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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1902 - 31. Januar 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0153

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durch direkte Wahl von den Landwirten gewählt werden.
Der zweite Entwurf betrifft die Abänderung des Ge-
bäudeversichernngsgesetzes (Versicherung beS letz-
ten Fünftels).

Die Beratung über das F i n a n z g e s e tz und die Jnter-
pellation betreffend den Zolltarif wird fortgesetzt.

Finanzminister Dr. Buchenberger kommt in längeren
Ausführungen auf die Muser'sche Rede zum Zolltarif zurück
und sucht den Einwand zu widerlegen, daß die Erhöhung der
Getreidezolle eine Steigerung der Grundrente und somit auch
der Bodenwerte zur Folge haben werde. Das Argument sei
allerdings bestechend, er halte aber die praktische Bedeutung
desselben für gering und keineswegs für ausschlaggcbcnd. Auch
sei zu bcdenkeu, datz'bei andauerndem Sinken dcr Getreide-
preise schlietzlich eine Hypothekcnkrisis' zu befürchten ist, wodurch
nicht nur die Landivirte, sondcrn auch viele andere kleine
Leute in Mitleidenschaft gezogen würden. Der Finanzminister
erklärte sodann den bekannten „Rcchenfehlcr" im Staats-
haushalte, der eigentlich kein Fehler sei und an der Finanzlage
nichts ändere. Dr. Wilckens und Gießler habcn die Etati-
sicrung des Eisenbahnbudgets, insbcsondere die Uebernahme
von Ausgaben auf den Betriebsetat bemängelt, die eigentlich
in den Bauetat gehören. Demgegenüber möchte er bctonen,
dah er niemals irgend welchen Einflutz auf die Etatisierung
des Eisenbahnbudgets gehabt habe (Staatsminister von
Brauer: Sehr richtigl); er sci aber mit der gegenwärtigen
Eisenbahnpolitik vollständig einverstandcn. Eine andere Auf-
stellung des Etats, insbesondere die Ucbernahme sämtlicher
Bauausgaben auf das Baubudget (Anlehensetat) würde aller-
dings ein glänzendes Bild gcben; diese künstliche Etatisierung
wäre aber nur Selbsttäuschung. Redner legt durch Beispiele
dar, dah auch in anderen Staaten die gleichen Maximen be-
folgt wcrden, datz insbcsondcre Prcußen wcit mchr Ausgaben
für Um- und Neubauten, rollendes Material usw. auf das
Betriebsbudget übcruimmt, als Baden. Auch in ausländischei
Budgets finden sich bedcutende „Zuschüsse zu Rücklagen- und
Erneuerungsfonds". Unser Betriebskoeffizient sei nicht wegen
dieser Buchung, sondern deswegen so hoch, weil wir teurer wirt-
schaften, als andere Staaten.' Er sei aber der letzte, der
unsern Eisenbahnminister in seiner volkstümlichen Eisenbahn-
politik hindern möchtc. Datz der Gehaltstarif einer Revision
bedarf, darüber bestehe auch bei der Regierung kein Zweifel;
wcnn abcr Dr. Wilckens glaube, daß diese Revision schon in
dem nächsten Landtag vorgenommen würden kann, so unter-
schätze er die wirtschaftliche Depression und die Kosten einer
solcheü Borlage. Schon eine ISprozentige Aufbesserung der
Beamtcngehälter erfordere einen Mehraufwand von 8 Millio-
nen. Davon könne in jetziger Zeit keine Rede sein. Wenn aber
die Kammer wolle, und die Regierung dränge, dann müsse sie
auch die entsprechenden Mittel bewilligen' uud dürfe auch vor
einem kräftigen Anziehen der Steuerschraube nicht zurück-
schrecken. Dankbar aber begrüße er, dätz Wilckens den Mut
fand, zu sagen, daß eine Revision auch die höheren Beamten-
klassen umfassen müsse. Diese Forderung bilde für bic Re-
gierung eine unerläßliche Bedingung, weil eine Notlage nicht
blotz bei den unteren, sondern auch bei den höhcren Beamten
bestehe. (Sehr richtigl) Diesen falle es häufig schr schwer,
die Mittel zur Erziehung ihrer Kinder aufzubringen. Aus-
schlaggebcnd sei übrigens nicht die Existenzfrage, sondern der
Gesichtspunkt der Erhaltung eines tüchtigen Beamtenstandes.
-HSehr richtigl) Jn keincm Staat seien die höheren Beamten
so schlecht und die nicderen so gut gestellt, als in Vaden. Hin-
sichtlich der Reichsfinanzreform müsse er mit Betrübnis fest-
stellen, daß die Abg. Hug und Gießler im Gegensatze zum
Abg. Binz nicht mit der nötigen Wärme fiir die Reform ein-
getreten sind. Er kenne augenblicklich gar keiue wichtigere
Frage. Bei dieser Reform sei die ganze Bevölkerung in Hohem
Matzc interessiert, da, ja, wenn die Matrikularbciträge weiter
steigen, die Ausgaben für allgcmcine Staatszwecke einge-
schränkt werden müssen und wir nicht mehr Herr im cigenen
Hause wären. Eine Reichseinkommcnsteuer wäre die denkbar
unglücklichste Lösung der Frage. Zuschläge zur Einkommen-
steuer können wir selbst erheben, dazu brauchen ivir das Reich
nicht. Den Einbruch des Reiches in die direktcn Steuer-
verhältnisse der Einzelstaaten würde er für gefährlich halten.
Cine grotze Besserung der Reichsfinanzen erwarte er von der
Bergung des Zolltarifs. Jst dieser einmal unter Dach gebracht,
Lann wcrdcn die Einzelstaaten Garantien bekommen, datz die
Matrikularbciträge nicht jedes Jahr ihren Staatshaushalt un-
günstig beeinflussen. (Bravol)

Abg. Eckert (Zentr.) vertritt unter großer Unaufmerk-
samkoit des Hauscs in längeren, monotonen Ausführungen den
Standpunkt des Zentrums zum Zolltarif.

Staatsminister von Brauer betont, daß seine pro-
grammatische Rede vielfach falsch aufgefaßt worden sei. Binz
habe scine Worte richtig dahin aufgcfaßt, daß die Regierung
fortfahren werde, dic Geschäfte iu gemäßigt liberalem Sinne
zu führen und daß sie autzerhalb der Parteien stehe. Es ist
ja auch selbstverständlich, daß wir in einem monarchischen Staa-
te nur konstitutionell regieren können. Dies hätte er gesagt,
auch wenn dic Nationallibcralen noch so stark wären, wie früher;
denn unsere Ueberzcugung ist nicht abhängig von zufülligen
Konstellationen des Hauscs. Seinc übrigen Bemerkungen wa-
ren nur sekundärer Natur. Die Politik als solche habe er nicht
unterschätzt, sondern nur aussprcchen wollen, datz die großen
politischen Fragen vom Reich gelöst werden. Mit den Bemcrkun-
gen über die Konfession Reinhards habc er nicht behaupten wol-
len, datz Reinhard lediglich der Konfession wegen ins StaatZ-
ministcrium berufen wurde, sondern weil es zweckmäßig er-
schien, datz ein Korreferent im Staatsministerium sich befindet
und im obersten Rat der Krone beide Konfessionen vertreten
sind. Darin liege kein Zugcständnis an das Zentrum, es wa-
ren vielmehr sachliche Gesichtspunkte matzgebend.

Abg. Eichhorn (Soz.) verwahrt die Sozialdemokratie
gegen die Vorwürfe deS Ministers Schenkel und bespricht den
Fall Opificius. Es sei unbegrciflich, datz der Justizminister
dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf bedingten Strafnachlaß
nicht stattgegeben habe, so datz Opificius nunmehr da drei Mo-
nate absitzen muß. Rcdner verbittet sich die Schulmeistereien
Wackers, dessen Erziehungsrecht er nicht anerkenne. (Wacker:
Jch bin froh, daß ich es nicht habel) Heiterkeit) und kommt zum
Schluß ausführlich auf den Zolltarif zu sprechen.

Minister von Dus ch weist den Vorwurf, daß die Straf-
verfolgung des Opificius von Anfang an lediglich zu politk-
schen Zwecken mihbraucht worden sei, energisch zudück. Dle
Verschleppung rührte daher, daß Opificius nicht nur nach
seinem eigenen Geständnis der Kasse des Lebcnsbedürfnisver-
eincs 800 Mark entnommen, sondern auch nicht gewußt hak,

werden. Die Hauvtrollen werdcn dergestellt vou den Damen
Herter, Hohenon. Jelly. Kögl, Jungmann, Müllsr, Schaab u»d
den Herren Brandt. Grofimanu, Nudolvh, Schneider, Wieguer,
Wau. Die Vorstellung findet außer Abonnement statt — alle
Prelsermiißignnaen baben Gültigkeit.

„Es lcbe das Leben", Hermann Sudermanns ucuestes
Schauspiel, das am 29. d. Mts. im Deutschen Theater zum
ersten Male aufgeführt wird, beschäftigt, wie alle Bühnenwerke
unseres Dichters, in eingehender Weise die Zensur. Jn dem
neueu Werke hcmdclt es sich in erster Reihe um die Streichung
resp. Aenderung von Sätzen nnd Redewendnngen, die zwar
dem Wesen des Dramas und der handelndcn Personen rein
dichterisch entspringen, aber doch vom Standpunkt des Zensors
aus der Korrektureu bedürfen. — Erfreulicheriveise sind die
Meinungsverschiedenheitcn zwischen Poeten und Zensor nicht
schroffer Art, und so ist eine befriedigende Lösung mit Sicher-
heit zu erwarten.

wo weirere 8000 bis 9000 Mark geblieben sind. Dies machte
lange Untersuchungen notwendig. Das Gericht hat die That
als eine ehrenriMige angesehen. Von der bedingten Begnadi-
gnng konnte er aber deswegen keincn Gebrauch machen, weil
bei einem 40jährigen Manne der erzieherische Zweck nicht
mehr in Frage kommen kann. Es sei eine lächerliche Unter-
stellung, daß der Staatsanwalt mit seinem Antrage auf be-
dingte Begnadigung des Opificius auf längere Zeit der politt-
schen Thätigkeit entziehen wollte. Von politischen Rückfichten
war absolut keine Rede.

Abg. Neuhaus (Zentr.) bekennt sich als Freund des
ueueu Zölltarifs, der nach seiner Meinung den Abschlutz von
Handelsverträgen nicht hindern werde.

Um halb 2 Uhr tvird die Beratung abgebrochen und auf
morgen Nachmittag 4 Uhr vertagt. Der Präsident hofft (I),
am Samstag die Debatte zu Ende führen zu könncn.

Aus der Karlsruher Zeitung.

— Scine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
nschgenonntcn Peisomn vom vormaligen Dtenste der Hochseltgen
Kaiserl» Friedrich die folgenden Ausmchnnngen verlsthen, und
zwar: dem Kammnhcrrn von Wedei und dem Leib.nzt Dr.
Svielüagen das Kommandeurkrcuz iweiier Klasse, dem Gs-
beimen Hofrat Heyse das Nitterkreuz erster Klosse und dem Haus -
kwfmeister Mertins das Ritterk euz zweiter Klasse Höchstihrcs
Ordens vom Zahünger Löwen, ferner dem Kastellan Stesfen
im Beiliner Palais und dem Futtermeister Kanja die kleine
goldene iowie dem Kuticher Stechow und dem Damenlakai
Ziegert die silberne Ve.dienstmedaille.

— Seine Künigliche Hoheit der Großherzog haben dem
Kammerlakaien Fritz Freise im Dienste Seiner Kö tgl. Hohe't
des Herzogs von Kumberland die goldene und dem Hollakaien
Adols Hauptin demselben Dlenste die silte'ne Verdienstmedaille
verliehen.

— Es wnrden die Postprakiikanten Josef Habisch in Min-
den und Heemann Kn a b in Lauterberg (Harz) zu Postsekretären
und Ober-Telegraphenassistent Karl Ad am in Konstanz zum Te-
legraphensekretär ernannt.

Karlsruhe, 23. Jan. Der Großherzog empfing
heute Vormittag den Geheimen Legationsrat Dr. Freiherrn
von Babo, den Legationsrat Dr. Seyo und den General-
leutnant und den Generaladjutanlen von Müller zum
Vortrag. Zur Frühstückstafel erschienen die Prinzessin
Wllhelm, Prinz Max und die Fürstin Sophie zur Lippe.
Um 5 Uhr begab stch der Großherzog znr Festhalle, um
einer mustkalisch dramatischen Festfeier der Schüler des
hiesigen Gymnastums zu Ehren ihrcs Direktors des Ge-
heimerats Dr. Wendt anznwohnen. Den übrigen Teil des
Tages verbrachtcn die Großherzoglichen Herrschaften mit
ihren Fürstlichen Vermandten, ivelche noch in tiefster
Trauer sind, im engsten Kreise. Heute Abend 8 Uhr findet
Tafel bei dem Prinzen und der Prinzessin Max strtt. s

Ausland.

Amcrika.

— Die „Newyorker Staatszeitung" unterbreitete dem
deutschen Botschafter Herrn bon Holleben den Plan, dem
Prjnzen Heinrich bei einem ihm zu Ehren ver-
anstalteten Bankett Gelegenheit zu geben, die hervor-
ragendsten Vertreter der amerikanischen Presse kennen
zu lernen. Der Plan wnrde gnt geheißen und die Ein-
ladnng der „Newyorker Staatszeitung" angenommen.
Das Bankett wird voraussichtlich am 26. Februar im
Hotel Waldorf-Astoria (Newyork) stattfinden. Die Chef-
redakteure und Heransgeber aller Tageszeitungen, welche
in den Vereinigten Staaten erscheinen, haben Einladnn-
gen erhalten; hervorragende Vertreter der Presse werden
gebeten werden, die Reden zn halten. Wenn auch die
Einladungen von einer in deutscher Sprache gedruckten
Zeitnng ergehen und die deutsche Tagespresse des Lan-
des gleichfalls vertreten sein wird, so versteht es sich von
selbst, daß bei dieser Gelegenheit die englische Sprache
von allen Rednern gebraucht werden wird. Anch Prinz
Heinrich wird dies thun, falls er einige Worte an die
Versammlung zu richtcm wünscht. Die! „Newyovker
Staatszeitung" glanbt auf diese Weise das ganze ameri-
kanische Volk auf die Wichtigkeit des Besuches des Prinzen
aufmerksanl machen und für die ihm zu Grnnde lie-
gende Jdee erwärmen zu können, was im gleichen Um-
fange kaum mit anderen Mitteln zu erreichen wäre. Jn-
deni sie dies thut, glaubt sie auch ihre Pflicht dem hiesigen
Deutschtum gegenüber am besten und vollkommensten
zn erfüllen. — Außer Vertretern der Presse sollen auch
die höchsten Beamten der Union, des Staates und der
Stadt, das Gefolge des Prinzen, der deutsche Botschaf-
ter nnd der hiesige dentsche Generalkonsul in Newyork
eingeladen werden.

Newyork, 22. Jan. Der Gouverneur von Jndi-
ana und der Mayor von Jndianapolis sandten, vcran-
laßt dnrch eine Petition von Bürgern von Jndsanch-iolis
eine Einladung an den Prinzen H e i n r i ch, ln der
sie um seinen Besuch baten. Der Stadtrat von- Chicago
ernannte neun Mitqlieder zum Festausschuß und bewtl-
ligte die nötigen Gelder. Der Polizeipräsident von
Chicago erklärt, daß die Anarchisten völlig unter Kon-
trolle stehen und daß alle gegenteiligen Gerüchte lächer-
lich seien. Jn Milwankee herrscht freudige Erregnng,
weil dort der Besuch des Prinzen Heinrich als wahr-
schemlich angekündigt ist; die deutschen Vereine planen
eine große Frendenkundgebung.

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 2 t. Januar.

iA Aus der Studentenschaft. Zu unserer gestrigen Notiz:
„Aufruf zu einer Cingabe früherer Schüler der Univcrsität
Heidclberg an den Großherzog von Baden znr Erhaltung
der Schlohruine in ihrem gegenwärkigen Bestande" können wir
Folgendes als Ergänzung mitteilen. Schon vor einigen Tagen
war bei dem hiesigen Studentenausschuß der Vorschlag gemacht,
die Studentenschaft wolle eine Protestversammlung gegen dcn
Wiederanfbau des Heidelberger Schlosses veranstalten. Darauf-
hin erklärte gestern der weitere Ausschuß mit erdrückender
Majorität, die Heidelberger Studentenschaft sei überhaupt nicht
berechtigt (I), irgend ivelche Stellung zu der Frage des
Wiederaufbaues des Schlosses zu nehmen.

u Vortrag Olivier. Herr Jean Jacques Olivier behandelte
in seinem gestrigen zweiten Vortrage über die französische Ko-
mödie am prenhischen Hofe die Zeit von 1740—1756. Er

ging dabei besonders auf die Beziehungen Friedrichs des
Großen zn Voltaire und D'Argens ein; ferner gedachte cr der
Verfasser der anfgeführten Werke, Molliere, CorneiUe, Racine
und besprach in Kürze einige von Friedrich dem Grotzen selbst
! und von D'Argens verfaßtc Srücke, wobei er die eine und

andere Szene aus dcn Dichtungen Friedrich des Großen vof^

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las. Wir hcrnten auch das Leben von Mademoiselle Bourgerip
und D'Argens am prenßischen Hofe näher kennen. — Di^
in großcr Zahl erschienenen Zuhörer folgten mit regem Jntec^
esse dem anziehenden Thema, das Monsieur Jean Jacgues Olü
vier schön behandelte. Der nächste Vortrag wird gewitz ebestft
stark besucht werden, da das Publikum die letzten mit soviet
Aufmerksamkeit verfolgte.

(?) „Eine gute Ansrede ist drci Batzen wertt" Jm Novenl-
ber vorigen Jahres lauerten zwei Maurer vonZiegelhausen beivt
Ilachhauscgehen am späten Abend vor dem Karlsthor einerv
drittcn auf und mißhandelten ihn mit seinem eigenen Schirvt
und mit einem geschlosscncn Messer derart, daß der Ueberfallene
einige Zeit arbeitsunfähig war. Bei der gestrigen Verhand-
lung dieses Falles vor dem hicsigen Schöffcngericht suckM
der Hauptangeschuldigte, ein wegeii derartiger Vergehen schvri
vielfach bestrafter Mann, nach allen Regeln der Ausredekunst
die Mitschuld an der Sache von sich abznwälzen, was er uinst
leichter fertig zu bringen hoffte, als außer dem Durchge-
prügelten kein weiterer Belastungszeuge zugegen war.

Laufe der Verhandlnng machte ein Wirt aus Ziegelhausen die
Angabe, daß an jenem verhängnisvollen Abend der Angeschull
digte in später Stunde mit einer blutigen Hand in seine
Wirtschaft gekommen sei. Auf die Frage des Richters, wie det
Angeklagte zn dieser blutigen Hand gekommen sei, bemerste
dieser, durch ein Nasenbluten nnd vexsrcherte dann mit dee
ernsthaftesten Miene von der Welt, daß, so oft er seine Nase
reinige, diese zu bluten beginne. „Gut", meinte der Riäster ^ K
mit einer gewissen Jronie, „Sie können hier im Gerichtssaal
beweisen, ob Jhre Behauptung richtig ist. Reinigcn Sie eiinnaf
Jhre Nase. Wenn diese dann blutet, wollen wir Jhnen glauben.'

— „Ja", erlviderte der Angeklagte nnter großer Heiterkeit der
Nnweseuden, „ich kann diesos schvn deshalb nicht thun, wcll
das Bluten alsdann gar kein Ende nchmcn will." Ehe stw
das Gericht zur Beratung zurückzog, wurde dem Angeklagteff
nochmals von dem Vorsitzenden der Vorschlag gemacht, dir
Wahrheit seiner Behauptung durch eine Nasenreinigung zu be--
weisen. Doch dieser wollte sich darauf nicht einlassen und sa
mnßte er denn alsbald vernehmen, daß ihm das Gericht als
probates Mittel gegen — Nasenbluten zwei Monate Gefängnis
verschricben habe.

f Plötzlicher Tod. Die 73 Jahre alte Karoline Schmelz aüs
Bönnighcim (Württemberg) wnrde gestern Mittag auf dcrn
Wege vonr Krankenhaus zunr Pfründnerhaus 2 von eincM
Herzschlag bctroffen und war alsbald eine Leiche.

sD Schöffengerichtssttzung vom 23. Januar. Vorsitzender:

Herr AmtSaerichlsoirektor Nib'tün. 1) Georg Philipv Wever
von Ktrchheim eihielt wegen KSrpervnletzun» 2 Wochen Gefäng-
nis; 2i wegen Hausfriedensbruchs und Rubestörung erhiett Iob-
Sohn von Wieblingen 1 Woche Geiängnis nnd 1 Tag Haft,

Wilh. Woü von da 3 Tage Gefängnis und 1 Tag Hast und
Peter Wolf von do 3 Tage Haft; 3) weaen «örperoerletzunä
erbielt Mcboel Fronk von Ziegelhansen LMonat Gefängni« uilv
Martin Wolf von da 1 Monat Gefängnis; 1) gegen SalowoN
Kahn von hier, anqeklagt wegen Beleidiqung, wurde dns Ver-
fahren eiiiklestelli; 8) Franz Adendschrin yier erhiell wegen Kor-
pcrverletzung 20 Mk. Geldstrafe oder 4 Tage Gefängnis; b)
Johann Beisel von Flehingen wegen Unteischlagung 1 Woche
Gifängni«; 7) Jakob Remle von Epvingen wegen Körperver-
letzung 1 Monat Gefänanis; 8) K irl Joief Lampiecht von tster
wegen Körpircelletzung 10 Mk. Geldsliofe oder 2 Tage Gesäng'
nis; 9) Karl Huber hier wegen Köipeiverletznng 3 Mk. Geld-
strafe oder 1 Tag GefängniS; 10) Lorenz Wittmann und AdaM
Müllcr von Eppelheim und Cbristoph Vogel von Kirchheim ett
hielten wegcn Körververlcöung je eins Woche Gesängnis!

11) Heinrich Reinmuth und Avom Reinmuih von Spech'oach er-
hielten wegen Körperverietzung je 30 Mk. Geldstrafe ev. 3 Tag^
Gefängnis. 12) Georg Leisering in Haft hier, erhielt wegev
Hausfriedensbrucbs ui d Sachbeschädiqung 14 Tage Gesünqiiis-

X Polizcibericht. Drei Arbeiter wurden wegeu Bettelns
und eine Hausiererin wegen Umherziehens verhaftct.
Wegen Unfugs kamen zwei Personen zur Anzeige.

* Doffenheim, 23. Ian. Die Umlnge wird nicht, wie e<»
Drucksthier gestern in Aussicht stellte, auf sondern um S PfS'
herunlergesttzt. , ,

mbr. Schönau. A. H., 23. Jauuar. (B ä r g e r a u s s ch u tz4
Bei der gestcrn Äbeud dahier abgehallenen Sitzung des Bürger-
ausschussrs wuide unter ai-derem auch i'iber deu Ankauf des Gr-
ländes beraten. auf welchem ein Volksbod crstellt wcidcn soll

s

s-



Die süi den Baupiatz geforderce Sum ne wurde anstandslo» gr-
nehmigt. Dn die Plüne soweit aittgearbeitet sino, so dücfte mU

dem Bau deMnäcbst beaonnen werden

8O. Mannheim, 23. Jan. Jn der Delegiertensitzung deS
Gewerkschaftskartells wurde Redakteur Müller vou der
„Leipziger Volkszeitung" zum Arbeitersekretär gewählt. Der
seitherige Arbeitersekretär Katzenstcin hatte laut „Bolks-
stimme" eine Wiederwahl abgelehnt.

Atamiheim, 23. Jan. (D i e Strafkammer) ver^
urteilte heute den 45 Jahre alten Ratschreiüer Mathias M e N S
aus Edingen, der seit Jahren in seiner Geschäftsführung sich dü
gröbsten Unregelmähigkeiten hatte zu Schulden kommen lassech
wegen Unterschlagung zu zwei Jahren Gefangnis und drel
Jahren Ehrverlust. Näherer Bericht flgt.

8 Blannhcim, 23.. Jan. (Strafk.am m e r.) Unverkenitt
bar Züge von moralischer Krankheit weist derCharakter des188v
in Eppingen geborenen Kaufmannslehrlings Julius Siegfrieo
Heinsheimer auf. Der junge Niensch war schon in vcr--
schiedenen Lehrstellen, that aber in keiner gut. Er besitzt cine»
unüberwiiidlichen Hang znm Stehlen. Jn der TabakhandlunS
Herschcl, Enthoven und Co., wo er zuerst war, hat er im Märä
vorigen Jahres dem Kaufmann Ernst Obermcyer die Sumine
von 100 Mark und in einer wciteren Handlung dem Ober>-
meyer und dem Kaufmann Bernhard Herschel gehörige Koitt
pons der österreichischen Elisabethbahn im Gesamtwerte vo»
56 Mark gcstohlen. Jm Sommcr vorigen Jahres entwendctr
er dann weiter: auf dem Bureau der Firma R. Steiner und
Cie. die Summe von 28 Mark, am 26. September scinem Hans^
herrn, dem Oberlehrer Wilhelm Schmidt, aus einem Pults
den Betrag von 66 Mark, am 28. September auf dem Burea»
der Firma Woll nnd Horn ein Zweimarkstück, im Oktvbe^
im Geschäfte von Rudolf Mayer im Jndustriehafengebiet der»
Buchhalter Blümlein nnd dcm Prokuristen Dreßler Fahu^
karten der Elektrischen Bahn und 2 Mark, im November vorige»
Jahres im Börsenrestaurant dem Oberkellner Schober eine»
Ueberzieher im Werte von 65 Mark, im Hoftheater dem prakt-
Arzt Dr. Weiß aus Ludwigshafcn einen Ueberzieher im Wert^
von 60 Mark, dcm Metzger Kaufmann Stern einen Geldbeutcc
mit 2 Mark 65 Pf. Jnhalt, im Kaffce Jmperial dem Kaufmaie»
Max Wachtel einen Ueberzieher im Werte von 49 Mark,
Kaffee Merkur dem Hofopernsänger Voisin einen Havelock iw
Werte von 40 Mark und im Restaurant „zur Börse" dem Kaust
manii Julins Bär einen Ueberzieher im Werte von 50 Mae'-
Weiter hat er zum Nachteil der Firma Rudolf Mayer den
trag von 40 Mark unterschlagen und den Wirt Adam Fischst
um eine Zeche von 23 Mark 30 Pf. geprellt. Der Verteidiger
Rechtsanwalt Dr. Köhler beantragte, den Angeklagten am
seinen Geisteszustand untersuchen zu lassen, da Heinsheirns''
infolge schlechter Blutmischnng in seiner Familie in hohe»*
Grade erblich belastet sei. Sein Vater sei wegen GeisteskraNff
heit in der Anstalt Jllenau, seine Mutter schwer leidend, ci»
Onkel habe sich in Geistesmnnachtung erschossen. Nachdel»
der auf Gerichtsbeschluß als sachverständiger Zeuge vernooü
mene praktische Arzt Dr. Bauer aus Eppingen gleichfalls si^
dahin ausgesprochen hatte, daß eine Beobachtung in eine(
Jrrenanstalt Momente dafür ergeben könne, daß der Ang^
klagte für seine Handlnngen strafrechtlich nicht verantwortlM
gemacht Iverden könne, überwies das Gericht den Angeklagt^"


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