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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (2. Februar 1902 - 28. Februar 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0227

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Erfahrung, daß dcr Köiurerbau nicht mchr rcntierr. Redner
legt eingehend die Nvtwcudigkeit cines höhercn Zollschutzes dar.

Nach kurzen Ncpliken dcr Kommerzienrätc Scipio und
Krasft und einem Schlutzivort dcs Berichterstatters Freih.
v. G ö l e r schlietzt der Präsidcnt gcgcn 9 llhr die Sitzung.

Bade».

Ileber dic für B a d e n geplante L a n d w i r t -
s ch a f r s k a m m e r bcstiinmt dcr dcm Landtag vorliegcnde
Gesctzenrwurf: Die Landwirtschaftskammcr, eine Kürperschaft
deS öffcntlichcn Rcchts, soll dic Zcntralbehördeu, Kreis- nnd
Gcmeindeorgane, sowic die landwirtschaftlichen Bcreinigungen
und Berbände durch Miiteilimgen, Aiiregungen u. s. w. unter-
stützcn. Auch ist sie bcfugt, bci dcr VerwalMng von Einrich-
tungen, ivic Produktcubörse, Märktc uud Ausstcllungcn mitzu-
wirkcu. Aus dcr Kamrner Ivird der Borstaud auf drci Jahre
gewählt; cr bestcht aus 5 Ntitglicdern ncbst ihren Stellvcr-
tretern. 28 Mitglicder der Kammcr werdcn gclvählt dnrch die
Landwirtschafttreibenden in Wahlbezirkcn und höchsicns 14
dnrch die gcnaiintcn Berciliigungen: auch können von der Zcn-
tralbehörde aus sachverständigcn und um dic Landwirtschaft
bcrdicntcn Personcn cin Sechstel dcr Mitglicder ernannt wer-
den. Wahl und Erncnnnng dcr stimmführenden Mitglieder
erfolgi auf 0 Jahre, wobei allc drci Jahre die Hülfte aus-
scheidct. Wählbar sind Eigcntümcr, Nutznichcr, Pächter, gc-
setzliche Vertreter und Bevollmächtigte^ landwirtschaftlich be-
nutztcr badischer Grundstücke bci ciucm Steucrkapital von miu-
destcns 8000 M.; fcrucr Personcn, denen die Landwirischafts-
kämmcr lvcgcn ihrer Bcrdicnste um dic Laudwirtschaft die
Wählbarkeit beilcgt oder Ivclche miudestens 10 Jähre als Bor-
standsmitgliedcr odcr Bcamtc ciner landlvirtschaftlichcn Ver-
einigung angchöreu. Nötig ist das zurückgclcgtc 25. Lebeus-
jahr, Rcichsangehörigkcit und Wohnsitz iu Badeu. Die Kostcu
der Kammcr werdcn teils aus der Staatskassc, teils aus ctge-
ncm Bermögen, icils dnrch Beiiräge gedecki. Zur Bcitrags-
leistung die 5 Pfg. von 100 M. des beitragspflichtigen Stcuer-
kapitals überstcigt, ist die Genehmigung dcr Zcntralbchörde
bci li' Pfg. die der obcrstcn Staatsbehörde einzuholen.

Älus Stadt und Land.

dl. Sin Heirelberger als erster Bürflcrmelster von Einciiinati-
Es dürfte von Jnteresse sein, datz der erstc Mapor von Cincinnati,
das ain 1. Jannar d. I den hnndcrtjäyrigen Gebnrtstag seiner
Entstehnng als Gemeinwescn feierte nnd das zn einer Stadt von
326000 Einwohncrn angewachsen ist, von den zwei Drittcl rein
dentschen Ursprnngs nnd 80 Prozent auf dentschem Boden gc-
borcn sind, cin Hcidelbcrger gewcscn ist. Cincinnati wnrdc
im Jahre 1788 von zwei Dentschcn, Benjamin Seitz und Mathias
Denmann, gegrnndet nnd war znnächst eine kleine Ansiedclnng,
die in den Jndianerkriegen der 1790er Jahre getren die Grenz-
wacht hicli. Als i»i Jahrc 1791 (wir folgen hier den A»S-
fnhrungcn dcr New-Aorkcr Siaatszeitnng vom29. Dezember v.J.)
die iinglückliche Armcc St. Clair's von Fort Washingtoi; aus
gcgen die Jndiancr inarschierte und eine schrcckliche Niederlage
crlitr, übergab St. Clair das Kommando des Forts an den
Majvr Tavid Zieglcr, dcr am 16. Angust 1748 in Hcidclberg
gcboren, schon im amerikanischcn Ilnabhängigkcitskriege sich ans-
gezeichnct hatte, nud der dcr cinzige Osfizier war, dem er den
Muth nnd die Fähigkeit zntraute, das zersprengtc Heer zn sam-
meln nnd dic anlicgcnden Ansiedeliingen Por den dnrch ihren
Sieg übermntig gcwordcnen Jndiancrn zn schntzen. Aber dcr
antivistischc Geist, dcr sich bereits im Unabhängigkeitskrieg gegen
General Stenben nnd alle fremdeu Offiziere zn erkennen gegeben
hatte, wühltc anch jetzt beim Präsidenten Washington gegen Zieglcr.
Man warf ihm Jnsnbordination gcgcn den Kriegsmiuister nnd
Trunkenheit vor. Hicrvon angcekelt, legte Zieglcr freiwillig das
Kommando des Forts nicdcr. Anders aber dachten die Bürger
von Cinciunati, nnd als am 1. Januar 1802 dasselbe als Stadt
incorporicrt wurde, machten sie die ihm zn Teil gcwordene Aiv
feindnng dadnrch wicder gnt, datz sie ihn zn ihrem erstcn Mayor
erwählten, Als solchcr wirkle er bis 1805 nnd anch nach seinem
Abgang bis zn seinem 1811 eriolgten Tode für die geistige nnd
industriellc Entwicklnng der aufstrebendcn Stadt, nachdcm er vor-
hc: 12 Zahre lang für sein Adoptivvaterland anf dsm Schlacht-
feld gekämpft nnd für dcssen Freiheit sein Blnt vcrgossen hatte.

Mnnnlieim, 8. Febr. (B e i e i u e m P r i v a t b a l l e,)
der am isamstag Abeud statrfand und anf dcm die Spitzen der
hiesigen Gcscllschaft vertreten ivaren, hättc sich, dem „Maimh.
Anz." znfolge, leicht eiu folgenschwcres Unglück creignen
können. Es ivar nämlich bcnbsichtigt im Ballsaale eine photo-
graphischc Gruppenaufnahme mittelst Blihlicht zu machcn.
Nls dcr Lichtapparat in Thütigkeit gcsetzt Ivcrden solltc, flog cin
Funke des Blitzlichkes an das Kleid dcr Gcmahlin deS Gast-
gebers und sehte dassclbe sofort in Flammcn. Der Gattc der
Dcmie, die gefährliclic Situation überblickend. hatte Lie
Geiüesgegenivari, dic Flamme durch Ucberlverfcii von Tüchcrn
soforr zu ersricken. Diesem ritterlichcn Eingreifen ist es zn
vcrdauken, das; die Dame glücklicherweise kcinc Brandwundcn
erlirien hat. N'achdem die dnrch dicsen Borfall begreiflicher
Weise bestürzie Tame sich erholt nnd umgckleidet hattc, konnte
das Ballfeft untcr ihrem Beisein seinen nngestöricn Fortgang
nehmen.

Maniiheim, 8. Febr. (D e r A eckaraner Ue b e r -
f a l l. > Jn Bczug auf die AUitcilung, dast ein gewisser L u d -
w i g, der dcn Ueberfnll auf die Tochtcr dcs ehcmaligcn Rat-

Eäcilie täm wiedcr herein und setzte sich ans Fenster; aber
ihre Gegcnivari störte die bcidcu nicht, die man kaum noch
Liebende neimen konnie. Sic hing träumcrisch ihren cigencn
Gcdauken nach nnd selbst die wcnigcn Worte, die von dem
Gespräch jener zu ihrem Gehör gclangten, drangen nicht bis
zu ihrcm Beivusztsein vor. Hclcne setzte Paul die Lage des
Gescbäsres auSeinander und ihat dies mit so grotzer Sachlichkeit
uud Klarheit, datz cr iimc Ivurdc, wie es mit allen Hofsnnngen,
die cr auf diese Verbindung geseht hatte, gründlich vorbei sei,
Nelcne sah ihm dics an, aber sie gab sich den Anschein,
als ob sic seincn Worien, die hoffnuugEvoll und tröstend klan-
gen, glaubie. „Er müsse überlegcn, wie der neuen Situation
zu begegnen sei",mcinie er.„Wie es aber auch kommen möge.sein
Lebensglück, das unwiderruflich au Helene gckettet sei, werde
er nicht ohue Kampf preisgebcn" — und was dergleichen
Redcnsarten mehr sein mochten. Er appellierte an Cäcilie,
sie möge bei Helcue für bernünftigerc Gedanken und weniger
Lbercilte Enisehliisse eintretcn,

„An mich dürfen Sie nicht appellieren", beantwortete
Cäcilie, ofsenbar übel gelaunt, diese Aufforderung. „Jch
gebc Hclene Recht, man darf nicht in ungewisse Zukunft hinein-
tappen. Das Lebensglück hüngt von anderen Dingen viel
mehr ab als bon der Liebel"

„Erhcbcn Sie das auch für sich selbst zum Grundsah?"
fragle Paul überrascht. Er hatte bisher Cäcilie für eine
ideäle Schtoänncriii gehalten und begriff nicht, wie sie so plötz-
lich zu einer so nüchteriien Anschanung bekehrt sein könnte.

„Es isi immer mein Grundsah gcwesen," versetztc Cäcilie
ruhig. „Jch kanu wcder Jhr noch Helenens Glück in einer
aussichrsloscn Partre sehen. Was wollcn Sie mit einer
armcn Frau? Was soll Hclene mit einem bcrmögenslosen
Manne? Jch iviitzte eine viel bessere Heirat für Sie!"

„Sie sind sehr liebenswürdig," sagte Paul immer erstaun-
ter. „Denkt Helene cbenso?"

„Zch habc dir ja schon gesagi, datz ich nicht -sentimental
bin. Mich schaudert, wemi ich daran dcnkc, wie wir beidcn uns
quälen müßteii,"

„Wcim ich nur bon Onkel Ernst noch Hülfe verlangen

sckireibcrs Wahl aus Rache verübt habcn sollte, erklärr L„ dcm
„Diannh. Anz." zufolge, daß cr uicht verhasict gewesen, sondern
uur auf dem Raihause verhört worden sci; auch stche er mit
der Affäre in keinerlei Verbindung.

Heidelberger Vereinsangelegenbeiten.

I Dcr Verein Deutscher Militäranwttrter und Jnvalidcn

hielr am vergaugencn Donnc.rstag im „Faulen Pelz" hier die
statuteninätzige Gcneralversammlung ab. Der äutzcrst zahlreiche
Bcsnch lieferte dcn deutlichsten Beweis, datz im Vercin dicPflcge
der guten Kamcradschaft als ciiic der vornchmsten Aufgabcn
hochgehalten wird. Der Verein sicht cs als scine crste Pflicht
au, die alten Soldatentngenden „Trcue zu Kaiser und Neich
und Licbe zum aiigestammtcn Herrschcrhause" in seinen Mit-
gliedern nmch zu erhalteu und zu stärken. Er bezweckt: dic
wirtschaftkichc Lage sciner Mitglieder zu berbessern, dcren gci-
siige nnd praktische Ausbildimg zn heben, ihrc 'standesinteres-
sen zu fördcrn und den kmneradschaftlichcn Geisi zu pflegcn.
Der Bcrein wird, wic es sich für altcSoldatcn zicmt, dcm Käiser
im Kämpf gegcn die Feinde dcr siaatlichen Ordnnng trcu zur
Scite steheii und in seinen Kreisen dafür sorgen, datz Ehrfurcht
vor dem Staatsoberhauptc, Achtnng vor Gesetz nnd Recht,
Zucht iind Sitte, äls die wichrigstcn Stntzcn dcs Siaates hoch-
gehalieu und unangetasiet bleibcu. Mitglied des Vercines kann
)eder dcutschc Militäranwärter oder Jnvalide werden. Darum
Kamcradcu, die ihr dcm Vercine noch fern stehi, kommt,
denn cs ift cine Ehrcnpslicht, das; der Vcrcin erstarke nach
inncn und nach autzen. Die Tagcsordmmg wies folgende
Punkte auf: Jahrcsbericht, Anfnahme neuer Mitglicdcr, Be-
tänntgabe des Geschäftsbcrichtes für 1901 von der Rech-
mingsprüfiingskommission (Kaincrad Schönthal nnd Lehn) so-
wie Entlastung des Kasiicrcrs. Der zweite Borsitzende Kmnerad
Bcidcck hieli cinc von Bcgcisierung getragene und von den an-
wcscndcn niit gratzcm Beifalle aufgcnommene Redc, welche
mit einem Hoch auf Se. Majestät dcn Kaiser schlotz. Dem
Kassicrer Kamcradcn Crummcnerl wnrde der Dank für scine
cmsgezeichnete Kassenfiihrimg ansgcsprvchcii. Bci der nun vor-
genommcncn Wahl des Vorstandes wnrden wicder bezichungs-
iveise neugewählt: 1. Vorsitzende Ääm. Audrcas Götzelmami,
2. Vorsitzeiidcr Kam. Bcideck, 1, Schriftführer Behr, 2. Schrift-
führer Schumann, 1. Äassiercr Kam. Crmmnenerl, 2. Kassiercr
Kam, Zobeleh, zu Beifitzern die Herren Kam. Wilhelm, Grotz,
Zimmermann und Rnder. Es folgic nnn der gcmütliche Teil,
der die Kameraden noch rccht lange znsammcnhieli.

Kleine Zeitung.

- Ans Baycrn, 28. Jan. (Ueber c i n berschneiies
Dorf) wird aus Oberbrcitenau im bayerischenWäld berichlct:
Während in den eine Stundc rings nm Oberbrcitenau licgen-
den Ortschafieii alles nahezu schueefrei ist, siecki das Dorf
Obcrbrciicuau in cinem cichiigcii Schnecgebirgc. Die Dächer
der nicht gerade niedrigen Häuser werden von den Schnee-
masscn stellenweise schon überragr. Wenn cs in den Nicde-
ruugen seit Oktobcr recht ergiebig rcgncre, dann hatten die
Oberbrcitenauer sicts starken Schnecfall, mid der Wind trägt
den Schnee iu so gratzen Meugeu um das Dorf zusammcn, daß
manckic schon seit Wochcn von ihrcn Fcnstern ans nicht mchr
ins Freie blicken können. Besonders am 16. und 17. Januar
herrschte in Oberbreitenau folch fürchterlichcs Schneegestöber,
datz die Beivohiicr eines' Bauernhofes dnrch ein noch einigcr-
matzen freies Fensler schlüpfen mutztcn, nm die Stall- und
Hausthürcn auszuschaiifelii und bei den Fenstern Lichtschachie
zu sckiaffen. Nach zwei bis drei Snmdeii mutzte dicsc Arbcii
iviederholt iverden, denn dcr Schnec hatkc alles wiedcr verwcht,
Jn solcher Lage isi jcder ersreui, wenn nach tagelanger Abge-
schlosicnheir hier uud da ein kräftiger Mann sich durchschlägt
»nd bei dem nächstcu illachüar Nachschau häli, wic cs bei ihm
zugcht, ob nichks fehlt. Langc Fahre hcrrschte kcin sv schnee-
reicher, stürmischcr Winter anf diescr Höhc, aber vor Jahr-
zehnten war eS noch ärgcr. Alte Leute wissen zu crzählen,
das; sie oft tagelaug das Licht breuneu mutzten, und dic Bc-
wohncr eines Gchöftes muhten bei cinem besonders schnce-
reichen Winter das Hausdach aufbrechen, um ius Frcie ge-
laugen zu könucn.

— „Tentschlnnd, Deutschland iiber nlles" in Frankreich.

Bei dem Pariser Fesiinahl zum Geburtstag des deutschcn
Kaiscrs ereignete sich, wic man der „Voss. Ztg." aus Paris
schreibi, ein klciner Zwischenfall, dcu die Wenigsteu bemerktcu,
Die von dcm Fürstcu Radolin ausgebrachtcn, nüt grotzer Be-
geistcrnng aufgenommcnen Trinksprüche auf den Präsidcnteii
dcr Nepublik und den Kaiscr wurdcn von der Marseillaise und
dem „Heil Dir im Sicgerkranz" begleitet. Als Herr Eckardt
eine laimige vaterkäiidische Ansprache hielt, stimmie dic Vcr-
sammlung „Dentschland, Deuischland übcr alles" an. Die
Musikcr horchien auf — dies war nicht im Programm, sic
hatien dic Noten nicht. Aber sehr bald fielen sic von sclbst eiii,
der Dirigent schwang den Taktsiock, alle kanuten das Stück nnd
sp.icltcn ohnc Notenblatt. Wie das kam? Alle Pariser, ja alle
Franzoscn können die Weise auswendig, da nach ^ihr jcden
lsonntag das ll'antum crgo Laci'amentum bcim Segen ge-
sungen Ivird. Ursprünglicb wnrde sie bekanntlich von Hahdn
auf dic ösierreichische Nationalhymiie „Gott erhalte Franz
dcn Kaiser" gedichiet.

könnte", grollte Paul unmutig. „Aber ich habe mir gcschwo-
ren, von meincn Verwandten nichts mehr anzunehinen. Und
ich mützie michiselbst verachten, wenn ich dies Gelübde brächel"

Hclene seufzte unmcrklich: wie klang alles so oberflächlich
nnd unmifrichtig, was Paul sagtel Nein, sie wollte die Seine
nicht werdeu, mochte er sich entschlietzen wie er wolle.

„Jch werde dir Zeit lassen, bis morgen nachzudeukenl"
sagte sie, indcm sie sich bemühte, ihre Stimme möglichst
gleichgültig klingcn zu lassen. „Du wirst über unser gemein-
samcs Lebensglück nicht nach impraktischen und romantischen
Fdeen cntscheiden, für die eS in dem ranhen Luftzuge unserer
Zcit keinen Platz mchr giebtl"

Das war eine prächtig abgerundete Redensart, die sie kürz-
lich im Buche eines bekännten Modeschriftsiellers gelesen und
so abscheulich gefnnden Hatte, daß sie sie nicht wiedcr vergessen
konnrc. Aber sie Patzie wunderbar zur Situatton.

„Gutl" sagte Paul, znfriedeii, die Entscheidung, die er
läugst im Jnnern getroffen hatie, nicht gleich und nicht von
Angesicht zu Augcsicht geben zu müssen. „Du sollst mit mir
zufriedcn sein!"

Cäcilie hatte ihn aufmerksam beobachtet. Sie hatte rin
scharfes Auge für die Schwäche, dic ihr selbst auhaftcte, bei
anderu, und sie durchschaute Paul, als könnte sie durch ein
Glas in sein Jnneres hineinsehen. Unerträglich schien ihr
der Gedankc, datz Helene so kalt und straflos verlassen werden
sollte von einem, dcr ihrer thatsächlich nicht wert war, und
darüber war ihr eine seltsame Jdee gekommen.

„Haben Sie die junge Dame gesehen, die bald nachdem
Sie gckommen sind, fortgegangen ist?" fragte sie,

„Ja — Fräulein Reschtvitz, nicht wahr?"

„Fcäulein Anna Reschwitz — kennen Sie sie nicht?"

„Fch erinnere mich nicht, Sie je gesehen zu haben."

„Das ist Zufall. Sie kommt oft zu uns. Anua ist ein
herziges, liebes Mädcl — schade, daß sie nicht schön ist!"

„Jn der That, so scheint es," antwortete Paul, kaum das
geringe Jnteresse verbergend, das Fräulein Reschwitz ihm
cinflötzte,

„Thun Sic doch nichi so gleichgültigl Das ist die Partie,

— Lom Hosball dcr Königin Draga. Ueber dcn
Täge abgehaliencn Hofball in Belgrad, über den die enEich,
Pressc ausfübrliche Schildcrungcn bringt, sagt die „Pall
Gazeirc": „Jedernrann tanzte, auch König Alexander, dct
ganzen Abend mchr oder weniger müde anssah, aber tvotz"
dcn Kolo, eine Art Banerntanz, mit dcr Königin tanzt^ Ä
danu zn Bett ging. Selbsi die diplomatischen Manerblüw^
bcgaben sich auf dcn Tanzbodcn. Der diplomatischc
der dcntsche Gesandtc, tanzte mit Encrgie, der türkische ä»
ireter, Jbrahim Pascha, tanzte wie ein Derwisch. Dabsf. ,
die Lufr boll von Gcrüchten von ciner bevorsteheiiden konL
lichcn Eheschciduug und von cincr Rcvolution. De?4^A
lVIesckames et lAessieurs, ianzt, so lange ihr kömit, do^
wciin dcr grotze Krach kommt, ihr ivenigstens mit
Fleurti, als cr von dcm Zusammeiibruch dcs Kaiserreichs ^

Scdan hörte, sagcn könnt: „Wenigstcus habcu wir ^
nmllsiert." "

— London, 80. Jan. Währcnd dcr letzten Jähre hat >>"4
London, wie in dcn grötzcrcn Städtcn Englands überhüs'-

die Bcwcgung inimer mehr geltcnd gemacht, sür dieA r b c s.
nnd A r b e i t e r i n ii e n K v e l > e b a I i e „ errickl"»

-- — ... ^peischallen zu errichtZ

wo für billiges Gcld cin gntes Miitagsbrot und andcre
zcitcii erhültlich sind. Eincs der hervorragendstcn, wlrn >
lururiös eingerichtcten Lokale diescr Art ist das von Liptoä
gründetc Alcxandra-Restauraiit in Cich Road in LondoN- 2
für den Betrag von 40 Pfeimigcn cin aus Suppe, Flciscki N.'
zwci Gcmüsen und ciner Bkehlspeise bestehendes Mahl gel'l'l
wird. Nimmehr ist man daran gegangcn, für die 16,0 ^
Arbeitcriimcn, die in dcn Londoner Fabrikcn nnd kleiiä,
Werkstäiien bcschäfrigt sind, eigcnc Rcstaurants zu errE^
Jm Westend bcstehen bcrcits zwei dcrselben, „Wclcome"
„Churchill", wo berciis an tansend Nrbeirerinnen täglich
Mahlzcitcii eimichnrcii. Die Prcisc sind autzerordcntlich
mid kaim ciu gutes Mahl schon für 16 Pfcnmge ersta>lzä
wcrden. Die Einrichtung lätzt daüci nichts zu wünschcn m ^
Dic grötzte Rcinlichkeit hcrrscht vor imd in cigcncn Lesezinirlt'-,
ist antzerdem den Besuchcriimcn dicscr Lokale Gelegenheir
boten, die Arbeitspauseii in Behaglichkcit und Ruhe
bringcu. Dicse Rcstaurants kommen allcrdings nicht Ü 4
auf ihre Kosten. Dic Micte mutz in dcn meisten Fällen oU j
mildthätigc Bciträge aufgcbracht werden. An den erforo -
lichen Gabcn mangelt cs aber uichi und datz dic eiugeirerr
Besserung, dic dcu' Arüeitcrstand und uamenrlich dic Arbcwj
rinncn von dcu niedrigen Spcisewirtschaftcn emauzipieii/.,„j
früher in London das Gcbiet bchcrrschien, auch in moralüä'
Bczichuug einen großen und wohlthätigcn Einflntz übt, >
sich nicht bestreiten. .

Veranlworllin lnr ven leoaliillnsUcu Deä F Montua rur
Jnseralenteil Th. Verkenbusch, beide in Heidrlberg._--

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O"

die ich für Sie im Ange hatte. Wenn sie auch nichr s
ist . . . ."

„Nein, wirklich incht ..."

„So hat sie doch sehr viel Geld."

"S°?" ^

„Jch lveitz geivitz, datz sie eine jährliche Zinseneiimad
von 10 000 Mark hat." ,,,

„Alle Wetterl" Paul war aufmerksam geworden. „Zd»

tausend Mark —- das bedcutet cin Vermögen von zwei- ^
dreihunderttausend Markl" -j,

„So nngefähr. Aber sie uud ihre Tante, bei der sie » i,
machen ein Geheimnis daraus, weil sie nicht wollen,
Anna das Opfer gewissenloser Glücksjgger werde,"

Paul errötete unlvillkürlich. ,

„Sehr vernünftig", murinelte er, „gerade weil sie häß^

ist." Er traute sich nicht die Frage auszusprechen, die
auf der Zunge brannte, aber Cäcilie erriet sie. j,

„Dic Tante müssen Sie doch kennen," sagte sie imrner A
derselbcn berechnenden Gelassenheit. „Es ist die Frau
mar."

„Die Witwc des Schiffsmaklers?"

„Dieselbc. Der alte Delmar war ja ein mehrfacher
när. Das war Annas Grotzvaier."

„Ja, wie so denn, sie heitzt doch Reschwitz?"

„Fränlein Delmar heiratete eben einen Herrn ResckM,^
— die Sache ist doch sehr einfach. Sehen Sie, das wäre A
Fran für Sie. Nur hüten Sie sich zu verraten, daß ^
ctwas von dem Gelde wissen." .

„Mich wundert, datz ich Fräulcin Reschwitz nie
habe. Jch bin der Frau Delmar mit ihren beiden Töchts^
öfter in Gesellschaft bcgegnet, aber die Nichte war nie dabtm

„Sie war bis vorigen Winter in einem Pensionat in
Schweiz."

„So so — daher also." ^

Paul stand anf, um sich zu verabschicden. Jn Ged«m>
chrieb er schon den Scheidebrief an Helene, war er doch schon '
Anna Reschwitz geschäftig.

(Fortsetzunfl folgt.)
 
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