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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-74 (1. März 1902 - 29.März 1902)
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lungen der süddeutschen EiseuLahnkonfereiiZ, die am 19. Dezem-
ber vorigen Jahres in Stuttgart getagt hat. Die Erörierung
erstrcckre sich aus folgende Punkte: 1. Einführung von ermätzig-
ten einheirlichcn Satzen im Personentarife unter Beseitigung
der Rückfahrkarten mit Preisermätzigung, soivie gewisser Aus-
nahmetarise. 2. Teilweise Aufhebung des Schnellzugs-Zu-
schlags. 3. Vereinfachung der Gcpäckabfertigung und Berbilli-
gung des Gepäcktarifs. 4. Regelung des Rah- und Vorort-
Verkehres. 5. Eiicheirlickie Behandlung künftiger Tarifmatznah-
men seirens der einzelnen Bähnverwaltungen.

Dic allgemcine Anschauung ging dahin, datz von solchen
Tarifmatznahmen, die einen, wcnn auch nur vorübergehenden
erheblichen Einnahmeausfall zur Folge haben Würden, zur
Zeit bei der gcgenwärtigen rückläufigen Bewegung der Eisen-
bahnerträgnisse überhaupt Abstand gcnommen lverden müsse,
datz es aber auch nicht zlveckmätzig erscheine, jetzt, wo das Ende
des wirrschaftlichcn Niederganges und dcr sinkenden Einnah-
mcn noch nicht vorauszusehcn sci, sich schon für die Zukunft
zu binden und auf bcsrimmte Tarifsätze festzulegen, eine Ver-
ständigung über Punkr 1 somit auszusctzen und wirtschaftlich
besseren Zeiten vorzuüehalten sei.

Tagcgcu hcrrschte zu Punkt 2, teilweiser Wegfall des
Sckmellzugszuschlag, bei der Konfercnz vorbehaltlich der Zu-
slimmung der einzelncii bcteiligten Regicrungen, Uebercinftim-
mung darübcr ,daß diescr Schncllzugszuschlag in den überwie-
gend dcm Verkehrc im Jnland und mit den Nachbarstaaten
öienenden Schnellzügcn bci cinfacher wie bei Hin- und Rück-
fahri allmählig in Wegfall zu kommen habe, dagegen in den
D- und L-Zügen, sowie in den übrigen dem internationalen
Verkehr dienendcil Schncllzügen der Zuschlag auch fernerhin
erhobcn, für dcsseu Erhebung jedoch cine anderweitige Form
ctwa die einer nach Entfcrnungszonen und Wagenklassen ab-
gestufren Zusatztaxe (statt der jetzigen Platzkarte nebst Zu-
fchlag) in Aussicht genommen werden solle.

Ücber Punkt 3 wurde in weitere Verhandlungen nicht
eingerrcrcn wegen dcs engen Zusammenhanges dieser Frage mit
Punkl 1, dcr eine einseitigc Regelung nicht wohl möglich macht.
Punkt 4, nämlich Rcgclnng des Vororts- und Nahberkehrs,
dcr in Baden und Bahern in der Umgebung der grötzcren
Städtc schon cingeführt ist, war Württembergischcrseits zur
Berarung gcbrack/worden, wcil die württembcrgische Eiscnbahn-
verwaltugg dic Frage erwogen hat, dicscn Verkehr in ciner von
dcr in dcn Nachbarstaaten zur Zeit bestehenden Einrichtung
einigermatzeu abwcichendcn Weise zu regeln und auf diesem
Wegc nicht ohne Fühlung und Einvernchmen mir dcn Nach-
barsraareu vorgehen wvllte, gemätz dcm in Punkt 5 enthaltenen
Vorschlag, es möckftcn künfrighiu von dcn einzelnen Bahnver-
walrungen Tarifmatznahmen von allgemciner und weitwirkender
Bedcuiung nickft mchr einseitig, sondern erst nach vorgängiger
Verständiguiig der Nackibarverwaltungen, vorgenommen werden,
welckier Vorschlag auch auf dcr Konferenz selbst allscitige Zu-
stimmung und Annahme fand.

Fn der Budgctkommission hat die Regierung noch mündlich
bemerkt, es müsse zugegeben wcrden, datz das uiimittelbarc
Resultar der Äoiiferenz nicht belangreich sei. Es sci aber auf
dcr Koiifercnz der allseitige gute Wille zu Tag getreten, sobald
wieder cine ivirtsebaftliche Erffarküng sich fühlbar mache, mit
einer T a r i f v c r b i l l i g u n g vorzugehen. Dagegen habc
völliges Einverständiiis darübcr geherrscht, datz eine Zeit wirt-
schaftlickier Depression, wie die gcgenwärtige für Tarifherab-
sctzungen nicht gceignet sei. Wcrde. doch aller Voraussicht
nack eine erhebliche Tarifverbilliguug zu einem vorübcrgehen-
den Eiiinahmeausfall führen, der erit in cinigen Jahren wic-
der öurch cine entwrcchende Verkehrssteigerung seinen Ausglcich
finden werdc. Dic Eisciibabiiverwaltungen mützten abcr Be-
denken rragen, solche Nusfälle in einem Augenblicke schaffcn
zu helfeu, iu dcm infolge der >> -- - " '-->'-,sci,a,i>n

Verhältnissc die Einnahmcn aus dcm Verkehr überhaupt in
rückläufiger Bcwcguug befändcn. Puukt S der Abmachungen
sei nicku etwa dahin zu verstehen, datz keine Verivaltuug mehr
von sich aus auf dem Gebietc dcs Tarifwcsens Verbilligung
einzuführcn bcrechtigt sein solle. Mau habe sich vielmehr
nur dahin gceinigt, datz künftighin cinzelne Verwaltungcn mit
derartigen Matznahmen nur dann uoch vorgchen sollten, wenn
sie vorhcr von ihrcn dcsfallsigen Absichten die anderen Ver-
waltungen verständigt hätten. Jm übrigen werde man auch
bei uns iu Baden die Bescitigung des Zuschlages für die Be-
nützung der nicht im intcrnationalcn V'erkehr dienenden Schnell-
züge herbcifiihrcu.

Die Kommisslon bedaucrte, datz hiernach die Stuttgarter
Konferenz cin vcrhältnismätzig geriugcs praktisches Ergebnis
gezeiligt hat. Sic steht, was dic prinzipielle Seitc der Sache
anbelaugt, uach wie vor auf dcm Standpunkt, datz nicht nur
eine Vereinfachuug, sondcrn auch cinc Verbilligung unserer
Pcrsonentarife durckiaus wünschenswert ift und datz dcr Weg,
welcher sich in dieser Richtung mn meistcn cmpfehlen würde,
der wäre, datz dic jetzt bei uns für die drei Wagcnklassen
bestehendcn Kilomctcrheftsätzc von 6, 4 und 2,8 Pfennig —
und zwar, wenn irgcnd thuulich, mit der Matzgabe, datz der
Satz für die dritte Klasse pro Kilometcr von 2,5 auf 2 Pfg.
herabgesetzt ivürdc — verallgcmeincrt würdc, so datz jeder-
mann, auch derjcnige, welcher nicht in der Lage ist, die Kosten
für cin Kilometcrhcft vorzuschietzcn, an der Preisvergünstigung
Teil nehmcn iöiinte. Sclbstverstündlich würden in diesem
Fallc die Kiloinctcrhcfre, lvie anch dic Retourbillcte iu Weg-
fall kommen. Es deckt sich dicscr Standpunkt, wclchen die
Nudgetkommission bereits auf dem Landtage des Jahres 1898

eingenommen hat, inhaltlich im Wesentlichen mit dem Antrage,
welcher in einem Ende des letzten Jahres von dem Abgeordneten
Hautzmann crstatteten, das einschlägige Material.übersichtlich
zur Darstellung bringenden, aber bis jctzt noch nicht verhmidel-
ten Berichte der Tarifkommission der württembergischcn Kammer
der Abgeordncten niedergelegt ist. Es gingen aber in der
Kommission die Meinung darüber auseinander, ob es ver-
antwortet iverden könne, die Grotzhcrzogliche Regierung zu so-
foriiger Durchführung eines derartigen Vorschlages zu drän-
gcn. Währcud von einer Seite bchausttet wurdc, gerade in
cincr Zeit wirtschaftlichcn Niedergmiges sei mit Vcrkehrsverbilli-
gungen borzugehen, indem die dadurch eintretende Erleichte-
rung des Verkehrs einen amhafte Steigerung desselben und
damit cine raschcrc Ueberwindung der Kxisis zur Folge haben
werde, ivurde von anderer Seite vor Experimenten auf diesem
Gebicte, deren schlietzlicher Ausgang unsicher sei, unter den
gegcnwär-tigen' wirtschaftlichen Verhältnissen gewarnt und
ivenigstens noch für so lmige Zuwarten cmpfohlen, bis sich
wiedcr cine Besserung dieser Verhältnisse eingestellt haben und
iufolge davon mit der Wahrscheinlichkeit zu rcchnen sein werde,
datz die in dcr Uebergangszeit zu erivartenden Ausfälle eine
baldige Ausgleichung erfahren würden. Jn der Kommission
gcwann lctztere Meinung die Oberhand. Man glaubte um
so mchr noch eincr kurzen Verschiebung lveiterer Reformen
das Wort redcn zu dürfen, als wir auf diesem Gebiete in
Baden gcgenüber anderen Ländern durch einen gut und billig
eingerichteten Nahverkehr (Lokal- und Arbeitcrzugsverkehr)
sowie durch die bcwährte Jnstitution des Kilometerheftes ohne-
hin schon bedeutende Fortschritte erzielt haben und als durch
dic unlängst crfolgte Einführung von Kilomcterheften dritter
Klafse für 600 5lilometer noch eine nmnhafte Verbesserung
letztcrwähntcr Einrichtung eingetreten ist, wie denn auch die
im berflossenen Fahre erfolgte Ausdehnung der Gültigkeits-
daucr der Retourbillete von 10 Tagen auf 45 Tage einen er-
hcblichcn Fortschritt repräsentiert. Der Ansicht ist aber auch
die Mchrheit der Kommission, datz, wenn, ivie zu hoffen steht,
dcmnächst ivicder bessere wirtschaftliche Verhältnisse Platz grei-
fen, auf dcm Scitens der Grotzherzoglichen Rcgierung durch
Erfvlgc eingeschlageiien Wege dcr Personaltarifrcform lveiter
Erfolge cingcschlagene Wcgc der Personcntarifreform weiter
fortgeschritten iverden und datz dies auch dann geMehcn sollte,
wciin unfere bcnachbarten Bahnverwaltungen wider Erwarten
nicht zu bcwegcn wären, uns auf fraglichem Wege zu folgcn.

LoolieQ iv'säsr oivAotrofkell:

Kwtt WKIll II.

von

i« L*I»o1oA»'»vi»^« Mlr. 8.—

Kleine Zeitung.

— Hannover, 11. März. (DaS Pensions-
fräulein als Entführerin.) Vor der Strafkoimner
in Hamiovir stand kürffich ler Landwirt Walther Rothen-
berg aus Wernigerode, mn sich wegcn Entführung eines
17 jähngen Pknsionsiräuleins zi ve'antwortcn. Er mnßte
von der erhobenen Anklage freigesprochen werdm, weil sich
herousstcllte, daß nicht ir, sondern das junge Mädchen
„Entführer" gewescn ist.

— Wilhclnishaven, 13. März. (E i n e f r e u d i g e
U e ü e r r a s ch u n g) isl den vier Schuiknaben, wclche
s. Zt. die gestoblenc Kasse des Torp.-Dib.-Bootes „D 1.0"
wiederfanden, zn Tecl geworden. Das Reichsmarinecnnt
bat bersiigt, daß der volle Betrag des für Herbeischaffung
der Diebe ansgesetzten Finderlobnes in Höhe von 1000
Mark den 5liiaben resp. ihren Eltern ansgezahlt werden
soll. Die Stationskasse hat bereits entsprechende An-
weisiing erhalten.

— Gandcrshcim, 14. März. (Das tausenste Ei)
hat, wie der „Scesencr Bcobachter" mrldet, ein Huhn des
hicstgen Schulpedells Albert Probst in eincm Zeitraum von
eiwa sechs Jahren gelegt, Aus diesem Anlaß hatte die
Straße, in dcr Herr Probst wohnt, Flaggenschmuck angelegt.
Abends vcreinigte der glückliche Eierjnbilar seine Frennde zn
einem oputenten gewaltigeii Rühreiermahl um sich
und brachte einen schwungvollcn Toast auf die fleißige
Henne aus.

schlagen Sie es in Jhrem Stolze aü, aber andcrn Dmuen nicht.

Und ich wcitz auch wa-oim."

„Nickst doch, Juanita, dariu irrcu Sie sichl" versetzte Zar-
uow sehr lebhaft. „Weim ich uach Wortcn suchte, so gesckiah
es ui'cht aus solchcu Bcdeiikcn, wie Sie glaubcn. Es giebt
keinen Menschcn mif dcr Welt, wcder Manu noch Weib, wahr-
haftig keiiicn Einzigen, vou dem ich ein Geschenk annehmen
würde. Es giebt nur ciue, bci dcr ich vielleicht clnmak eine
Ausuahmc machcn könnte — und das sind Siel"

„Nun, das ist ctwas," cntgcgncte Juanita und die somiige
Heiterkeit, die für einige Minuten aus ihren Zügen eutwichcu
war, kehrte zuruck. Aber bartnäckig in ihren Frageu wie eiu
Kind, sctztc sic hinzu: „Was warcn cs deun für Bedenkeu,
dic Sie zögern liehcn? Köuncn Sie es mir nicht sagen?"

„Nein, jetzt nicht, vielleicht später einmal."

„Darf ich ciumal raten?"

Zarnow schüttelte beunruhigt den Kopf. Solltc sie ciue
Ahnuug vou dem Vcrhäsinis habcn, in dem er zu Cäcilie gc-
standeu hatte? Das wärc ihm mehr als unangenehm ge-
wesen, und noch unangenchmer, darüber zu redeu."

„Warum wolleu ivir uus jetzt über so unangenehme Dinge
den Kopf zerbrcchen?" sagte cr. „Es ist so wunderherrlicher
Frühling, und in Jhr Leben ist so viel Lenzesfreude eiuge-
treteu — wolleu wix uns das alles von alten häßlichen Ge-
schicksten bcrderbcii lasscn?"

Juanita ivar nicht ganz befricdigt, aber sie gab nach uud
sie satzeu noch ciue Weile in harmloser, munterer Uuterhaltung,
funfelnde Luftschlösscr bauend, bei einander. Dann gingen sie
nach dem Pcnsionat . . . Die Sonne schien durch den grünen
Laubdom auf sic/hcruiiter, die. Vögel zwitscherten, die Schmet-
terlinge frcutru sich ihrcs Daseins — und ohne datz Zarnow
es merktc, begmiilcn in scinem winterverwüsteten Herzen die
farbenfreudigen Blnnicn cines ncuen Lenzes fröhlich und kräf-
iig ihre Kelche zu cntfaltcn.

18. Kapitcl.

Sneewittchen nnd ihr Prinz.

Der Bcsuch Zarnows bei der Vorstehcrin des Bergedorfer
Pcmionats hatte für Iuanita die gewüuschten Folgen. Sie
ward mcht nur zum Musikunterrichte zugelassen, sondern er-

hielt auch alle Freiheit der Bewcgung eingeräumt, die ihrer

jetzigeu Stellung zukam. Sie wurde fortan nicht mehr als
Schüleriu, sondcrn als junge Damc bchandclt. Frau Cäcilie
Gerabd hatte nicht die kleine Beschämmig erspart werden kön-
nen, batz sie in Zukmift keine auf Juanita bezüglichen An-
ordmingen mchr zu treffeu hatte, souderu diese lediglich bon
den Vormiindern dcs jungen Lllädchens ausgingen.

Eine besondere Vereinbarung betraf auch den Briefwechscl,
hinsichtlich dcsscn Juanita vollkommenste Freihcit von jeder
Beaufsichtigung zugestmiden erhielt. Fräulein Wiukelmami
gab dies uni so bcreitwilliger zu, als, wie sie erklärte,
Juanita eiue dcr tvcnigen jungeu Damen sei, von denen man
nicmals eincn Mitzbrauch dieser Freiheit zu befürchten habc.

Dann fuhr Zarnow tiach Hamburg zurück, um zuuächst
allcs für die Vcrwaltung von Juauitas Vermögeu Erforder-
liche anzuordnen. Er besuchte alte Freunde, darunter auch deir
Hauptpastor Ritzau, der ihm klagte, datz ihm Zarnows Nach-
folger am Johamieum wenig Freude mache, obgleich au dessen
Orthodoxie mcht der leiseste Makel zu entdeckeu sei; ferner
Heleue und Rudolf Friedrichsen, bei denen es abcr zu keiner
rechten Behaglichkeit kommen wollte; mau vermied beiderseits
ängstlich bas Gespräch über gewisse Dinge, die ihnen so uahe
lageu, uud das brachte in ihren Verkehr etwas Gezwungenes
hiiieiii, ivoboii die Folge war, datz alle Drei das Ende des Be-
suchs als eine Erlösung begrützten."

„Das war ja unleidlich," äußerte Rudolf verdrietzlich,
als Zaruow sich bcrabschiedet hatte. „Wenu cr wieder kommt
und nicht selbst vön Cäcilie mifängt, werde ich es thun."

„Glauüst Du, daß er sich wieder bei uns seheu lätzt? Jch
nicht," antwortete Helene; und sie sollte Recht behalten.

Als Zarnow nach Ordnung aller geschäftlichen Angelegen-
heiten die Reise nach Florenz, Rom un>d Neapel antrat, die
er sich vorgenommen hatte,. schrieb er an seine altcn Freunde
ein sehr herzliches Billet, worin er ohne Umschweife erklärte,
wie peinlich ihm jetzt iwch immer ein Zusammentreffen mit
ihnen sei, die ohne ihre Schuld so schmerzliche Erinnerungen
in ihm erweckten, nach seiner Rückkehr werde sich hoffentlich
alles so weit abgcstumpft und eingeebnet haben, datz man da-
rüber unbefangen reden könne.

^ — Ein Wort des Papstcs. Der Papst empfing diesec
Tage, wie der „Figaro" erzählt, einige Ordensicyweflern.
Die Nonnen wünschten dem heiligen Vater, daß er hundert
Fahre alt werden möge luid fügten hinzu, daß sie bestän-
dig den Herrn bitten wollten, ihren Wunsch in Erfüllung
gehen zu lassen. „Aber weshalb lvollt Jhr denn der
Vorsehung eine Grenze setzen?" erwiderte der Papst.

— Die Konsessioncn in den höheren Schule» Preu^
srcns. Von der Bevölkerung Preußens sind etwa 61,2
Prozent evangelisch, 34,2 Prozent katholisch und 1,2^
Prozent jüdisch; aber von den 136 803 Schülern, welche
im Winterhalbjahre 1892—93 die höheren Lehranstalten
besuchten, wareu rund 70 Prozent evangelisch, 21 Prozent
kathalisch, 8,6 Prozent jüdisch, und vou den 162 07a
Schülern des Winterhalbjahres 1900—1901 69 Prozem
evangelisch, 23,5 Prozent katholisch, 7,3 Prozent jüdisch-

— Ein Untcrschied zwischcn Iapancrn und E»ro°
päcrn, der bis jetzt wenig beachtet wurde, besteht in der
Abwescnheit von OhrläPPchcn bei den Fapaneni. Nach
der Ansicht von Tr. v. d. Heyden, Direktoc des General-
hospitals iii Nokohama, sind die Ohrläppchcn nur durai
Vererbung fortgepflanzte und erworbene Vcruustaltuugeft
des Ohres, erzeugt von den schweren Ohrgehängen dec
arischen Völker in nralter Zcit.

— Höherer Spiritismus im Offizierskasino zu Ttentsin-
Dem seit 1. Januar in Tientsin erscheinendcn Wochenblatt
für die ostastatische Brigade entnehmen wir die nachstehende
launige Geschichte: Jm Offizicr Kasino zu Tientfin wareN
dem chinestschen „Haushofmeister" nach deutschem Gelde
etwa 35 Mark entwendet worden. Der Dieb konnte sich
nur unter den chinesischen Btdiensteten befinden. Der die
Untersuchung leitende Offizier versammclte das gcsamte
Personal und verkündete den Leuten, daß der Dieb
in ihrer Mitte befinde. Jn lcnigsieris einer Siunde werde
er den Spitzbuben gefaßt haben, so viel Zeit brauche er,
um stch mit dem deutschen Fuchsgott, einem berühmten
Zauberer, in Verbindung zu setzen. Nach Verlauf einer
Stunde wurden alle Bediensteten in ein ganz dunkles
Zimmer geführt, in dessen Mitte der Tisch stand, auf deM
das gestohlene Geld gelegen hatte. „Ein Jeder wird jetzt
eilizcln in dieses Zimmer treten und zuerst die rechte und
dann die linke Hand fest auf den Tisch drücken und dann
mit hochgehobenen tzänden in das Nebenzimmer treten."
So geschah es anch. Nan ging der Offizier oirekt auf
einen bo^ (Aufwärter) ios und bezeichnete ihn als deN
Dieb. M t zitlernden Gliedern, den hellen Angstschwei^
auf der Slirne, gestand dteser sein Vergehen etn. Wa^
war geschehen? Eine fiadige, wahrscheinlich mit Spree'
wasser getaufte Kasino-Ordonnanz hatte die Zwischenze^
benutzt, um die Tischplaite tüchtig mit Fett und Oel Zü
beschmieren und dann mil Ruß schwarz zu färben.
Unschuldigen hatten natürlich arglos ihre Hände auf deN
Tisch gedrückt, der Schnldige dagegen hatte sich aus aver^
gläubiger Furcht daran vorbeigestohlen. Jnfolgedessen hatteN
alle andern kohlrabcnschwarze Häade, uur die Hände des
Diebes strahlten in der Farbe der „Unschuld".

Litlrrarlseies.

— Gartenfreunde und' solche des Obstbaues seien einrru^
Ivieder auf den „Praktischen Ratgcbcr im Obst- uud GartcP
bau" aufmerksam gemacht, der sich aus lkeineu Anfängen ohne
Stillftand zu ciner der kräftigsten Stützcn des deurschen ObP
baues und Gartenbaucs entlvickclt hat. Drei Gärtncr, untZ
denen als leitender Redakteur >dcr bekannte Gartenschriftstelst^
Joh. Bötwcr, sind an der Redaktion fest angestellt; ein bietz^
leitet als Obergärtner eine 1214- .Hektar grotzc gartnerisäl^
Versuchs- und Musteranlage. Ständiges Mitglied der
daktion ist seit Änrzcm anch der Knnsttnaler Kleindienst, unt^
dessen Leitung alle Abbildungen <im vorigen Jahr warcn A
gegen 900) eigens für ben „Praktischen Ratgcber" hergcstc^
Iverdcn. Alle Autoritäten in den verschiedensten Gebieten
Gartenbaucs und Obstbaues arbeitcn an der Zcitschrtft nn'!
die rein praktischen Zlveckcn dienen soll., Die Rcdaktion süch.
sich auf über 1000 Mitarbeitcr. Die Leser werden ständZ
durch Prcisanfgaben und durch Beteiligung an kleinen
suchcn angeregt. Trotz aller Rcichhaltigkcit kostet der „Prstsi
tische Ratgeber" viertcljährlich nur 1 Mark. Jeder, der
Gartcnbau und Obstban Jnteresse hat, mögc sich eine Proo^
nummer kömmen lassen, die bon dcr VerlagsbuchhaudluE
Trowitzsch u. S o h n, Frankfurt a. Oder, gern nnem
gcltlich zngesgndt wird. ,

—K Die Berhaftting dcs „Blumenmediums" Anna
hat die Aufmerksamkeit allcr Kreise von neucm auf den Spsi
ritismns und seinc Folgeerschcinungcn gelcnkt, wie sie sich P
am klarftcn eben im Fallc Rothe kennzeichncn. Leidcr cl^

„Zarnow nimmt sich die Sache mchr zu Herzen, als ^

verdient," bcmerkte Rudolf zu diesem Briefe. ),Er sollte don>
wahrhaftig einsehen, daß er an Cäcilie so arg viel nicht vei''
lorcn hat." ^

„Das ift cs ja cben!" erwiderte Helene. Vielleicht schmcr^
licher als dcr Verlust ist es ihm, datz nicht viel an ihr vc
loren ist."

„Ein Widersprnch, den ich nicht berstehe, SchwesteE
Du darfst an meine kaufmännische Einsicht nicht zu grotze
fordcrungen stellen."

„Nun, er verliert eben doppclt: nicht nur'eine Gelicb ^
sondern auch cine, die er verehrte. Uebrigens sehe ich ^
eins in diesem Briefc."

„Und das wäre?" .st -

„Daß er anf dem bcsten Wege ist, sich zu trösten.
würde er nicht schon jetzt von der Zeit rcdcn können, da eö i §
trösten wird. Leute, Äie wirklich unglücklich sind, können b
nicht fassen, datz eine solche Zeit jemals kommen tvird." .x,

Jn Berlin fand Zarnow den ersten Brief von Juanita
in München einen zwciten, in Florenz cinen dritten. H
ging es weiter. Jnanita war überglücklich, datz sie ihre
liebte Musik wieder hatte; sie konnte dabon gar nicht SÄ.jA
erzählen. Den Schlutz ihrer Briefe aber bildeten regelrnvb^
einige Zeilen, in denen sie für ihre Dankbarkeit und,
neigung immer neue Wendnngen vall naiver Offenherzw.Z,,
fand. Wenn Helene gesehen hätte, wie gerflde diese Z.^i:
von Zarnow mit besondercm Eifer gelesen und immcr
gelesen wurden — mit einem Eifer, der an einem sv crv'.
Manne schier verwunderlich war — so würde sie mit GebAt
thuung nnd wohl auch mit leiscm Schmerzgefühl konst^,,-
haben, datz die Zeit, die sie boransgeschen hatte, mit ersta
lich grotzen Riesenschritten herannahte.

Jn dieser Ucberzeugung würde sie noch mehr bestärkt
den sein, wenn sie Zeuge gewesen iväre, wie Zarnow, ciw ^
Rom ein erwarteter Brief von Juanita nicht eintraf,
heftigem Zorn unid daranf in einen Trübsinn verfiel, dtw
unbedeutendc Ereignis doch in keiner Weise rechtfertrgkc-

(Fortsetzung folgt.)
 
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