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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1902 - 31. Januar 1902)
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Keutscher Meichstag.

Berlin, 29. Janunr.

Auf der Tagesordnung stedt ein Antrag Basser-
rnann, die Verbündeten Regierungen um baldige Vorle-
gung eines Gesetzentwnrfes zu ersuchcn, durch welchen be-
sondere Gerichte für Rechtsftreitigkeiten aus dnn kanf-
männischen Dienstvertrage eingesührt werden.

Abg. B a s s e r m a n n begründet den Nntrag nnd ivünscht
die Anwendung folgender Grundsätze: Die besonderen Gerichte
sind den Amtsgerichten angegliedert. Die Gerichte bestehen
aus einem Amtsrichter als Vorsitzenden, nnd je einem Prinzi-
pal und Handlungsgehilfen als Beisitzer. Die Beisitzer wer-
den durch die Wahl der Prinzipale und Handlungsgehilfen
in getrennter Wahlhandlung b^stellt. Die Wahlen sind un-
rnittelbar und geheim. Das Verfahrcn ist ein beschleunigtes,
cinfaches und mit geringen Kosten verknüpft. Eine Berufung
gegen die Urteile dieser Gerichte ist nur zulässig, wenn der
Wert des Streitgegenstandes 100 Mark übersteigt. Abg.
Basscrmann bittet, den Antrag einer Kommission von vierzehn
Mitgliedern zu überweisen.

Es folgt die erste Beraiung des Antrages Rickert betref-
fend Abänderung des Wahlgesetzes für den deutschen Reichs-
tag in Verbindung mit dem identischen Antrag Gröbcr und
Genossen .

Nach kurzer Diskussion wird der Antrag auf Kommissions-
Leratung gegen die Stimmen der Rechten abgelehnt.

Es folgt die zweite Beratung des sogenannten Tole -
r a n z a n t r a g es des Zentrums auf Grund des Kom-
missionsberichtes.

Staatssekrctär v. Posadowskh betritt dcn Saal.

Zu dem Antrage Lieber liegt ein Antrag Hieber-Sattler
snatlib.) vor, im Paragraph 1 der Kommissionsfassung hinzu-
zufügen: Erlasz von Gesetzen zur Ausführung des porstehen-
den Grundsatzes Freiheit-Religionsübung ist bis zum Erlaß
eines Rcichsgesetzes über das Vereins- und Versammlungsrecht
Sache der Einzelstaaten. Ferner liegt ein Antrag Albrecht
von Paragraph 2 b vor: „Religionsunterweisung kommt in
allen Schulen des Deutschen Reiches als Unterrichtsgegenstand
ausnahmslos in Fortfall.

Abg. Pichler (Zentrum) berichtet über die Verhand-
lungen der Kommission. Jn derselbeu zogen die Antragsteller
den zweiten Teil des Antrages (Religionsfreiheit der Religions-
gemeinschaften) für diese Session zurück. Der noch zur Ver-
handlung stehende erste Teil des Antrages Lieber handelt
von der Religionsfreiheit der Reichsangehörigen. Paragraph

handelt von der Freiheit des Bekenntnisses der vereinig-
ten zwei Religionsgemeinschaften und die Religionsübung.

Abg. Schrader (freis. Vergg.) erklärt die Kompetenzfrage
für den ersten Teil des Antrages kaum zweifelhaft. Das Ge-
setz, das seine Partei unterstütze, werde hoffentlich znr Förde-
rung des konfessionellen Friedens beitragen.

Abg. Hieber (natlib.) befürwortet seinen Antrag. Die
Nationalliberalen legten auf die formelle Seite der Kompetenz-
frage keinen entscheidenden Wert, aber eine blotze Aufstellung
der Grundsätze, die an sich zu billigen sind, genügen nicht, wenn
dadurch neue Konflikte herbeigeführt werden können. Wir geben
gerne zu, datz K 1 besonders mit unserem Zusatzantrag geeignet
ist, einige vorsintflutliche Ueberbleibsel der Gesetzgebung auf
religiösem Gebiete in einer Reihe von Einzelstaaten zu be-
seitigen.

Graf Bernstorff (Reichsp.) sagt, es handle sich um das
wichtige Recht des Menschen, seine Religionsfreiheit auszuüben.
Selbstverständlich solle die Religionsfreiheit an diejenigen Be-
schränkungen gebunden sein, die im allseitigen Jnteresse liegen.

Graf Posadowsky erklärt, der Reichskanzler habe be-
reits darauf hingewiesen, datz die Ausübung des jus circa
vacra im Sondergebiet der Einzelstaatcn sei. Es sei nicht zu
bestreiten, datz es aus politischen und konfessionellen Gründen
erwünscht sei, eine möglichste Uebereinstimmung der Einzel-
staaten im Kirchenstaatsrecht herbeizusühren. Aus diesem
Grunde habe der Reichskanzler sich zunächst an die mecklenburg-
schwerin'sche Regierung gewandt; von letzterer ist bereitwilliges
Entgegenkommen gezeigt worden. Die mecklenburgische Re-
gierung ist entschlossen, dcnAngehörigen der römisch-katholischen
Kirche die öffentliche Religionsübung zu gewähren und diese
ini wesentlichen in gleicher Weise zu ordnen, wie dies in Preu-
tzen und Bayern geschehen ist. Der Reichskanzler ist entschlossen,
den begonnenen Versuch, die in Deutschland zu Ungunsten der
katholischen Reichsangehörigen auf dem Gebiete des Staats-
kirchenrechtes noch bestehenden Ungleichheiten im Wege bundes-
freundlicher Verhandlungen fortzusetzen.

Der Bundesbevollmächtigte für Mecklenburg-Schwerin
schildert die Verhältnisse bezüglich der Katholiken in Mecklen-
bürg-Schwerin.

Der braunschweigische Gesandte v. Cramm-Burg-
dorf weist auf den.Gesetzentwurf über die Parität der evange-
lisch-katholischen Bevölkerung in Braunschweig hin, der dem
Landtag vorliege und von diesem sicher angenommen werde.

Abg. Büsing (natlib.) begrützt freudig die Erklärung
des mecklenburgischen Vertreters.

Abg. Bachem (Zentr.) hofft, datz Sachsen bald dem Bm-
spiele Braunschweigs und Mecklenburgs folgen werde.

Abg. Krunert (Soz.) weist darauf hin, datz die Er-
klärung des Regierungsvertreters ein Zugeständnis nur für
Katholiken, nicht aber für Dissidenten bedeute.

Nach weiteren Bemerkungen des mecklenburgischen Ver-
treters und dcs Abg. Bachem vertagt sich das Haus auf
niorgen 1 Uhr.

Tagesordnung: Branntweinsteuer-Novelle und Fortsetzung
des Etats.

Bade«.

— Der „Bad. Beob." sagt, das dirckte Wahlrecht
und die Klosterfrage seien die 2 Präfsteine dcs neuen
Ministeriums, und in einem besonderen Artiksl mtderlecst
der „Bsob." die Beschuldiguna der Soz -Dem., daß dcr
Abg. Wacker für ein paar Klösterchsn das direkte Wahlrecht
dran geben würde.

Aus der Karlsruher Zeitung. , W

— Seine Köliiglichs Hoheit der Großherzog habcn dem
Gendarmerie-Wachtmeister Wilbelm Hofstetter in Baden die
ErlaubniS zur Annahme und znm Tragen der ihm von dem
König von Schweden und Norwcgen verliehcnen kleinen goldenen
Verdienstmedaille mit der Krone erteilt.

KarlSruhe, 29. Jan. Der Großberzog erteilte
heute Vormittag von 10 Uhr an bis halb 2 Uhr einer
Anzahl Personen Audienz, darunter dem Hofrat Professor
Dr. Wolf an der Univrrsstät Hcidelberg, dem Real-
progymnasiumsdirektor Haaß in Wcinheim, dem Vorstand
der Realschule Professor Dr. Maitin in Sinsheim, dem
katholischen Pfarrer Fortenbacher in Unzhurst. Autzerdcm
empfing Seine Königliche Hoheit noch den Geh. Legationsrat
Dr. Freihsrrn von Babo und hörie Nachmittags dcn Vortrag
des L-gationsrats Dr. Seyb. Abends besnchten die Groß-
herzogtichen Herrichaften mit dec Kronpiinzessiii Viktoria
daZ erste Gastspiel des Herrn Coquelin tm Großherzoglichen
Hofthsater.

Ausland.

Frankrcich.

Paris, 29. Jan. Die Kamme: hat den Antrag
Basly auf Einfühiung des A chtstu n v e nt a g s ia
Bergwerken mit 369 gegen 196 Stimmen abgetehnt.

— Wie dic „Fraukf. Ztg." in einem übelstchtlichen
Artikel feststcllt, macht der Protestantismus in Südwest-
srankreich auffallende Fortschritte. Leiter der Bewegung
sind ehemalige kaiholische Geistliche.

Asien.

Peking, 29. Jan. Der Kaiser und die
Kaiserin-Witwe empfingen gestern die sremden
Gesandten in Audienz. Die Gesandten, Ge-
schäftsträger und Gesandtschaftssekretäre zählten fast
100 Personen. Der österpeichisch-ungarische Gesandte
überreichte eine Adresse und hob die Herstellung freund-
schaftlicher Beziehnngen zu China hervor. Die Mächte
hofften, daß die Beziehnngen noch inniger würden zu
dem Kaiser nnd der Kaiserin. Letztere drückte ihr Be-
dauern über die Vergangenheit ans nnd gab Versiche-
rungen für die Zukunft.

Afrika.

— Wie die Korrespondenz „Nederland" auf Grund
jetzt eingetrofsener „untrüglicher" Berichte seststellt,
haben in der zweiten Hälfte des Dezemb er 1901 in
Transvaal eine ganze Reihe von Gefechten
stattgefnnden, die mit Niederlagen der Eng-
länder endeten, so bei Carolina am 19. Dezember
und zwischen Standerton und Bchhal, wo Botha einen
englischen Konvoi im Werte von 20-000 Lst. wegnahm.
Bei Bethlehem habe Dewet am 20. Dezember die
Engländer ein „Schein-Lager" stjrrmen lassen und dann
das 1500 Mann starke Korps der Damantss-Horses „bis
znr Vernichtung" geschlagen. Nach dem offiziellen eng-
lischeN Berichte, der am Gouveirnementsgebäude in Pre-
toria angeschlagen war, seien nur 4 Mann unverwimdet
in die Stadt zurückgekehrt. Weiter habe Dewet die
Engländer bei Frankfort geschlagen, darauf
Harrysmith besetzt und die Engländer von dort in
die Richtung von Kroonstadt gejagt, wobei sie 400 Mann
an Toten und Verwundeten gehabt hätten. KemP habe
im Verein mit Delarey den Häuptling der Lingwe-
kaffern, die große Viehherden auf das Gebiet der süd-
afrikanischen Republik zur Weide getrieben hatten, voll-
ständig geschlagen und ihm eine riesige Menge Vichs
abgenommen. Als auf Lingwes Hilfsruf der englische
Kommandant, unter Zurücklassung einer Schutztruppe
von 120 Mann, aus Rustenburg auszog, habe ihn
Delarey umgangen nnd Rustenüurg in Besitz genommen,
das er, nachdem er seine Vorräte ergänzt hatte, nach
einigen Tagen freiwillig wieder aufgab. Nm dieselbe
Zeit habe Delarey auch Babington mit seinem ganzen
Stab zur llebergabe gezwungen.

Amerika.

— Alle Berichte aus Amerika stimmen darin überein,
daß man in den Vereinieten Staaten dem Bcsuch des
Prinzen Hcinrich mit großer Freude cntgegensieht;
es macht den Amerikanecn augenscheinlich Vergnügen, mit
einem „riesigen" Programm dem dentschen Prinzen ihre
gastfreundliche Gesinnung zn bezeugen. Menn Prinz Hein-
rich überall da hingehen wollte, wohin man ihn geladen
hat, so würde er vierzehn Wochen statt vierzchn Tage in
Amerika weilen müssen. Die Blätter bringm täglich Bilder
von ihm. Welche Rolle der Prinz Heinrich piötzlich in
den Spalten der New-Uorker Zeitungen spielt, beweist
folgende seltsamc Stelle äus der „New-Iork Snn": „Wir
haben dem Prinzen Heinrich eiwas zn unierbreiten, das
ihn in Anbetracht seiner Misston gewiß interessteren dürfte.
Keine Nation kann höhere Achtung vor der moralischen,
intellektucllen ur,d physischen Stärke des deutschen Volkes
haben, als d!e amerikanische. Wir chren und bewundern
dasselbe auf allen Gcbieten, anf deucn es sich hervorthut
und sind stolz, uns auf anderen seine Konkurrenten nennen
zu können. Aber Prinz Heinrich mnß ersehen, daß wir
die Deutschen nur aus einem Fetde geschlagen, auf dem
sie bishcr unbesiegbar galten. Jm Chicagoer Skatklub
hat nämlich Atr. Collins, ein waschechter Nankee, dis
Meisterschaft errungen! Da diese Ehre doch wohl das
relative Verhältnis nationaler Giöße zwischen Deutschland
und Amerika verschtcbt, sollte Prinz Heinrich von dem
Geschehms in KcnntniS gesetzt werden."

Der Maukmörder Keröerger vor dem
Schwurgericht.

L. Q. Karlsrnhe, 29. Jan. Unter ungeheurem An-
drang des Publikums begann heute vor dem Schtvurgericht die
Verhandlung gegen öen 35jährigen Fuhrknecht Karl August
Herberger aus Rheinsheim, der beschuldigt ist, am 26.
Mai 1900 den Färber Eichelsperger aus Markirch (Els.)
und am 25. August 1901 den Bierbrauer Steiner aus
Schamach (Württemberg) vorsätzlich und mit Ueberlegung ge -
tötet und beraubtzu haben. Schon um 8 Uhr warteten
Hunderte in der Stefanienstraße auf Einlatz; als endlich gegeu
9 Uhr die Thore des Landgerichts sich öffneten, wurde der Ge-
richtssaal förmlich gestürmt und die Gendarmerie hatte grotze
Mühe, den Andrang der Ungeduldigen, die keinen Platz er-
obert hatten, abzuwehren. Kurz vor 9 Uhr wird Herberger
auf die Anllagebank geführt: ein mittelgrotzer, breitschultriger
Mami, mit stechenden Augen, schwarzem Schnurrbart und
mächtiger Glatze. Mit verblüffendem Gleichmut und gröhter
Bercitwilligkeit antwortet er auf die Fragen des Vorsitzenden,
Lcmdgerichtsdirektor Dürr, der die Verhandlung mit gewohnter
Ruhe und Sicherheit leitet. Herberger entstammt der kinder-
reichen, ehrbaren Familie des jetzt noch lebendeu Wagners und
Laudwirts H. in Rheinsheim. Seine Muttcr ist vor einigen
Jahren gestorben, zwei Schwestern befinden sich in der Kreis-
pflegeanstalt Hub (wegen Schtvachsimis), die übrigen fünf
Geschivister schlagen sich in Hämburg, Amerika und anderen
Orten ehrlich und redlich durch die Welt. Bis zum 17. Lebens-
jahr blieb H. im Hause seines Vaters; dann suchte und fand
er bis zum Eintritt in das Heer Arbeit in Heidelberg.
Schon während dieser Zeit kam er mehrfach mit dem Straf-
gesetz in Konflikt ivegen Betrugs, Beleidigung, Ruhestörung,
Diebstahls, Unterschlagung und Sachbeschädigung. Nachdem
er im Jahre 1893 wegen Vornahme unzüchtiger Handlungen
an einem Kinde mit 10 Monaten Gefängnis bestraft worden
war, wurde ihm der Boden Deutschlands unter den Fühen zu
heitz. Er ließ sich für die Fremdenlegion anwerben und brachte

bei dieser 5 Jähre in Algier und Tonking zu, wo er als „Jo-
hann Michael Beck" den Feldzug mitmachte. Rach Nblauf seinec
Dienstzeit «rbeitete H. vom Jahre 1898 bis April 1900 M
einer Fabrik in Lothringen und kehrte dann nach Deutschlaiid
zurück. Auf seiner Wanderschaft traf er bei Schwetzingen wit
dem Färber Eichelsperger zusammen, übernachtete mit diesew
mi Neckarauer Walde, um am Morgen des 26. Mai die Weiter-
reise nach Mannheim anzutreten. Als er erwacht sei, erzählt
H/.in habe er seinen Reisegefährten in den Ausweispapieren
blattern sthen. Da sei ihm plötzlich der Gedanke gekommen,
,ich diese Papiere anzueignen nnd den Eichelsperger zu ermor-
den. Blitzschnell habc er auch die That ausgeführt, indem er
mir seinem Spazierstock dem vor ihm stchenden Eichelsperger
eincn kraftlgen Hieb über den Kopf versetzt habe. Als Eichels-
perger sich wehrte und rnit seinem Stock nach ihm schlug (wo-
durch H. eme kleine Wunde über dem linken Auge erhielt),
habc er cmcii am Boden liegenden armdickcn Bengel ergriffen
u»d emen so wuchtigcn Schlag nach dem Kopfe seines Gegners
gefuhrt, datz dieser zusammengebrochen und der Prügcl in
Ätücke gcgaugen sei. Dann habe er den Verletzten ausge-
plündcrt und ins Gebüsch getragen. Nach der That habe er
semen und Eichelsperger's Stock m die Rheinschachtel geworfen,
sich dort gewaschen und sei dann nach Mannheim gegangen,
wo er zwei Tage darauf Arbeit gefunden habe. Jm Juni suchte
und fand H. bei dem Fuhruuternehmer Fuchs in Ladcnburg
^lrbert, trat aber batd wieder aus dieser Steliung urrd erschtvin^
delte sich bei einem Schwetziuger Geschäftsmann 2 M. Untcr
dem Namen Eichelsperger verdingte er sich dann in Heddesheim,
gab aber diese Stelle schon nach zwei Tagen wieder auf, weil
ein Gendarm in jener Betrugsaffäre Erhebungen machte und
cr seine Entlarvung befürchten mußte. Er wandte sich wieder
nach Mannheim, wo er bis zum 23. Augüst mit Kiesladen be-
schäftigt war und im Freien übernachteie. Dann griff er
wieder zum Wanderstab, nm in Karlsrnhe Arbeit zu suchew
Auf der Landstratze zwischen Linkenheim und Graben traf er
mit dem Bierbrauer Steiner zusammen, der ihm abriet, nach^
Karlsruye zu gehen, ivorauf beide umkehrten und im Walde
bei Linkenheim übernachteten. Am 25. August morgens 2 Uhr
setzten sie ihrcn Marsch fort und machten im Walde zwischen
Wiesenthal und Neudorf wieder Rast bis 8 Uhr. Dann gingeN
sie an der Ncudorfer Mühle vorbei dem Waldrcmd cntlang bls
zur sog. Holzapfel-Furth an der Saalbach, wo sie sich wuschen.
Da sei ihm plötzlich wieder beim Anblick der Brieftasche, die
Steiner während des Waschens beiseite gelegt hatte, der Ge-
dcmke gekommen, sich die Ausweispapiere anzueignen. Ohm'
Zögern habe er nun dem Steiner mit seinem Stock einen Hieb
über den Kopf versetzt, so datz derselbe ins Wasser gefallen sei
und zwar mit dem Gesicht nach unteu. Dann habe er ihm noch
ein oder zwei Hiebe auf deu Hinterkopf versetzt und sich nicht
mehr weiter um die Leiche gekümmert, die alsbald von deiN
stark angeschwollenen Bache weggetrieben worden sei. Autzer
der Brieftasche habe er nichts geraubt. Dann sei er über L<tz-
heim, Hockenheim, Mannheim nach Worms gegangen, dort
übernachtet und habe dann am 28. August auf dem Scharhof
Arbeit gefuudeu, wo er nach 18 Tagen verhaftet wurde.

Die Einvernahme H.'s dauerte bis 12 Uhr. Er bestreitet, mst
Ueberlegung gchandelt zu haben. Aus dcm Zeugenverhör ist
von Jnteresse die Aussage des Polizeikommissär Marr, der die
Berhaftmig Herberger's vorgenommen hat. Ueber den Mord-
thaten lag lange Zeit eiii undurchdringliches Dunkel, da der
Thäter jedesmal seine Opfer total nusplünderte und alle
Spuren verwischte, die zur Ermitteluug des Mörders führcn
konnten. So fehlten bei dem Färber Eichelsperger alle Pa-
piere, Wertsachen usw. uud erst den angestrengtesten Nach-
forschungen der Krimiualpolizei gelang es, die Jdentität des
Toten fcstzustellen, während die Versuche, dcu Thäter zu er-
mitteln, vollständig resultatlos verliefen. Bei der Leichr
Steiners konnte die Kriminalpolizei einen intensiven Malz-
geruch feststellen, was daraus schlietzen lietz, daß der Tots
viclleicht im Brauereigewerbe thätig gewesen w'ar. Jn einew
kleincn Portemonnaiekalender fand sich dann noch das Wort
„Luxeniburg" eingetrageu, und dies veranlatzte den Kriminal-
kommissar Marx, sich uach Luxemburg zu begeben und von hisj'
aus weitere Nachsorschungen auzustellen. Er ermittelte, datz
ein Mälzer Steiner vou Luxemburg aus nach Süddeutschland
auf dic Wanderschaft gegängen war und in Köln und Frankfurs
a. M. Station gemacht hatte. Der Frankfuter HerbergswiA
Wüstinger, der eine Verfolgung seines Gastes aus politischei'
Gründen fürchtete, weigerte sich zunächst, dem Beamten das
Reiseziel dcsselben anzugeben, als jedoch der Kriminast
kommissar ihm sagte, daß Steiner vor mchrcren Monaten bei
Bruchsal ermordet worden sei, lachte der Wirt und zeigte dew
Beamten einen Brief des angeblich ermordeten Steiner, i§
welchem dieser ihn, den Wirt, bat, ihm doch seine damals zU-
rückgclasscnen Sachen nach Scharhof bei Mannheim nachzU-
senden. Damit war man dem Mörder auf die Spur gekommcio
Als der Käiminalkommissar auf dem Scharhof eintraf, wareN
die Kncchte beim Rachtessen in der Stube versammelt. Alls
schauten auf, als der fremde Herr die Stube betrat, nur Her-
berger atz ruhig weitcr. Der Kriminalbeamte fragte alle naÄ
dem Namen, wobei Herberger sich als „Steiner" ausgab. M
einem Nebenzimmer wnrde dann der angebliche „Steiner" V
ein Kreuzverhör genommen, entlarvt und verhaftet. Am fol-
genden Tag legte Herberger ein volles Geständnis ab.

Das Zeugenberhör, das im übrigcn keine bemerkenswerteo
Momente bot, konnte in der bierstündigen Nachmittagssitziliig
bcendigt werden. Morgen werden zunächst die fünf Gutachtev
der Aerzte, die Sektionsprotokolle usw. erstattet; dann
ginnen die Plaidoyers des Staatsanwalts Freih. v. Reck uw
des Verteidigers Dr. Dietz. Das Urteil dürfte höchst wahr^
scheiiilich erst spät am Abend verkündet werden.

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 30. Jan.

L. Kaiser-Kouimers der Heidelberger Studentenschafi'

Wie alle Veranstaltungen zu Ehren des Geburtstages unseres
Kaisers dieses Jahr, so war auch dieser Kommers sehr zahlreiä'
besucht. Ein Rundblick lietz uns keine Korporation vermissc'''
und das schöne Geschlecht hatte die Ausschmückung der Emporeb
in uncigennütziger Weise übernommen. Es war eine Lust öjj
schauen. Der Vorsitzende des Studentenausschusses Hers
stuä. jur. v. Lilienthal Rupertiae eröffnete den Kvmmcr^
mit einem schneidigen Salamander auf den feucht-fröhlicheir
Berlauf des Abends und gab damit das Zeichen zum Begiusj
echt studentischen Lebcns und Treibens. Manch' frohes
manch' ernstcs Lied, kräftig unterstützt von den Tenors de^
Damen, erklang. Die Reden aus Kaiser, Großherzog i">st
Gäste hatten die drei Vorsitzenden des Ausschusses in üblickl^
Weise unter sich verteilt uird lösten ihre Aufgabe mit bestcU)
Willen. Nach diesen Reden ergriff S. Magnifizenz der Pro^
rektor das Wort, dankte im Namen der Gäste, sprach vuo
dem echt deutschen Geiste, der stets von der Ruperto Carom
ausgegangen sei, ermnerte an die Namen Häusser st>^
Treitschke und ermahnte die Kommilitonen, diesen Geist weit^
zu pflegen. Seine geistreichc, von Humor gewürzte Rro
endete in ein kräftiges, dreifaches Hoch der Gäste auf die
dentenschaft. Nach einem weiteren Liede lietz es sich
Garnisonälteste Bezirkskommandeur Oberstleutnant Schö"^
garth nicht nehmen, seinerseits im Namen des Heeres "st
sonders seinen Dank für die Einladung zum heutigen Abei^
auszudrücken, machte auf die vielen Beziehungen von Hcer Z
Studentenschaft aufmerksam und konnte es sich nicht versagr"'
das Kommando eines Salamanders auf das guteEinvernehr"^


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