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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-74 (1. März 1902 - 29.März 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0404

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»scheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-

^ zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

vzcigcnpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bcstimm
dorgeschriebencn Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

ZSadischer Landtag.

Karlsruhe, 27. Febr. Jn dcr Kommission
Kr Beratung des Gesctzentwurfes, betreffend die Errichtung
'ver Land wirtscha ftskammer, sprachen sich sämtliche
^drer im Prinzip für Errichtung einer solchen Kammer
Die Kosten habe der Staat zu übernehmen. Das
lrecht solle ein direktes sein.
h Hinsichtlich des Kredits von 25 000 Mark zur Erlangung
Entwürfen für den Neubau eines Kollegiengebäudes für
^ Universität Freiburg wünschte die Kommission nähere

. "tteilung, ob der in Aussicht genommene Bauplatz bereits er-
orben ist, ob von der Grotzherzoglichen Baudirektion ein Bau-
ffRekt schon ausgearbeitet Ivurde, und welches die Bedingun-
des Preisausschreibens sind. Der mündlichen Darlegung
Er Grotzherzoglichen Regierung in der Kommission ift zu ent-
^chmen, datz der Tauschvertrag zwischcn der Stadt Freiburg
A der Universität beziehungsweise Grotzherzoglicher Regierung
AUnitiv noch nicht abgeschlossen und untcrschrieben, aber über
wesentlichen Bedingungen eine Einigung erzielt und der
Nlchluh des cndgiltigen Vertrages in sicherster Aussicht ist.
^vrnach übernimmt die Stadt das alte Universitätsgebäude
ü?ollegicnhaus und Ktrchc) und tritt an die Universität die
^mpartkascrne mit Gelände ab. Das alte Kollegienhaus
i, geschätzt zu 443 650 Mark, die Kirche zu 224,085 Mark
n»d die Rempartkaserne zu 369 383 Mark. Das von der
.Mversität etngetauschte Gelande zum Neubau eines Kol-
, Ssengebäudes beträgt 7390 Quadratmeter gegenüber dem bis-
^gen, an die Stadt abgetretenen Gelände von 5545 Quadrat-
,-.fter. Wenn man den Bauwert der Kirche auher Betracht
?vt. iveil dieselbc als solcher bestehen bleiben soll, und nur
Gelände in Rechnung zieht, so beträgt der Unterschied
Mark. Die Kontrahenten haben wciter vereinbart:
L Die Stadt Freiburg zahlt nach Uebergabe des' alten Kolle-
^ugebäudes ein Aufgeld von 147 500 Mark. 2. Jn der
^.hwersitätskirche wird für die theologische Fakultät die Be-
ü"bUng zum römisch-katholischcn Gottesdienst vorbehalten. 3.
K>r Verbeiterung der Löwenstrahe auf zwölf Meter ist das
^clände gegen einen Bcitrag von ca. 13 000 Mark abzutreten.

Die Verlegung des durchziehenden Gewerbekanals hat auf
NMeinschaftliche je hälftige Kosten zu erfolgen. Für den
^Ubau des Kollegiengebäudcs auf diesem Platze hat der
, »ohhsrzagiiche Oberaudirektor Durm im Auftrage des Grotz-
rAsoglichen Ministeriums zwei Projekte ausgearbeitet. Es
SUer, letzterem aber wünschenswert, eine Ermätzigung des Bau-
iUfwandes auf dem Wege des Preisausschreibens zu ver-
Men. Auch die Eigenart des zur Verfügung stehenden Bau-
'atzes unb die Bedeutung des Bauprojekts legte den Gedanken
jffhe, für die Lösung der schwierigen Aufgabe auf dem Wege
Preisausschreibens verschiedenartige Entwürse und Jdeen
^ erlangen. Die Kosten des neuen Kollegiengebäudes sind
?>3enommen mit 1 700 000 Mark. Die Kommission bean-
KÄ: Die Kammer wolle den Administrativkredit mit 25 000
genehmigen und ihr Einverständnis mit der Wahl des
^uplatzes aussprechen. »

Bezüglich der Ueberschreitung dcs Kredits für den Neubau
^ Universitätsbibliothek in Freiburg um 138 700 Mark wies
Budgetkommission daraus hin, datz sie schon m shrem Be-
Äte uber die Mehrforderung im Budgct 1900—1901 die
^whuung ausgesprochen hat, „datz auch die Baubehörden bei
l^sführung des Baues bezüglich der bewilligten Summen
«A dsur entsprechenden Fortgang des Baucs auf das Sorg-
h, ftgste überwacht werden, damit so ungewöhnliche Ueberschrei-
tz"gen womöglich für die Zukunft vermieden werden könnten."
nunmchr trotz der Mehrbewilligung im letztcn Landtage
Grund cines neuen Kostenvorcmschlages nnd tratz der
-^hnung dcr Stände eine solche bedeutende Ueberschreitung

gemacht wurde und der leitende Nrchitekt der vorgesetzten
Behörde nicht einmal rechtzeitig Aufklärung und noch vicl weni-
ger eine nähere Begründung giebt, müsse auf das Entschiedenste
mitzbilligt werden. Es müsse auf das Bestimmteste erwartet
werden, datz die Grotzherzogliche Regierung cine ganz genaue
Prüfung aller Ueberschreitungen und ihrer Ursachen eintreten
lätzt und hierüber der Kammer bei den Rechnungsnachweisen
seiner Zeit genauen und eingehenden Aufschlutz geben wird.

Für die Jubiläums-Kunstausstellung wurdc ein Kredit
von 100 060 Mark bewilligt.

Deutsches Reich.

— Jn seiner Rede beim Preffediner hat Prinz
Heinrich als Autorität in der Marinegeschichte den amerika-
nischen Admiral Farragut cltiert. Der Name David
GlaSgow Farragut hat in seinem Vaterlande mit größtem
Rechte den allerbesten Klang und ist mehrfach dcssen Retter
gewesen. 1801 geboren, trat er schon als zehnjährigcr Knabe
in den Dienst der heimischen Flotte und kämpfte bereits
im Jahre 1814 gegen die Engländer, in deren Gefangen-
schaft er geriet Beim Ausbruch des Bürgerkrieges 1861
organisterte — man kann sagen, improvisierte — er die
Flotte der Nordstaaten. Mit dem von 1hm geschaffenen
Geschwader forcierte er 1862 die feindlichen FortS am
Misstsippi, griff die dort versammelte Seemacht der Süd«
staaten am 24. April an und zerstörte ste. Er bombardirte
New-Orleans und half dcm General Buttler diesen aller-
wichtigsten Platz zu nehmen. Seine berühmteste That war
später die Einfahrt in den Hafen von Mobile, die er mit
hölzernen Schiffen gegen die eiscrneu Panzer der Konfö-
derierteu erzwang. „Schiffe von Holz, aber Herzen von
Eisen" ist sein bcrühmt gewordener Wahrspruch gewesen.
Der Sieger verstand aber auch später an der Spitze der
Marine der Vereinigten Staaten, die Flotte nach den
neuesten Fortschritten der Technik zu reformieren. Tief
betrauert ist Admiral Farragut am 14. August 1870
gestorben.

Ausland.

Türkei.

SaIoniki, 25. Februar. Wie die von den Räu-
bern gegen Entrichtnng des Lösegeldes freigelassene ame-
rikanische Missionärin Frl. Stone einem Berichterstat-
ter des „Daily^GraPhic" erzählt hat, sind beide Damen
—- Fränlein Stone und Frau Tsilka — während der
beiden letzten Wochen im Gebirge gereist. Bei Tage wnr-
den sie verborgen gehalten, bei Nacht besörderte man sie
mit verbundenen Augen zu Pferde. Fränlein Stones
Pferd fiel zweimal, und da ihr die Augen verbunden wa-
ren, konnte sie sich nicht helfen. Glücklicherweise kam
sie mit einem stark geschundenen Knie davon. Abgesehen
davon befinden sich beide Damen in vorzüglicher Gesund-
heit. Als man sie fand, trugen sie das Kostüm der
Landbevölkerung nnd dicke Schaffelle. Das .Kind der
Frau Tsilka ist ein gesundes hnbsches Mädchen von sieben
Wochen. Es hatte keine Kleider, war aber in dicke

Zcugslücke eingewickelt, wie die Bergbewohner sie zum
Umwickeln der Waden gebrauchen. Obgleich das Kind
allen Unbilden des Balkanwinters ausgesetzt gewefen
war, erkältete es sich nicht.

Afrika.

Die „Tägliche Rundschau" erhält folgenden Draht-
bericht aus dem H a a g, der ein seltsames Licht auf die
kriegerischen Vorgänge der letzten Zeit und die Zustände
im englischen Heere wirft: Die „Korrespondenz Neder-
land" stellt gegenüber den Depeschen Kitcheners und den
Reutermeldungen, nach denen Dewets berühmter Durch-
bruchsversuch am 6. oder 7. Februar erfolgt, die auffal-
lende Thatsache fest, datz Kitcheners Mitzerfolg bereits am
24. Januar- in Johannesburg bekannt war und datz
am 25. Januar englische Offiziere, in Pretoria im
Pretoria-Klich über Kitchener spottend, der, um ihrer
Unfähigkeit eine Lehre zu geben, an der Spitze von 40 000
Manii die Operationen gegen Dewet persönlich geleitet
hatte, schadensroh auf seine Blamage tranken. Weiter
wird von der erwähnten Korrespondenz festgestellt, daß
Kitchener mit seinem Stabe bereits am 29. Januar von
dem mitzglückten „Kesseltreiben" nach Pretoria zurück-
kehrte. Dewet durchbrach bereits vor dem 24. Januar
das Einschließungsviereck, griff dabei eine ALteilung
Kitcheners an, rieb sie auf und erbeutete vier Kanonen.

— Die vom 24. Februar datierte Depesche Kitcheners,
wonach ein leerer von wenigstens 400 Mann mit zwei
Geschützen eskortierter Train von Buren weggenommen
worden ist, bedarf noch der Erklärung. Man weiß in
London nicht, ob nur die leeren Wagen oder auch die 400
Mann und zwei Geschütze weggenommen worden sind. Da
ein heftiger Kampf stattgefunden hat, liegt sicher eins
Niederlage der Engländer vor. Klerksdorp liegt im
Gebiete von General Delarey und Kep. Vielleicht haben
beide den Ueberfall gemeinsam ausgeführt.

Aus Stadt und Land.

Hl Echöffengerichtssitzung vom 27. Februar. 1) Gustav Bod-
dien von Birlin erhielt wegen Widerftands, Ruhestörung nnd
grobeu Unfugs zusammm 115 Mk. Geldstrafe oder 23 Tage
Haft; 2) Christian Müller von hier wurde wegen VergehenS
aegcn das KrankcnversicherungSgesetz zu den Kosten verurteilt;
3) Creszentia HaaS Ehefrau von Handschuhsheim erhielt wegen
WiderstandS und Bcleidigung 14 Tage GefängniS; 4) Georg
Reinhardt von Wieblingen wegen Körperverletzung 2 Wochcn
GesängniS; 5) wegen Sachbeschädigung erhielt Gustav Zeller
von Sandhausen 3 Wochen und Georg gen. Michael Hein von
da 2 Wochen Gefängnis; 6) Martin Brecht von Sandhauscn er-
hielt wegen Körperverletzung 25 Mk. Geldstrafe, Heinr. Pfersching
von da wegen des gleichen Vergehens 20 Mk. und Mart. Köhler
und Wilh. Blättel von da je 10 Mk. G-ldstrafe; 7) AndreaS
Riegler von Eppelheim wurde von der Anklage wegen Körper»
verletzung freigesprochen; 8) Georg Gieser von Leimen erhielt
wegen Bedrohung 20 Mk. Geldstrafe oder 4 Tage Haft; 9) Ro--
bert Schmitt von Zicgelhauscn wegen Unterschlagung 3 Wochen
Gefängnis; 10) Johann Reißner von Spechbach wegen Dieb-
stahls 10 Tage Gesängnis; 11) Jsaak Heumann in Haft hier
wegen Betrugs, Betrngsversuchs und Unterschlagung 70 Tage
Gefängnis.

Freiburg, 27. Februar. (Todesfall.) Gestern Abend.ist
lt. „Breisg. Ztg." hier Generalarzt Dr. Deimling im
70. Lebensjahre nach langem. schwcrem Lciden gestorben. Der

Muudereien vom Schtoßöerg.

(?) Heidelberg, 1. März.
e „Wilhelm, Wilhelml" sagte cine junge hübsche Gärtners-
, in einer Wirtfchaft auf üem Schlohberg zu ihrem Manne,
fängt an dunkel zu werden; es ift Zeit, datz wir unsere
?uhnung aufsuchenl" Der Angeredete, sichtbar iu bester Stim-
l-'sug, mochre jedenfalls an der gerade am Stammtisch ge-
ffhrten llnterhaltung Gefallen finden, denn man sah es ihm
dah er die Gesellschaft nicht gerne verlietz; cr bat dcnn
seine Frau in der liebenswürdigsten Weise, sich noch ein
tzi'Uig zu gedulden. „Wir Gärtner dürfen uns das Leben im
^.suter schon ein wenig gemütlich machenl" meinte er, „wir
»;ffsen uns dafür im Sommer umso mehr abmühen."
^ Gärtnersfrau gab sich zufrieden. Die Gesellschaft am Tisch
mit ihnen auch das Gärtner-Ehepaar tranken die Gläser
^ und lrehen dicselben loieder füllen.

^ An einem anderen, ebenfalls dicht besetzten Tische wollten
sj^hrere Gäste, dem Dialekt nach Württemberger, das Lied an-
^chren: „Preisend mit viel schönen Reden." Doch ein halbwegs
^Uändiger Gesang kam nicht zustande. Da trat ein beim Bau
»>>s ^ruen Strahe auf dcm Schlohberg beschäftigter Arbeiter
d Gaiberg an den Tisch mit der Absicht, den Gesang zu diri-
s^ien. Er besätze, so versichcrte er, ein angeborenes musikali-
Talent; sein Vater wäre Orgeltreter gewesen. Dieser
führte dcn Gesang, indem er den Takt „erbärmlich"
^U schlug, zu Ende.

Nickst lapbe hernach betraten drei Bedienstete an der Berg-
stzhu dix Wrrtschaft; anschcinend nicht in bester Stimmung
hffuche,, dieselben den Wunsch aus, in einer ernsten Angelegen-
mit dem Wirt zn sprechen. Diese Drei hatten nämlich
^ ^u ,„ dxx Jngrimstraße ansässigen Metzger, der nur wenige
k,»lSe vorher in dieser Wirtschaft als Gast erschienen war, ge-
eincn Kalbskopf in die Kuche der Wirtschaft zu senden.
h, ut zubereitet und alsdann von ihnen verspeist

^hden. Der Wirt stellte damals das gleiche Ansuchen an den
Des anderen Tages sandte richtig dcr Metzger das
uschte und zwar gratis. Anscheinend selbst ein' groher
!N,sUud von Leckerbissen, wollte der Wirt von dcm Kalbskopf
htzrUlut nichts merken lassen; doch der Geruchsinn der Berg-
hx/'llr ist außerordentlich cntwickelt, sie wittern es sofort, wenn
Kontrolleur oder ein Aufsichtsratsmitglied in die Rähe

der Bergbahn kommt nnd auch der Geruch, den der zum Essen
fertiggestellte Kalbskopf verbreitetc, entging ihrer Nase nicht.
Leider blieb die Einladung zum Essen aus. Nun waren die
Drei gekommen, um bon dem Wirt Rechenschaft darübcr zu
verlangen, wo der Kalbskopf hingekommen sci. Der Wirt cr-
klärte schlankweg, daß er derrLeckerbissen selbst gegcssen habe und
zwar aus dem ganz einfachen Grunde, weil sich sein Körper
znr reichlichen Aufnahme von Speisen nnd Getränken autzer-
ordentlich gut eigne. Jeder einzelne der Bergbähnler ver-
sicherte nun: „Das war mein Kalbskopf!" Der Wirt aber
erklärte auch: „Das war mein Kalbskopf!" Fn der Erkennt-
nis, datz nichts mehr in der Sache zu machen sei, verstieg
sich eincr der Betrogenen zu cinem grauenhaften Schwur: Man-
gels eine Bartes konnte er bei einem solchen nicht schwören
und so schwur er denn bei dem grauen Haupte seiner Schwieger-
mntter, in Zukunft das Lokal eines Wirtes, der alle Lecker-
bissen setber essen will, nicht mehr zu betreten, ging alsdarm
hinaus und schlug die Thür hinter sich zu.

„Wilhelm, Wilhelml" begann die junge Gärtnersfrau
wiedcr, „jetzt ist es aber höchste Zeit zum Nachhausegehenl"
Unser Wilhclm aber sah seine Frau mit einem starren Blick
an. Da beugte sich die hübsche Frau ail sein Ohr und flüsterte
ihm leise zu: „Denkst du nicht mehr daran, datz wir anf
„Pfingsten" ein „Osterhäschen" zu erwarten habenl" Da
verklärte ein Freudenschcin das blasse Gesicht des Mannes.
„Karoline, mein Schatz, du hast Rcchtl Jetzt gehen wir nach
Hause l" erklärte er. Nun halfenffich die beiden gegenseitig beim
Änziehen ihrer Ueberkleider und gingen vergnügt ihrer Wohnung
zu.

„Dieses Paar könnte man fast als ein Vorbild für andere
Eheleute cmpfehlen," sagte einer dcr Anwesenden, als die
Gärtnersleute sich entfcrnt hatten. „Diese beiden sind nun
schon bier Jahre verheiratet und verkehren noch so zärtlich
miteinander, als ob sie in den Flitterwochen lebten."

„Wenn's nur so bleibt" warf ein Manrer ein, der nach
seiner Angabe schon bor mehr als 25 Fahren Hochzeit ge-
halten hattc. „Jn d^n crsten Jahren meines Ehestandes lvar
ich so verliebt in mein Sannchen, datz ich dieselbe vor Liebe
gleich einem Znckerbrote hätte aufessen mögen und jetzt —
jetzt thut es mir leid, datz ich es nicht gethan habel"

„Warum nicht gar! Habcn Sie so schlimme Erfahrungen

gemacht? Heraus mit der Sprachel" ertönte es von allen
Seiten.

„Meine Erfahrungen sind nicht ungewöhnlicher Art und
sind auch gleich erzählt", versetzte der Maurcr, nahm dann
einen kräftigen Schluck und begann dann so ruhig wie ein Philo-
soph mit gemessener Stimme zu erzählen:

„Vor vielen, vielen Jahren — der Teufel mag damals
noch ein kleiner Knabe gewcsen sei — gab es drüben an der
südwestlichen Ecke des Heiligenberges bei der Phrlosophenhöhe
einen grotzen Bergsturz. Ein grotzes Stück vom oberen Teil
des Berges löste sich los und stürzte ins Thal. Mann sieht
heute noch ganz gut, an welcher Stelle sich die Masse ablöste,
aber auch bie abgelöste und abgestürzte Masse ist gut von
dem anderen Erdreich zu unterscheiden, denn die Felsen haben
eine verkehrte Lage, es sprudelt auch keine Quelle mehr
auf diescm Gebiet — und", fuhr der Maurer fort, „seitdem
eine verleumderische Zunge meiner Fran den Floh ins Ohr
gesetzt hat, ich hätte mich einer Untreue schuldig gemacht,
hat sie sich auch von mir losgelöst. Jhre Handlungsweise nnr
gegenüber ist auch verkchrt wie die Felsen dort druben, ihre
Existenz, ihr Thun und Treiben hat für mich nichts Erfrischen-
des, Belebendes mehr, sie ist gerade wie ;enes Erdreich, dem
die sprudelnde Ouelle fehlt."

Die Anwesendcn sahen sich verwundert über diese eigen-
artige Redewendung an. Der Maurer aber, wohl nicht ohne
Gründ bei seinen Kamcraden auch unter dem Namen „Profes-
sor" bekannt, fuhr fort: „Jhr könnt also daraus ersehen,
dah das glücklichste Eheleben durch eine einzige verleumderische
Znnge zerstört werden kann."

„Wie finden Sie sich nun aber in dieser Lebenslage zu-
recht, lieber Nachbar?" fragte'einer der Gäste.

„Das ist sehr einfachl" gab der Gefragte zur Antwort.

„Jch befolge das Schillersche Rezcpt, das da lantet:

Trink ihn aus, den Trank der Labe,

Und vergitz den grohen Schmerz.

Wnndervoll ist Bacchusgabel
Balsam für zerrissen Herzl

Und gleichsam als wollte er dixsen Ausspruch durch die
That beweisen, ries er dem hinter dem Büffet stehenden Wirt
zu: „Herr Gastgeber, ich trinke noch ein Glas Rotwein, denn
-— meine Frau ist blutarm."
 
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