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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-74 (1. März 1902 - 29.März 1902)
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^ rscheini täalich. Sonntaas auSarnommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfa. in's Haus aebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
- zogcn vierteljährlich 1.35 Mk. auslchließlich Zustellgebühr.

E'nzeigenpreis: 20 Pfg. die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
vorgeschriebenen Tagen wird keine Verautwortlichkeit übernommen. — AnschIag der Jnscrate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Ein Hrfolg der Muren.

London, 1v. März. Jm Unterhaus
verlas der Kriegsmiuifter Brodrick eine
Depesche Lord Kitcheners, laut deren Lord
Methuen von Delarey angegriffen, am
Schenkel verwundet und gefangen genom-
Men wnrde. 41 Engländer sind tot, 77 ver-
wnndet, 201 werden vermißt

Wir haben diese Nachricbt gestern hier durch Extra-
dlatt veibreitkt. Nach dem Verluste, den die Buren am
Februar erlitten, ist dieser Erfolg wiedcr ein Licht-
i» dem Ringen der südafrikanischen Bauern gegen die
°Uglische Weltmacht.

Lord Methum- ist zu Beginn des Krieges, also im
^ohre 1899, öfters genannt worden. Zm November des
öenannten JahreS befand er sich auf dem Vormarsch längs
westlichen Grenze des Oranjefreistaats. Bei ,Belmont
drängte er die Buren mit Mühe zurück, bei Graspan
6ing das noch schwerer. Er haite dort starke Verluste,
^nmentlich an Offizicren. Dann stellten sich ihm die Buren
Modderfluß entgegen, wo der Kampf einige Zeit un-
^UIschieden blieb. Schlietzlich rückte Methuen vor, wurde
?ber bei Magersfontein von den Buren auf's Haupt ge-
lchlagen und mutzte über den Modderflutz zurückgehen.
^tit jener Zeir ist eS um den Feldherrnruhm Lord Me»
rhuens nicht zum bcsten bestellt. Aber er konnte sich da-
-auf berufen, daß es andern Generälen, z. B. Gatacre
"ud Buller, nicht besscr ergangen ist, außerdem hatte er
ch^hl mächtige Fürsprecher in England und so blieb er
°uf dem Kriegsschouplatz. Später kamen dann Roberts
"ud Kitchener nach Afrika und Methuen trat mit den
uudcren Generälen mehr in den Hintergrund.

, Ueber den Ort, wo Methuen die neue Niederlage er-
"tten hat und gefangen genomwen worden ist, sagt die
^bjge Meldung noch nichts. Jedenfalls beweist sie, daß
^ Buren noch durchaus nicht auf die Botha'schen nnd
^vet'schcn Truppen beschränkt sind. Wenn es Deralcy
g^ung, über 200 Engländer zu fangcn, so muß er doch
°Er einen noch recht stattlichen Heerhaufen verfügen.

. 3n der Person des General Methuen ist den Buren
sehr wichtiges Pfand in die Hände gefallen.
E'e bekannt, hat die englische Kriegsführung unter dem
Airien eines Kriegsgerichts fich mehrere Morde zu
'chulden kommen lassen, wodurch sie sich die Mißachtung
^er zivilisierten Nationen zugezogen hat. Wir erinnern
die Ermordung des Hans Cordua und an die Ermor-
deS Burenführers Schecpers. Die Ermordung
.^uitzingers stand bevor, wenngleich die Entrüstung über
solches Verfahren sogar in England selbst mächtig an-
Htvoll. Wenn die Buren den verwundeten Methuen auf
^ Haide stellten und crschössen, wie die Engländer das
dem verwundeten Scheepers gethan haben, so wäre
lediglich Revanche und als solche zu beurteilen. Besser
ist es, sie behalten ihn in der Hand als Geisel. Die
, "gländer werden sich dann vor weiteren Morden in Acht .
^hnien. !

Wrinz Keinrich in Amerika.

Newyork, 9. März. Prinz Heinrich em-
pfing mehrere Vefuche, darunter eine Abordnung des
St. Pauler Commercial-Klubs. Jn der Gallerie des
Hotels Waldorf-Astoria sang der Brooklyner „Ärion" das
Kaiserpreislied und „Old Kentucky home", sowie „Das ist
der Tag des Herrn". Der Prinz dankte und beglück-
wünschte den „Arion" zu den vorzüglichen Leistungen.
Nie habe er zartere und feinere Töne von einem Männer-
chor vernommen. Er habe auch andere Musik in Amerika
gehört, die ihn aus das Höchste entzückte, und die Ansicht
gewonnen, daß der Simr für Musik in das Herz des
Menschen ohne Rücksicht auf Rasse und Hautfarbe ge-
pflanzt sei. Der „Arion" übersandte telegraphisch einen
Bericht über das Konzert an den Kaiser und überreichte
dem Prinzen eine künstlerisch ausgestattete Adresse. -—
Corbin, Hill, Evans, Binham und Cowles gaben dem
Prinzen ein Luncheon im Universitätsklub, wobei die eben
beendete Rundreise des Prinzen'lebhaft besprochen wurde.

Prinz Heinrich empfing heute Morgen, wie täglich,
ein chiffriertes Telegramm des Kaisers.

Newyork, 10. März. („Frankf. Zeitung".) Prinz
Heinrich schließt heute seine Amerikafahrt mit einem kur-
zen Ausfluge nach Philadelphia ab. Gestern hat er noch
Vorträge des deutschen Gesangvereins „Arion" in Brook-
lyn angehört und dann war er Gast bei Frau Grace
Vanderbilt, die ein Diner mit unbeschreiblicher Pracht
hatte arrangieren lassen. Darauf folgte ein Besuch des
Newyorker Nachtklubs, wo dem Prinzen 700 Mitglieder
einen herzlichen Empfang bereiteten. Als der Prinz
zum Hotel zurückkehrte, sand er dort ein sechs Fuß lan-
ges Blumenarrangement vor, welches die Aacht „Hohen-
zollern" darstellt, jeder einzelne Teil derselben war ge-
nau ausgearbeitet und das Blumenschiff trug eine Fahne
mit einem Abschiedsgrnß. Das Blumenstück ist von einer
unbekannten deutschen Frau gesüftet.

Deutsches Reich.

— Die „Nordd. Allgem. Ztg." meldet: der Reichs-
kanzler hat dem BundeSrate den Entwurf eines Gesetzes
betreffend Abänderung des 8 7^ der Strafprozeß-
ordnung vorgelegt. Preßvergehcn sollen danach bei den
Erzeugnissen der periodischen Presse dort. wo dieDruck-
schrift erscheint, verfolgt werden. Nur auf dem
Wege der Privatklage soll die Verfolgung anch am
Wohn orte des Verle tzten, doch nicht an drittem Orte
geschehen könncn. Der fliegende Gerichtsstand der
Presse kann sonach im wesentlichen als beseitigt gelten.

— Bei der Ersatzwahl zum Reichstage
im nordschleswigschen Kreise Hadersleben ist, wie
vorauszusehen war, der dänische Kandidat Jessen aus
Flensburg mit großer Mehrheit gewählt worden. Er
erhielt rund 9000 Ctimmen, während der deutsche Kan-
didat Pastor Jakobsen-Scherrebeck nur etwa 4500 Stim-
men erhielt und auf den sozialdemokratischen Kandidaten
600 Stimmen entfielen. 1898 sind die dänischen Stim-
men um 400—500 zurückgegangen, die deutschen da-
gegen um etwa 800 gewachsen.

Derttscher Meichstag.

Bcrlin, 10. März.

Das Gesctz zum Schutze des Genfer Neutralitäts-
zeichens wird in zweiter Beratung nach Bemerkungen des
Berichterstatters Abg. Dr. Endemann (natl.) auf Antrag
des Prinzen Schönaich-Carolath en bloo angenommen.

Abg. v. Komierowski (Pole) polemisiert gegen den
Abg^Dr. Sattler, der nnrichtige Angaben über die ruthenischen
Schulen in Galizieu gemacht habe. Er wirft ihm „Klatsch"
vor nach „alter Weiber Manier". (Lärm bei den National-
liberalen.)

Abg. Dr. H a s s e (natlib.): Niemand habe vorausgesehen,
daß die dritte Etatsberatung mit einer großen polnischen Vor-
lesung beginnen würde, die dcr Vorredner in unerhörter Weise
gegcn den zur Zeit kranken Dr. Sattler richte.

Präsident Graf Ballestrem teilt mit, daß er sich den
stenographischen Bericht kommen lassen werde, um sich zu ver-
gewissern, ob Komierowski den Ausdruck „alte Weiber-Mamer"
bezüglich Sattlers gebraucht habe. Er habe bei der Unruhe
des Hauses den Ausdruck nicht gehört. Er werde ihn nicht
dulden.

Abg. Freiherr v. Schele (Welfe) bezeichnet die Politik
des Reiches als zentralistisch. Die Jsolierung des Reiches
schreite fort.

Nach einer Bcmerkung von Komierowskis bemerkt

Staatssekretär Kraetke: Er müsse gegen die Behaup-
tiuig des Vorredners, es seien Verletzungen des Briefge-
hennmsses durch Postbcamte in Polen vorgekommen, entschieden
Verwahrung einlegen.

Abg. b. Dziembowski-Pomian (Pole) stellt in
dieser Beziehung wcitere Ausführungen für die Einzeldebatte
m Aussicht.

Damit schlietzt die Generaldebattc.

Es folgt der Etat des Reichstages

Abg. Eickhoff (freis. Volksp.) führt Beschwerde über
die mangelhaften Spersen in der Reichstagswirtschaft. Redner
wnnscht weiter Anstellung eines Protokollanten für die Bud-
getkommission, der vom Reichstage fest angestellt sein müsse

Prasident Graf B a I l e st r e m verspricht, die Fraqe bei
der Aufstellung des nächsten Etats zu prüfen.

Beim Etat der Ncichskanzlei und des Reichskanzlers
bemerkt

-nog. oon ziemoows11 - Pomian (Pole), man
solle das Amt des Reichskanzlers von dem des Ministerpräsi-
dentcii trennen, dann würde der Reichskanzler wieder Zeit
wchen, den Wunschcn des Reichstages nachzukommen. Der
Neichskanzler habe von einer polnischen Gefahr gesprochen, aber
die Beratung vor das Forum des Mgeordnetcnhauses berwiesen
Wenn eine wlche Gefahr vorliege, gehöre deren Verhandluna
zur Kompctenz des Reichstages ^

Staatssekretär Dr Graf v. Posadowsky erwidert, der
Reichskanzler sei durch em leichtes Unwohlsein verhindert, zu
erscheineu. Die vom Vorredner berührte Angelegenheit sei
eine rein preußische. Preußcn werde sich vou seinen Grund-
sätzen hiusichtlich der Staatsraison nicht abbrinqen lassen
(Beifall.)

Zn Position Gesandtschaften und Konsulate bemerkt der
Unterstaatssekretär v. Richthofen, datz cr die Akten über
die Gefangennahme der Frau Kugel aus Nimmersatt auf
russischem Gebiet sich habe kommen lassen. Sie wurde am
1. Scptcmber borigen Jahres feftgenommcii und befindet sich rn
russischem Gewahrsam. Die russischen Behörden haben Ver-
dacht, datz die Frau verbotene Schriften nach Rutzland ein-
schmuggle. Dem Konsul in Libau, der sie im Gefängnis be-
suchte, hatte die Frau im allgemeinen nichts zu klagen. Der
Abschlutz der Angelegenheit steht uumittclbar bevor; das Aus-
wärtige Amt wird sie im Auge behalteu.

Auf eine Unfrage Dr. Hasses erklärt der Staats-
ekretär, die gegenwürtige Finanzlage verbiete eine reich-

I, ^ Pvll^iputuolprmitr». Die theologische Fakultät der
j^ersität Grcisswald hat, wie die „Kreuzztg." mit-

der

ttleme Zetiuuft.

Hochschulnachrichten.

tät Greisswald hat, wie die „Kreuzztg
aus Anlaß des sünsundzwanzigjährigeu Jubiläuins
„ . Bcrlincr Stadtmissiou deren Begründcr und Leiter, deu
'ÄVrediger a. D. Stöcker, zum Ehrendoctor ernannt.
h ^ Berlin, 9. März. Der Landwirtschaftsministcr
odhigi Z f j ist gestern Morgen einer großen Ge-
die ontgangen. Bei der allmorgendlichen Spazierfahrt,
h vr iu Berlin auf dem Dreirade z unternehmen Pflegt,
nPoc ex gestern Vormittag in der dkähe seiner am
ih^siger Platz gelegenen Dienstwohnnng vön einer hinter

HD lohrcnden Kntsche überfahren und vom Dreirad
^.mntergeschleudert, so daß er kopfüber zn Fall kam.
dzufällig vorübergehender ehemaliger Wachtmeister
^notenhusaren erkannte sofort seinen früheren Rcgi-
''konnnandeur nnd sprang gleich znr Hilse herbei.
n,,.?^"Iicherweise ist iNinister von Podbielski, der eine
H^^zeichneie Konstitution besitzt, von unerheblichen
n,^,""bschnrfungen abgesehen, unbeschädigt davongekom-

A l Bremcn, 10. Biärz. Der Marschendichier Herm.
gxs, ift gestern in Rechtenfleth, 81 Jahre alt,

^ ° en . — Hermann Ällmers entstammt, wie
^ dem Nekrolog Berliner Blätter entneh-
oinem alten, angesehenen Banerngeschlechte nnd
ivnr Februar 1821 in Rcchtensleth geboren,

Landwirt, trieb dann in Berlin, Biünchen,
berui ästhetische Studien, machte große Wan-

in Iog sjch aber immer wieder auf längere Zeit

m Heimatsdors zurück und blieb schließlich dauernd

dort, wo er seinen Hof zu einer Stätie der Gastfreund-
schast machte, zn der Künstler, Philosophen und Gelehrte
von weither kamen. Von seinem Heim aus hat er
unermüdlich im Sinne religiös-frerheitlicher Anschauung
gewirkt; er trat für volkstümliche Bildung und für
eine starke Heimatskunst ein. Prächtige Schilderungen
seiner Heimat gab er in seinem „Marschenbnch", farbige
Kultur- und Landschastsbilder m den vielgelesenen
„Römischen Schlendertagen". Er veröffentlichte außer-
dem einige Sammlungen warmempfundener Gedichte, in
denen oft seine pantheistische Weltanschauung hervorbricht.
Auf norddcntschen Bühnen ist Allmers Drama „Elektra"
anfgesührt worden. Jm vorigen Jahre feierte der
Dichter seinen achtzigsten Geburtstag und wurde Ehren-
doktor der Heidelberger Universität.

— Königsbcrg, 9. März. Die „Königsb. Hart. Ztg."
beschäftigt sich in einem längeren Artikel nnt dem seit
mehreren Jahren bestehenden Gesundbeterkrankenhaus
in Preußisch-Bahnau bei Heiligenbeil. Gegenwärtig be-
sinden sich dort 40 Kranke. Jm Sommer betrug did
Zahl der Pfleglinge 100 und darüber.

— Die nciicstc amcrikanischc Gründung ist eiuc Anti-
kustgescllschaft. Dieselbe wurde kürzlich von dreizehn Her-
ren in der kleinen Stadt Monnt Hope bei Wichita in den
Bereinigten Staaten ins Leben gernfen. Die Mitglieder
des neuen Vereins haben sich verpflichtet, nicht eimnal
ihre Franen oder Geliebten zn küssen nnd sich des
Küssens ganz zu enthalten, da sie es nicht nur für
ungesund, sondern überdies für gänzlich närrisch hal-
ten. Vor einiger Zeit wnrde in Neu-England eine Ge-
sellschaft gegründet, nm den Brauch des Händeschüttelns
abzuschasfen, weil dadurch Zeit verschwendet würde;

überdies, meinten die Vereinsbrüder, wäre diese Sitte
ein Ueberrest der Barbarei. Einige siebzig Personen
beider Geschlechter schrieben sich ein, aber die Sache wurde
so lächerlich, daß sie bald eines natürlichen Todes starb,
und der Händedruck wurde wieder in seine Rechte einge-
setzt. Eine „Antitheaterliga" in einer westlichen Stadt
der Vereinigten Staaten erfreute sich nur eines knrzen
Daseins. Jn der Voraussetzung, daß alle Theatersiücke
notwendigerweise schädlich wären, verband diese Gesell-
schaft sich, um Theatervergnügnngen zu iiiiterdrücken;
bei diesem Versuch wnrde viel Zeit nnd Geld verschwendet.
Einige Mitglieder nnterbrachen in den Theatern sogar die
Vorstellungen, aber es wurde die Hilfe der Polizei gegen
sie angerufen, so daß die Liga eiii jähes und früh-
zeitiges Ende fand. Bon allen ie begründeten Vereinen
war wohl die „Antirasiergesellschaft" in Newhork die
verrückteste. Dicse Genieinschast verpflichtete sich, weder
Haar noch Bart schneiden zn lassen. Aber der Hohn, der
die Mitglieder der Gesellschaft anf den Straßen und
sonst überall traf, brachte sie zur Besinnung nnd nach
kurzer Zeit kamen anch bei ihnen Rasiermesser nnd
Scheere wieder zn Ehren.

Man kann den Ruhm den Winterbirncn vergleichen, die
im Sommcr wachsen, aber im Winter gegessen werden.

_(S ch o p en l, a u e r.)

Aller Menschcn harrt der Tod,

Und keincn gibt's anf Erden, dcr untrüglich wcitz,

Ob ihn der nächstc Morgen noch am Leben trifft.

(E u r i p i d e s.>
 
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