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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 125-149 (2. Juni 1902 - 30. Juni 1902)
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ienstag, 24 Jijm 1902.

G^rstes Bl«rtt.

44. Jahrgang. — 144.




Erscheint täglich Sonntags ausgenommen. Preis mit Familienblättern monatlich bv Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-

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Kin neuer KifcnöaHnminister in Ureußen.

Berlin, 23. Juni. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht
die Genehmigung des En tlassungsgesuches des Mi«
nistcrs v. Thielen unter Belassung des TitelS und
Ranges eincs Staatsministers und Verleihung des
Schwarzen Adlerordens sowie die Erncnnung des General-
major a. D. Budde zum Minister der öffentlichen Arbeiten.
Ebenso veröffentlicht der „Reichsanzeiger" die Entlassung
des Ministers v. Thiclen aus dcm Amt als Chcf der
Reichseisenbahncn und der Ernennung des Generalmajors
a. D. Budde zu seinem Nachfolger.

Beide Herren sind gestern Abend im Beisein des Reichs-
kanzlers Grafen v. Bülow vom Kaiser empfangen und zur
Abendtafel gezogcn worden.

Also ein Eisenbahngeneral, wie man vor einiger
Zeit einen Postgcueral geholt hat. Es ist ganz gut, wenn
von Zeit zu Zeit die Reihe der Fachmänner in einer
Spezialverwaltung von einem intelligenten Nichtfachmann
durchbrochen wird. Unter Fachleuten ist ein Verwaltungs-
zweig immer in Gefahr, zu verknöchern; die Verwaltung
wird konservativ, sträubt sich gegen neue Jdeen und hindert
den Fortschritt. Aus lauter Fachweisheit wird da manche
gute Jdee erdrückt und erstickt. Da kann das Eingreifen
eines unbefangenen Laien, der die technischen Einzelheiten
nicht übersieht, aber dasür für neue Gedanken empfänglicher
ist, sich als sehr nützlich und als dicnlich für den Fort
schritt erweisen. Jm Eisenbahnwesen ist viel Ballast vor-
handen, herrscht viel Federfuchserei und kleinliches, pedanti
sches Wesen. Vielleicht ist Gencral Budde der Mann, der
in die stark philiströse Verwaltung einen flotteren Zug,
eine größere und weitherzigere Auffassung hineinbringt.
Fremdist er dem Eisenbahnwesendurchaus nicht, denn er hat
im Generalstab die Eisenbahnabteilung geleitet; ohne Zwei-
fel ist er ein hochintelligenter Mann. Mitbestimmend für
seine Eruennung war, daß er ein Kanalmann ist und als
folcher den Mittellandkanal vom militärischen Standpunkt
aus sehr eindringlich dem Abgeordnetenhause empfohlen
hat. Seiner Ministerthätigkeit wird überall mit großem
Jnteresse entgegen gesehen.

Minister Budde hat erst am 15. November vorigen
Jahres sein fünfzigstes Lebensjahr vollendet. Er ist ein
Rheinländer, in Bensberg geboren, wo er in dem Kadetten-
hause seinen ersten Unterricht erhalten hat. Mit „Aller-
höchster Belobigung" wurde er am 14. April 1869, erst
17 Jahre und 5 Monate alt, aus der Selekta des Kadetten-
korps zum Sccondeleutnant im 1. Hessischcn-Jnfanterie-
Regiment Nr. 81 in Mainz ernannt. Als solcher machte
er dcn ersten Thcil dcs französischen Krieges mit, zeichnete
sich bei der Einschließung von Metz und in der Schlacht
don Noiseville aus und wurde hier am 1. September durch
cinen Schuß in die rechte Brust schwer verwundet. Das
Eiserne Kreuz wurde ihm für seine Tapserkeit zuteil. Schon
auf der Kriegsakademie wandte er sich mit Vorliebe Eisen-
kahnstudien zu; sein Schlußvortrag handeltc von der
wilitäriichen Ausnutzung der Eisenbahnen im Kriege 1870/71
vnd fand so große Anerkennung, daß sein Lehrer General

Blume den Vortrag dem Feldmarschall Grafen Moltke
überreichte. Ein Jahr darauf, 1877, gab der junge
Offizier eine vielbcachtete Schrift über „die französischen
Eisenbahnen im Kriege 1870/71 und ihre seitherige Ent-
wicklung in militärischer Hinsicht" heraus; Feldmarschall Graf
Moltke überreichte dafür dcm Verfasser, der inzwischen zur
Eisenbahnabteilung des Großen Generalstabes kommandiert
WLrden war, persönlich den Roten Alerorden 4. Klasse.
Auch die kleine anregende Festschrift „Zur Erinnerungs-
feicr der Kriegsveteranen des Feldeisenbahnwescns im
deutsch-französischen Kricge 1870/71, am 10. Mai 1896"
rührt von Budde her. Den größten Teil seiner militäri-
schen Laufbahn hat Budde beim Generalstab zugebracht,
zunächst von 1878 bis 1892; im Septembcr 1895 wurde
er wieder in den Großen Generalstab versetzt und wenige
Monate darauf zum Chef der Eisenbahnabteilung ernannt;
in dieser Stellung ist er bis zu seincm Ausscheiden aus
dem Heeresdienst, anfangs Januar 1901 verblicben. Von
dieser ganzen im Generalstab zugebrachten Zeit fallen nicht
weniger als 14 Jahre ouf dcn Dienst in der Eisenbahn-
abteilung. Der Austritt aus dem aktiven Heeresdienst er-
folgte, weil General Budde in seiner Stellung nicht weiter
avancicren konnte. Budde wurde Direktor der deutschen
Waffen- und Munitionsfabriken, hat abrr bei seinem Aus-
tritt aus dem Militärdienst einen Wink erhalten, daß der
Staat auf seine Dicnste nicht dauernd verzichte.

Deutsches Neich.

Kade».

Karlsruhc, 23. Juni. Ter „Straßb. Post" schreibt
man: Durch die badische und außerbadische Presse gehen
allerlei Gerüchte über Personalveränderungenin
der inneren Staatsverwaltung. Nach unseren Erklliidigungen
ist es richtig, daß zwei Amtsvorstandc des Oberlandes
ihre Stellen demnächst mit solchen im Bereich der Arbeiter-
versichernng vertauschen werden, dagegen ist die Nachricht,
daß der Direktor der Versorgungsanstalt zurücktreten und
durch einen Ministerialrat im Ministerium des Jnnern ersetzt
werden solle, durchaus unbegründet.

Madischer Landtag.

L.O. Karlsruhe, 23. Juni. (110. Sitzung der
Zwciten Kammer.) Präsident Gönner eröffnet die Sitz-
ung um Uhr.

Eingegangen: Eine Petition aus Pforzheim betr. das
dortige Hauptstcueramt. Tas Finanzministerium legte dem
Hause den Entwnrf des Finanzgesetzes vor.

Zur BercNuna stebt die Anforderung (l. Rate) von
900 000 Mk. fnr die Rbeinregnlterung zwischen
Sondernbeim nud Siraßdura.

Dcn Bcricht der Budgetkommission erstatict Abg. Hcrgt
(Zentr.). Die Kommission hat die Nützlichkeit dcr Regulie-
rung bis Strahburg in ihrer Mehrheit bejaht, wenu auch wich-
tige badische Juteressen dadurch gefährdet werden; namentlich
drohe der badischen Staatsbahn dnrch die Konkurrenz der
Wasscrstrasze und der Stadt Mannheim durch die Verschicbung
des Schiffahrtenpunktes nach Süden, sowie beiden durch die
Verkehrsableitung nach Strahburg und auf die Reichsbahncn

schwerer Nachteil, wcuu uicht gceigucte Vorkehrungeu gctrof-
fen wcrdeu. Völlig seicn diesc Nachteilc, wcuigstens für einen
längeren Zeitraum nach Ausführung dcr Regulicrung, über-
haupt nicht abzuwenden. Daher könne Baden keinen so bedeu-
tendcn Antcil (40 Prozeut) an llcn Kosten öer Rheinregu-
lieruug trageu. Eine Stimme rvar gegen jede Kostcnbeteili-
gung; die Mehrheit war jedoch für Bcwilligung der ersten Rate
(900 000 M.)< falls der Kostenauteil Badcns Vvn 40 auf 30
Prozent (also 1 346 400 M. wcuiger), d. h. auf 4 039 200
Mark herabgemindcrt wird; dabci wurdc zugleich zur Bedin-
gung gemacht, dah die Frachtsätze der Stationen Mannheim,
Kehl, Strahburg und der zwischcnliegenden badischcu und
elsässischcn Hafenstationen für Wasscrumschlagsgütcr in dem
durch die Schiffahrt auf dem Oberrheiu behcrrschten Verkehrs-
gcbiet in ein angemessenes Verhältnis gebracht werdcu. Zur
Zeit sind die für Mannheim geltenden Gütertarife, soweit die
Konkurrenz mit audcrn oberrheinischen Hafenplätzeu und na-
menilich mit Strahburg in Betracht kommt, höher, als die
Tarifsätze dicscr andren Hafenstationcn zuzüglich der mur-
mahlichen Wasserfracht von Mannheim; Mannhcün kann also
mit diesen Stationen, besonders mit Strahburg, im Wasser-
umschlagsverkehr nach Süden nicht konkurrieren. Diesen Vor-
sprimg von Strahburg u. s. w. gegenübcr Mamiheim auszu-
gleichen, darüber verhaudclt die badische Regierung zur Zeit
mit den Rcichsbahncli. Endlich soll von Badcn verlangt wer-
den, dah das dem Reichsland durch Reichsgesetz vom 25. Juni
1873 „bis auf weiteres" gewährleistete Oktroi in deu Städten
dcs Reichslaudes, namentlich m Strahburg, nicht mehr als
cin zu Gimsten der dort ansässigen Unternehmungen gewährter
Schutzzoll gegcn die Einfuhr von (bearbciteten) Erzeugnissen
aus Bad.en wirken kann. Nur unter dieseu drei Bedingungen
(30 Prozent der Kostcn, Ausglcichung der Bahntarife und
Abschaffuug jenes Oktrois) beantragt die Kommission, der
Rhcinrcgulierimg bis Strahburg zuzustimmcn. Die Regierung
teilte mit, dah Mannheim das Recht der Getreidetransitlager
bchalten und Kehl es uach Erledigung des Zolltarifes wohl
auch erhalten wcrde; Strahburg besitzt diese Vergünstigung
bereits. ,

Abg. Hauß (Natlib.) sucht die Bedcnkcn, die gegcn das
Regulieruugsprojekt laut ivurdcu, zu zerstrcucu. Der Name
des Oberbaudirektors Hosell bürge dasür, dah etwas Brauch-
bares geschaffen wird. Die Mannheiiner dürfen auf Kehl nicht
cifcrsüchtig scin; dcuu der Kehler Hafen wurde als Konkurrenz
von Stratzburg erstellt. Es sei nicht einzuscheu, warum die
Schiffahrt in Manuheim aufhört. Die Hennc, welche die
goldcnen Cier legt, soll den Kehlern doch auch einige gönnenl
(Heiterkeü.) Mit der alten, verrosteten Oktroigesellschaft
(Hciterkcit), wie sic iu Stratzburg existiert, sollte mau eudlich
aufräumcn. Redncr ersucht sodann die Regierung, in der
Gemcinde Freistett eiue Haltestelle zu errichtcu.

Abg. Dreesbach (Soz.) glaubt, daß dic Rheinregulie-
ruug das Ende der Sclbständigkcit imserer Bahueu bedeutet.
Dcr Vcrkehr werdc nicht zunchmen, cs findc vielmehr lediglich
einc Verschiebung statt: Der Nmschlagsverkehr Mannheims
werde an Strahburg übergehcn. Bedauerlichcrwcise habe man
die Manuhcimer Handelswelt gar uicht um ihre Ansicht ge-
fragt, ja ihr sogar dic Akte» über das Projekt vorenthalten.
Die Bcgrüudung der Rcgierungsvorlagc sei ganz auf den
Ton gestimmt: Wie Strahburg will, wir halten still. An
die Gefahr, dah im Fallc dcr Ablehnung ein liuksrhemischer
Kaual erbaut wird, glaubc er uicht. Wozu die Regulierung,
wcun heutc schon dcr Rhein fast das ganze Jahr über schiff-
bar und der Vcrkchr auf dcm Oberrhein in steter Zunahme be-
griffcn ist? Redner sucht zahlenmähig darzuthun, dah der
Ausfall der badischcu Eiseubahucn em gauz bedeutendcr sein
wird. Der Kehler Hafen werde niemals gcgcu Strahburg auf-
kommcnl Die Regierimg habc wider besscres Wissen behauptet,
dah Kchl eiu gcmischtcs Transitlager erhält. (Präsident
Gönner rügt diese Aeuheruug als uicht zulässig.) Jm
Reichsrag habc Posadowsky ausdrücklich crklärt, dah die be-
steheudeu Trausitlager möglichst aufgchobeu und ueue nicht

Stadttyealer.

Heidelberg, 23. Juui.

Gasrspiel des Mannheimer Hof- und Nationalthcatcrs
--D i e Z w i l I i n g s s ch w e st e r". Lustspicl vou Ludwig
Fulda. '

Wie spahhaft ist dic Wclt! O Männerl Sippe! So ruft
am Schlusse des dritten Aktes Frau Giuditta, ihres Trium-
Vhes froh, nachdcm sie ihrem Gattcn einen Streich von aus-
^rlesener Art gespielt hat. Es ist das 16. Jahrhuudcrt. Wir
sind auf eincr Villa bei Padua. Herr Orlando della Torre
begimit in seiner Ehe Langeweile zu habeu. Zur Mutter scines
Rnabeu lockt ihn kein söh Geheimnis mehr. Sobald die kluge
8rau Giuditia bcmerkt, daß ihr Gatte sie vernachlässigc, ist ihr
jnn eiucn Plan, wie sic den Gleichgültigcn sich und ihrem
Esöhnchen zurückgewinnen könne, nicht bange. Die Ncbclschleier,
°se am Horizont aufgezogen sind, sollcn verscheucht werden, dem
^rculosen soll des Kopfzerbrechens lust'ge Qual bcreitet scin.
mi erborgter Schale verwandclt sich Frau Guiditta für ihreu
Patten zur vcrbotenen Frucht. Die Zwillingsschwestcr der
Nlohherriu, nämlich, die dieser bis auf ciu Muttermal-völlig
^hnlich sci, wird zum Besuch erwartet. Nun gicbt Giuditta
^>r, sic gehe nach Florenz zu ihrer Mutter, und verläht das
Haus, um alsbald als ihre Zwilliugsschwestcr Renata wieder-
öukehrcn. Orlando ist sofort wie ausgetauscht; der Anblick der
^rnicintlichen schöncn Schwägerin verwirrt ihn anfangs, bald
^ber ist xx ganz höflichcr Wirt und feuriger Liebhaber, denn
fiudct in der angcblichen Renata cin Wescn, entschieden
jsinger, frischer und gcistreicher als seine Frau. Die Aehnlich-
/K Rcnatens mit seiner Frau ist cine Pikantcrie mehr iu
Zni Abenteuer. Ueberall, wo man sich unterhält, ist Karncval.

> "t starken Armen will cr die Jugend umschlingen und fest-
^üteu. Giuditta freut sich königlich: „Fhr lernt von mir die
^chwestcr imtcrschciden." Darauf er: „Jhr seid die schonere
°°n bcidcn". Man kommt auf das unterscheidende Merkmal,

Giuditta hat cs vorsorglich-

. - iviiiiiii ulls ve

braune Zeichen auf der Brust.

schlau sich zuvor aufgemalt. So geht der Mami vollkommen in
das Netz, das die Frau ihm gespamit. Er ist entschlosscn, sich
vou Giuditta scheiden zu lassen — beim Papste, dem er zehn
Städte erobert, könne es ihm in diescr Bcziehuug nicht fehlcn
— und Reuaten sein Herz zu Füheu zu legen. Endlich, da
Schwester Renate nun wirklich aus Florcnz kommt, gicbt es
ciue Aufklärung uud eiu heiteres Ende: Orlaudo ist 'für nlle
Zeit am rechten Ort gefesselt. Wie ihm allmählich klar wird,
wer seiue ueue Flamme war, das ist in der That komisch.
Fulda, dessen Verstechnik bei Gelegenheit des „Tartüff",
dcn er so meisterhaft verdeutscht hat, genug bcwundcrt wcrdcn
konnte, schreibt — welch' cin Vorbild für Hcrru Misch —-
Versc, in bencn sich wirklich Gcist und Grazie Rendezvous
gcgebeu habeu. Hic und da, so in der Mitte des zweiten
Aktes, läht er das Jntercsse ein wcnig los, abcr zumeist siud
wir ganz unter dcm leichten Zauber diescs anmutigen Spiels.

Frl. Wittcls muß cine sehr kluge Darstelleriu scin;
die Art, wie sie trotz einer Jndisposition dicse Schalkhcit und
Munterkcit cntfaltete, dasz das Haus nur so an ihrcm Mmide
hmg, die Art ihrer klarcn feinen Diktion, sicherteu ihr ciuen
grohen Erfolg. Bei Giudittas Maskeradc konnte sie raffiniert-
schöne Gewänder anlegen und ihren Geist beim blendenden
Doppelspicl dcr koketten uud dcr besorgt bcobachtendcn Frau
in allen Lichtern spielen lassen. Man cmpfand es als einen
Höhepunkt ihrer Darstcllung, als sie, ihrer Sache sicher, den
beideu Scelen ihrer Brust den Ausdruck findet: :O Schmach,
o Glückl — „Jch liebe alle zwei," sagt Orlando, der Edcl-
niaun, dem die edle Muhe seines zurückgezogencn Lebens die
Möglichkeit giebt, seine Phautasie uach allerhand Richtuugen
spazicren zu führen. Er erscheint manchmal etwas boruicrt,
das mag eine Schwäche der Fabel sein. Herrn Goetz ge-
langen alle Entwicklungsstadicn vom blasicrtcn Ehemaim Lber
dcn feurig-stürmischen Liebhaber znm reuig zurückkehrenden
glücklichen Gatten aufs trefflichste. Seine schöne Erscheinung
uud sein vornehmes Spiel gewannen ihm die Sympathien
schnell. Die Nebenrollen sind nicht von Belang. Die Herren

Tietsch uud H e ch t, Köhler und KLkert gaben, jeder
iu seiuer Art, Vorzügliches, der erste eiue Fallstaff-Figur, der
andere einen köstlichcu, eiufältigen Baueru, dic beideu letzten
zwci sympathische offene Mämicruatureu. Frau E ck e I m a n n
hatte die stotternde thörichtc Fran des Jägermeisters darzu-
stellen. Sie gab der Figur absichtlich viel Plumpheit, viel-
leicht zuviel. Der Gesamteiudruck der Vorstellmig war vor-
züglich, die Wirkung des Ganzeu unvergleichlich fciner, als
es uculich dcr Fall war, da der Phauiasiespieldichtcr Misch
das Wort hatte. _ L. IV.

Zmor, Tod und Ienserls.

(Aus der „Klinger-Ausstellung".)

Welch' wundersam Gefährt jagt dort vorbei,

Ein blondgelockter Knab' führt an den Zug,

Es lacht sein Mund, sein Ange blickt so frei,

Denn Lieb und Schönheit spendet er im Flng.

Doch der Genoß. der schwarze, aranse Reiter
Und sein gespenstig Tier, sie weichen nie,

Wohin der Knab' zieht, stets sind sie ibm Begleiter,
Hält er am Wege Rast, so ruhn auch sie.

Und hinter ihnen heult das Heer der Namenlosen,

Die Liebe snchten und nur Leiden fanden,

Die ungezählt, verraten und verstoßen
Vom Leben, an dem Reich des Todes stranden.

Unendlichkeit und Tod und Liebe reichen
Sich immerdar verbnnden stumm die Hände
Jm Leben, dieser Kette ohne gleichen
Jst Licb der Anfang, Tod und Nacht das Ende.

8ed.
 
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