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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1902 - 31. Januar 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0202

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^schciut tLqltch, SonntagS auszenommen. — Preis mit Fsmilienblättern uwnatlich bv Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedttion und üen Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post dk-

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

^azetgenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder dcren Raum. Reklauiczelle 40 Pfg. Für hiesige Gejchästs- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimml
vorgeschrtedenen Tagen wird ksine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Freitag, 31. Januar M2. _ Zweites Blatt

44. Jahrgang. — Ilr. 26.

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Wo chenchrouik.

^ (Vom 19. b!s zum 25. Jan.)

^n. 20.: Das Stuttgarter Hoftheater brennt ab.

» 21.: Jm englischen Unterhause rühmt Chamberlain
die betspiellose Humanität der engltschen Krieg-
führung in Südasrika.

» 21.: Jn der Zweiten Kammer wünschi der Abgeordn.
Wacker dem Ministcrium etn langes Leben als Ant-
wort auf dte Erklärungen, die der Staatsminister in
der vorhergehenden Sitzung abgegeben hatte.

» 22 : Es scheint, als ob der Bau der Blockhäuser in Süd-
afrika dte Lage der Engländer besseit.

>, 23.: Jn der Zweiten bad. Kammer hebt der StaatS-
mintster hervor, daß dte Regterung fortfahren werdc,
dte Staatsgeschüfte rn gemäßigt ltberalem Sinne zu
führen.

-- 23.: Ter serbische Thronprätendent Fürst Kara-
georgiewttsch erläßt ein Manifest an die Serbey.

» 24.: Dte Hinrichtung deS tapferen Burcnführes ScheePers
eircgt tn Hollar.d unbcschretbliche Entrüstung.

» 24.: Der Prinz von Wales reist nach Dcutschland
ab, um an der Feier von Katsers Gebuitstag teil-
zunehmen.

» 25.: Bei Enthüllung eines Glasgemüldes im Berliner Kunst-
gewerbcmuseurn hält der Katser etne längere Rede
über die Pflcge des Schöneu.

» 25.: Die Zwette bad. Kammer beendet die allgemeine
Finanzdcbatte. Diese hat acht Sttzungen in An-
. spruch genommen.

Deutsches Reich.

Bade».

„Än ben von dem tatholischen Pviester Dr. Bn-
^äller in Angsburg hc'ronsgogebenen kathotischen, aber
, wrmfrenndlichen „Freien dentschen Blüt-
^rn" veröffentlicht ein Schnler nnd treuer Verehrer


cfranz Ziaver Uraus, gleichfalls ein tatholischer
Mester, Erinnerungen an den kiirzlich verstorbenen Ge-
s^rten, die in gewissen katholischen Üreisen wohl mit
gemischten Gcfichlen werden anfgenommen werden.
Äonders bemerkcnswert ist darin die Behanptnng —-
, U' die der Berfasser aus eigensten Erlebnissen Beweise
^ orbringen sich erbietet! — dasz in dem theologisckien
,.,oiivikt zn Freibnrg nnd noch mehr im
^ iesterse m i n a r zn St. Pcter, wo der heran-
^Uchsende Klerns .der Erzdiözese erzogen werde, eine
^Sentüniliche nnd schon Jahrzehnte lang eingerichtete
-rtze gegen die Faknltät bestehe, wodnrch die
,wgen PricsteramtSkandidatcn systematisch ihrm recht-
./riszigen, ini Auftrage von Kirche nnd staat dozierenden
Ärern entfremdet würden, bis sie in dem genannten
^rirnnnr einsehen gelernt hätten, dasz KrauS neben
^chell in Würzbnrg der gröszte Feind der tatholischan
>urche uiid seine. Kollcgen nn der llniversität elende
^öpse seien, die alle sofort von der Krrche abfielen, wenn
^ule ein allgemeines Konzil küme. So soll sich der
d-Ubregens im Jannar 1898 zn seinen Alnmnen aus-
s, surochen haben. Tieses Spstein werde mit solcher
^Untückischen Gransamkeit durchgeführt, dasz jährlich
^hrere Priesteramtskandidatcn nnter irgend welchen
,?rgeschützten nichtssagenden Gründen oder auch unter
h ftweigerung der höheren Weihen ohne Prozes; und Ver-
und ohne Angabe irgeud welchen Grundes aus dein
bMinar entlassen wnrden, blosz weil sie im Verdachte
»Uden, Anhänger der Lehre ihrer rechtmätzigen Lehrer
^sein. Der Verfasser, Priester Karl Bill in Neuburg,

^ Sneewittchen.

^ Roinan von A. I. M o r dtm an n.

(Fortsetzung.l

tz, lind cr lief, oben bercgnet nnd durchnätzt, untcn von
i U'atzenkot nnlieblich bespritzt, bis er die Fricdrichsen'sche Villa
>,rsichte, wo glücklicherweise sein Freund, der vom Fenster
jh ch ihm ausgeblickt hatte, ihm schon entgegengeeilt kam, und
s.,' von niemand sonst bcmcrkt, in sein Zimmer bugsierte.
l^!. einem solchen Aufznge durste er sich freilich nicht blicken
Es wurde eiiigehender Rapport an Friedrichsens
Kvtter erstattet und dicse, von mütterlicher Besorgnis erfüllt,
lhch ihx jugendlichcr Gast sich in dcm nassen Anzuge erkälten
jj^de, lieh ihni den kategorischen Bcfehl zugehen, er habe
dou Agps dis zu Fusz ebcuso uuweigerlich wie gründlich um-
^^iden, um erst dann bei Trsche zu erscheinen, worauf
fofort nach dcm äutzcrcn die Stärkung und Erwärmung
. '"»eren Menschen mit heitzer Bpilillon und feurigem Rhein-
energisch in Angriff nehmen würde.
ih^Das wäre nun alles rccht gut und schön gewesen, wemi
»ur Rudolfs Kleidung besscr gepatzt hätte: aber Fritz
llg °lv, wie cin richtiger Ditmarse, war grosz und breischultc-
Rudolf Friedrichsen dagegen klcin inid schlank. Daraus
tzstzw sich der bctrübende llmstand, datz die Hosen eine ziemliche
!lis, ^ oberhalb der Kriöchel Halt machtcn und an den Bcinen
>,jN> wie eine Wiirsthaut, die Rockärmel aber bei werteni
i,,,A bis zu dcn Handgelenkcn hinabrcichten; für Strümpfc
M ^trefel mutztc d!e Garderobe des alten Friedrichsen aus-
IjPs», uud bcdauerlicherweise wareu die Stiefel vou so bedeick-
!lll, llmfange, datz Zarnow, als er auf seine Fütze hinab-
''llücht wutzte, ob er lachcu, odcr weinen sollte.

!>j,^stldessen, was war zu machen? Das sauberc Dicnstmädchen
bjj^gte uii, die Suppe sei aufgctragen und das verstohlene
hj^An, über ihre frischen Gesichtszüge flog, liesz Fritz
kej,, iinbrunst dem Schicksal uochmals danken, datz im Hause
/^nnien seien. Aber was war das. als sie die Treppc
ntergekommen waren und vor der Thür des Speisezimmers

behauptet, diese Dinpe hätten dem Prosessor Kvuns auf
die Daner alle Frelide an der akademischen Lehrthätigkeit
genonnnen und seien der tiefstej unl> eigentlichste Grnnd,
warmn Krans nicht mehr regelmäßig las, sondern seine
Kräfte einer besseren und crsolgreicheren Thätigkeit zn-
wandte. Weiterhin behauptet Bill, er selbst sei wieder-
holt, sogar von dem Weihbischofe, zureicht gewiesen wor-
den, weil er als Anhänger der Philosophie Braigs (des
Ordinarins für Apologetik nnd Dogmakik in Freiburg)
bekannt gewesen sei; der schon erwähnte Subregens des
Seminars habe ihn zweimal direkt ausgefordert, dic
Philosophie Braigs aufzngeben, weil sie sich nicht mehr
mit dem Sckandpnnkt der Kirche vertrage; selbst Gutberlet
gehe zn wcit, nnr seine eigenen (des Subregens) Werke
seien wahre katholische Wissenschaft. Beigefügt mus;
werdcn, das; der Verfasser, der sichtlich von starker per-
sönlicher ?lbneignng sich leiten lätzt, selbst aus dem ge-
»annten Seminar in der geschilderten Weise entfernt nnd
dann später in Bayern zum Priester geweiht wprden ist.
Es ist wolil anznnehmen, datz seine Behauptnngen z» leb-
haften Erörtei'nngen ?tnlatz geben werdckn.

Württemberg.

S t n t t g a r t, 28. Jan. Das Abgeordnetenhaus
beriet heute den Gescktzentwnrs über die im Jahre 1901
und 1902 zu crbauenden Nebeneisenbahnen. Bei
dieser Gelegenheit machte Minister v. Soden die Mittei-
lnng, dasz die Betriebsergebnisse der Eisenbahnen im
lansenden Jahre hinter dem Ansatz des Etats ganz er-
hcbtich znrückgeblieben »nd daß es nötig sein werde, den
ganzen Reservefond der Bahnen in Anspruch zu nehmen.
Trotzdem werde sich aber noch ein Manko ergeben. Nach
dem Etat sollen aus den Einnahmen der Eisenbahnver-
waltung iin lanfendcn Jahr 16 300 000 M. an die
Staatstasse abgeführt werden. Da der Reservefond der
Staatsbahnen etwa 3 000 000 M. beträgt, so wird der
BetriebsanSsall, mit dem gerechnet nmrden mnsz, noch er-
beblich über diese «umme hinausgehen. Der Minister
wies iin Zusainmenhang damit und mit Rücksicht auf die
wirtschaftliche Lage überhaupt daranf hin, datz nnter
solchen Umsländen sür die nächste Zeit beim Ausbau des
Nebmbahnnetzes ein langsameres Tempo eingeschlagen
werden müsse. Die heutige Debatte drehte sich im übri-
gen hauptsächlich nm die Frage, ob sür den weiteren Ban
von Nebenbahne» Privatgesellschaften in dem bisherigen
Umsang herangezogen werden sollen oder ob nicht ange-
sichts de.r auszerordentlich hohen Zuschüsse, die sür ein-
zelne Bahnprojekte nenerdings gefordert wurden, der
Slaat das Risiko ganz übernehmen und die Bahnen selbst
bauen nnd betreiben soll. Die dlnsicht der Mehrzahl der
Redner ging dahin, das; nnter den gegenwärtigen Ver>-
hältnissen die Privatgesellschasten nicht entbehrt werdo,n
tonnen, tvenn dem Wunsche der Bevölternng entsprechend
die verschicdenen Projekte schon jetzt zur AuSführung
koinmen sollen. ?tuch die Regiernng vertrat diese ?luf-
sassung. Einigkeit herrschtc darüber, datz daZ Schmal-
spnrsyslem unter allen llmständen zu verlassen sei nnd
von dar Erbaunng nener Zahnradstrecken möglichst Um-
gang zn nehmen sei._

Ausland.

Eugland.

London, 29. Jan. (Unterhaus.) Jm wei-
teren Verlanfe der ?l d r e tz d e b a t t e stellt Boland

(Nationalist) einen Antrag, in welchem gegen die Ver-
hindernng öffentlicher Versammlungen anf 9N alta zur
Besprechung der beabsichtigten Einführung der englischen
isprache in den Gerichtshöfen und die Erhöhnng der ?lb-
gabcn Einspruch erhoben wird. Chamberlain
siellt in Abrede, datz irgendwelche Volksversainmlnngen
der Malteser verboten wnrden, sie würden sogar von
den Behörden gefordert. Das einzige, was verboten
wurde, war eine Prozcffsion dnrch die engen Straßen der
Stadt. Es sei anch nicht zu eincm Anfruhr gekommen.
Schulknaben und Stndenten hätten nur eine kleine
britische Flagge vor denr britischen Klub zerrissen.
?lllerdings beständen Meinnngsverschiedenheiten zwischgn
dem ?lusführenden Rat in Malta nnd der britischen Re-
gierung, es sei aber nicht wahr, datz ernstliche Unzu-
sriedenheil unter der Bevölkernng herrsche. Er wolle
gern etwaigen Beschwerden der Malteser entgegenkom-
men. Malta sei aber in erster Linie eine Festung, nnd
hier eine Agilation zu eröffnen, könne die Neaierung
nicht dulden. Redner legt dann dar, dafz die Sprache
'Maltas nrsprünglich nicht ein italienischer, sondern ein
arabischer Tialetl war, datz aber die Mehrheit der älteren
Ganeration (bis 82 Proz.) sich für die Erlernung des
Englischen durch Option entschieden habe. Wenn die
Mehrheit der Bevölkernng nnn nicht mehr italienisch
lernen wolle, könne sie die Regierung nicht dazn zwingen.
Das habe nun in Italien s ch m erzliche Er
p e g u n g hervorgerufen. Es wäre bedanerlich, wenn
irgendwelche Mitzdeutnng die Spmpathie beäinflussen
oder verringern könnte, welchc bisher zivischen England
niid Ftalion bestand und, wie er hoffe, noch lange weiter-
bestehen werde. (Beifall.) Die Jtaliener seien haupt-
sächlich gegen die Proklamation, wclche binnen 15 Jahren
die englische Sprache zur alleinigen Gerichtssprache
machen wolle. Wenn er dnrch irgend ein Komproims;
das schmerzliche Gesiihl entfernen könnte, das bei den
guten Verbündeten Englands, den Jtalienern, herrsche,
dann ivürde er diese Proklamation in aller Form be-
dingungslos znrückziehen nnd sein Vertrauen allein auf
die Zuknnft ietzen. Botand zieht nunmehr seinen An-
trag zurück.

— Dcr „Daily Telegraph" nimnit Gelegenheit, an-
läszlich der Ernennung des Prinzen von Wales zum
Ehef der Deutzer Kürassiero dem deutschen Heere
nnd dessen „vollendoter Kriegsorganisation" einen war-
men Tribut zn zollen nnd von der Ehre, welche«. der
deutsche Kaiser dem britischen Throngrben durch die Er-
nennung erweise, zn sprechen. Ebenso wie der Prinz von
Wates werde man auch in England dieseS Kompliment
Nnirdigen. Die Zeitung weist darauf hin, daß das
deutsckze Heer von England aus mchr als von irgend
einem anderen Lande Anerteiinung gesunden habe und
erinnert an Carlyle's „Friedrich den Grotzen". Die
Engländer sähen in dem deutschen. Heere die glänzaydste
iLchöPfung eines anfbauenden Patriotismus, durch den
ein geduldiges und entschlossenes Volk in Entwickelnng
der Jdee des Grotzen Kursürsten es verstanden habe, die
Nachteile der schlechtcslen strategischcn Lage der Welt auf-
zuheben und den deutschen Namen zu Höchster Höhe zu
heben. Jhr Ruhm und ihre Stäxke seien unangreifbar
wie die britische Flotte und sei /nie auszer auf Grund sall
scher Darstellungen hin — in England geschmäht worden.
Wenn die Engländer auf den Toast des Kaisers Wilhelm
antworten könnten, so würde es äin Hoch sein auf den

standen? Er stand bestnrzt still .... tlang es aus der halb-
offenen Thüre yicht wie von hellen Mädchenstimmen?

„Dn, was ist dcnn?" stammelte er. „Du hattest mir doch>
gesagt, es wären keine Damen da?"

„Sind auch nicht, Carissime l Das' sind blost Cäcilie und
Helenel"

„Bloß Cäcilie »nd Hclene!" stöhntc Zarnow schreckens-
bleich.

„Nnn ja, mcine Schwestern! Ein Paar Babies!"

llnd im nächslen Augenblick stand Zarnow vor den bcidcn
Babies — reizendcn Bäckfischcn von fünfzehn nnd zwölf
Jahren — und wntzte vor tötlicher Verlcgenheit nicht, was er
anfangen sollte.

Die jüngcrc Schwester könnre sich freilich nicht bezwingen
nnd brach bcim Anblick der abcnteuerlichen Gestalt, die sich
da als Frcnnd ihres Brnders präsentiertc, in ein unbändiges
Gelächter ans. Aber die ältcre, Cäcilie, gab ihm mit zutrau-
lichcm Lächcln dic Hand, indem sie sagte: „Lassen Sie das
alberne Kind nur lachen, Herr Zarnow, und nchmen Sie es
ihr nicht übel."

Die gemütliche Art der beiden Eltern und Cäciliens
sinnender Ernst lieszen dcn ersten Moment dcr Verlegenhcit
rasch vorübergehen, nnd als es spüter tvurde, hätte Fritz sogar
die übermütige Laune Helencns in dcm kleinen Kreise, in dem
cr rasch hcimisch ivurde, nicht misscn mögen. Als cr abends
iiach Hause ging, war der junge Zarnow znm erstenmale !n
seinem Lcbc» so hoffnnngslos verliebl, wie ein jnnger Mensch
es überhaupt sein tänn.

Dann flogen seinc Gcdankcn zu einem zweiten Regeniage
zurück. Das war ein Jahr später gewesen. Zarnow hatte im
natnrhisiorischen Mnscum seine Angebetetc getroffen und, da
sie ohne Schirm !var, sie mit seinem Regendach nach Hanse ge-
leitet. Und an ciner cinsamen Stelle des Wcges hatte er den
ersren Kuh von ihr bekonimen.

Wicdcr ein Jahr später ging Frltz anf die linibersität, nnd
Rndolf, bei dem die lleberzeugnng zum Durchbruch gekommcn
ivar, das; er nicmals einer der vier Fakultäten zu sonderlicher

Zierde gercichen würde, trat in das väterliche Geschäst ein.
Die Schülerliebe aber erlosch nicht, und es war schier ver-
wnnderlich, datz die kleinen glühendcn Bricfchcn, die von den
Licbcnden gewechselt wurdcn, nicht die übrigen Postsachen in
Brand stecktcn. Als Zarnow von dcr Hochschnle zurückkam,
ward cr Lehrer am Johanneum. Der erste Bcsuch aber, den er
bci seincn altcn Freunden abstattete, war cin Kondolenzbesuch;
denn dic Eltern der drei Geschmister warcn in eincm Zwischen-
ranm von wenigeniStundcn an der Cholcra gcstorben.

Dann kam die licht- und sonnendurchfunkelte Zeit, da seine
Liebe zn Cäcilic auf gecbneter Bahn Fortschritte machte, eine
Zeit voll freudiger, glückseliger Eriniierniigen: aber ihrer
teine war doch zu vergleichcn mit jencn Tagen strömenben
Regens, dem eincn, da er zum erstcnmale das holdselige
Mädchen gesehcn nnd jenem andern, da cr den erstcn Kuh anf
ihrc rotcn Lippen gcdrückt hatte.

Die Post hatte wührend seincr Abwcsenheit zwei Briefe
für Herrn Dr. Fritz Zarnow gebracht, beide mit einem offizi-
ellcn Sicgel, abcr den cinen aus der nächsten Nühc, den andern
aus iveiter Ferne. Er legte beide gleichgültig bei Scite: weder
der aus Hambnrg kommende noch dcr mit groher brasilianischer
Marke versehcne errcgten in besondercm Gradc 'scine Nen-
gicrde. Jhm lagcn ganz andere Dinge am Herzen. Er warf
einen laiigen, liebcvollen Blick auf das an der Wand hängende
Bildnis Cäcilicns, einen mitzmuiigcn auf dcn Stotz blauer
Hefte, den der Schnldiener gebracht hatte, und dann ging er
daran, seine gründlich durchnätzte Kleidnng zn wechseln. Seine
Wirtin brachte ihm den bestellten Thec und kalten Aufschnnt
nnd dann crst, als bcides in zwcckentsprechender Weise be-
seitigt war, und Zarnow in seinem Lehnstuhl satz, eine Flasche
Marganx neben sich und ans seiner langrn Pfcife dcn wohl-
riechenden Dampf des feinen Latakia — andern rauchte er nie
— einsangend, öffncte er die Briefe, um von ihnen Kenntnis
zn nchmen, bcvor er sich in das' brandcndc Meer der laieinischen
Stilübnngen stürzre.

(Fortsetzung folgt.)
 
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