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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1902 - 31. Januar 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0080

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Witwe mährend und !wch dern Einznge in Peking be-
fanden. Er lnutct: Alle Augenzerigen slirmnen darrn
überein, dasz der jtaiser nach niehr als var der Flucht des
Hofes von der illarserin-Witwe beherrscht wird. Vcr-
schiedene hohe Bcamte wnrden hente in Andienz cm-
pfangen nnd der .llaiser spielte bei dieser Gelegcnhcit
lediglich die Rolle eines Ltrohmannes. Die zu seiner
Linken sihende .llaiserin-Witwe leitete die Unterhaltung.
Scaw den Anssagen zweier Beainter, die empfangen wur-
dcn, -nahm sic !wn dem Kaiser absolut keine Notiz, und
dieser machte anch tenren Persnch, sich an der Unter-
hattung zn beteiligen, sondern sas; melancholisch nnd
teilnghmslos da. Das Charakteristische bei dem Einpfang
war die Gegenwart der fremden Garnisonen. Die
Kaiserin-Witwe schien bon der Notwendigkeit einer ver-
söhnlichen Politik nbcrzeugt zu scin. Die Beweise dafnr,
datz sich die ttaiserin vor dem Eintritt in Peking fürch-
tete, hänfen sich. pchre erste Bemcrknng, die sie beim
Perlassen des Eisenbahnzuges anf der Station Matschapn
machte, war: „Wo sind die fremden Soldatcn?" Als sie
die ffeitnngskorrespondenten sah, verbeugte sie sich in
demüliger Weise. Bevor sie Paotingfu verlies;, bat sic
den Bahndirektor Foley, die Lokomotive nicht pfeifen zu
lassen, da sie sehr nervös sei nnd das Pfeifen sie erschrecke.
Sie schlägt vor, den Obersten Craster, den Leutnant
Cowie nnd Herrn Foley für die Eisenbahnarrangements
z>> dekorieren. Die amerckaiiischen und japanischen Of-
fiziere, welche während der Abwesenheit des Hofes die
kaiserlichen Paläste beschützten, sollen ebenfalls dekoricrt
werden. Groste Ladnngen von Silbcr, die während der
Reise nach der Hauvtstadt dcm Hofe dargebracht wurden,
sind im Lanfe des Tages in Peking eingetroffen.

Aus Stadt und Land.

8.0. Vom Schcfflenzthal, 10. Jsnuar. (Ko nkurs.) Dcm
„Bad. Bcob." wird geschneven: Jm nahcn Billigheim bat »or
nnigcn Monaten die wiit uud brcit bckaunle Hcwdclsfirma Gc-
brüder Bär (Ferdinaud und Gmon) den Konkurs angezcijrt.
Die Schuloeu betran-u e!wa 250 000 Mk Der Kasseubestoiid
ciwa 2(1 OLO A!k. Dinch dicsm Konkurs sind viele der best-
si uiertrn Baueni und GcschLf sleine vou hier und Umk.egeud iu
MilLeidenschaft pezogcn imd an deu Rand deS Ruins gebracht.
Tie Sache ist offenbar nicht gauz fanber, denn iu; Monat Sep>
tcmber haben dte Herreu für Licserung an das Pioviaiüamt übcr
80 000 Mk. vereinnahmt, auch sollcn durch Wcchsel nnd von deu
Gemeiuden gröhere Summen vereinnahwt worden seiv, worüber
jcder Auswels sihlen soll. Nur etwa 8200 Mk. sollcn bei Er-
bsfnung deS Konkaises vorgefunden word-m sein. Te: e>ne dcr
lotierigen Finauzllrs wurds vnhallet, abcr alsbald gegeu Kaution
«ieder aus srcirn Fust gesetzt. Tis armen betrogenen Bauern
habeu das Nachfebeu. Noch kurz vor Anmel.dung des Baukcrottes
hat die Gesellschaft eine Sbstndung von 71 Proz. angeboten nnd
di- sümtltches Gläubiger auf etniz« Tage aa der Na'e herum-
geführt. Dte öffentliche Mtinung ist aus's äutzrrste über die
Frcchheit empört.

3.0 Karlsruhe, 9. Jan. (Eiu Truppeiittbuiigsplatz
aus dem Schwarzwald?) Die Frage ob es iikder Umgegend

bon Villiiigcii c'ln Truppc'mlbungsplatz für das 14. Armcc-
lorps crrichtct tvird uiid wclchc wirtschaftlichcn Vor-, bcziv.
Nnciireilc hicraus jcncr O-cgcnd nnd dcm ganzcn Landc cr-
wachscn, wird znr Zcit lcbhaft crörtcrt. Dicser Tagc beschäf-
rigrc fich daniit auch cinc öffcntlichc Vcrsauimlung im Wald-
horcl zu Villingcn, anf der Rcchtsanlvalt Hcilmann iiber
dcn Eindrnck bcrichtctc, dcn dic von dcr Stadt Villiugcn ent-
sandic Kommission nnf dcm WürttcinbcrgischcnTrnppcnübnngs-
plan bci Nlünsingcn geivvnncn hattc. Dlc .llmmnissivn hat
sowohi mic dcm Stadtsckinlthciszcu in Münsingcn als auch
mit dcin Schnlthciszcn in Büttingcn übcr die Vor- und Nach-
tcilc, dic dcr l'cbnngsplatz für jcnc Gegcnd gcbracht, gcsprochcn.
Von Nachtcilcn konntcn jcnc Ortsvorständc locnig bcrichtcn.
(Bei Münsingcn »msztcn übrigcns tcine Orlschaftcn aufgc-
gebcn wcrdcnl) Das Barackcnlagcr licgr ca. drei Kilomctcr
vvn Münsingcn ivcg, cin Ilcbckstand, den dic Münsingcr bc-
klagcn. Durch dic weitc Entfcrmmg ist cs dcn Soldatcn
nnmvgtich gcmacht, in dcn freicn Stundcn nach dcr Stndt
zu gchen mid cs haben sich anf dem klebnngsplatze drci Hotcls
ctalllicrr, dic gutc Gcschüftc machcn. DaS Barackcnlagcr macht
dcn llcsrcn Eindrnck. Dic Gcbäudc sind allc mit Backstcincn
saubcr und schön aufgcführt. Dic Felder anf dem ltcbungs-
platzc wcrdcu an dic frühercn Eigcutümcr von der Mikitär-
verwalrung wicder bcrpachtct nnd Ivcnn dicse durch gröszere lle-
bnngen llcschädigt wcrdcn, so tritt cin cntsprcchcndcr Nachlasz
dcr Pachtsummc cin. Findct Scharfschicszcn statt, sv ist dics
an allcn iZugängcn zmn llcbnngspkatzc dnrch Anfzichen von
Flaggen signalisiert. Die Militärverwaltnng giebt -an dic
Landivirie der llmgcgend Latrine und Dung billigst ab nnd
durck: Fuhren für dic Mililärberwaltung findct dicsc lohnende
Beschäsrigung u»d ferncr gutcn Vcrdicnst durch Mikitärkiefc-
rungcn. Dic Mikitärvcrwaltnng hat semcrzcit dcn Gc-
schaftsleuten von Mi'insingen die Militärlicfernngcn zugesagt

Irafrvoller, als das Zusammenspicl eines ganzen Orchcjtcrs
— jem kriegerisch —- jetzt heiter — dann zart schmclzend —
dann festlich getragcn, dann leise vcrflingend mit cinem Klagc-
schrei, rührcndcr, als das Jammcrn cincs Gcfoltcrten —
weiter, tvie dcr Schrei cincs Wahnsinnigen — und zuletzt
dcr glühcnde Ergusz d'er allmächtigcn Lcidenschaft.

Gcrhard licf immcr weitcr, bis cr das Thal weit hinter
sich gclassen hattc; doch cr mcrktc nichts davon, er schaute
weüer rückwärrs noch scitwärts, cr sah nicht, wie der letzte
rote Srrahl der Sonne hinter dcm Dunkel des schwarzcu
Schlundes Vcrschivand, in den er eiugcdrungcn war. Es
war eine wilde Schlucht, die Vvn dem Bcrgstrom und dem Fcl-
sen hcrausgcwaschen lvar. Mächtige Zweige von Eichen uud
Tannen hingen sich verstrickend darübcr und schufen cinc cwige
Dunkclheit. Er war cin Schlupfwinkel für allerlei lichtscheues
Geticr und als OZerhard eintrat, liesz cben cin Kauz seine .st.'age-
rufe crtönen nnd cine Fledermaus flog dicht an seinem Kopfe
vorber. Er fühlte es, doch er kümmcrte sich nicht darum, denn
tzerade wiedcr cntzückte cine Flut von Tönen in tvundcrbarer
Harmonie scin Ohr. Dann wurde es immer leiser und jetzt
war es ganz still.

„WuiidcrbareS, göttlichcs Wesen! Mächtiger Beherrscher
der Töne, wo bist Du? Komm und laß Dich anbetenl rief
Gerhard, mit vergeblicher Ungeduld versuchend. die trübe Dun-
kelheir dcr öden Schlucht zu durchdringen. Keine Antwort lies;
sich hören, kein Wesen mit menschenähnlicher Gestalt liesz sich
sehen.

Ein schwarzcr Pfnhl stinkendcn Wassers, halb nnt Ge-
strllpp bedcckt, hcmmte seine Schritte; Nattern nnd Unken
krochen zu seinen Fützcn, der Sckirci der Eulen tvnte schaurig
durch die sonst totcnstille Nacht, doch er wankte nicht.

„Wo bist Du, grotzer Künstler?" rief er wicder. „Be-
zaubsrer der Seelc! Jch flehe zu Dir hier auf dem kalten,
nassen Gcstcin, welches nie vom Strahl der Sonne berührt
wird, umgeben von eklem Geticr, aus der Tiefe meincs de-
mürigen Herzens bcschlvöre ich Dich, höre anf mcine Bitten.
Wenn Tu cin Engcl bist, führe mich ins Elysium, trage mich

imd hnlt diese Zusage g'elrculich. Jn der Nähc von Villingen
sci, so führtc Rcdncr aus, die Anlagc cincs Ucbungsplatzcs
für das 14. Armcckorps gepkaut. Das ganze Terraiu links
dcr Untcrkirnachcr Landstratzc fallc in dcn Bcreich dcr Ab-
spcrrungsmatzrcgekn. Es scr anznnchmcn, datz manchc ncr-
vösc Gäftc dcs Waldhotcls dann nicht mchr tämcn, an ihre
Stcllc würdei! sichcr andcrc Leute kommcn, so datz ein Vcr-
lust für das Hoicl kaum cintretcn wcrdc. Die Waldhotelge-
scllschafl ivünschc, dah der Gcmcindcrat bci dcr Militärvcr-
ivaltung dahin vorstcllig tvcrdcn svllc, datz die Waldungcn
stchcn bleiben, wenigstens die Partiecn bcim Waldsce, Siadt-
park, Täfclctnnne, nnd datz cinc bcqucmc Stratze von dcn
Barackcnlagcrn uach dcm Waldhotel erstcllt wcrdc, nnd dah
das Lagcr in die Nähc des Hotcls käme. Durch dic Erstell-
ung dcs Trnppcuühungsplatzcs kämcn ucnc Eiscnbahnanschlüssc
für Villingcn in Fragc. Rcdncr crinncrt an dcn noch der
Ausführnng harrcndcn grotzcn Plan, wonach durch cinc Bahn-
vcrbindiing von Schivackcnrcuthc ühcr Tutklingcii nach Vil-
lingen dcr jctzigc grotze Umivcg um 48 Kilvmctcr äügekürzt
Ivcrdcn könnc, datz cs dann möglich würdc, dcn Ostcn mit
dcm Westen, Wicn mit Paris übcr Tuttlingcn, Billingcn,
Strahbnrg, statt übcr Stuktgnrt, Appcnivcicr zu perbindcn.

— Dienstnachrichte» Aus dem Bereiche des Schul-
wesens. Die Musiklehrcrprüfung haben bestanden:
Theodor Barnsr von Karlsnih'. Kail Bcrqer von Imweu-
staad, Konrad Gödtler vou EItli:i;en, Robert Pracht von
Mülhauscn i. E. Die R s all chr s r pr ttf u n « haben bestan-
drn: I. Sprachliche Abteilavg: Mox Borocco von Lörrack,
Oskar Burger vou Lauf. Richmd Hörth von Gai.ingen,
Adolf Willareth vou Jhringen. Il Mathem-itisch-uatur-
wisseuschaftlichc Abteiluug Friedrich Nies von Stein a. K.,
Hcinrich O s wold von Heitersheim, Michael Walibsr von
Grossklfingni. Die Ge w e r v rl e h r c rp: Lf u n g habeu be-
standen: Adolf Biethinge r vcu Bruchsü, A frsd Aiolitor
von Maniiheim, Heimtch S ck, o t t vou Furjwangev. Jn den
' Ruhestand iritt Hauprleffrer He'nrich schickle in Mcckesheiw.
Enrlaffe« anS dem öffentlichen Schuldieu't: Hauptlehrer OSkar
Bechtolb in Neckarelz. Versctznngen und Erneu-
uungcn an Voiksschulru Fciedrich G r i m m , Schulmrwolier
iu Malsch, wird Un'erlehrer daselbst, O'.to Kähni, Unterlebrer
in Heiligk.ruzsteinach, wstd Haupkt-H:cr !u Aselfingen, JokoL
Keller. als Schulverwatter nach Malsch, Hermacn Marttu,
Unterlihrer van Aue an Vie Bittidknanstalt Ilvcsdemi, Friediich
O e ß, Schulce.'walter iu Hilsentaiu, wi d Untcrlehrer dasslbst,
Georg Volz. zuletzt Schuivecwalter in Schwabcnhrimerhof,
wird Hauptlehrcr dasclbst, Adols Webel, Ur.terleyrer in Kirrlach,
als Schuttcrwalter uach St. Leou.

..'^^G^chäftl'iches.

An der wirischaftlichen Entwicklung der letzten
Decennic»

hnbcn zwcifcllos zwei Fakrorcn in hervorragender Wcisc
»lltgcivirkt: die Vcrdollkommmmg der Tcchuik auf Grund dcr
zah'lrcichcn Ncuzcircrfindungcn imd machtvolle Entfalrung dcs
Zeittingslvcsens. Ju dcr That ist dic Presse heutc cin vö'llig
micntüchrlichcr (strilndpfcilcr unscrcs moderncn Wirtschafts-
IcbcnS. Bclchrcild nnd anfklärcnd wirkt sie auf das Lesc-
publikum, wäljrcnd ihrc T'ochter, dic Zeitimgsreklame, cine
unschätzbare Vcrmittlcrin jcdcs dcii Fortschrittcn der Ncu-
zcit entsprcchcndcn Geschäftsvcrkchrs rcpräsentiert. — Eine
intcrcssankc Studie übcr die Rcklamc im allgcmcincn rmd
die Zeiriingsrcklainc im Besondcrcn findcn wir als Vorwort
zum Zeittmgskatalog, wclchcn die Annoncenexpcdition G. L.
Dau.be imd Comp. in Frakrffnrt a. M. für das Jähr 1902
hera.nsgegcbcn hat. — Ucber dcn ncucn Zeituiigskatalog selbst
köiincn wir bcrichtcn, datz durch seinc. Hcransgabc dic Hcrrcn
G. L. Daube >md Co. wiedcrum weitcn Krciscn dcs iusericrcu-
dcn Publikums cine rccht gcdicgcnc nnd wertvollc Handhabe
liefern. Dcr Katalog ist anch dicsesmal in der bereits er-
probtcn Form dcr Schrcibmappc gchaltcn imd kann durch
scineu clcganten, gcschmackvollcn Einband als Zicrdc scdes
SchrcibtischeS gelten. Jnhaltlich ist cr gcgenübcr der vorig-
jährigcn Nusgabc komplettierr imd crwcitert wordcn.

Litterari'sches.

—K Von Spriuger's Hondbuch dcr Knustgeschichtc (Lcip-
zig, E. ?l. Secmaimj isi socbcn dcr drittc Band: Rcnaissmrce
iu Jtalicu in scchster Auflagc crschicncu. Am mcistcn fällt
bci dcm clegant auSgestattctcn Baudc dic Vermchrung der
Farbcickafclii auf, dercn das Buch jctzt zwölf cnthält. Die
Springer'schc Darstcllnng gcnictzt eincn so lvcitverbrcitctcn
Ruf, datz Ivir auf ihre. Vorzügc nicht nähcr cinzugehcn brauchen.
Sic ist dcm Standcr dcr hcutigcn Forschimg entsprcchend berei-
nnd bcrichtigt. Wir köimcn das Wcrk, dcsscu Prcis nur Mt. 7
bcträgt, bcstcns cinpfchlcu.

—PlffHppi, Tie Blütc der Ninlcrci iu Holtand. (Scch-
stcr Bnnd dcr Zlunstgcschichtlichcu Einzcldarstctluiigen.) N(. 12.
Dcr Vcrfasscr hat ims nach Abschildcrnng dcr Jtalicncr, dcr
dcutschcn, spaicksthcn imd vlümischcn Mcistcr im vorliegendcn
scchskcn Bandc seincr „Kiliistgcsthichtlichcii Eiuzcldarstellungcn"
nunmchr bis znr Blüke dcr Älialcrci in Holland durchgcführt.
Der rciche Stofs ist in zwei Büchcr zerlegt, dercn erstes aus-
führlich auf dic bcidcu hcrporragcndstcn Maler Hals imd
Rembrandt und dcu Krcis ihrcr Schüler cingeht, ihr Werk

auf deu Wolkcn, wohin Du willst, nur latz mich lerncn, solch
bezauberndc Tö.ne hervorzubringcn, wie Du, latz mich eiu Fürst
sein Dciuer göttlichcn Kunst. Es ivar herrlich, Dir einen Au-
gcnblick zu lauschen, cs muß Seligkcit sein, es zn thun für iim
mcr. Abcr wcnn Du — und seine Hände pretzten sich zu-
sammcn, datz die Nägel. in das Flcisch eindrangen, wührcnd
kaltcr Schweitz seine blasse Stirn bedecktc — aber tvenn Du
cin Dämon bist, so bete ich doch noch zu Dir. Grotzer Zau-
bcrcr! MüchtigcrVcrsuchcr! König dcs Menschenherzeiisl
Bcherrschcr der Leidenschaften! Heil Dirl Hcil! Hier —
siche cs —hicr knice ich vor Dir. Hicr, wo nnr der Eukcnschrei
sich mit meincr Stimme mischt, wo seltcn cines Menschen-
futz vorher gestaudcn hat, hier flehe ich Dich an, lehre mich
Dcine Kunstl"

„— Dcine Kmistl" tönte es vom Felsen zurück. „Lehre
mich Deiue .Knnstl" rief noch einmal, halb wahusinnig, Ger-
hard. „Oder zcige Dich wenigstens den Augen Deines An-
bcters." Er stockte — ein Rauschen wie von Flügeln lietz sich
hören und ein Murmeln gleich dem Flietzen des Wassers.

„Warum 'verspottest Du Deinen Anhänger?" schrie Ger-
hard ungcduldig. „Drci Nächtc hast Du mich besucht und
mich im Schlafe gestört. Jch allctti ivar fähig, Dcine wunder-
baren Tönc zu hören, ich allein bin fähig, Deine Kunst zu ler-
ncn. Komme heran, Gcist dcr Finsternis oder des Lichtes!
Magst Du in des Himmels Höhen schweben oder in der Hölle
Tiefen wohnen — zu Dir, wunderüarer Geist, bete ichl Gro-
tzer Mcister — erscheine! Erscheine!"

51aum waren die Wortc seincn Lippen entflohen, als eiu
dumpfes Getöse sich hörcn lretz. Wie von unwillkürlicher Ehr-
furcht crgriffeu, bcugtc Gcrhard das Haupt. Als er wieder
aufblickte, satz auf eincm mächtigen Granitblock vor ihm ein
alter Mann. Er war vom Kopf bis zu Futz eingehüllt in einen
schwarzcn Mantcl und scin Haar fiel in langen Locken unge-
ordnet um sein Haupt. Aus dcm fahlen, knochigen Antlitz blitz-
tcn die Augcn in unheimlichem Glanze. Lose, als konnte ein
Windstotz sic auseinanderreitzen, hingen die Glieder zusammen.
Jn seincn fleischlosen Fingern hielt er eine Violine, dicht an

in hlstorischcr und wiedcr stofflrchcr Gliederung vorführt M
durch cine Fülle von Abbildungcn veranschaulicht. Dcc kiv''
digc Lcscr Ivird nichts vcrmisscn, svndcrn an den vielen ncue>f
bishcr wcnig odcr nocki gar nicht vcröffcntlichtcn Mldcrn sei>''
aufrichtige Frcndc habcn. Wäre Philippi nicht dic besouden
.Kimst cigen, mit wcnigcn Wortcn cincn Kimstler treffend i»h
ausrcichcnd zu charaktcrisicrcn, so Ivürdc aus dcm zwcitt^
Buche, daS die hollündischen Landschasts- und Detailmaler lP
handclt, cnttvcdcr e'mc trvckcne Aufzählung von Namcn
tvordcn scin, odcr cr häktc ims nur cinc schr unvollständiih
Ilcücrsicht gcbcn tömien. So abcr hat dcr Vcrfasser dicl^
Partic auf das Ncizvollste gcstaltet imd dic muntcre Krmst d^
holländischcn Sitrcnbildes, dcr Landschaft und dcs Stilllebe»s
ziehlt iu glücklich gelvählren Bildcrn am Leser vorübcr i»^
vcrschafft ihm cincu Vcgriff von dcm Rcichtnm dcs Säias.
fcns in dicscr Pcriode. Ein im nächstcn Jahrc erschcinendtt
sicbcntcr Band soll das 1.8. imd 1!>. Jährhimdcrt ciithalte>'
und das Gcsamtwcrk Zmn Nbschlns; bringcn.

—K Salomc. Dcr Vcrfasscc Susc suchi in modcri"'^
Auffassimg dcr Dichtform dic Gcschichte oder Legcnde dej
Salome darzustelleii, doch ist ihm das kaum in befriedigcndtt
Weisc gelimgcn. Denn abgesehc» davon, datz der Berfaffet
wcnig odcr iiichts vom Versmatz ^hält, verballhornt er dit
deutsche Sprache durch schlccht iieugebildctc Wortc. Auch ge^
dcm Gedicht die Einheit der Exposilion ganz entschieden ab
Nur cinige Stellcn wie dic Versuchung und Tanz sind (st)
lungcn und fallcn dcshalb m scincm Bvchc bcsondcrs a"l
„Dcr Narren Traum" hat leidcr auch kcinc bcfricdigcndj
Lösung gcfmiden. Der Autor zcigt, datz cr Sinn und GeM»!
für das Phantastische besitzt, jedoch mutz er noch vicl an s>ä
arbcitcn, um seincn Gcdanken mid seinen Werkcn eine Fo»»!
zn gcbcn, dic nicht vcrwirrt. Der Prcis des Vnches beträi^
3 Mark. — Das Wcrk ist crschicncn in S. Hirzels Verlag
Lcipzig.

Verantwortiich für den redaMonellr» 'Lei! F. Montua. M a»
Jnseratcntei! Th. Bert-mbirsck heib« in Heid-lbers


__.__ .

k'adrile vrrä

voa klten L Loussen, RrskZlö.


Oeseliäktsttü«!,«!',

slvinpvl;

(--vlälüUk, äsi tzriltvr,

uiitzrlruiiut Iwsta IHiristkitv.


IVIS I'kipierlörlw, 8ekreihreuge, Ilkre», I,tzllvstt6r et«. tztt
sovio Ilirsvli- unct Lvlixtzireiiie smxttestlt

3 » ttr» b Lsolcsr, tlLuptsli'asLS 133.

K. Korenhaiu,

1lsllptstrs88s 96.

Rspsrstürün xut unä kiUiZ.



7876. 79Z.

77cr^(s(n. 76, TVsrtSMSS Z

Ttssts 7-'»-rr7ca,ö Lse^s 7>sr'ss.

Phil. Gnterman«,

Hauptstraße 12» Heidelbrrg -i-i- Marktplatz

Gchsen-Mrhgem,Fleisch- u Mnr8wLrrn-seschSst 1.Ranges

emvfirbl: stch w. Lieferung von

K K Prima Mastflersch jeder Gattung. O B

Prompte reclle Bsdicming
Täglicher Vecsandt in allen Stadtteilen kokenfrei.

die Brust gcprctzt, und kratzte und zerrte an den Saiten, die
in wimdervollcn Tönen klangen, jetzt lachend in wilder Frcnde,
jetzt klagend wie im Todeszuckcn. Gerhard starrte wie be-
rauscht auf das geistcrhafte Jnstrument, das unter seineU
ivilden Blicken Lebcn zu gcwinnen schicn.

„Jst es eine Violine oder ist es cin Wesen mit Leib und
Scclc?" kam cs zitternd von (stcrhards Lippen.

Dcr Greis rcichte ihm das Jnstrumcnt imd cin ividcr-
lichcs Grinscn ging übcr seine knochigcn Zügc.

„Zivölf Jahre habc ich die Violine gcspiclt," sagte Gcr-
hard; „und keine Mühe habe ich gespart, vollkommen zu wer-
den; doch unfahbar crschcint mir das, was ich hcute gehört
habe."

Der Aktc nntzcrte kein Wvrt, nur dasselbc Grinsen ver-
zerrte scin Antlitz.

„Lchre mich Dcine Kimst, ich fleho Dich an!"

„Was willst Du mir dafür geben?" fragtc der Greis
mit einer rauhen hätzlichen Stimmc.

„Alles was zu gcben in mciner Macht steht."

„Jst das wahr?"

„Ganz gewiß. Es ist ja auch alles zu ivenig für solch
eine Kunst."

„Wer die Schätze der Weisheit erlangcn will, mutz kühn
und vcrwegen scin, erwidcrte dcr Altc mit höhnischcm Lächelu

„Fchlt es niir etwa daran? Wcnn Du es glaubst, so prüfe
mich," sagte Gerhard, von wildem Mute erfüllt.

Lächelnd betrachtete ihn der Alte von Kops bis zu Fußl
dann wankte er näher heran und flttsterte ihm cin paar Wortc
ins Qhr imd — Gerhard?

Er kehrte in jener Nacht nicht zu scinem jungen Weibe
zuruck; und als er bci Tagesanbruch in die HLttc trat, wo
Margaretc weinend satz ininittcn einiger Freundinnen, da
warcn alle entsetzt bei seincm Anblick. Er war gebrochen und
geknickt, nur noch der Schatten seiner selbst. Als er sein Weib
umarmen wollte, erschrack sie por dem unheimlichen Glanz sei-
ner Augen und als cr sie küßtc, schaudcicke sie zusammen, denu
seinc Lippcn warcn kalt wie Eis.

(Fortsetzunz folgt.)
 
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