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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-74 (1. März 1902 - 29.März 1902)
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Samstag 8. März 1902. Zweites Blatt._44. Jahrgang. — «r. 57.

^rscheirit täglich, SonntagS aiiSgenommeii. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition nnd den Zweigstellen abgeholl 40 Pfg. Dnrch die Post br-

zogen vicrteljährlich 1.85 Mk. ansschließlich Zustellgcblihr.

^ nzeigenpr ei 8: 20 Psg. siir dic Ispaltige Petitzeile ober deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen crmäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigeu an b-.stiiiim
vorgeschriebenen Tagcn wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate anf den Plakatlafeln der Hcidelberger Zeitung und den Plakatfänleu. Fcrnsprech-Anschluß Nr. 82.

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Madischer Kilenvaynrat.

(43. Sitzung.)

ilnserer vürläufigen PZtteilung lnssen Ivir uachsteheu-
veii weiteren Berichl solgeu:

Ter erste Punkt der Tagesorduung „Mitteilung öer
^eneraldirektion über den ersten Naügrag zum Verzeich-
üis der Ausnahmetarife" gab Beranlassuug zu Anträgeu
aus weitere Erinäßiguug der Frachten für rohe Steine
b>id Zement, auf ausschlieszliche Verweudung einheimischer
Eteiue sür ^-taatsbaulen und srachtfreie Besörderuug der
Tteine für Bauten der Eiseubahiiverwaltuug. Die (Äene-
taldirektivu machte geltend, daß rohe Steiue seit 1. August
i'301 uach dem sehr billigeu Rohstofftarif befördert
sverdeu, uud datz für Zement eiu AuSfuhrtarif schon be-
üeho. Die Bestimmuiigeu der für StaatSbauteu zu ver-
ivendendeu Steiue falle nicht in die Zuständigkeit deS
EisnibahuratS uud der frachtfreien Befördeüung vou
Tteineii für Eisenbahiibauten stündeu, abgesehen vou
Videren Bedenkeu, schon unumgängliche Rechunugsbe-
- lüiumuugen eutgegen.

Zuni zweiten Punkte „FahrpreiSermüßigung für
chndwirtschaftliche Saisonarbeiler" führte die General-
^irektiou aus, daß die Wünttembergische Staatsbahu
vi der Erwäguug begrifseu sei, eine iu Bayern uud
Württemberg für Hopfenpflücker bereits eingeführte
stahrpreisermäßigung, die in der Gewähruug des eiu-
lachen Personeiizugsfahrpreisetz dritter .Elasse sür die
Hiu- und Riickfabrt in dritter Klasse der Personenziige
Uiuerhalb 46 Tagen bestehe, auf alle laudwirtschaftlichen
Aaisonarbeiter auLzudehneu. llnter laiidwirtschaftlicheu
Saisonarbeiteru seieu solche Arbeiter verstaudeu, die wäh-
>'eiid der Zeit der Ernte ihre Heimat zum Zwecke des
'liissucheutz Vvn Beschaftigung iu Gegeuden mit vorzugs-
llxstst- Landwirtschaft treibeuder Bevölkerung verlasseu
»nd nach Beendigung der Erntearbeiten wieder uach
»er Heimat zuriickkchren. Etz frage sich, ob Baden diese
emhrpreiüermäßigung auch eiuführeu solle. Die augeord-
veten Erhebuugeü hätten ergebeu, daß eiu Zuzug solcher
urbeiter alljährlich auch iu Badeu beobachtet werde;
Wimsche cmf Einführuug derartiger Fahrpreisermäßi-
siungen seieu aber noch nicht anfgetreteiu Es komine in
Betracht, daß für Eiuzelreisende die 46tägige Gültig-
leittzdauer der Rückfahrkarten nufgeuommen sei, größe-
l'eiiAbteilungeu die GesellschastsfahrpreiSermäßigung von
')0 Prozeut zustehe und daß bei Führung durch Agenten
ver Gewinu wohl nicht den Arbeiteru. souderu den
ugenten zufallen wiirde. Die Beschäftigung überschreite
vieist 46 Tage, die Rückreise finde nicht immer vom
^estimmuugsort der Hiureise autz statt und die Kontrylle
lviirde sich schwierig gestalteu oder oberflächlich ausfallen.
Cndlich sei etz unautzbleiblich, daß die gleickze Vergüusti-
8>ing auch vou iudustrielleu Arbeiteru angestrebt würde,
hnd'uicht emPfehleuSwert, eiueu neuen Ausuahmetaris
>Ni Personeuverkehr zu schasfeu. Die Generaldirektion
Nehme daher eiuen ablehuendeu >standpuukt ein. Der
^iseubahnrat schloß sich einstimmig diesen Ausführimgeu
Ni. Die SRaßregel sei von zweifelhaftem Nutzeu für die
^audwiisschast', uützlicher wärej eiue Ermäßigung der
^tückguttape zur Erleichterung des AbsatzeS vou laud-
^irtschaftlicheu Erzeugnisseu iu die Städte, da der be-
Meude Ausnahmetarif für Beförderuiig laudwirtschaft-
ncher Erzeugiüsse im Abouuement den Juteressen der
^audwirtschaft nur weuig diene. Auch eiue Fahrpreiser-
Nnißigung für Gewerbe- uud Haiidwerkervereine zum Be-


Sneewittchen.

Roman von A. I. Mordtmann.

(Fortsetzung.)

Diejer Vorschlag Ivar so verlockend, daß die Beamien erst
A> scine Wirklichkeit gar nicht glanben mochren. Einer von
'mien gab dcm Argwöhn Ausdruck, der sonderbare Fremde
chire wohl ein Schinuggler, der die kleine Klippe zn einem
ifichlupfwinkel für pente seiner Art machen wollte. Allein
stfse Jdee errcgte bei allen Beamren nur ein mitleidigcs
iföcheln; ihr klrheber mußte noch sehr griin sein, datz er von
intimen Bcziehungen zwischen Paschern und Zoll- und
»»deren Beamten nichts wutzte. Nicht mehr Beachtung ver-
"st'uie eine andcre Hypothese, die dahin ging, der Atensch köimte
st» Verbrccher sein, der fich anf diese Weise den Händen
> st Justiz zu entziehen wünschte. Bei der brasilianischen
if.vstiz bcdurftc es so vieler Umstände nicht und übcrdics habe
>e Behördc doch lcdiglich darauf zu achten, datz der neue Leucht-
ch.rniivärter seines Amies mit der erforderlichen Gewissenhaftig-
,-sÜ fvalte; in dieser Beziehung wurde bemerkt, der Belverber
st ein Deutscher, was mit einem Schlage alle Zweifel bescitigte;
^ ist bekanntermatzcn eine. ebenso anffällige wie bclustigende
j?i>»tsachc, datz sich die unwisscndsten und schmutzigsten Ein-
sÜhncr der verkommensten rvmanischcn Länder zwar an
"'»ilisatiou hoch über den Deutschen erhaben dünken, dabei
hAr ihnen in allen Zwcigen des Wissens uiid auf allen Ge-
^'eteu des Lebens ein unbegrenztes Vcrtrauen entgegen brin-

„ . 2o wurde Jürgen Claussen wohlbcstallter Leuchtturmwärter
der namenlosen Klippe, von der Nacht füc Nacht das
^"»zeude Strahlenbündel zur Warnung und zum Trost für
(T Seeleute über die Meeresfluten dahinschoh. Jürgen war
p" finsterer und verschlossener Mensch, der selbst mit den
»tcu, die alle acht Tage für kurze Zeit seine einzige Verbin-
G»g mit der übrigen Welt herstellten, keinc anderen als
^ »numgänglich notwendigen Redensartcn wechselie. Nachts

suche von Autzstelliiiigeii sei wüiischenswert. Die Gene-
raldireklioii wies deiiigegenüber auf die regelmäßige Ge-
währuug besouderer Fahrpreitzeririäßiguiigeii bei Autz-
stelluugeu und die Gesellschaftsfahrpreiseriiiäßigung hin.

Zu Punkt 3 der Tagesorduung „Beratuug des Soni-
inerfahrplaiitz 1002" führte sie auL, daß trotz deS er-
heblichen uud andaueruden VerkehrSrückgauges vou eiuer
Veriuiudeiuing der Züge vorerst Abstaud geuoiinucu wor-
den sei, audererseittz könue aber auch eine Zugtzvernieh-
rung uicht eintreteu. Wichtige Aenderuiigeu bezögeu sich
auf erhebliche Verbesseruiigen der Vcrbiiidiingen Wien—
Karltzruhe - Paritz (Wien ab 8,26 uachtS, Paritz an
10,55 uachttz, PariS ab 10,40 uachin., Müuchen an 5,16
nachni., ab 0,30 nachts, Wieu an 6,45 vorm.), sowie
auf Schaffung ueuer durchgehender Verbiudungen Juntz-
bruck-^steude über Lindau—Radolfzell—Schwarz-
wald—Straßburg (Inntzbruck ab 1,01 nachm., Ostende
an 0,60 vorm., Ostende ab 4,57 nachm., Iiiutzbruck au
6,20 iiachm.). Fm übrigen sei auf den ausgegebenen Ent-
wurf uud den den Herren Mitgliedern detz Eisenbahu-
rates zugestellten Nachtrag zu verweisen.

Es wurden hierauf zahlreiche Anträge teils vou frühe- -
ren Verhandluiigeii her ernenert, teils neu eiugebracht,
die alle ciuf Eiulegung weiterer Züge auf mehr oder
weniger große Strecken hin, auf Gewährung von Zugs-
halteu, aus Herstelluug von Anschlüssen uud auf Ein-
führung durchgehender Wageu abzielten. Von vev-
schiedenen Seiteu wnrde hierbei anf die große Zweck-
mäßigkeit eiuetz ONotorioagenbetriebeL zur Befriedigung
lokaler Bedürfuisse hingewiesen. Die Generaldirektiou
konnte jedoch in Hinsicht auf eine Zugsvermehrung ledig-
lich die abgegebene Erklärung bestätigeu, legte die Er-
füllung der übrigen Wünsche entgegeusteheiiden betriebtz-
technisckien und soustigeu Lckiwierigkeiten ini einzeluen dar
und war nur in weuigen Fällen in der Lage, die Erfül-
lung oder eine nochnmlige Prüsung zuzusageu. Tabei
nahm sie auch Anlaß, einzelue Züge namPaft zu machen,
deren Führnng seinerzeit als ein driugendeS Bedürfnis
bezeichnet worden ist, die aber, nachdem sie uiiiimehr eiu-
geführt sind, eine nnr schwache, uud keineswegs die vou
den Ziiteressenten iu Aussicht gesteltte Benützuug auf-
weiseu. Tie Beibehaltnug dieser Züge für den Winter-
dienst 1002 müsse daher vou den Erfahrnngeu detz kom-
meiiden SommerfahrplanS abhängig gemacht werden.
Was die Motorwngen aubelange, so würden mik eiuem
vor Kdirzem gelieferten S>erpoÜetwageu znr Zeit Probe-
fahrten gemacht uud ein Akkumulatorenwageu sei im
Bau begriffen. Bestiinuite Strecken seien für einen sol-
chen Betrieb noch nicht in Autzsicht genommen.

Deulsches Reich.

— Der Vieepräsibeiit des Hauptverbandes dcntscher
Flvttciivereine im Auslniide, Viceadmi r al vo n
V a l o i s, überreichte am 1. d. Mts. den'i Kaiser 300 000
Mark als Geschenk der im Hauptverbande vereinigten
überseeischen Deutschen zur Beschaffung eines F l u ß-
kanonenboot s. Der K aiser sprach sich aner-
keiineild über die Bestrebnngen der Deutschen im Aus-
lande autz, zu den Kosten, die der Schutz ihres JnteresseS
erfordere, beiziisteiieru, uud gab seiner Frende darüber
Ansdruck, daß bereits Sanimlungen für ein zweitetz Ka-
nonenboot eingeleitet seieu. Der Kaiser äußerte die
Hoffnung, daß die Thätigkeit der deutschen Flottenvereine !

im riu-.'iauoe, unc vioyei, auai iveireryin ersokgreich stuu
und erfreuliche Früchte zeitigen möge.

Bade».

— Ter n a t i o na l l i b e r a l e V e r e i n in Kon-
stanz hat folgeude Resolntion angenonimen: „Die Frage
der O r d e ns n i e d e r l a s s u n g e n ist durch das Ge-
setz vom Zahre 1860 geregelt. Das der Regierung in
dieseni Olesetz zuerkannte Recht, Ordensniederlassungen
zu genehmigen oder zu verfagen, möchteu wir ebenso
nneingeschränkt erhalten wissen, wie die der Regieruug
übertragene voüe Verantwortung für den Gebranch, den
sie von jenem Rechte macht. Die von der liberalen Kam-
meisiaktion in dieser Frage bisher beobachtete Haltuna
g e g e u öie Znlassniig von OrdenSiiiederlassnngen har
uii,ere volle Zustimmnng; wir würden mit ihr'in der
Geiiehinignng von Ordenöniederlassungeu in Baden einen
verhängnitzvollen Fehler erblicken."

M a n n h e i m , 7. März. Der gemeinnützige Verein
^eckarvorjtlidt hat dieser Tage tallt „Mamrheimer
Anzeiger' eine Petition an die zweite badische Kamm»
ergehen lassen. Dieselbe bezweckt die Abänderung einzel-
ner Paragraphen der S t ä d t e o r d n u n g nnd der
Geschastsordnung des Bürgerausschusses. Hiernach soll
dem Biirgerausschuß mehr Einfluß auf die Stadtver-
waltiing eingeräumt werden, als dies seither der Fall
war; auch datz Wahlverfahren soll dahin geändert wer-
den, daß zukünftig die Ersatzwahlen gleichzeitig mit
der Hanpitwahl vorgenominen werden. Gleichzeitia
wurde je eiu Exemplar der Petition an alle politischen
Vereine der der Städteordnuug unterstehenden Städte
zwecks llnterstützuiig der Petition oder als Anregung
zum selbftändigen Vorjgehen in dieser Angelegenheit
zugeschickt.

Ausland.

Rußland.

t! i e w, 6. März. Ueber die Slratzen - U n-
ruh e n im vorige n M onat qiebt der Genera l-
g ouve r n e u r jevl solgendes bekannt: Am 16. Febr.
entfalteten etwa 60 bis 60 Studenten und Arbeiter unter
Hurrahrufen rote Fahnen. Als die Polizei einschritt,
leisteten die Pl'nnifestanten Widerstand. Ein Polizei-
hauptmann erhielt zwei starke Stockschläge anf deu Kopf,
mehrere Polizeibeamte erhielten leichtere Schläge, Der
Augreifer des Polizeihauptmaniis, Student Wölskp, er-
hielt von Polizeibeamten einen Hieb mit der Säbelscheide.
Fm Laufe des 15. und 16. Februar fanden unbedeutende
Vülksanfläuse statl, die sofort von der Polizei uud Mili-
tär zerstreut ivurdeu. Auf dem Bibikow-Boulevard
wnrde ein Bnrger, welcher einem Kosaken einen Hieb
versetzt hatte, im (Kemenge verletzt; er wurde in ein
Krankenhaus geschafft. Die Gerüchte von vielen Toten
nnd Verivnndeten sind durchauS falsch. Getötet ist nie-
mand. Von deu verhafteten iManifestauten waren zwei
verwundet. Fnfolge der Rnhestörungen wurden über
112 Personen Areststrafeu von zwei Wocheu bis zu
3 ONonaten verhäugt.

Jtalic».

R o m ,6. Rl'ärz. Generaloberst von L o ö begab sich
heute, begleitet von General Hausmann und dem Prin-
zen '«alm-Salm, in den Vatikan. Er überreichte
deinPa P st ein eigenhändiges Schreiben und daS Ge-

waricte er init nie crschlaffeiider L-orgfali seiiier Lainpen, Tags
über beschäfiigte er sich in den Stunden, dic er nicht dem Schlafe
widmeii muszte, damit, dah er durch ein Fernrohr auf das
Mecr hinansblickte, eiistge Fuchsien, Geraiiien uiid andcre Topf-
gewächse pflegte mid nuf dcn wenigen Ouadratfuß saudigcn
Vodeus, die iu der Miite des FclseuS vorhaiiden waren, mit
Schaufel uud Hacke herumarbeitetc. Wclcher Art diese
Arbeit war, daS Ivuhie freilich uiemaud, uur eiumal hatre ein
zudriuglicher Bootsmauu ihu gefragt, wozu er deuu auf seiuer
Klippe Hacken und Spareu gebrauche, und dnrauf hatte Jürgen
mit eiuem grimiistgen Lüchelu geantwortet:

„Jch grabe damit das Grab für die Leute, die ich tot-
schlage, Ivemi sie mich mit langweiligeu Frngen belästigeu."

Eiue stürmische N'acht ivar vorübcr.

Als Jürgeu seine Lampen auslöschte, wehte ,es uvch
immer hart aus Osteu. Mit douneriidem Getöse brachen sich
die Wclleii au den Klippen nnd eiu lauger weihcr Schaum-
sireifeu, der sich, so weit das Auge reichte, von Nordeu nach
Südcn erstreckte, bezeichuetc die gefährlichc Felseureihe des
Abrolhos. Ab uud zu setzteu schwcre Regeiiböcu ein und ver-
ringcrtcn die bei der undurchsichtigen Luft ohuehiu beschräukte
Aussicht »och mchr.

Ehe Jürgen sich zum Schlafen niederlegtc, musterte er
iwch eiumal mit sciuem Ferurohre die wild aufgeregte Wasser-
flächc. Gerade war eiue Regeuböe vorübergezogeu und zwi-
scheu ihr uud dcr iiächsten, die schou am östlicheu Horizout
in graulichem Gewvlk von verwascheueu llmrihliuicii auftauchte,
schvh die Svuue ciueii flüchiigen Silberblick über die dunkel-
grüneii Wogen hin. Jn dieser vorübergehciiden Helle ward
Jürgen ctivas gcwnhr, was ihni cincn lautcn Ausruf dcs
lliiivillcuS crprchte. Dori drauhen kümpfte ein grohes Dampf-
boot mit deu Wellcu uud hiclt, anstatt gcgen dcn Wind aufzu-
dampfcu, dirckt auf das gefahrdrohcndc (stestade zu.

„Jst deuu der Kapitän verrücktl" ricf Jürgcn aufgcregt
uud zoruig. „Der briugt ja seiu Schiff mir Gcwalt uml"

Er schaute aufmerksam durch sein Fernrohr und bald ivurde
ihm die Ursache der unbegreiflichen Manöver des Dampfers,

der ciir Engläuder war mid die Notflagge zeigte, tlar. Das
Schiff fuhr rstcht, souderu trieb uud der aus den Schloten
strömeude Dampf war uutzlos, er setzte die Schraube uicht mehr
iu Beweguug. Au dcr Maschine oder au der Schraube muhte
etwas gebrocheu seiu, die vom Kapitäu gesetzteu'Segel, die
das Schiff steuerfähig machen sollteu,-waren vou dem Sturm
'zerrisseu worden und so trieb es, ein hülfloser Spielball der
Wellen, in der starken subäqnatorialen Strömmig nnf die
Küste zu, an der es zerschellen mnhte.

Rnn ivar für Jürgen nicht mehr an Schlaf zu denkeu. Er
drückte sich dcu Südwestcr iu die Stiru, zog seiu Oelzeug
an uud eilte hinunter. Auf der Klippe selbst, die niiaufhörlich
von den braiideudcn Wellen überspült wurde, komite er sich nicht
mifhalten; abcr zwanzig Fnh über dem Bvden lief eine eiserne
Gallerie nm den Tnrm, die zwar anch keiiicn gemütlicheii, gber
immerhi» istchl lebensgefährlicheii Anfenthalt bot uud tster
fahte Jürgen Posto, um das Wcnige, was er für die Schiff-
brüchigen thun komite, nicht imversänmt zu lasseu. Er machte
die dvrt häugeudeu Rettuugsriuge zum augeublicklicheu Ge-
brauch fcrlig, uahm seiu Sprachrohr zur Ha'nd uud erwartete
uuu kalrblütig^dns Kvmmende.

Auf dem ^chiff figualisierte niau dem Leuchtturm, aber
das war ja umiütz. Ai'au sah uun die Straiiduug uumittelbar
vor Augen und rraf die einzig möglicheu Vorkehrungen, zur
Retuing der Mannschaft uud Passagicre mit der llmsicht, die
dcn ciiglischeu uud deutscheu Seeman auch iu öen furchtbarsteu
LebeuSgefahrrn uicht verläht.

Gerädc^ als Jürgen mit seiiiem Fcrnrohr den Nameu
des Danipfers „Caledvistan" gelesen hatte, wurde das erste
Bovr zu Wasser gelasseu. Die einzige Anssicht auf Rettung
bot der Versuch, deu südlich vou der Klippe zwischeu ihr^und
der nächsteii liegeudeu Kaual zu durcyfah,ren imd au die Küste
des Festlaudcs zu gelangeu. An den Klippen zu landeu war
uumöglich, und jeder derartige Versuch muhte mir der Zcr-
schmerterung der Boote uud dem Tode ihrer Jnsassen endigen.

Jürgen wintte mii den Armen und brüllte mit aller Kraft
! seiner Lungeii durch das Sprachrohr dcm ersteu vom Sclstffe
 
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