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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-74 (1. März 1902 - 29.März 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0536

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Domlerstag, 20 März 1902.

Zweites Blatt.

44. IMgMg. — Üir. 67.

Trscheinttäglich, Somitags auSgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus aebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

«uzeigenpreis: 20 Pfg. die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschästs- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
borgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den städt. Anschlagstellcn. Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

vie Leitung bestellenr

Angcsichts der bevorstehendcn Abounements-
erneuernng machen wir unsere Postabonnenten
>viederholt darauf aufmerksam, daß infolge neuer Post-
besttmmungen die Briefträger jetzt berechtigt sind,
Zeitnngsgelder von den Abonnenten entgegen-
Zunehmen nnd darüber vollgültig zu quittieren,
Und zwar stets tn der zweiten Häifte des letzten Quartals-
wonats bis zum 25. einschließlich. Diese neue Einrich-
tung crspart unseren Abonnenten den Weg zum Postschalter,
un welchcm zur Zeit des QuartalswechselS bekanntlich meist
sehr starker Verkehr herrscht. Da die Briefträger außer-
bem gehalten sind, wegen der Erneuerung des Zeitungs-
ubonnements rcchtzeitig vor Ablauf desselben nachzufragen,
io empfiehlt sich eine Benutzung ihrer Vermittlung auch,
Um einer unliebsamen Unterbrechung in der regelmäßigen
Zustellung der Zeitung vorzubeugen. Die

„Heiöelderger ^eitung"

krscheint täglich und kostet mit ihren Gratis-
Beilagen:

„Wäelberger familienblätter"

mnd

„LanäiviMchaftlicher Leitgeiü '

monatlich nur 50 frei ins Haus,

ouswärts 1.L5 Mark vierteljährlich ohne Post-
SUstellungsgebühr.

Zleöer den Kinfluß der Inzucht nnd Wer-
Mischung auf den poMischen ßharakter einer

Bevölkerung.

i.

Vor uns liegt die erste Nummer der politisch-anthro-
hvlogischen Revue, einer Monatsschrift für das
ioziale und geistige Leben der Völker. (Hepaus-
ßegeben von Ludwig Woltmann und Hans K. E. Buh-
Wann, Thüringische Verlagsanstalt in Eisenach. Preis
iährlich 12 Mk.) Die Verbindung der Wcrte politisch-
unthropologisch ist eine durchaus zeitgemäße; sie bedeutet
ein ganzes und zwar ein im höchsten Sinne modcrncs
Programm. Wenn man Politik, Gesellschaft, Staat, Kirche
berstehen will, dann muß man vtel tiefer in das
Nesen des Menschen eindringen, als dies bisher der
Fall war. Man darf stch nicht damit begnügen, von
lleistigen Strömungen, von frischer Volkskrast, von ent-
urteten Zeiten zu sprechen, sondern man muß viel energi-
icher auf die urlnrünalicbe Benabuva des Menschen zurück-

gehen, woran sie sich heftet, wodurch fle stch in den ein-
ander folgenden Geschlechtern verändert, wie fie zum^festen
Typus wird, wie sie erhöht, wie sie geschwächt werden
kann. Wo eS sich um cin Tier handelt, um einen Hund
oder ein Pferd, da ist die Sache längst klar gelegt. Da
wisscn die Züchter ganz genau, daß sie ein Tier mit den
von ihnen gewünschten körperlichen und intellektuellen Eigen-
schaften nur durch sorgsame Züchtung erhalten, durch an-
gemcssene Jnzucht zur Befestigung der Art und durch an-
gemesscne Blutauffrischung zur Verhinderung der Ent-
artung. Auf das Blut, auf die Abftammung
kommt es an.

Sollte es bei einem Menschen andcrS sein?
Sollten seine körperlichen, geistigen und moralischen Eigen-
schaften nicht ebenso schr von dem Blut, von der Ab-
stammung bedingt sein, wie die des Tieres? Die ver-
hältnismäßig junge Wissenschaft der A nth ropologi:
die den Menschen aüch nach dieser Seite hin erforscht, hat
uns bisjetzt schon Einsichten erschlossen,die vonder allergrößten
Bedeutung für das „Sichverstehen" der Menschheit sind.
Einen sehr schätzenswerten Beitrag liefert Albert Reib-
mayer uuter der obenstehenden Unterschrift in Nummer 1
der gedachten Monatsschrift. Wir wollen einiges daraus,
soweit der Raum uns erlaubt, wiedergeben.

Reibmayer geht davon aus, daß konservativ und
libcral in Wirklichkeit die beiden einzigen einander gegen»
überstehenden politischen (das Wort im weitesten Sinne
genommen) Auffassungen sind. Hier Hängen am Alten,
dort Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit der Geister.
Blickt man in das Buch der Geschichte, oder blickt man in
der Gegenwart um stch, so wird man finden, daß Kon-
servatismus da herrscht, wo Jnzucht besteht. Li-
beralismus, wo Blutmischung stattgefunden hat.

Die vorwiegend konjervative oder liberale politische
Gesimiung eines Einzelindividunms, einer L?aste oder
eines Volksstanunes ist nicht Znfall, noch durch äußere
klimatische Verhältnisse bedingt, aber auch nicht aus-
schließlich Wirkung der Erziehung und der Umgebung,
wie häufig angenominen wird, sondern in Ietzter
L i n i e e i n e W i r k u n g d e s e r e r b t en B I u t e s
und zwar ist die vorwiegend konservative Gesinnung die
Folge einer durch mehrere Generationen stattgehabten
Jnzucht zwischen Individuen von gleichen oder sehr ähn-
lichen Charakteren einer und derselben Kaste oder eines
Volkes, während die lib / Gesinnung die Folge einer
Blutmischung von > n:en verschiedener Kasten und
Völkerstämme ist.

Daß die politische Gesiimung in der Regel eine an-
geborene, ererbte ist, beweist am besten die Kraft, mit
der sich dieselbe bethätigt und über die verschiedensten
Hindernisse und Hemmnisse den Sieg davon trägt. Sie
ist eben wie jede ererbte, angeborene Charaktereigen-
schaft „Natur". Wie wäre es einer Erziehung allein
möglich, eine derartige Wirkung auf den politischen Cha-
rakter eines Einzelindividuums, einer Kaste hervorzu-
bringen und z. B. eine solche aufopferungsfähige Va°
terlandsliebe zn züchten, wie wir sie an zahlreichen Bei-
spielen der alten Geschichte vor nns haben. Dies ist nur
möglich, wenn die Erziehung durch angeerbte und durch
vieljährig'e Inzucht gefestigte Gefühle unterstützt wird

Sneewittchen.

Roman von A. I. Mordtmann.

(Fortsetzung.)

Die Bille ward auf dcm Stege überschrittcn, und im Be-
Piff, stch dem Gehölz zuzuwenden, blieb Zarnow plötzlich
lschen, weil das Herz ihm so ungestüm zu klopfen begann; denn
H)in war, als habe er das tiefe Bellen eines großen Hundes
ächört. War es denn möglich?

^ .Wußte es der brcwe Leo, mit welchem inneren Jubel seine
trflcheinung begrüßt wurdc, daß er mit solchen mächtigen
^ahen und so frühlichem Bellen aus dem Gehölze hervor, und
5^1 Doktor entgegenstürmte? Es mußte wohl so sein, der
dund mutzte wohl ahncn, welcher Freudenbringer er war, weil
so ungestüm an dem Doktor hinauf sprang und ihn mit
^wen täppischen Licbkosungen beinahe nmwarf.

. „Ja, Leo, alter Junge, du bist es!" rief Zarnow frcudig.
'-llnd wo ist die Herrin?"

,Leo sprang voraus, als hätte er die Frage vcrstanden,
s das Gehölz zn, gnd Zarnow folgte ihm mit weit ausgrei-
lcnden Schritten. Eine halbe Minute brachte ihn an die Bie-
Usg des Weges — dort stand sie, denn schon sah er das helle
lsisid durch die Bäume schimmern — noch cinige Sckunden
bann ....

p . Dann stand Zarnow ,mit übcrmächtiger Anstrcngung seine
xstchcnschaft niederzwingcnd, vor Juanita, hatte ihre beiden
s^stnde crfaßt und blickte ihr leuchtenden Auges in das freude-
r ^hlende Antlitz. Leo mochtc sich wundern, daß die beiden
iturückhaltend thatcn; als cr jetzt Ivicdcr die mächtigen Pfo-
schmeichelnd auf Zarnows Schultcrn legte und dabei bald
bald Juanita ansah, schicnen scine klugcn Augen fragen
^n^vollen, warum sie seincm vernünftigcn Beispiele uicht folg-

hat Sie nicht vcrgessen," war das crste, was Juanita

„Und Sie, Juanita?"

Sie nahm seine Hand nnd legte sie leicht an ihre Wange.

„Halten Sie mich für so undankbar?" fragte sie dagegen.
„Und warnm bin ich hier?"

Haud in Hcmd — eigcntlich gar nicht, wie es sich für
Mündel und Bormund zicmt — gingen sie.weiter. Leo lief
voraus und legtc sich, seine mcnschlichcn Freunde crlvartend,
an der wohlbckannten Rasenbank nieder. Als seine Herrin
und ihr Besuch sich dort gesetzt hatten, streckte cr sich befriedigt
aus u»d schloß die Augen; bis die beiden wicder fortgingen
konnte er nach den gehabten Anstrengungen und Aufregungen
cin behagliches Schläfchen machen — das wußte er.

Juanita machte keinen Versuch, ihre Hand zu befreicn,
und freiwillig lieh Zarnow sie nicht los. Es war vielleicht die
lctzte schöne Stunde seincs Lebens; sollte er sie nicht auskosten?

„Jch bin vorgestcrn, gestern und heute hier gewesen," er-
klärte Juanitasi „Iveil ich sicher War, daß Sie mich hier auf-
suchcn würdcn."

„Jch konntc doch frühestens heute hier sein."

„Das wußte ich wohl, aber ich hatte salche Angst, ich
könnte Sic verfehlen."

„Nun, was wäre weiter dabei gewcsen? Dann wärc ich
in das Pensionat gckommcn."

Juanita ülickte thn mit fragenden Augen. an, nnd Grüb-
chen traten in die rosig angehauchten Wangen. Zarnow ver-
stand sie, und nun konntc er sich doch nicht enthalten, ihr
Händchcn an scine Lippen zu führen.

„Wisscn Sie auch," fragte Jucmita, „warum ich so unge-
duldig war, Sie zu sprechen? Jch habe Jhnen cine sehr gute
Neuigkeit mitzuteilcn, übcr die Sie sich gcwih ebenso freuen
wcrden wie ich."

Zarnow crsch.rak heftig. Welche gute Neuigkeit konnlc sie
mcinen? Jhm fiel nur cine einzige ein — dic schlimmste,
die es für ihu geben konnte.

„Sie sind doch nicht ..."

Er verstummte plötzlich wieder und lieh ihre Hand los.

unö im ewrbte Blute schon der geeiguete Boden vorliegt,
wo dmm Erziehuug uud llmgebung die im Volke oder
in der Kaste mit Vorliebe gezüchteten Charaktere zur
höchsten Reife briugen können. Jm Altertum, wo Jn-
zucht uud Vermischuug sast immer iu extremer Weise
austrat, haben wir auch die Wirkung derselben auf den
politisäMl Charakter in extremster Weise vor uns.

Die beideu Muster-Juzuchtvölker des Altertums —
die Aegypter und alteu Juden — haben darum auch den
konscrvativsten Politischen Charakter anfznweisen und so
machte sich derselbe, da die Religion bei beiden Völkerrr
im Staatsivesen eine so hervorragende Rolle spielte, hier
nuch am meisten geltend.

Ausland.

Oesterrcich-Ungarn.

Wien, 18. März. Abgeordnetenhaus. Jm weiteren
Verlaufe der Debatte wiesen, wir folgen dem Bericht der
„Frankfurter Zeitung", die Abgeordneten Funke (deutsche
Fortschrittspartei) und Derschatta mit großer Entschieden-
heit den Vorwurf des Abgeordneten Schönerer zurück,
daß die anderen dentschen Parteien sür die deutsche Sache
nicht mit solcher 5lüast eintreten wie die Alldeutschen.
Fnnke sagte: Wir wcrden niemals aufhören, nnsere ehr-
liche Gesinnung zu bethätigen; wir werden aber auch
immer treue Oesterreicher bleiben. (Lebhafter Beifall
links.) Derschatta sagte, daß Platz auf der Welt genug
sei sür das große Deutsche Reich und sür ein Oesterreich,
das deutsch geleitet werde. Beide glorreichen Herrscher
würden das herstellen, was jeder Dentschnationale wün-
sche: einen Bund des Friedens und segensreicher Arbeit.
(Beifall links.)

Berichterstatter Dr. Kathrein (deutsch-klerikal): Man
hat im Schlußworte namens der maßgebenden Parteien
auf der Linken erklärt: Wir haben heute hier Worte ge-
hört, die ims tics verletzten und unser patriotisches Ge-
fühl beleidigten. Jch erkläre im Namen aller Oester-
reicher dieses Hauses, daß wir diese Worte mit größter
Entrüsümg zurückweisen. (Stürmischer Beifall im ganzen
Hause; Lärm und Ruse bei den Alldeutschen: Hoch Rom!)
Wir geben unserer tiefen Entrüstnng deshalb Ausdruck,
weil wir mit Liebe und Verehrung an imserem Kaiser
hängen! (Lebhafter Beifall und Händeklatschen im gan-
zen Hause; Lärm bei deu Alldeutschen und Rufe: Hoch
der Papst!) Wir Oesterreicher ohne llnterschied der Nation
und der Partei bleiben treu unserem Kaiser und Reichel
Kathrein schließt: „Hoch unscr Kaiser! Hoch das Haus
Habsburg! (Stürmische Hochrnfe im gnnzen Hause; Lärm
bei den Nlldeutschen.)

Das Budgetprovisorinm lvnrde in zweiter Lesimg an-
genommen. Für die sofortige Vornähme der dritten
Lesnng war nicht die notwendige Zweidrittel-Majorität
vorhanden.

Wien, 18. März. Der Abgeorduete Stein (All-
deutsch) schickte dem Jungczechen Dyk wegen der Schimpf-
worte „ehrloser Lump" seine Zeugen, die Abgeordneten
Berger nnd Schalk. Auf die Weigerung Dyks, mit den
Zeugen zu verhcmdeln, rempelte Stein den Dyk im Wan-
delgange an und fragte, warnm er ihn einen ehrlosen
Lumpeu genannt und ob er ihm Genugthuung und Auf-
klärimg geben wolle. Abg. Dyk erwiderte, das sei seine
persönliche Anschammg, er gebe weder Genugthuimg noch

„Was denn? Was meincn Sie?"

„Verlobt?"

„Verlobt? Jch? Mit wem denn?" Dunkle, flammcnde Glut
überzoa Juauitas Gesicht und eine Falte des Unmuts bildete
sich zwischen ihren Braueu. „Moinen Sie, ich würde einen
solchen Schritt thuu, ohne vorher Sie zu fragen?"

„Seien Sie nicht böse, Jucmital" bat Zarnow. „Es
suhr mir so durch den Kopf. Jch dachte nicht daran, datz
ich als Jhr Vormnnd gefragt werden müßte."

Jnanita schmollte noch immer. Ohne Zarnow anznsehen,
zeichncte sie mit der Spitze ihres Sonnenschirms im Sande.

„Sie machen es immer schlimmer", sagte ste kanm hörbar.
„Mußte ich Sie nur als meinen Vormund fragen?"

„Nein — Sie habcn Recht — ich dachte nicht daran, wie
lieb und dankbar Sie sind. Verzeihen Sie — nnd nun erzäh-
lcn Sie mir Zhre Neuigkeit. Jch bin wirklich gespannt."

Jncmita schuttelte lächelnd den Kopf.

„Nein, jetzt müsscn Sie zur Strafe noch warten," sagte
sic. „Nun sollen Sie erst etwas wissen, was mit dem zu-
sammenhängt, ivas Sie da eben gesagt haben. Wollen Sie
es hören?"

Zarnow bemächtigte sich wieder der kleinen Hand nnd
antivortete:

„Natürlich will ich."

„Abcr Sie dürfen mich nicht nnterbrechen. Vcrsprechen
Sie mir das?"

„Jch versprcche alles, was Sie wollenl"

„Also gnt: ich bin nicht verlobt, und niemand will sich
mit mir vcrlobcn. Abcr cs ist einer da, der mich sehr, schv
lieb hat, obgleich cr sich alle Mühe giebt, es mir zu verbergen,
weil er arm ist und dabci sehr stolz. Und weil ich ihn auch
von ganzem Herzen lieb habe, viel lieber als mcin Leben, viel
lieber als alles auf der Welt, so habe tch mich über cine Nach-
richt gefreut, worüber andere vielleicht traurig sein würden.
Erraten Sie cs nicht? Jch bin gar nicht reich, und alles
Gold von dem Lenchttnrm da gehört gar nicht mir. Und
 
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