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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (2. Februar 1902 - 28. Februar 1902)
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Samstaq, 15. Mruar 1902. Dcittes Blatt. 44. Jahrg-W. — >r. 39.

Erschelnt täglich, Sonntags ausgcnommen. — Prcis mit Familienblättern monatlich 5V Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Dnrch die Post be-

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließllch Zustellgebühr.

Anzeigenpreis: 20 Pfg. fiir die Ispaltige Petitzeilc oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzcigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
vorgcschricbenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulcn. Femsprech-Anschluß Nr. 82.

Aie Kosten der engtische»l Atotte.

Ein im Auftrag des Unterhauses im Druck erschie-
nener Bericht des Handelsamts über die Marineausgaben
Englands und anderer Nationen gibt dem „Observer"
Gelegenheit zu einem interessanten Vergleich. England
bezahlt für seine Flotte jährlich mehr als 3 Mal
so viel als irgend eine andere europäische
Macht, mit Ausnahme Frankreichs, und mehr als das
Doppelte denn Frankreich und Amerika, obgleich die
Vereinigten Staaten große Anstrengungen machen, eine
bedeutende Flotte zu schaffen. Aussallend ist es, dasz
man annimmt, die englische Flotte sei nur 2 vereinigten
europäischen Flotten gewachsen, während doch die Kosten
sür diese Flotte die Kosten sür 2 andere europäische
Flotten übersteigen. Nach dem Bericht zahlt England sür
seine -Klotte 28 478 843 Pfd. Sterl. Dazu kommen noch
etwa 600 000 Pfd. Sterl., die von den Kolonien und
Jndien für maritime Verteidigungszwecke ausgebracht
werden. Frankreich verausgabte 12 055 492 Pfd. Sterl.,
Rußland 8 662 801 Pfd. Sterl.,Deutschland 7 472 656
Psd. Sterl. Die Gesamtausgabe dieser drei Mächte,
die nächst England die stärksten Flotten Europas besitzen,
beläuft sich demnach auf 28 190 949 Pfd. Sterl., steht
also um mehrere 100 000 Pfd. hinter den Ausgaben
Englands zurück. Von anderen europäischen Ländern
geben für die Flotte aus Jtalien 4 903 109 Pfd. Sterl.,
Oesterreich-Ungarn 1 644 437, Holland 1 350 650,
Spanien 1 000 119 und Portugal 567 430 Psd. Sterl.
Japan treibt auch seine Ausgabe für die Marine in die
Höhe. So beliefen sich die Jahresausgaben für das am
31. März vorigen Jahres zuin Abschluß gebrachte Rech-
nungsjahr auf 4 077 653,5 Pfd. Sterl. Wenn man den
Flottenbestand mit den Ausgaben der einzelnen Staaten
in Vergleich stellt, so ergibt sich dem Anschein nach, daß
England nicht seinen Ausgaben entsprechend an schiffs-
bestand stark genug ist, sonst müßte es eine Flotte be-
fitzen, die wenigstens jenen von 3 der europäischen Mächte
entspräche. Der „Observer" meint, daß die englische
„Navy-League" in Anbetracht der Thatsache, daß Ruß^
land noch eine Extrasumme von 11,6 Millionen Pfd. St.
auf die Flottenvergrößerung verwendet, und daß die
letzten Reichstagsverhandlungen in Teutschland hätten
erkennen lassen, daß diefes Land ebenfalls eine Vergröße-
rung seiner Flotte beabsichtige, sich in ihren Bestrebungen
für weitere Vergrößerung der englischen Flotte unterstützt
sehen werde. Der englische Steuerzahler werde aber mit
Recht die Frage stellen, wie es zu erklären sei, daß Eng-
land weniger für sein Geld erhalte, als andere Staaten.

Ausland.

England.

London, 12. Februar: Die „Times" schreiben:
Die zunehmende zollpolitisckze Feindseligkeit des A u s-
landes gegen britische G ü t e r ; die Notwendig-
keit der Steuererhöhung infolge des Krieges und die
starke Neigung der Kolonieen, den Erzeugnissen des
Mutterlandes Bevorzugung zu Teil werden zu lassen,
hat den Bestrebungen für die Nachprüfnng dcs Frei-
handclssystcnis, wie es durch Cobden eingeführt wurde,
neue Nahrung gegeben, umsomehr, als nirgends in der
Welt diesem Systeme gegenüber Gegenseitigkeit geübt
wird. Der Ausschuß der vereinigten Reichshandelsliga
beschloß daher, über diescn Gegenstand ani 5. März unter

Sneewiltchen.

24) Noman von A. I. Mordtmann.

(Fortsetzung.)

7. Kapitel.

Einc unkluge Gesellschaft.

Als nach dcn Michaelisferien die Schüler des Johanneums
wieder sorgenbeladen in die altgcwohnten Räume eintraten,
fehlte unter dem Kollegium dcr Lehrcr, das sic begrützte,
das freundliche Gcsicht des Dr. Zarnow. Wicderholtes Zureden
seiner wohlwollenden Vorgesetzten hatte gegen seinen friesischen
Starrsinn nichts ausgrichtet, und dieser hatte einen mächtigen
Bundesgenosscn in dcn glänzenden Aussichtcn gefunden, die
ihm in Brasilien winkten. Nur, datz sich die Geschichte noch
fänger hinzog, als Zarnow gehofft und gewünscht hattc. Erst
im Oktober erfolgte der Abschlutz — aber bis zum Antritt seiner
Stelle hatte Zarnow mindcstens noch ein Vierteljahr Mutze vor
sich, das er jedoch keineswegs mit Nichtsthun vcrsäumen wollte,
Er sah sich nach Privatstunden um, und crhielt deren so biel
cr wünschte; durch scinen Freund Friedrichscu bekam er auch
^iuc Empfehlung an Herrn Gerard, der eincn Lehrer im
Deutschen, Englischen und Französischen für Juanita suchte.

Die letzten Septembertage waren ungewöhnlich kühl gewesen
vnd als am 1. Oktober, einem Sonntage, Zarnow sich auf
"en Wcg nach dem Dammthor machte, fiel Schnce, als hätte
wan sich mittcn im Winter befundcn. Ein heftigcr Nordwest-
wind begleitete das Gestöbcr und mühsam mutzte Zarnow
llegen Wind und Wetter durch den hoch liegenden Schnee an-
sianipfen. Aber daraus machte sich der wetterfeste Friese
^'chts, öcr weder einc Droschke benutzte noch einen Schirm
wilnahm. Erst an der Gartenthür der Wohnung Gerards
fwl ihm ein, datz die Unbilden des Wetters seinem äutzeren
Menschen ein keineswegs salonfähiges Aussehcn verliehen
yatten. Eine dickte Schicht Schnee hatte scinen Hut in ein
*veitzes Drcieck verwandelt, dcr Mantcl starrte von halb-

dem Vorsitze James Lowthers eine öffentliche Erörterung
abzuhalten. Als Ziel dieses Bundes wird kair krucks und
insbesondere die Entwickelung des HandelS zwischsn
allen Teilen des Reiches auf der Grundlage der Bevorzu-
gung erklärt.

Loudou, 13. Febr. Jn der Guilichall wurde dem
Staatssekretär der Kolonien, Chamberlain, heute eine
Adresse uberreicht. Jn Erwiderung auf eine bei dieser
Gelegenheit an ihn gerichtete Ansprache führte Chamberlain
aus, die Regierung verfolge zwei große nationale Ziele,
nämlich die britische Autorität in Südafrika außer Frage
zu stellen und die Einigkeit des Reiches aufrecht zu erhalten.
Beide Ziele seien auf das engste mit dem Kriege in Süd-
afrika verquickt. Chamberlain erwähnte die unerschöpfliche
Stärke, die England erwiesenermaßen in seinen Kolnnien
besitze, und sprach von dem unvermeidlichen Ende des Krie-
ges. Er, Redner, würde auf einen Staatsmann nicht
neidisch sein, dcr in Verhandlungen wieder aufs Spiel setze,
was durch die Waffen gewonnen worden sei. Die Eng-
länder seien nicht rachsüchtig; ihre Fcinde von gestern
würden, wenn sie sich ergäben, morgen als Freunde will-
kommen geheißen werden. Wenn England sich weigere,
den Unversöhnlichen, welche sich rühmten, sie wünschten die
Engländer in Südafrika von Meer zu Meer zu treiben,
die Rückkehr in ihre Heimstätten zu gestatten, so sei das
nicht Rachgier, sondern Selbsterhaltung. Englands Regierung
und Volk wünschten ernstlich einen ehrenhaften Frieden;
dieser Friede müsse aber dauernd sein und England das
gewähren, wofür es so viele Opfer gebracht habe. Wenn
der Friede geschlossen sei, werde Südafrika so kraftvoll,
glücklich und frei werden, wie irgend ein Teil der übrigen
Besitzungen des Königs. Als Chamberlain im Laufe seiner
Rede zufällig auf die Gesinnungen zu sprechen kam, welche
England gegenüber auf dem Kontinent herrschen, sagte er,
es scheine unmöglich, das Wohlwollen dcs Auslands zu
gewinnen; England sei aber im Stande, sich die Achtung
des Auslands zu sichern.

Amerika.

Washington, 11. Febr. Die Verhandlungen
znnschen Nnßland und den Vereinigten
Staaten wegen der mantschurischen Frage werden
eifrig, aber in freundschaftlicher Weise, betrieben. Der
russisch-chinesische Vertragsentwurf enthielt die einen
Einspruch herausfordernde Bestimmung, durch die der
r u s s i s ch - ch in e s i s ch e n Bank die Aufsicht über
die wirtschaftliche Entwickelung der Mantschurei gegeben
werden sollte. Die Vereinigten Staaten erblickten hierin
ein Mittel, sie von der Mantschurei auszuschließen und
wiesen Nußland auf ihre aus den Verträgen mit China
herrührenden Rechte und anf die von Rußland selbst bei
der Besetzung der Mantschurei gemachten Versprechungen
hin. Daraufhin ließ Rußland, nach der „Köln. Ztg.",
die beanstundete Bestimmung aus dem offcnen Vertrags-
entwurf streichen, jedoch nnr, um die gleiche Bestimmung
in einen geheimen Vertrag aufzunehmen. Die
Vereinigten Staaten haben daher jetzt neuerdings wieder,
sotvohl bei Rußland, wie bei China, entschieden Einspruch
erhoben. Die Vereinigten Staaten haben dies unaphängig
H von andern Mächten gethan; es ist jedoch bekannt, daß
andere in der Mantschurei interessierte Mächte in ähn-
> licher Weise Einspruch erhoben haben.

getautcn Flvcken und an den Stiefcln schleppte er festneballte
Schneeklumpen mit.

Das Haus dcs Herrm Gerard lag mitten in einem Garten,
wie damals alle Häuser jencr Stratze. An der der Stratze
zugekehrten Front gab cs keinen allgemeinen Eingang, weil
die hicr befindliche Glasthür nnr in cinc vor dem ebenerdigen
Salon licgende geschlossene Vcranda führte; an der Scite bc-
fand sich der Eingang zur Küche, in der hinteren Front aber
die eigentliche Hausthür, zu dcr scchs bis sieben fteinerne
Stufen hinaufführten.

Zarnow ging um das Hans hernm nach diesem Eingang,
ohne cincm menschlichen Wcscn zu begegnen; eine einsame
Krähe sah anf dem Grasplatzc nnd flatterte bei seiner An-
nähernng auf, sonst schien allcs ansgestorben.

An dem Abkratzer beseitigtc Zarnow, so gut es gehcn wollte,
den an seinen Sticfeln anhaftenden zusammengeballten Schnee
schüttclte dann seinen Mantcl, schwenkte energisch seinen Hut
nnd öffnete nun erst dic unvcrschlosscne Hausthür. Zarmow
würde geglaubt haben, dah die Einwohncr alle ausgcgangen
seien, wenn nicht aus dem Salon herans cinschmeichelnde Töne
von Saiteninstrumentcn erklungcn wären. Zarnow lanschte
— cs waren die bizarrcn und vcrzwickten Variationen dcs
„Karnevals von Venedig", dic da von Meisterhand gespielt
wnrdcn. Aber die Töne einer Violine und eines Cello waren
nicht die einzigen, dic das wnnderlichste Konzert bildeten,
das Zarnow jemals gchört hattc; aus dcm Zimmcr rechts
erscholl vielstimmiger Gcsang von Kanarienvögeln und dazu
machte sich ab nnd zu das klägliche Winseln eines Hundes
vernehmbar, das dann mcistcnteils mit einem dröhnenden Ge-
lächter bcgleitet wurde.

„Da haust ja eine ganz unklugc Gesellschaftl" murmelte
Zarnow und cr )väre im Zweifcl gcwesen, ob er eintreten
dürfc, wcnn nicht eben wieder das Vcrtranen erwcckende
dröhnendc Gelächter erklungen Iväre. Er klopfte an -— Nie-
mand hörte ihn; endlich drückte er anf die Klinke und trat
ein.

Aus Stadt und Land.

8 Ncckargemünd, 12. Febr. (Von der Faschings-
zeil.) Noch nie ist dem Karncval sein Recht hier so geworden»
wie heuer. Unter den Maskenbällen der hiesigen Gesellschaften
ist besvnders der des Kasinos hervorzuhcben, der Grotzartiges
bot. Eine buntgcmischte Versammlung bewegte sich gruppen-
weise im Saale und in den angrenzenden Zimmern des Gast-
hauses zum Hirschen in fröhlich gehobener Stimmung hin und
hcr. Hier sah man geschmackvoll maskierte Gruppen, die ver-
schiedcnen Landcstrachten darstellend. Dort wieder Masken,
die lokale Verhältnisse markierten. Große Heiterkeit rief bei
der zahlreichen Beteiligung ein nmskiertes junges Ehepaar
niir ihrem Spröhling im Kissen hexvor, wobei letzterer durch
Snßigkeiten hie und da von feinem Schreien beruhigt Ivurde.
Abwechslungsweisc hatten die Ballgäste auch den Genuh von
Solo- und Couplet-Gesängcn und sonstigen Aufführungen.
Der andere Tag im Kümmelbacherhof, sowie der Zipfel-
kappcn-Gesellschaft-Abend waren ebenfalls gelungen. Auch der
iMaskcnball des Liederkranzes war stark besucht und reich an
Maskierten (Dominos) und ein jeder Besucher dieses BalleS
hat das Gefühl des Wohlbchagens empfunden. — Der Fast-
nachtsdienstag wies viele Draskcn, darunter leider auch unan-
ständige auf. Große Aufmerksamkeit zog ein auf einem
Schimmel reitender Neger auf sich.

Mannheim, 12. Febr. (Theosophische Gesell-
schaft M a n n h e i m - L u d w i g s h a f e n.) Jm Vor-
tragssaale der Hochschule für Musik M. 1. 8. Mannheim sprach
am Mittwoch, den 12. d. M.< Herr Rudolf Schneider über
Karma, das Gesetz der Wiedcrvcrgeltung. Der Redner führte
folgende Gedanken ans: Die exakte Wissenschaft kennt ein in
der Körperwelt des ganzen Universums wirkendes Gesetz, das
Kausalitätsgesctz, lvonach jede Ursache eine entsprechende
Wirkung hervorbringt nnd nach welchem jedc Kraft wieder
zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrt. Dicses Gesetz wirkt mit
dcrsclben mathematischen Gcnauigkeit in der psychischcn, mora-,
lijchen u.Gedankenwelt. Jedes Gefühl, jeder Gedanke, jedeThat«
scien sic nnn gut oder böse, kehren wieder zu ihrem Urheber
zurück. Das gesamte Weltall läht sich mit einem Hause ver-
gleichen. Auch dem Wcltgebäude liegt ein bestimmter Plair
zu Grunde. Das Weltall wird in allen seincn Teilen voir
einem einzigen, höchstcn Gesetze, dem Gesetze der Einheit, Har-
monie und Wiedervergcltung, behcrrscht und gelcitet, aüf
welchem die Weltordnung beruht. Diese in der Welt herrschende
Ordnung und Gesetzmäßigkeit ist unveränderlich und dahec
gerecht. Wie die Vielheit der Gliedcr und Organe des mcnsch-
lichen Körpers von einem Willens- und Bewuhtseinszcntrum
der Seele einheitlich bclvegt Iverdcn, so werden alle Ber-
änderungen in dcr Welt von dem ihr zu Grunde liegenden
Geiste und Gesetze geleitet und rcguliert. Jede der grohen
Weltreligionen spricht von diescm höchsten Willen unter einem
andercn Namen. Der Europäer nennt diesen höchften Willen
„Gott", dcr Jndcr bezeichnct ihn mit dem Namen „Brahma".
Äuf den tiefer denkendcn Mcnschen wirkt es deshalb geradezu
komisch, wenn der Bewohncr der westlichen Halbkugel den-
jenigen der östlichen cinen „Hcidcn" nennt, da doch die Religio-
nen bcider genau dasselbe lehren. Jn Bezug auf den Menscheir
läht sich dieses Universalgesetz folgendermahen ausdrücken:
Jedcr Mensch ist das Produkt sciner Thaten, seiner Gedanken„
Wünsche und Handlungen in vergangenen Leben. Der Mensch
ist der Schüpser, und, wenn er Weisheit erlangt hat, auch
der Herr und Mcister seincs Schicksals. Jesus faßte daK
Wiedervergeltungsgefetz meisterhaft in die Worte zusammen:
„Was dcr Mensch fäct, das wird er ernten." Die erste Stufe der
Leiter, welche zur Befreiung führt, ist Reinheit des Herzens.
„Selig sind, die rcincn Hcrzens sind, denn sie werden die
Wahrheit erkennen". Dic zweite Stufe ist selbstloses Dcnken
und Handeln. Das Gute muh gethan werden, weil es eben
gut ist, nicht aber, um persönlichc Vorteile zu erlangen. „Wenn
du Gutes thust, so darf die linke Hand nicht Ivissen, was
die rechte thur." So durchfeilt der Mensch allmählig seine
selbstgeschmiedeten Kettcn u. wird tvieder frei. — Die zahlreich
erschicnenen Zuhörer folgtcn den Ausführungcn dcsRedncrs mit

Die Musizierenden warcn in ihre Kunst so vertieft, dah sie
ihn auch jetzt noch nicht beachteten. Aber ein großer prächtiger
Bernhardiner sprang- anf. und war in einem Satze, feind-
selig knurrend, bei dem verdächtigen Ankömmling, offenbar
bcrcit, ihm bei der erstcn Bcwegung an die Kehle zu springen.
Die Musik vestummtc und eine kräftige Bahstimme rief den
Hund zurück.

Ehe Zarnow eine Entschuldigung wegen seines Eindringens
vorbringen konnte, rief Gerard nnwirsch:

„Der hcrt nun wieder kcins von den Madchen aufgepahtl
Das nichtsnutzige Gcsindel! Da hat man siebenundvicrzigtau-
send Schock Dienstbotcn im Hause und keiner davon hört es,
wenn sämtliche Strolche und Mörder Deutschlands einbrechen
und das Haus ausraubenl"

„Ganz so schlimm ist es doch nicht, Herr Gerard!" sagte
Zarnow, der sich niit gutcm Humor in die drollige Situation
fand. „Von mir habcn Sie nichts zu fürchten. Jch bin nur
ein harmloser Lehrer ..."

„Herr Doktor Zarnow!" und mit diesen Worten eilte das
Mädchen auf ihn zu und gab ihm mit furchtlosem Zutrauen
die Hand. „Der Onkel Gerard hat nicht daran gedacht, datz
Sie sich angemeldet hatten. Strolche und Mörder schen auch
anders aus, nicht so wic Sie :—" und die glänzenden Augerr
mit cinem unverhohlcnen Wohlgcfallen auf ZarnowS
Gcsicht, dah er beinahe darüber in Verlegenheit gcraten wäre.

»Je —^Herr Doktor Zarnow!" rief nun auch Gerard.
„Verzeihen Sie mcinc harmlose Bemerkung; aber Sie wissen
ja, wic das Dienstbotenvolk, das Tag und Nacht schläft, wie
eine Herde von Dachsen, auch cinen so nnglaublich sanft-
mütigen Menschen, wie ich bin, zur rasendsten Verzwciflung
bringcn kann. Nun scicn Sie willkommrn. Setzen Sie sich
einmal dahin — nnd Jnanita — geschwind das Ueblichel"

Das Uebliche war einc geschliffene Flasche mit schwcrem
spanischen Wein und ein Teller Bisquits, die auf ein Tisch-
chen gesetzt wurden, an dem Zarnow Platz nehmen muhte.

(Fortsctzung folgt.)
 
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