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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (2. Februar 1902 - 28. Februar 1902)
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Zweites Blatt.

44. Jahrgaug — 8r. 42

Mittwoch, 19. Fetzruar 1902.

rschtint täglich, SonntagS ausgrnommen.

PreiS mtt Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 4V Pfg. Durch die Post de-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließllch Zustellgebühr.

nvreis- 20 Pfg die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezcile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigcn an bestimmt
dörgeschriebenen Tagen wird keine Vcrantwortlichkeit übernommen. — Anschl a g der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

ZLadischer Landtag.

LL. Karloruhe, 17. Februar. Der Bericht der Bud-
etkommission über das Kultusbudget. erftattet
l°>n Abgeordneten Obkircher, liegt nun gedruckt vor. Zu
Mragraph 1 (Dotation des Erzbistums) wird unter anderem
^werkt: Die ftaaÜichenLeistungen für den Erzbischöflichen Tisch
,Hehc„ in Geld und weiter in einer an Stelle dec Natural-
7°N>petenz zu gewahrenden Geldvergütung, tvelche icwerls
dem Durchschnitte der Naturalienpreise der der Budget-
^lfftellung vorausgegangencn letzten zwei Jahre bcmeflen wird.
Ndurch ist für die jctzige Büdgetperiode eine mähige Er-
'dhung des bisherigen Betrages bedingt.

, Die Leistung für das Domkapitel bestand bisher gleichfalls
'üls in einem festcn Geldbetrag, teils in einer Geldvergütung
Stelle der Naturalkonrpetenz. Jm gegenwärtigen Budget
^scheint nur eine einzige Geldanforderung im Betrage von
c^114 Mark, während im Budgct für 1900—1901 neben
festen Summe von 16 628 Mark eine Naturalieuvcrgütung
Höhe von 18 489 Mark, insgcsamt also eine Leistung von
118 Mark aufgenommen war. Dics beruht auf einer zwi-
Men der GroHherzoglichen Regierung und dem Erzbischoflrchen
7>omkapitel getroffenen Vereinbarung, wonach an Stelle der
"isherigen Geldkompetenz und der Naturalicnvergütung künf-
'S bis auf Weiteres feste jährliche Beträge gewährt werden
Men, die — entsprechend den geänderten Zeit- und Wert-
°°rhältnissen und der Stellung der Mitglieder des Domkapitels
T- etwas höher als die seitherigen Leistungen bemessen wurden.
Der Mehrauflvand gegenüber dem Budgetsatz für 1901 beträgt
8895 Mark.

Nach der Dotationsurkunde vom 23. Dezember 1820 rst
°as Einkommen dcr Mitglieder des Erzbischöflichen Dom-
Rpitels und zlvar: des Domdekans auf jährlich 4000 Gulden
°es ersten Domkapitulars (Seniors) auf jährlich 2300 Gul-
und der übrigen Donrkapitulare auf jährlich je 1800 Gul-
°«n festgcsetzt mit der Matzgabe, datz der Domdekan, sowie
°>e Domkapitulare ihr Einkommen zur Hälfte in einer bestimm-
'en Menge Naturalien (Hafer, Heu, Stroh, Wein, Weizen,
m>rn und Tannenholz) zu beziehen haben. Die fragliche
^aturalkompetenz wurde jedoch bisher nie in Natura ge-
"efert, sondern seit Errichtung des Erzbistums stets in Geld
Argütet. Der erfte Domkapitular (Senior) tvar nach der
^otationsurkunde auf das Erträgnis der (alten) Münster-
Uarrpfründe im Anschlag von 1600 Gulden und auf cinen
Aaatsbeitrag von 800 Gulden — ohne Naturalien — ange-
Nesen und erhält seit einer Reihe von Jahren von der
^iünsterpfarrpfründe durchschnittlich jährlich 350O Mark und
?us der Staatskasse jährlich 1371 Mark (800 Gulden). zu-
iAnmen jährlich 4871 Mark.

.. Jn der Vorstellung vom 17. Juni vorigen Jahres hat
M das Domkapitel an die Regierung mit der Bitte gewendet,
>ür eine zeitgemätze Erhöhung der Dotation seincr Mitglieder
aus staatlichen Mitteln Sorge tragen zu wollen. Zur Be-
8ründung des Gesuches wurde angeführt, datz infolge des
pinkens der Naturalienvergütungen, die seit 1868 nach den
ieweiligen Durchschnittspreisen der Freiburger Marktftätte be-
?>essen werden, das Einkommen dcs Domkapitels und der Dom-
Mitulare sich stetig verringere und überhaupt dcn heutigen
^erhältnissen nicht mchr entspreche.

. Die Grotzherzogliche Regierung hat in der Erwägung, dah
'N der That die Einkommensverhältnisse des Domdekans und
°er Domkapitular^ bei d'en geänderten Zeit- und Wertver-
Sältnissen den Bedürfnissen, wie der Stellung dieser Mitglie-
°er der obersten katholischen KÜrchenbehörde nicht mehr ent-
wrechen und aus naheliegenden Gründen eine Verwendung
don Mittel der allgemeincn 51irchenstcuer zur Aufbesserung
°es Diensteinkommens der höheren Geistlichkcit veruneden
d>erden will, die Allerhöchste Genehmigung dazu in Antrag
Wracht, datz mit Wirkung vom 1. Januar 1902 ab bis auf
-Üeiteres unter Wegfall der bisher gcwährten Naturalienvergü-
wngen das aus der Staatskassc fliehende Einkommen dcr Dom-
ülpitulare wie folgt festgesetzt wird: für denDomdekan auf jähr-

87)

Sneewittchen.

Roman von A. I. Mordtmann.
(Fortsetzung.)

. „Das denke ich auch, und so ähnlich lautct heute incine
'oitte an Sie. Juanita ist der allgemeine Liebling, aber ich
!heine immer, es könnte ihr hicr und da noch ctwas fehlcn, an
^Uherem Schliffe, an ihren Kenntnissen, an der Art, wie sie sich
8>ebt, wie sie spricht — kurz überall."

, „Und Sie vcrlange», dah ich das schon nach so kurzer Be-
wnntschaft beurteilen soll?"

„Die Frauen haben darin ein sehr feines Gefühl."

Cäcilie sah mit einem forschendcn Blick und einem Lächelu
stw dcn Mund nach Juanita hinübcr, die ebcn Fräulein Helene
Me Noten zeigtc und daüei mit groher Lebhaftigkeit sprach.
^ie war, das gestand Cäcilie beinahe widcrwillig zu, csn Mäd-
wen nicht nur von auhergcwöhnlicher Schönhcit, soudcrn auch
°on seltener Anmut der Bcwcgungen und gewinnendem Zauber
°es Umgangs. Man muhte ihr gut sein. Aber Cäcilie, ver-
iuöhnt durch die allgcmcine Bewundcrung, die man ihr seit
Mer frühestcn Jugcnd cntgcgengebracht hattc, gchörte zu den
9'rauen, dic übcrall, wo sie erschcincn, die Alleinherrschaft auf
oern erstcn Platz beanspruchen und Andcrn nur den zweiten
einräumcn mögen. Gcwih, es sollte schöne, liebens-
Aürdige und kluge Mädchen gcbcn, und Allen sollte alles erdenk-
!)che Lob gegönnt scin, nber nur unter der Pcdingung, dah
m untcr all dcn Gepriesenen gewissermatzcn als lüngst Prämi-
!°vtc hors de coucours wäre. Gerard würde wohl ctwas ver-
^Undert gewcscn scin, wenn cr gewutzt hättc, datz sich unter
sipciliens wohlwollendem Lächcln der neidische und cifer-
^schtige Gcdankc vcrbarg, cs crwachse ihr in der armen Waise
'ä'c gcfährliche Nebcnbuhlerin auf dem Gcbicte, auf dcm sie
^üein ohnc Nebengöttinncn bisher rcgiert hattc und in Zukunft
^giercn wollte.

. . Nach cincr kurzen Pause wandtc sie sich wiedcr an Gerard
dcn Worten:

„Wenn ich au Jhrer Stclle wäre, würde ich mich nicht auf

lich 10000 Mark, für den ersten Domdekan auf 3000 Mark,
für deu zweiten, dritten, vierten, fünften und sechsten Dom-
kapitular auf 2400 Mark. Die crbetene Genehmigung ist mit
höchster Staatsministerialentscheidung vom 14. September V.J.
erteilt und hiervon dem Erzbischöflichen Domkapitel mit dem
Hinweis darauf Eröffnung gemacht worden, dah durch die
hiernach gutgeheitzene freiwillige und widerrufliche Erhöhung
des Einkommens der Mitglieder des Domkapitels eine Ver-
änderung der bisherigen Rechtslage iticht stattfinde, insbeson-
dere keinerlei rechtlichc Verpflichtung des Staates zur Nach-
dotierung anerkannt kverden solle.

Die Budgetkommission beantragt Genehmigung dieser und
aller übrigen Positionen.

Deutsches Reich.

— Dem verstorbenen Major Johannes Christ
widmet in Vertretung des Staatssekretärs v. Tirpitz der
Vizeadmiral Büchsel dem Verstorbenen einen ehren-
denNachruf. An den ersten Kämpfen in China hat
der Major Christ mit der ersten und zweiten Kompagnie
des 3. See-Bataillons vom 21. bis 28. Juni in dem vom
russischen General StößeI befehligten und hauptsäch-
lich aus Russen zusammengesetzten Landungskorps her-
vorragenden Anteil genommen und namentlich an dem
Entsatz der Kolonne Seymour mitgewirkt. Genchal
Stößel hielt an die beiden Kompagnien bei derEntlassung
aus seinem Befehlsbereich folgende den Kommandeur
Major Christ wie seine Offiziere und Mannschaften hoch-
ehrende Ansprache:

„Jch habe noch keine Macht der Welt gesehcn, die so vor-
geht und einen solchen Mut besitzt wie die Deutschen. Jch werde
es an den Deuischen Kaiser und den russischen Zaren berichten.
Jch lasse euch ungern fort hier aus unserer Nähe, ich weih
aber, datz ihr mir zu jeder Stunde helfen werdet."

Major Christ erhielt für seine kriegerische Thätigkeit
in China den Kronen-Orden 3. Klasse mit Schwertern.

Bade».

— Aus dem Testamente des kürzlich verstorbenen
Professors Franz ll'aver Kraus haben die Blätter fol-
genden Satz neulich angeführt:

Jch sterbe, wie ich gel'ebt, als meiner Kirche bis' in den Tod
ergebencr Sohn. Habe ich etwas gedacht oder geschrieben, was
ihrem oder Christi Geist zuwidcr wäre, so sei es hiermit zurück-
genommen uud all mein Thun und Lassen 'sei dem Urteil der
katholischen Christenheit unterstellt.

Wie jetzt nachträglich mitgetejilt tvird, fährt das
Testament dann fort:

Aiöge der Herr meine Kirche und mein deutsches Vaterland
schützeu, meincu Kaiser und meinen Grohherzog segnenl Lebend
und sterbend crkcnue ich für die christliche Gesellschaft kein
Heil, als in der Rückkehr zu dem religiösen Ka-
tholizismus, in dem Bruch mit den irdischen
politischen und pharisäischen Aspirationcn
des Ultramontanismus — in der Erkenntnis, dah
das Reich Goltes nicht von dieser Welt ist.

Aus Stadt und Land.

Vo. Kaiserpanoramli. Groh war in den letztcn Tagen dcr
Zudrang zu dcr Bilderserie aus dem Burenkrieg. Die Bilder
können nur bis Samstag in Hcidelberg blcibcn, weil sie auch
an andercn Orten, wo Kaiserpanoramas sind, sehr gewünscht
Iverden. Jn Anbetracht dcssen möchten wir dcn Lesern em-
pfehlcn, dicse Scrie noch schnell in Augenschein zu nehmcn.

Aus Baden. Der 61 Jahre alte Taglöhner Hurter in Hcrdern

cin Urtcil verlassen, das doch immcr nur auf flüchtiger Be-
obachtung beruhcn kann. Jch würde das Kind — denn das
ist Juanita im Grunde doch noch ..."

„Gewitz, und Gott sei gcdankt, datz es so ist", 'chaltete
Gerard ein.

^,Also ich würde dcm Kinde cine tüchtige und erfahrene
Gcsellschafterin bcigcbcn, die Zunächst beobachten und dann,
wo es noch fehlt, leicht imd nnmerkbar die bessernde Hand au-
legeu mützte; sic würde auch die Lücken in der Bildung zu be-
seitigen habcn, dic ja übrigens nicht grotz sein könncn, da Dr.
Zarnow ihren Uutcrricht geleitet hat."

Gcrard hörte cntzückt und mit strahlcndcn Augen zu; als
ste schwieg, ricf er voll aufrichtigcr Begeisterung:

„Wic Sie mcine Gcdanken erraten haben, Fräulein Fried-
richsenl Rein als wenn ich verhept wäre! Es ist gut für Sie,
datz Sie in dcr Ncuzeit und nicht drei Jahrhundertc früher
lebten, man hätte Sie sichcr als einc ganz gefährliche Zauberin
vcrbranutl"

„Sie wöllcn Juanita cinc Erziehcrin gebcn?" fragtc Cä-
cilie, die sich im Jnneru zu ihrem Scharfsinn Glück wunschte.

„Ja, das war mciue Absicht. Wie denken Sie darübcr?"

„Jch billige Jhrcu Entschlutz. Nur fürchte ich, datz es
schwer sein wird, cine geeigncte Persönlichkeit zu finden."

„Wollen Sic mir nicht bcim Suchen behilflich sein?"

„Jch? Belvahrc. Das ist cine Verantwortiing, die ich
um keinen Prcis übcrnchmen möchte. Bedenken Sie, wie vicle
gute Eigenschaftcn cinc solche Dame iu sich vereinigen mütztc.
Neln, Herr Gerard, da müssen Sie schon allein wählen."

„Habcn Sie nicht ciue Doppelgängerin?"

Cäcilie vcrstand nicht nur die Frage, sie war auch klug
gcuug, dics zu zeigen und antwortcte:

„Weuu Sie glauben, datz cine Damc wie ich Jhrcn An-
sprüchen genügcu iö«utc ..."

„Wollen Sie nicht licber glcich fragen, ob mir die
Kaiserin von Mexiko gut genug als Erzieherin für Juanita
ist?"

„Sie sagen im Schcrze, was ich im Ernste mcine", erklärte
Cäcilie ruhig. „Weun dcm nicht so wäre, hätte ich längst

gerict mit seiner Ehefrau in Streit uud stach dieselbe mit einem
Taschenmesser i» dcn Rücken. Die Frau flüchtete und rief die
Poiizei um Hilfe an. Als ein Schutzmann in dem Hause derVer-
letzten eintras, und nach dem Thäter suchte, faud mau denselben
im Keller an einem Stricke erhängt. — Ein Brandstifter treibt
wieder eiumal in Oberwangen sein Unwesen. Am
Samstag ist das grotze Anwesen des Altbürgermeistcrs Gün-
tert in Flammen aufgegangen. Auffallend ist, datz bis jetzt
fämtliche Brandfälle entweder Samstag oder Sonntag Nacht
vorgekommen sind. Die Aufregung unter der Bevölkeruug
Oberwangens ist begreiflicherweise wieöer eine hochgradige. Jn
Gündelwangen brminte das Haus der Bertha Eggert vollständig
nieder.

Kleine Zeitung.

— Zur Berhandlung gegen dcn Ducllantcn Oswald
Falkenhagcn ist noch nachzutragen, daß der Vorsitzende
in seiner Ansprache an die Vertreter der Presse sagte:
Ueber das, was der Angeklagte nach dem Tode des Land-
rats in Berlin gethan hat, sind durchaus falsche Nachrich--
ten verbreitet worden. Die Ermittelungen haben ergeben,
daß alles, was darüber berichtet worden ist, nicht der
Wahrheit entspricht nnd ich vermute, daß die im Vorver-
fahren vernommenen Zeugen das hier wiederholen wer-
den. Aus der Vernehmung des Angeklagten ist noch
zu erwähnen:

Präs.: Es hat also nicht die Absicht vorgelegen, datz jemand
tot am Platze bleiben soll? — Angekl.: Nein. — Präs.: Wur-
den noch weitere Verabredungen getroffen? — Angekl.: Nein.
Nur ein Schweigegebot wurde abgenommen. Das Schweige-
gebot sollte aber antzhören, sobald in der Presse etlvas bekannt
ivürde und im Fallc der ernsthaften Verletzung eines Gegners,
soweit es zur Bcnachrichtigung dcr Angehörigen nötig sei. -—
Präs.: Das war wohl auch der Grund, weshalb Sie sich nicht
gleich ^estellt haben? — Angekl.: Jawohl. — Präs.: Wie wurde
die Distanz abgemeflen? — Angekl.: Durch 15 Sprungschritt.
Wir stellten uns gegenüber, und es wnrde gezählt: 1, 2, 3,
halt! Bei eins sollten die Piswlen hochgehoben und zwischen
3 und halt abgeschossen werden. — Präs.: Wann schoh beim
crsten Kugelwechsel Jhr Gegner? — Augekl.: Jch glaube, wrr
schosseu zu gleicher Zeit. — Präs.: Wurden vorher Verföh-
nungsversuche gemacht? — Angekl.: Ja. Durch den Unpartei-
ischen. Aber Herr v. Bennigsen erklärte jede Vcrsöhnung von
vornherein für ausgeschlossen. — Präs.: Wurde nach dem erften
Gang noch ein Versöhnungsversuch gemacht? — Angekl.: Nein.
Nicht mehr. — Präs.: Warcn Sie ruhig oder aufgeregt? —
Angekl.: Jch habe darübcr keine klare Erinneruug mehr. ES
haben, wie der Angeklagte weiter angiebt, noch zwei Kugel-
wechsel stattgefunden. Beim dritten Kugelwechsel wurde Herr
v. Bennigsen getroffeu. — Präs.: Welche Absicht hatten Sie
bci Abgabc des Schusscs? Sie haben früher angegeben, datz
Sie zuerst die Absicht hatten, vorbeizuschiehen, weil Sie sich
schnldig fühlten. Sie haben dann gesagt: Man sagt, man denkt
dies so, wenn man aber vor der geladenen Pistole steht, danu
kommt man auf andere Gedanken. — Angekl.: I«, das ist
richtig. — Präs.: Jn welcher Absicht führen Sie zu Frau v.
Bcnnigsen nach Leipzig? — Angekl.: Jch hatte den Eindruck.
dah ich Frau v. Bennigsen vou dcm Vorfall Mitteilung machew
inühtc. Jch bin dann am nächsten Tage nach Berlin gefahren.
um scinen Vater, dcr als Landtagsabgeordneter in Berlirr
wcilte, zu sprechen. Präs.: Weshalb stellten Sie sich uicht der
Staats'anwaltschaft? — Angekl.: Jch wuhte nicht, ob das
Ehrenwort mich hielte, wonach ich es nicht eher thun durfte.
als bis es in dcr Prefle bekannt wurde. Der Angeklagte war
im Zenträlhotel abgestiegen. — Präs.: Haben Sie fich unter
Jhrem cigenen Namen in das Hotelbuch im Hotel eingetragen?

— Angekl.: Ja. ^— Präs.: Was thaten Sie bei Jhrem Vater?

— Angckl.: Mein Vater wohnte im Magdeburger Hof. Er
schickte mich zn cinem Bekannten, Bürgermeister Schmidt, der

vhne alle Ziercrci meine Bereitschaft erklärt, für Jhr schöneS
Pflegekind mein Bestes zn thun."

„Jst das Jhr Ernst?"

„Mcin voller Ernst. Sie wissen ja, Herr Gerard, datz
ich nicht mehr in der Lage bin . . . ."

„Jch wcih", nntcrbrach Gerard das Bekenntnis Cäciliens.
„llnd darum darf ich wohl das Opfer annehmen, das Sie
inir nnd Juanita bringcn wollcn?"

schon wenige Tagc darauf siedelte Cäcilie als Erzieheriu
und Gcsellschaftcrin Juanitas in Gerards Haus über. Und
glcich vom ersten Angenblicke an verstand sie es, sich im Haus-
halt eine Slellung zu vcrschaffen, die fie weit über die sonstige
Stcllung cincr Erziehcrin hinweg hob. Dazu trug narürlich
nicht ain wcnigsten die ritterlichc Kourtoisie und Verehrung
bci, die ihr Gcrard bezcugte. Von der gebietenden Haus-
frau nntcrschicd sie sich nur dcm Namen nach; denn indem sie
klug und laktvoll genug war, die errungene Herrschaft aus-
zuüben, ohnc sic dcn Beherrschren fühlbar zu machen, vollzog
sich der llebergang ans der halben Junggefellen- in die halbe
Frauenherrschaft ohne merkliche Erschütternng und ohne jene
Kriscn nnd Katastrophcn unter den Jnsassen des Haushaltes
womit solche Wandlnngen sonst in der Regel verbunden sind.

Zarnow bekam Knnde von dem überraschenden Ercignis
durch ciin'n Bricf Jnanitas, der folgcndermahen lautete:

„Liebcr Herr Dr. Zarnow, ich schreibe Jhnen dicsen Brief
ganz heiinlich, wcil ich nicht will, dah er gelesen wird wie
alle anderen Briefe, die ich schreibe. Das komint daher,
datz ich jetzt eine Gouvernantc habe, die mich zur Dame er-
zichen soll, und dicse Gouvernante kennen Sie auch — es ist
Fräulcin Cäciüe Fricdrichsen.

„Hcutc ist sic mit Onkel Gerard ins Theatcr gegangen;
ich wäre gcrne mitgegangcn, aber sie meinte, es wäre kein
Stück fnr mich — ich glaube, es ist ein französisches Lustspiefl
das ich nichr sehcn darf. Jch bin abcr nicht sehr da?über
betrübt; denn nnn kanii ich an Sie schreiben, und die Marie
hat mir versprochen, den Brief zur Post zu bringen.

(Fortsetzung folgt.)
 
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