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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (2. Februar 1902 - 28. Februar 1902)
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Zweites Blatt.

44. Jahrgang — ». 41


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Dienstag, 18. Februar 1902.



dscheint täglich, SonntagS auSgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus aebracht, bei der Expedition und den Zweigstcllen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
» zogcn vierteljährlich 1.3b Mk. auSschlieblich Zustellgebühr.

bzeigenpreis: 20 Pfg. die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
dvrgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anichluß Nr. 82.

^Etarif und Kemeindeaögaöen auf Leöens-
mttteü

Die Zolltarifkommission des Reichstags hat am Mitt-
§?ch den von der sreis. Volkspartei ausgehenden Antrag
^rschbeck ausBeseitigung derkommunalen
Abgaben auf Lebensmittel angenommen.

egen den Antrag waren nur die Nationalliberalen
Aüd der Abg. Gothein von der freis. Vereinigung. Der
Mtrag will dem Zolltarisgesetz folgenden neuen Pam-
8raphen einfügen:

- »Für Rechnung bon Kommunen oder Korporalionen dürfen
-wgabcn auf Getreide, Hülsenfrüchte, Mehl und
?»dere Mühlenfcrbrikate, desgteichen auf Backwaren,
-kbendes Vieh, Fleisch, Fleischwaren und Fette vom
April nach Einführung dieses Gesetzes ab nicht erhoben
?>erden. Auf die Erhebung von Abgaben von dem, zur Bier-
^reitung bestimmten Malz findet diese Bestimmung keine
mwendung. Die entgegenstehenden Beftimmungen des Zoll-
rreinigungsvertrages vom 8. Juli 1867 und des Gesetzes vom

Mai 188S, betr. die Abänderung des Zollvereinigungs-
dertrages vom 8. Juli 1867 sind aufgehoben."

Welche bedeutende Summen dadurch dem G e -
dleindehaushaltentzogen würden, ergibt sich
«Us einer Statistik, die die „Frs. Ztg." mitteilt. Nach der
dom ReichSschatzamt der Zolltarifkommission mitgeteilten
ptatistik beträgt die städtische Fleisch- und Geflügelsteuer
su Breslau 1900 000 M. jährlich. Danach kommt
Dresden mit 914 000 M. städtischer Steuer auf Fleisch
Und Fische und 640 000 M. städtischer Steuer auf Brot
Und sonstige Nahrungsmittel. Hohe Fleischsteuern haben
Iveiter: Aachen mit 640 000 M., Kwssel mit 316 000 M.,
Mainz mit 236 000 M., Stuttgart mit 632 000 M.,
München mit 332 000 M., Straßburg mit 830 000 M.,
Wesbaden mit 295 000 M., Potsdam mit 307 000 M.,
Posen mit 332 000 M. Brotsteuern in grötzerem Um-
lunge erheben: Augsburg 138 000 M., Karlsruhe
W7 000 M., Nürnberg 433 000 M., München 266 000
Dt-, Würzburg 113 000 M., Kassel 63 000 M. (Jn
Neidelberg sind die städt. Verbrauchssteueru für das
Lahr 1902 aus 194 000 veranschlagt.) Jn Bezug auf
Erhebung solcher städtischer Abgaben auf notwendige
Rahrungsmittel kommen aber auch eine Reihe kleinerer
Ttädte in Betracht, die seit kürzerer oder längerer Zeit
Fleisch- und Brotsteuern eingesührt haben, die sich all-
chählich zu recht bedeutenden Einnahmequellen entwickelt
haben. Die vorliegende Statistik erstreckt sich lediglich
uus die Gemeinden mit mehr als 60 000 Einwohnern.
^esonders verbreitet sind die kommunalen Verbrauchs-
obgaben in Elsatz-Lothringen. Auf welche Weise die Ge-
breinden diesen Ausfall an Einnahmen decken wollen,
oarüber haben sich die Antragsteller leichten Sinnes hin-
iveggesetzt. Bedenken wurden dann anch in erster Linie
bon den Vertretern einzelner Bundesstaaten^geltend ge-
viacht, u. A. auch von württembergischer Seite. Der
Antrag schließt zudem eine Aenderung der Reichsver-
lassung in sich und würde zu Fall kommen, wenn 14
Stimnien im Bundesrat sich dagegen erklären.

Aie Kaushattungen im deulfchen Keiche.

Bei der Volkszählung am 1. Dezembcr 1900 wurden
12 260 012 Haushaltungen ermittelt. Davon waren 11 808 081
(82,2 v. H.) gewöhnliche Haushaltungen (mit zwei und mehr
Personen) und 870 601 (7,1 v. H.) Haushaltungen Einzeln-
Obender. Der Rest von 81 330 (0,7 v. H.) waren Anstalten

(Gasthöfe, Penfionate, Kranken-, Straf-, Armenanftalten, Er-
ziehungs-, Versorgungsanstalten, Klöster, Kasernen). Von der
mit 56 367 178 festgestelltenReichsbevölkerung leben53 866 405
Personcn in gewöhnlichen Haushaltungen, unter denen der Zohl
nach Haushaltungen mir drei und vier Personen, der Zahl
der Mitglieder nach solche mit fünf Personen vorwiegen. Auf
die Anstaltshaushaltungen treffen 1 630 172 Personen. Bei
den Haushaltungen Einzelnlebender kommen 272 742 männ-
liche, 697 859 weibliche Personen in Betracht. Die Mitglieder
der gewöhnlichen Haushaltungen setzen sich zusammen aus
47 979 041 Familienangehörigen (89,1 v. H.), 1 337 321

Dienstboten (2,5 v. H.) und 4 560 043 anderen Personen
(8,4 b. H.), wie Schlafgänger, Aftermieter, Pensionäre,
Pflegekinder usw.

Ausland.

Schweiz.

Bern, 18. Febr. Jn seiner Botschaft zum neuen
Zolltarifgesetz betont der Bundesrat, daß ihn bei
der Bemessung der Zollansätze finanzielle Gesichtspunkte
nur insofern beeinflußt hätten, als eine erhebliche Ver-
minderung der Zolleinpahmen vermieden werden sollte.
Daher konnten viele Wünsche nach Zollermäßigungen
gar nicht oder nur zum kleinen Teil berücksichtigt werden.
Eine Vermehrung der Zolleinnahmen sei nicht bezweckt,
die vorgeschlagenen Erhöhungen seien ausschließlich volks-
wirtschastlicher und handelspolitischer Natur, teils zum
Schutz der einheimischen Produktion, teils zum Austausch
von Zugeständnissen bei Handelsbertragsunterhand-
lungen. Die eidgenössischen Räte werden aufmerksam
gemacht, daß der neue Generaltaris nicht zur unmittel-
baren Anwendung bestimint sei und zunächst nur Unter-
handlungszwecken diene; erst später werde er als Ge-
brauchstarif anwendbar. Die Vorberatung beginnt nun
zunächst in dem Ausschusse des Nationalrates.

England.

London, 15. Febr. Jm Voranschlag für die
Flotte sind 122000 Pfd. Sterl. vorgesehen sür die
Vermehrung des Personals um 3878 Köpfe. Jm nächsten
Jahre sollen fertiggestellt werden 6 Schlachtschisfe, 7
Panzerkreuzer, 2 Korvetten, 2 Hülssschiffe, 2 Torpedo-
bootzerstörer. Begonnen werden soll mit dem Bau von
2 Schlachtschisfen, 2 Panzerkreuzern, 2 Kreuzern dritter
Klasfe, 4 Aufklärungsschiffen, 9 Torpedobootzerstörern,

4 Torpedobooten, 4 Unterseebooten. Umgebaut bezw.
umarmiert werden die Schlachtschiffe Royal Souvereign,
Barfleur und Centurion und die Kreuzer Arrogant, Tal-
bot, Powerful und Terrible.

— Seitens der „Fair-Trader" wird im Parlamente
die folgende Resolution zum „Schutz dernationa -
len Arbeit" eingebracht werden: „Es ist
die Meinung des Hauses, daß die Einkommensteuer um
die Hälfte herabgesetzt werden sollte. Um den dadurch
verursachien Ausfall auszugleichen und um die erforder-
lichen Staatseinnahmen zu sichern, solleu Einfuhr-
zölle und zwar: auf Einfuhreu im allgemeinen von

5 Prozent nck vulorem und 10 Prozent von allen fabri-
zierten Waren erhoben, den britischen Besitzungen und
Kolonien aber Zollermäßigung oder Zollfreiheit einge-
räumt werden." An eine Annahme der Resolution ist
zunächst kaum zu denken; sollte es aber zur Abstimmung
kommen, so wird es interessant sein zu sehen, wie weit die
schutzzöllnerische Bewegung im Parlamente an Boden
gewonnen hat.

Afrika.

Kapstadt, 16. Febr. Eine Abordnung unter
Führung von Professor Hcchn vom South African
College überreichte dem Premierminister eine von dem
deutschen Klub angenommene, von 76 hervor-
ragenden deutschen Einwohnern unterzeichnete E r -
klärung. Diese weist die durch Europa namentlich
über die Behandlung der Burenfrauen erhobenen Beschul-
digungen zurück. Hahn wurde auch von dem Gouverneur
empfangen, der ihm seine Besriedigung über die Haltung
der deutschen Häuser ausdrückte und erklärte, er werde
die Erklärung an Chamberlain weitersenden.

Aus Stadt und Land.

L. L. Mannheim, 16. Febr. (DieHolzbautenfür
die Landwirtschaftsausstellung) werden eifrigst
gefördert. Die Arbeiten wurden lt. „N. B. Landesztg." einer
Wiesbadener Firma übertragen, die schon für verschiedene Aus-
stellungen der Deutschen Landwirtfchaftsgesellschaft die Hallen-
bauten übernommen hat. Es hatten sich auch mehrere Mann-
heimer Zimmermeister an der ausgeschriebenen Submission
beteiligt; sie sind jedoch unterlegen, da ihre Forderungen um
ca. 20 000 M. höher waren, als die der Wiesbadener Firma.

Karlsruhe, 14. Februar. (Das immer mehr ins
Knotenhafte ausartende Faschingstrei-
ben) hat mehrere Blätter veranlaszt, die Bildung eines
Faschingskomitees für das nächste Jahr vorzuschlagen, das
etwas mchr Anstand und Witz in die ösfentlichen Aufzüge zu
bringen hätte. Sogar der „Volksfreund", der vor der Fastnacht
die Parole der Sparsamkeit etwas unbedacht verallgemeinert
hatte, äußert sich jetzt in obigem Sinne: „Fastnacht, besonders
die Fastnacht auf der Stratze, ist auch ein Kinderfest. Wie
herzig und sütz ist, auch in den schlichtesten Kostümen, so ein
Büblein und Mägdelein, die mit ihren kleinen Narrengcsichtern
unter harmlosen Filztrichtern oder kecken Tirolerhütchen her-
vorsehen. Und diese Kinder, denen man die Fastnacht auf
der Stratze zeigen will, darunter auch schon erwachsene Jun-
gcn, sehen fast nur Scheutzlichkeit auf Scheutzlichkeit. Vor den
Augen der erwachsenen Menschen will -man die schöne
Nacktheit des Menschenkörpers im Bilde entferncn und giebt
sich mit der Zucht gesetzlicher Feigenblätter ab; aber vor den
Augen unserer Kinder lätzt man zwei Tage lang die. Scheutz-
lichkeit in Lumpen, schnöde schlotterbusige Mannweiber, her-
umziehen und findet, das könne einer Kinderseele nicht scha-
den." Das Blatt appelliert. an die Karlsruher Schriftsteller-
und Künstlcrkreise, die sich zusammenthun follen, um durch
Arrangierung eines humorvollcn und künstlerischen Karnevals-
zuges an Fasching 1903 dem schon ziemlich mächngen maskier-
tcn Lumpentum dcs Lcbenslicht ausznblasen unb an Stelle
der Rohheit und Niedrigkeit die Grazie, den Hnmor und die
Farbe zu setzen. „Warum sollte, was in kleineren Städten
Badens ist, nicht in der Residenz möglich sein?" Das haben,
so meint der „Schwäbische Merkur", andere früher schon ge-
fagt, aber bis jetzt ohne Erfolg. Hoffentlich kommt es endlich
zu einem Entschlutz.

SE. Karlsruhe, 14. Februar. (Die Frage der
ausländischeu Studierenden) an deutschen Hoch-
schulen ist hier bei dcm jüngsten Kaiserkommers von dem der-
zeitigen Rektor der Technischen Hochschule, Geh. Hofrat Prof.
Dr. Heid, angeschnitten worden. Er sagte, der Zuzng aus-
ländischer Studierender sei schon im Mittelter der Stolz der
deutschen llniversitäten gewcsen. An den Technischen Hoch-
schulen solle man sich nicht weniger gastfreundlich zeigen.
Noch weniger sollte man wegen etlvaigcr zu erwartender
Konkurrenz oder damit nicht der deutschen Jndustrie und Tech-
nik ihre Geheimnisse etwa abgelauscht würden, nach absperren-
den Mahregeln verlangen. Gegen diese Anschauungen wird
in der konfervativen „Badischen Post" entschieden Einspruch
erhoben. Der Zuzng im Miitelalter habe nur der reinen
Wissenschaft gegolten, heute handle es sich um das wissenschaft-

Sk)

Sneewtttchen.

Roman vou A. I. Mordtmann.
(Fortsetzung.)

8. Kapitel.

Veränderunge n.

Dcr Winter verging in sciner crsten Hälfte bis zum
^eihnachtsfeste für Zarnow viel angenehmer, als er bei der
Abwesenheit Cäciliens gehofft hatte. Die Geliebte war als
Gesellschafterin einer älteren Dame nach Kairo gefolgt, wo
diese dcn Winter zuzubringen pflegte. Zarnow war die Tren-
vstng pon ihr sehr schwer geworden, da er zu Beginn dcs nenen
Jahres seinc Stellung in Brasilien anzutreten hatte und nicht
hoffen durfte, Cäcilie vorhcr noch zu sehen.

Jndessen, die traurige Vercinsamung, die er für sicki be-
'iirchtet, trat nicht ein. Zwar zu Friedrichscns ging er nicht
Ut, weil die billige Wohnnng, die sie in Hnmmerbrok bezogen,
sür lhn zu entlegen war, aber dafür hatte sich seine Stellung

Gerardschen Hause zu einer ungeahnt angenehmen und
dcrtraulichen entwickelt, so datz sie ihm sast einen Ersatz für
die fehlende Häuslichkeit gewährte.

Das hing mir vcrschiedcnen Dingcn zusammen, in erster
Ainie aber war es eine Folge der gründlichen allgemeincn Bil-
dung, dic Zarnow nebcn seiner speziell philologischen bcsatz,
<snd die ihn ja auch zu einem so ausgezeichneten Lehrer gemacht
Mtte. Er war Ivie wenigc gecignet, in dem wnnderlichen Trio
^iauvillon-Gerard-Hartmann das vermittelnde Elemcnt dar-
öustellen, jeden anzuhören, auf die Jnteressen cines jeden ein-
selnen einzugehen iind ihrer Unterhaltung, die bisher den
^haraktcr eines dreifachen Monologs gchabt, dic Merkmale
EUies wirklichen Gedankenaustauschs zu verleihcn. Das er-
mnnten alle drei mit Begeisterung au, und scit dem crsten
^onntage, da sie zusammen bci Gerard gegessen hatten, war
lortcm Zarnow der vicrte bei den gcmeinsamen Diners.

Dazu aber kam, datz sich Jucmita bald mit herzlicher

Zuneigung an ihrcn ernsten Lehrer anschlotz. Er war keines-
wegs nachsickstig mit dcm schönen Kinde; was sie bei ihm lernte,
mutzte gründlich gelernt werdcn, und nur fparsam kam em
Lob aus seinem Munde; abcr wenn es kam, dann ivar Juanita
darauf so stolz, wie eine junge Hausfrau — pflegte Gerard
zu sagen — die zum erstenmale den Braten nicht versalzen hat.

„Was fangen Sie denn immer abends an?" fragte Gerard
dcn Lehrer, als dieser sich das zweite oder dritte Mal oer-
abschiedete.

„Meistens sitze ich zu Hause und lese," antwortete Zarnow
freimütig, „ich habe für das Wirtshauslcben wenig Sinn, nnd
Bekanntschaften habe ich nie viel gehabt, jetzt noch wcniger
als früher."

„Na, da legen Sie cinmal Jhren Hut wieder hin," sagte
Gerard darauf,' „und bleiben Sie bei uns, anftatt einen von
den alten gricchischen nnd latcinischen Schmökern dnrchzu-
ackern. Jisi dem muffigen Zeug steckt ja doch kein cinziges
gescheites Wort."

Herr Dr. Zarnow lehntc nicht ab, und so war er bald
etn fast täglicher Gast in Gcrards Hause. Das Gespräch mit
dcm Hausherrn über die Tagcsereignisse, das Mnsizieren Fua-
nitas und Gerards, die anregendc llnterhaltung mit Mauvillon,
.Kartmann oder andcren gelegentlichen Gäste des Hauses wur-
den ihm bald unentbchrlich, und er fühlte sich im Kreise dieser
prächtigen Menschen umsomehr Iheimisch, .je unverhohlener
man ihm zeigte, wie gcrn er selbst gesehen wurde.

Das erstreckte sich bis auf die Dienstbotcn und die Ticre
des Gerardschen Haushalts, was vielfach Anlaß zu klcinen
Neckereien gab. Die Köchin hielt strenge daraus, dah, wenn
Zarnow da war, die Speisen nicht fehlten, von denen sie
wußtc, dah er sie gern atz, das Stubcnmädchen begrützte tcüien
anderen mit eincm freundlicheren Lächeln und Nero bewies
ihm eine rührende Zuncigung. Zarnow war von allen Lcntcn,
dic im Gerardschen Hausc verkehrten, der einzige, dcmNcro nicht
blotz mit gravitätischcr Höflichkeit, sondern mit unverkennbarcr
Frenndschaft entgegenkam. Es gab nnr drei Mcnschen, die er

bcim Wcggehcn stets bis an das Gartenpförtchen begleirete,
und das waren Gerard, Juanita nnd Zarnow.

Auch den Weihnachtsabend brachte Zarnow im Gcrard-
schen Hause zu. Die Bcscherung fiel für ihn so rcichlich
ans, datz er vor lleberraschung und Rührung kaum eines Wor-
tes mächtig war. Allerdings' kam hinzu, datz e,s überhaupt
der letzte?lbend war, den er in diesem echt deutschen anheimcln-
den ^eise zubrachte; denn am nächsten Tage mutzte er nach
England abreisen, um dcn Brasildampfer in Liverpool zu
trefsen. Und zwei Augenblickc gab cs, die ihm diesen Weih-
nackstsabend für immer nnvergetzlich machen follten.

Der erste lvar, als nach Beaugenscheinigung der Ge-
schenkc unter dem prächtig geputzten Tannenbaum Händedrücke
und Dankcsworte von allen Seiten gewechselt wurden. Hn-
dcm nnn Juanita, von dcr Zarnow cin gehäkeltes, seidenes
Geldbcutclchen erhaltcn hattc, ihm für scin Geschenk. eine
wimderniedliche italieiiiscbe Ausgabe von Tassos „Bcfreitem
Jerusalem" danken wollte uiid cr, eigcntümlich bewegi, ihr
Händchen an die Lippcn zog, da erhob sie sich auf den Zehen
und gab ihm, wie allen übrigen, mit kindlicher Reinheil und
llnbefangcnheit eincn Kutz. Es durchbebte ihn wie ein elek-
trascher 'Schlag, u. für einige Sekunden war cr ganz verwirrt,
crst Hartmamis eifriges Bemühen, ihm die Vorzüge des
Münzensckirankes auscinauder zu setzen, den seine Prinzipale
ihm geschenkt hatten, brachte ihn wieder ins Gleichgewicht.

Dann kam der obligate Karpfcnschmaus, ohne den es
in Hamburg kein Weihnachtsfest giebt, und zum Schlntz Punjch
nnd Bischof. Und nun, nachdcm schon verschiedene Gesundheüen
mit Begeisternng getrnnkcn warcn, <.rhob sich Gerard nnd
sprach:

„Mir ist kcine Rednergabe bcschiedcn und darum mutz
ich mir, wcnn es da drinnen brodelt und kocht, in den kräftigen
Wortcn Luft machen, dic bci unvcrständigen Lcuten wic dem
alten Wiudbeutel Hartmaun und meincm nie über das
Schwabenalter hinauskommenden Schwager so viel grinsendes
Gefeixe hcrvorrufen. Darum, lieber Zarnoiv, nehmen Sie mit
wenigen Worten vorlieb: wenige sind es, aber sie kommen.
 
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