesährdung
Zlsj >j>>cnbalnrtransports, mit acht Monaten Gcfängnis be-
^^»»rde. die Katastrophe dadurch vcrursacht, daß cr als

dienstthuender Fahrdicnstbcamtcr der Station Karlsthor dcm
Paragraph 61, Absatz 3 der Fahrdienstvorschriften zMvider den
ihm von der Station Schlierbach angebotenen Personenzug
Nr. 126 a zwischen 6 Uhr 29 Minuten und 6 Uhr 30 Minuten
abends angenommen hat wbgleich er wissen mußte, — und
auch thatsächlich gewußt hat — daß in jenem Zeitpunkt der
unmittelbar vorausgehende Lokalzug Nr. 16a noch nicht im
Bereiche der Station Karlsthor eingetroffen war. Ob außer
dieser, dem Weipert zur Last fallenidcn Berletzung einer dcr
Grundregcln des Eisenbahnfahrdienstes, wonach zwci ZLge
nur in Statiousdistanz aufeinander folgen dürfen, noch andere
Ursachen das schreckliche Unglück verschuldet haben, welches
darin bestand, Idaß der Personenzug Nr. 126 a in den vor
dem Einfahrtssignal der Station Karlsthor haltendcn Lokal-
zug Nr. 16 a von hinten hineinfuhr, ist in der Kommission
Gegenstand eingchcnder Vesprechung gewesen. Es wurde ins-
besondere die Frage erörtert, ob das Unglück etwa dadurch ver-
milaßt worden ist, daß man den crwähnten Lokalzug, welcher
ungemein stark bcsetzt war, vor seiner Einsahrt in dcn Karls-
thorbahnhof auf freier Strccke behufs Beendigung dcr Fahr-
kartenausgabc stellte, damit kein Passagier ohne Entrichtung
des Fahrgeldes den Zug verlassen könne. Nach Anficht der
Kommission kann man nun aber Idieses vorübergehcnde Haltcn
des Lokalzuges zum Zwecke der Beendigung dcr Fahrkarten-
ausgabe, ^vie es üci den Lokalzügen seitens der Verwaltung
zugelassen war, höchstens als unzweckmäßig bezeichnen. Da-
gegen scheine darin die Verletzung einer dienstlichen Verpflich-
tung der Eisenbahnverwaltung keineswegs gelegen zu sein,
und es habe auch letztcre in überzeugeuder Weise dargethan,
daß zwischen dcm erwähnten Halte 'des Lokalzugs vor dem Ein-
fahrtssignal und dem eingetreteneu Unfall ein wirklicher Kau-
salzusammenhang nicht bcsteht. Derartige Halte von Zügen
auf freier Strecke kommen, und zwar aus ganz verschiedenen
Ursachen sehr häufig vor; sie sind an und für sich ungefähr-
lich und könncn nur dann zu einer Beeinträchtigung der
Sicherheit dcs betreffenden Zuges führen, wcnn sich daran
eine so schwere dienstliche Verfehlung, wie sie dem Gehilfen
Wcipert zur Last fällt, anrciht. Es vermöge daher seitens
der Kommission in der in Frage ftehendcn Maßnahme die
Ursache odcr eine der Ursachen der Katastrophe nicht erblickt
zu werdcn. Viclmehr liege der entscheidende Grund dcs Un
glücks auch nach unserer Meinung in der Fahrlässigkeit des
mehrfach genannten Eiseubahnbeamten. Die Kommission !var
hiernach um so weniger in dcr Lage, die Eiscnbahnverwaltung
mit einer Mitverantwortlichkeit für das Heidelberger Un-
glück zu belasten, als auch die lveiter erhobenen Vorwürfe, wor-
nach der Gehilfe Weipert in der kritischcn Zeit übermüdet
oder überbürdct oder der Dienst am Karlsthor ein bcsonders
schwieriger gewesen sein soll, nach den Darlegungen!der Groß-
hcrzoglichen Rcgierung unbegründet find. Die Kommission
könne es aber auch auf dcr anderen Scite nur billigen, daß
dieVerwaltung ans dcmllnfall alsbald die praktischenKonseguen-
zcn gezogen hat, dic sich daraus zu ergeben schiencn. Dieselben
bestehen darin, daß einc Anordnung getroffen woridcn ist, wor-
nach Zügc auf frcier Strccke in der Folge ohne ganz zwingcnde
Gründe, wozu Rücksichten der Billetkontrolle nicht gehören
sollcn, nicht mchr zum Halten gebracht werden dürfeu, und
daß man idie Fahrkartenausgabe in den Lokalzügen, obwohl
dieselbe seither für das Publikum mit großen Bequemlichkeiten
verbundcn war, bcseitigt hat. Wcnn im Weiteren den Stations-
ämtern eingeschärft worden ist, FahMenstbeamten, die auf
cinem neuen Posten verwendet werden, denselben erst dann
vollständig anzuvertraucn, ivcnn sie über bie besonderen Ver-
hältnisse des betrcffendcn Dienstes aufs Genaueste unterrichtet
sind, so erschcine auch dics als eine durchans zweckmäßige
Anordnung, die aber nicht als Beweis dafür gclten kann, daß
der Gehilfe Weipert an dem kritischen Tage auf einem Posten
Verwendung gefundcn hat, dem er vermöge seiner Kenntnisse
nicht gcwachscn war.

Deutsches Reich.

Baden.

Offenburg, 15. März. Jn der letzten Sitzung
des Gemeinderats gab der 1. Bürgermeister Herrmann
die Erklärung ab, daß er in den Staatsdienst zurück-
trcten werde. Er betonte dabei, daß die im Umlauf befindliche
Meinung, er würde in seiner Stellung verbleiben, wenn
die Städteordnung für Offenburg eingeführt würde, un-
richtig sei. Sein Entschlutz wäre der gleiche gewesen, auch
wenn ihm dieselbe bewilligt worden wäre. Vielleicht wäre
er geblieben, wenn seinem früher gestellten Antrage damals
entsprochen wordcn wäre, aber auch dieses könnte er nicht
bestimmt sagen. Sein Entschluß sei ein unwiderruflicher.
Versuche, ihn zum Bleiben zu veranlassen, würden crfolg-
los sein, da er dem Minister bereits eine bindende Ant-
wort gegeben habe. Demnach tritt Herrmann an Stclle
Schlussers als Ministerialrat und Respizient für Gemeinde-
angelegenheiten in's Ministerium des Jnnern ein.

Madischer Landtag.

L.O. Karlsruhe, 15. März. (51. Sitzung der
Zweiten Kammer.) Präsident Gönner eröffnet die
Sitzung um V.10 Uhr.

Eingegangen: Eine Eingabe von Brandbeschädigten der
Gemeinde Königshofen um Dispens von der Aufführung
einer Brandmaucr, eine Petition der Gemeinde Kirchzarten
u. A. betr. die Güterzufahrtsstraße daselbst; ferner eiu
Gesctzentwurf betr. Aenderung der Bezüge der Grundbuch.
ämter.

Die allgemeine Bcratung über das Budget des
Ministeriums des Jnnern wird fortaesetzt.

Abg. M ci m p e l (Aiit:s.) bemängelt die Zusammcnsetzung
der Bezirksrätc, die stets der Partei angehören, welche der
Regierung genehm sci. Es habe den Anschein, als ob diese
Sache viel zu sehr nach der Parteischablone gedrechselt werde.
Es gebe außer den Nationalliberalen auch noch andere Leute,
dic treu zu Fürst und Vaterland stehen. (Bravol)

Abg. Dieterle (Zentr.) empfiehlt die Grüdung von
ländlichen Kredit- un!d Sparkasscn und polemisiert sodänn ge-
gen dic Ausführungen Obkirchers unld des Ministers. Die
Aufbcsserung dcr Bezirksvorstände wolle seine Partei nicht
als Vertraucnsfrage bchandeln, sonst würde Ler Minister jetzt
schon ein Mihtranensvotum bekommen. Es würde im Lande
draußen den allerschlimmsten Eindruck machen, wenn man
die höheren Bcamten anders behandeln würde, als die niederen.
Aus diesem Grunde könne das Zentrum die Jnkonseguenz
nicht begehen, die in der Aufbesserung der Bezirksvorstände
liegen ivürde. Jn den Fabriken sollte mehr auf die Sonn-
tagsheiligung gehalten wcrden. Ein Papierfabrikant habe ihm
diesen Wunsch nahegelegt, weil einem Fabrikanten in Jmmen-
dingen in ausgedehnter Weisc die Sonntagsarbeit zugestairden
worden sei. Redner bespricht sodann weitschweifig den Er-
laß des Waldshutcr Bczirksamts, dessen Vorstand zwar ein
tüchtiger Verwaltungsbeamter sei, der aber sich an dem Trei-
ben dcs nationallibcralcn Vereins gegen die katholischen Or-
den sich besser nicht beteiligt hätte. Der Erlaß sei jedenfalls
aus einem der katholiscyen Kirche sehr unfreundlichen Geiste
hervorgegangen; er strotzt von horrenden Beleidigungen, die
nm fo kränkcnder ivaren, als sie jeder Begründung entbehren.
Er hätte von der Regierung ein entschiedenes Desavou erivar-
tet, um so mehr, als ja auch bekanntlich die Landcsfürstin
die Thätigkeit der Krankenschwestern hochschätzt.

Ministerialrat Weingärtner erklärt, daß die Re-

Stabttheater.

k „tz- Heidelberg, 17. März.

i> qj,» u n b e s ch r i e b e n e s Blatt ". Lustspiel von
L ^°lsogen.

j^ih^j^erste Tag im neuen Heim nach der Rückkehr von der

ä »äh'^ist findet das Paar in Uneinigkcit. Der Prosessor
ä »>( dcn Vierzig, die Professorin ist siebzehn. Während
j?il' j ^»>ige das Häusliche betreffende Sachen klar machen
.sw, ihre Gelüste nicht bezwingend, nur an das
ihres Koffers denken, in dem sie ihrc Glassachen
8^8eq^»dig eingepackt hat.- Jhre Antworten auf seine
xAiecä-»»d einfach „süß". — Wenn du für crnstc Dinge kein
r h»st- warum hast du mich dann geheiratct?" — „Ach,
»Eü- — Kirchen, Bildcr und Paläste habe ich dir auf
erklärt, für nichts hattest du Jnteresse, immer
^ ich ^ ^» »»» ""s der iObersläche heruml" — „Ja, das
»on meinem Papa, der war doch Schiffskapirän."
»>k E Scherze stehen nicht vereinzelt in dem herrlichen

dixman ein Vcrsöhnungsdrama ncnncn kann, denn
tzj»hce,,„Heilung eines Bruches handelt es sich im Gruirde.
Ij^»st^ > oie junge Frau, ihr Vetter, dcr Fähnrich, und die
sel,b»>>d >»i^ dcm Siaubbesen auf dem Boden des Salons
E» d'ü »»1 »ine weihe Maus machen, besitzt der Pro-
»>,. »s j ^»»orsichtigkeit, einen älteren Kollegen zu empfangen,
»Lt >»it Paar begrüßen will. Sie, getreu ihrem Charakter,

i oigencn kleinen Persönlichkeit beschästigt zu sein,

d,Äst oi» wiederholte Aufforderung des Gatten, doch ge-
»n?» j^» Honneurs machen zn wollen, nicht, läht sich viel-
»>,t »»gonehmen Geschäft ldes Mäusefangens dnrchaus
^ooochcn. Das bringt ihn in Hitze. Es giebt eine
dä dijj. t^>o erste Gelegenheit benützend, entschlüpft sic und
d>j ie ^ >hrcm Vetter zum Bahnhof. Es ist abcr — man
i>os Monats — es kehrt idaher dcr Vetter bald
-tk >>sior v i» seiner ganzen Fähnrichswürdc an den

ijj.» >,>o Aufforderung, ihm 40 Mark zu leihen, damit die
»hvc,, /is»»i» »nter seinem Schntz zu ihrcr Mama zu-
kann. Das ist abcr gar nicht nötig. Denn Mama

ist von selbst auf dcn klugcn Einfall gekommen, nach dem
jungen Paar sehen zu wollen. Jetzt trifft sie, die bei ihrcn
jnngen Jahren, ihrem Geist, ihrer Frische dem Professor eine
viel geeignetere Gattin sein würde als die kleine, „das unbe-
schriebene Vlatt, cin Stück Papicr, auf dem kcin Gott schrci-
bcn könnte," dcn Professor allein. Ein Weilchcn spiclt man,
da der Professor i» der Tochter eigentlich die Muttcr liebt,
Fangball mit dem Gedankcn, daß der Fähnrich und das Babh,
der Profcssor nnd die Schwiegermama zwei neue Ehebünlde
schließen könnten, die junge Witwe läßt noch ein paar
Apercüs vom Stapel, als da sind: „Für den Mann giebt es
nichts Schlimmeres, als die Frau, !die in leidenschaftlichen Mo-
menten etwas Vernünftiges sagt", oder „Wenn der Mann
an der Kindlichkeit Gefallen sindet, !darf er sich in diescm Falle
auf ein so inftmes Verhältnis wie die Ehc nicht einlassen",
nnd dann ist mit der Heimkehr des Frauchens nnd einer Um-
armnng der versöhntcn Ehegatten der Spaß zu Endc. Recht
traurig ist's, dah die junge Witwe, der der Auior so viel
Liebenswürdigkcit angcdichtet hat, nicht unter die Haube
kommt. Wie nnn, da der Baron Wölzogcn von der Groteske
ja nicht zurückschrcckt, wcnn er nach Grabbcs Vorbild am
Schluß scincs Stückcs selbst auf der Bühne crscheinen würde?
Er erklärte dann: So vicl Reize und Vorzüge-dürfen nicht
ungewüMgt dahingehen. Den Nftit, meinc Herrschaften,
diese Schwiegermutter zn ehelichen, habe ich aus reicher
Uebung selbst! Die Albernheit des Ganzen kömien ein paar
hübsche Züge nicht hinwcgtilgen. Die Darstellung bemnhte
sich, aus der Nichtigkeit so viel Witzfunken herauszuschlagen,
als möglich war. Die Figurcn sind durchaus konvcn-
tionell. Der Professor un>d der Fähnrich ivurdcn durch
die Herren Rndolph mrd Lassen sehr gewinnend,
mit viel Natur nnd Belehrung dargestellt, das Baby nnd die
Schwiegermutter ivaren prächtige Leistungen der Damen
Kögl nnd Mülle r. Besondcrs die letztere crfrente durch
Gcmütlichkeit nnd Elrazie des Plandertons. Die Ncbenrollen
des Oberstcn nnd seiner Schwestcr spielien recht geschickt Herr
Feldne r nn>d Frl. Hohena u. Eine Wiftschafterin und

ein Professor stellten auch nicht gerade große darstellerische
Anforderungen an Frau Jelly und Herrn Großmann.
Viclleicht die einzige dankbare Rolle des Stückes ist der Fähn-
rich. Jch glanbe, das Publikum war mit der Novität nicht
sehr zufrieden. Der Spielplan, den das Schicksal dieses Jahr
übcr uns verhängt, über den ist kein Woft zu verlierenl

Kleine Zeitung.

— Hochschulnachrichten. Jena, 15. März. Jn der
philosophischen Fakultät der hicsigen Universität
können Frauen und Mädchen, wie nunmehr endgiltig
festgestellt ist, zum Studium, zu Uebungen und Arbeiten
als Hörerinuen zugelassen werden. Bedingung ist die
deutsche Rcichsangdhörigkcit und das Abgangszeugnis eines
deutschen Lehrerinnenscminars.

— Weimar, 15. März. Der Student Fischer, an-
geklagt wegen der Ermordung seiner Geliebten, wurde unter
Zubilligung mildernder Umstände wegen Totschlags zu
fünfJahrenGefängnis verurteilt. Der Fall ist
schon einmal abgeurteilt worden, dann aber wegen eines
Formfehlers nochmals an das Schwurgericht verwiesen
worden. Der Vater Ftschers bekundete, daß seine Gatttn
an Epilepste leide und den Angeklagten sehr schwer ent-
bunden habe. Fischer habe als dreijähriges Kind weder
gehen noch sprechen können und cincn Wasserkopf gehabt.
Weiter crgab die Verbandlung, daß Fischer sehr viel
Schnaps aller Art trank. Das erste Urteil hatte auf 10
Jahren Zuchthaus gelautct.

— Petcrsburg, 14. März. Die Krankheit, an der
 
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