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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 27-50 (2. Februar 1902 - 28. Februar 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0240

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rscheint täalich, Sonntaas ausarnomnien. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfa. in's Haus aeoracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post
, zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

"Seigenpreis: 20 Pfg. die Ispaltige Petitzeile odcr dcren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahnie von Anzeiaeu au bestimmt
^orgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anfchla g der Jnscrate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und deu Plakatsänlen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.


Üi

-d.

e!

Uever Urofessor Spayn und den
Mttramontanisnius

dre „R heinisch - We st f. Z t g." eiiie längere
"lsführung, der wir folgendes entmchmen:

,, , Die Dortinunder lUtrainontanen kihelte vor einiger
Ml die Sehnsuchch deu „t atholisch e n" H i st o -
^ kerSpah n zn hören. Er rvurde zu einein anschei
,rüd höchst nngefährlichen Vortrage eingeladen, der iib-
Uen Festrede'tiber den hckligen Franzistutz von Assisi.
^öahn erschien, und der -Lüat war natürlich gepropft
Ta saßeu die liltranionlanen Heerscharen, bereit,
?"t glaubigein Herzen und bereitenr Verstande nnter
^ssenschaftlichem Hohlinantel die banalen Phrasen in
^ckpfang zu nehinen, über das „erbauliche" lleben des
Franziskntz und anderer Heiligen, wie sie die umher-

"chenden Patres regelmäßig verzapfen.Spahn

"ber erschien altz tritischer Historiker, und er war nicht
^Neigt, diesen Beruf in Dortmund plöhlich aufzugeben.
^er Mann schelnt die Umgebung, in der er lebt oder in
er wenigstens vorläufig noch leben will, die ultra-
^vntane, noch gar uicht zu kennen; er scheint den Gegen-
in dem er zu ihr steht, noch nicht zu fühlen. Er
Mnt immer noch, innerhalb der ultramontanen
mrche lind im Einvernehmen mit ihr streng historisch
Md kritisch verfahren zu können. Oder sollte der junge
^ailn sich die Riesenkraft zutrauen, datz ganze nltranion-
mne Gebäude, vor dem die Gläubigen erschauernd stehen,
Tssizuwersen nnd ein neues zu errichten? Jedenfalls
^ißbrauchte er gröblich die Erwartungchl der jDort-
efunder lsltrainoiitanen nnd entmarf eine anscheinend
rsstorisch zritreffende Skizze des Franzitzkus von Assisi,
anch seine Schwächen nicht verschweigt. Es
Muen darin solgende schöne Sätze vor: „Als Franziskus
Fahre alt war. da tam der Tag, wo er, ausgezehrt
den Sclstvelgereiett, zusammenbrach .... Es war
Pi leichtes Leben, welches er mit seinen Jugendgefährten
bhrte, ganze Nächte durchtoüten sie zusammen." Ats
^lließlich Spahn nach dem Berichte der „Tremouia" so
ÜM ging, den großen Franziskus „den größten
§ tntzernnter den Heilige n" zn nennen, war
d-ortmunds tlltramontnnismus endgilüg von seinem bis-
^rigM günstigen Vornrteil gegen Spahn befreit.

Wenn aber schon ein Schrecken und Staunen das
"ttramontane Dortmund ergriff, so wuchs die Ent-
mstung ins tlngeheure, als der «Pahn'sche Vortrag bei
HN F r a n z i s k a n e r n nnd KaPnzinern eintraf.
M Minster setzte sich Pater Pankratius O. F.

sofort hin nnd schrieb eine geharnischte Anfrage an
?e>i Hl-rrn Prosessor in Straßburg, ob das Referat in
?er „Tremonia" thatsächlich echt sck. „Wenn Spahn
!Atveige, so würde er nach dpei Wochen an sein Schweigen
?e weitere Entschließung tnichfen." Die „Tremonia"
^gann dann einen sichtlich aus der Feder dieses Paters
?ankratiiltz stanimenden von ebenso großer Oberstächlich-
mt mie leidenschaftlichem Zorn zeugenden Nrtiket zu
Aingc-n nnd drohte mit weiteren Fortsetzungen. ttni
Men Preis müssen solche Kritiker wie Spahn vom
mtramontaiützmus ausgetilgt werden: wetche Rebellion,
?nß sjch sener jiinge Historiker anmaßt, ein subjektives
Mteil über Heilige zu haben. Welche Kluft thäte sich für
ganzen ttltramontanismus anf, wenn jeder Heitige
Mt sicher wärc, so von katholischen Historitern in tätho-

Uen Bersnmmtungen nnter die kritische Lupe genom-

tv)

Sneewittchen.

Roman von A. I. Mordtmann.

(Fortsetzung.t

„Paul Mauvillou? Ilumöglich!"

„Warum umnöglich?"

„Er ist doch mit Helene Friedrichs-n verlobt?"

>. „Gctveseii, Mama. Die Sache ist zurückgegangen — natür-
ck — da Hclene kein Geld mehr hat."

„Nuu, und Anua?"

„Er wird glauben, datz sie Geld hat."

„So mutz mau ihu euttäuschen."

„Beste Mama, du bist wirklich eutsetzlich in deiuer himmel-
^reienden Gutmütigkeit. Wenn der junge Mensch nach Geld
mratet und sieht sich nachher getauscht, so geschieht ihm doch
^nz rxcht. Die beiden müssen zusammengebracht werdeu, uud
^rum müsseu wir die Gesellschaft geben."

„Sie können auch anderslvo zusammenkommen."

„Aber uicht so gut. llnd bei uus köunen wir es am besteu
"richten, datz sie ungestört bleiben."
itz Beide Schwcstern trugen wie immer den Sieg über die
e rdenkcn ihrer Mutter davon. Abcr diesmal war der Sieg
nur ein äutzerlicher. Denu Frau Delmar war entschlossen,
, s bcvorstcheude Gesellschaft in ganz anderem Sinne zu be-
l"tzen, als in der Absicht ihrcr Töchter läg. Bci ihr stand
Entschluh tcst, datz Panl nicht getäuscht werden sollte. Sie
zunächst beobachten, was an dcn Angaben ihrer Töchter
l„"tzres sei und danu die entsprechende Warnung und Abküh-
wg eintretcn lassen.

-'Du hattcst der Mama nichts verraten sollen," sagte Ellen
ib> Mnttcr das Zimmer verlassen hatte. „Du kennst doch
altväterlichcn Schrullen."

tz,. „Ja, aber die Gesellschaft war gefährdet," verteidigte sich
„Tarnm mutzte ich mein fchweres Geschütz auffahren."
th- „Es war uicht nöiig," beharrte Ellen. „Paul Mauvillon
anch ohnedas Gelegeuheit finden, sich Auna zn uähern."

ineu zu werden, nia» ihn so dnrsielll, nicht wie man ihn
wiinschl, sondern wie er gewesen ist. Spahn wnrde unter
diesem Sturm doch etwas ängstlich. Er schrieb dem ge-
strengen Paier Pantraliiitz nach Münster, er sei zum
Teil nüßversranden nnd riihint dann den Heiligen und
„seine christnsgtckche Liebe iind seinen nicht zir verglei-
chenden Tatt" (hier ergänze: den dn, lieber Pankratius,
nicht hast). Datz hielt aber den Pater Pantratins nicht
ab, in der „Tremonia" nüt einem Mönchskiüippet aus
den Prosessor loözuschlagen. Geschichtsschreiberei und
Geischichtsteniilnisse beläsügen den Herrn Pantratius
nicht: datz ist anch für einen Franzrstäner ganz über-
flüssig. Mrt der harmonischen tlnkenntnis aller Ver
hältnisse stoppelr er das Lebensbild des Franziskus zn-
sammen, wie die Franzitztäner ihn sehen möchten, nnd
hütt etz Spabn vor. Was sollte anch ans deir von Franz
von Assisi gestisteten Bettelorden werden, wenn nuu sogar
der heitige. Franziskntz selbst von katholischen Professoren
ats in jnngeii Jahren liederlich dargestellt wird. Spahn
t'roch aber uicht zu Kreuze, sonderu schrieb am 28. Jauuar
eineu Biüef an die „Treiuonia", in dem er sich verteidigt.
Tie „Tremouia" ist darüber außer sich. Die Fortsetzuug
dieses Kainpfes wird sehr spaßhaft uud lehrreich werdeu.
Uus interessiert vor alteni dabck Herr- Spahn setbst. Herr
Spahu wird uoch viele Ersahrungeu macheu uud köunte
sich Betehrung von denjeiügeu zahlreichen Katholiken
hoteu, welche, wie er, auch eiruual versucht habeu, den
ultramontauen Massen init Verstandesthätigkeit zu kom-
men. tlus kommt Spahu vor wie ein Kiud, das ebeu
grst ius Leben triit und über desseu Haltuug mau uur
deshalb sich wundert, weil es durch besöndere Umstäude
sehr frühzeitig an einen ehreiivolleii Platz gekommen ist.
Sp«hn meint uoch, sich iu der heuügeu uttramontanen
kathoüscheu Kirchc wisse n schastli ch ausleben zu
könneu. Er gtaubt augenscheiulich, daß er die dicke
ultramoumue Kruste, die fich um dch katholische Kirche ge-
lagert hat, nüt wissenfchaftücher Kriüt zersetzen uud
fortschaffeu tänn. Er hat noch uicht begrisfeu, daß der
Ultrainoutaiüsmus keiue Wisseuschaft ist, soudern eine
potitische Macht, und datz dieser UltramontaiüsmuS iiicht
auf Erkeiintuis, sonderu Willeu beruht. Herr Spahu
dürfte auch deshalb eiueu sehr doruigeu Zickzackweg
gchen, ehe er entweder die Pforte der Erkenutiüs hinter
fich schließeud, iu deu ultrainontauen Tempel gläubig
eiutrilt, oder mil eineii, träfügeu Entschlusse draußen
Pleibt. Mit seineu Vorträgen in tatholifchen Kasinos
und katholischeu Vereineu wird es uach seiner Käpuzinade
über den heiligen Franz doch wohl zu Ende sein.

Deutsches Neich.

— Die B o v k o t t i e r u u g dcutscher Firiiieii durch
Polnische Heißsporne wird sowohl iu Galizieu als iu
Russisch-Polen noch fortgesetzt; es inacheu sich aber selbst
im poluischeu Lager Stinunen dagtzgen gelteud. So
schreibt man deutscheu Blätteru aus W a r s ch a u :
„Neuerdings betout eiu ernst zu nehmendes hiesiges
Blatt, daß der Boykott eiu Stock mit zwei Endeu sei, uüt
deiu der Schwächere geprügelt werden würde. Vor uicht
langür Zgit hätten die Bemühungen, hiesige Pfand-
briefe an der Berliuer Börse eiuzuführeu, zu eiueni ten-
denziös abschlägigen Bescpeid geführt, sodaß man sich
über die tlut'euutiüs uud Alberuheit wunderu müsse,

„Je länger ec sie sicht, desto wenigcr miziehend wipd
sie ihm vorkommen."

„Nun also — was kann die Gesellschaft dann nützen?"

Nliee brach in zorniges Lachen mis.

„Wirllich, Ellen, lch möchte an dir verzweifelnl" rief
sic. „Du iveißt also nichr, wie die Salontoilette auf die mei-
stcu Mäner wirkt? Jch möchte wetten, nicht die Hälfte äller
Heiraten in der feinen Welt käme zu Staude, wciin die Her-
ren ihre Auserwählte nur im Hauskleide sühcu."

„Die Mama hat schou recht, Aliee, du bist sehr chnisch.
Jch mag dich garnicht so reden hören."

„Aiina ist nicht schön", fuhr Alice uubeirrt fvrc; „aber
sie hat eiuen HLbschen weißen Hals und Nacken, nnd ein
Gesellschaftskleid steht ihr prächtig. Das wird tzerrn Paul
Mauvillon miiidestens uicht abschreckeu."

Ellcn mußte unwillkürlich lächeln. Aber sie gab ihrer
weliklugen Schwester recht; beide fanden die „praktischen"
Gesichtspunkte, bou denen aus sie die ganze Angelegenheit be-
trachteteu, so natürlich, dah sie für die spiehbürgerlicheu Be-
deiiken ihrer Muücr nur eiri berächtliches Mitlcid hatten.

Währeud die beideu Schwestern svlche Pläne für ihre
Kvusine schniiedeten, hatte diese selbst ein ernstes Verhör bei
ihrer Taute zu besteheii. Stockcud und errötend bekaimte sie,
dah Paul Mauvillou, seitdcm er sie zuerst bei Friedrichsens
gesehcn hatte, ihr mit nngewöhnlicher Aufmerksamkeit begeg-
net sei, die kaum uoch als Galantcrie angcsehen werden könne.
tlud auf die Frage der Tante, wie denu Anna selbst über den
jungen Mauvillon denke, autwortete sie offen, dah sie seine
Aufmerksamkeiten gern sähe.

Frau Delmar seufzte wiederum. Dies BekeuntniS siürzte
sie iu ein Meer von Zweifeln; aber mehr und mehr ueigte
sie der Meimmg ihrer Töchter zu, dah es nicht wohlgethan
sein würde, in die Entwickeluiig des begimienden Verhältnifses
mit störender Hand einzugreifen. Sie lvollte zuvörderst beo-
bachten, und dazu war die Doiiuerstagsgesellschaft ebeu recht.

niir der bie „Fenilletonisten nnserer Blättchen" von dieser
Angelegenheit gesprochen haven. Selbst die Kanflente,
die nrl»i at <>i-t>i ertlären, daß sie dieHandetsbeziehungen
zii den Dentschen abbrächen, thäten das nicht selten wegen
der Retlanie. Die soliden Exportenre, Fnbritänten nnd
Fittaiizinäiiiier sollten lieber darüber nnchdenteii, wie
inan die Herrschast der dentschen Erzengnisse anf dm
polnischen Rlärt'ten beschränten toniite. Der jetzige
Moment sei in Anbetracht der nenen dentschen Tärife
hierzn anßorordenttich geeignet, und der Warenstempel
„dentschen tlrspriiiigS" (nach Art deS englischen „Lst'ade
in Gerinani)") würde lveit wirtsanier sein als Hnnderte
von Agitaüoiien! (Wäre anch eine große Selpst-
täuschiiiig. Red.) Zn ihrein größten Aerger niiissen nnn
aber die polnischen Zeitungen koiistatiereii, daß die in-
dnstriellen Firmen des Dombrowaer Rayons in den
letzten drei Fähren Banten für Millionen Rbl. von
dentschen llniernebniern bäben ansführen lassen nnd daß
diese Snmme fast nnsschließüch dem Auslande zngiüe
get'onnnen ist, da nnr im „änßersten Notfalle" polinsche
Arbeiter genoiiimen wnrden. Angesichts der llmvidor-
teghart'eit solcher Thatsachen versetzt man dcn Dentschen
gern einen Hieb, imd zwar wird behanptet, datz die
dentschen Firmen ansangen, sich im Verkehr nnt den
Warschaner Hänsern der sranzösischen S-Prache zn bedie-
nen. Anch die Agenten, die in Warschan eintreffen, be°
nntzten jetzt da-Z genaiinte Jdiom. Diese Jnsinnation,
die sich allenfalls anf cknzetne Borkoimmüsse stützt, zckgt
dentlich, wie vertegen die Poten nin wirksame Gegen-
mittet gegen die Snperiorität der dentschen Kanfleute
smd." _

Ausland.

England.

- Die StandeSerhöhnngen, die nian anläßlich der
Kröimng König Eduards crwartet, beschäftigen heute
schon die englische Gesellschaft in ganz herborragendem
Rl'nße. Wenn man den mit großer Beharrlichteit in
Umlans befindlichen Gerüchten Gtanben schenten will,
so wird Rt'r. C e. cilRhode s in der Liste der nene n
Pairtz erscheinen nnd bringt inan dnmit den von ibm
jüngst gemachten Antäus einer Herrschaft bci ?tewmarket
in Znsammenhang, die er, ohne sie jemals gesehen zn
huben, dnrch seinen Agenten für 100 000- Psd. Stert.
enverben ließ. Es heißt, er werde atä Lordstitel den
Namen dieser Herrschaft wählen. Von anderer Teite
dagegen behanptet man, daß Mr. Rhodes sich den Titel
„Lord of Bnlawayo" oder „Lord of Rhodesia" bereits
ansgewählt habe. — Zm Znsanmienhang damit mag
erwähnt werden, daß auch zwei D e n t s ch e nj die in
England angesiedelt sind, die Erhebnntz in den Pairstand
zugedncht ist.

L o n d o n, !>. Febr. Es verdient bemertt zn wer°
den, daß auf die Periode der Werbnng um die r n s s i -
s ch e F- r e n n dschaft ganz anffällig eine solche des
„Abivinteiitz" von London aus gefotgt ist. Allem An-
schein nach besorgt man namentlich in'der Eity von Lon-
don, daß demnächst eine pral'üsche Probe anf die Soüdi-
tät der englischen Frenndschastseröfsimngen — datz will
sagen, eine Fühlnng des Pntses der Londoner Straße
durch den russischen Finanzminister Witte zn erwarten
sieht, nnd daß bei der -Lympathie, die die englisch-

Diesem Vorsatze getreu verfolgte Frau Delmar, als die
Oläste aufingen, ernzutreffen, den jungen Herrn Mmwillon,
dcr zngkeich mit seinen beiden Oheimcn erschien, init be-
sonderer Aufmerksamkeit. Ciniges llnbchagcn berursachte es
ihr, daß Paul pon den betden Fräulein Friedrichsen mit külte-
sier Znrückhaltuiig, bon Herrn Doktor Zarnoiv mit einer un-
höflichen Nichtachtung behandelt wurde, die geradezu beleidigte.
Wie unangeuehm war es, dasz anch andcre die gleiche Beobäch-
tung machen mnßten, daß es anch andern nicht entgehen
konnte, datz Paul uumiitelbar darauf llei Amia einen Platz
einnahm, dcn er dann fast während des ganzcn Abends mit
grötzter Hartnäckigkeit behauptete.

Alice hatte mit weiblichem Scharfblick richtig geurteilt.
Die Gesellschaftstoilette kleidete Anna wirklich gut uud ließ
sie nicht so reizlos erscheiuen, wie in der Alltagskleidung. Paul
war erfahrcn genug, um zu wisseu, dah, weun er diesc Wahr-
uehmimg in ein Komplimcnt kleidete, Anna darin so wenig
cine Beleidiguug finden würde, wie jedcs andere lcbcnde Weib.

Nachdeni beide einige gleichgiltige Redensarten gewechselt
harten, wvbei Anna mit einigcm Herzklopfen bcmerkte, dah
Pauls Angen eine bei Weitcm bercdtcre Sprache führten, als
seine Lippen, kam das Gespräch anf das Thcater. Anna
fragte ihren Verehrer, ob er schon etwas bon den Absichten
dcs Stadttheatcrdirektors für die kommcnde Saison gehört
habe; cr antlvortete mit Absicht so zerstrent und ivunderlich, datz
sic lachte nnd sich neckend erkundigte, worau er denke.

„O meine Gedanken waren nicht weit, Fräulein Reschwitz,
antwortctc Paul mit einem beredten Blick. „Nbcr nicht gerade
beim Theatcr. An meincr Zerstreutheit sind Sie schuld."

„Eine bequemc Ausredel" spottete Aima. „Aber wie
tänn man ungalante llnaufmerksamkcitcn bcsser emschuldigcn,
als dnrch eine galante Ausrede?"

„Sie wollen doch nicht, datz ich mich gcgcn diese Bosheit ver-
teidige?. Seit ich Sie gesehen habe, cxistieren andere Dinge
nnd Personcn für mich nicht mchr. llnd Sie wissen es ganz
gut?"
 
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