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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-74 (1. März 1902 - 29.März 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0549

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Untersuchung mit angestellt habe, daß diese abcr nichts Nach
teiliges ergeben har.

Der Antrag der Kommission wird darauf angenommen.

Zu Titel IX (Bezirksverwalrung und Polizei) bemerkt
Abg. Wilckens (natl.), daß die nationaliberale Parlei
die von der Regierung verlangre Aufbesserung der Vorstände
größerer Bezirksämrer zu bewilligen geneigt sei.

Mimsterialpräsidenr Schenkel hofst bestimmt, datz die
Anforderung wenn nicht jetzt, so doch im nüchsten Landtag ge
nehmigt wird.

Abg. Pfcfferle snatl.) tritt für den Unrbau des Be
zirksamts in Emmcndingen ein, den Minister Schcnkel rn bal-
dige Aussicht stellt.

Abg. Obkircher (natl.) wünscht Vermehrung der
Schutzmannsstellen in Freiburg und Trennung der Kriminal-
polizei von den übrigen Schutzleuten.

Abg. Fehrenbach glaubt, daß die Schutzmannschaft
in Freiburg ausreichi. Oberamtmann II i e s e r erklärt, datz
die Zahl der Schutzleute nirgends der Einwohnerzahl böllig
entspricht. Eiue völlige Trcnnung der Kriminalpolizei von dcn
übrigen Schutzleuten sei nicht zweckmätzig.

Abg. Frhr. b. Srockhorner (kons.) bittet um strenge
Handhabung üer Vorsichtsmatzregeln gegenllber umherziehenden
Menagerien, Barentreibern u. dergl.

Abg. Hergt (Zentr.) glaubt, die Aufbesserung der Ober-
amrmänner wäre genehmigt worden, wenn die Petition der
Geometer ebenfalls Berücksichtiguug gefunden hätte.

Abg. Wacker (Zentr.) ist der Ansicht, datz die Ausbesse-
rung nur durchgeht bei der allgemeinen Revision des Ge-
haltstarifs.

Abg. Mampel (Antis.) spricht sich ebenfalls gegen die
Aufbesserung der Oberamtmänner aus.

Abg. Binz (natl.) betont, daß nicht eine allgemeine Auf-
besserung der Oberanrtmänner beantragt ist. Es handle sich
nur urn wenige Stellen, bei denen ganz besondere Umslände ob-
walten. Von einer Begünstigung der Oberamtmänner sei
keine Rede.

Abg. Zehnter (Zentr.) ist der Ansicht, datz bci diesen
Beamten ein dringenderes Bedürfnis, als bei den anderen,
nicht vorliegt.

Nach einem Schlutzwort des Berichterstatters Fehre n-
bach wird der Kommissionsantrag, die Aufbesserung abzu-
lehnen, angenommen; um 1 Uhr die Beratung abgebrochen.

Jn der N a ch m i t t a g s s i tz u n g, die um 4)4 Uhr be-
ginnt, bringt Abg. F'rühauf (freis.) Klagen bon niederen
Verwaltungsbeamten über Sonntagsarbeit vor, die ihncn von
cinzelnen Bezirksvorständen zugemutet wird. Auch die nicht
gesetzlichen Feiertage werden ungleichmätzig gehalten. Die
Diensträumlichkeitcn solltcn mindestens einmal im Monat
gründlich gereinigt werden, schon aus hygienischen Gründen.
Weiter klagt Redner über zu rigoroscs Vorgehen des Karls-
ruher Bezirksamts gegen dortige Bauunternehmer, iiber die
Baukontrolle in Wolsach und bemängelt die Gutachten des
Mannheimer Bezirksarztcs und wünscht schlietzlich, dah man in
den Bezirksämtern dem Publikum ctwas freundlichcr ent-
gegenkommt.

Ministerialdirektor Heil erklärt, das Ministerium sei von
jeher der Auffassung gewesen, datz die Beamten dem Publikum
gegenüber die Gebote dcs Anstandes und des guten Tons zu
beobachten haben. Die Sonntagsarbeit werde thunlichst ver-
mieden; aber es sei häufig mit dem besten Willen nicht zu
bermeiden, datz dringende Geschäfte an Sountagen erledigt
werden. Bezüglich der nicht gesetzlichen Feiertage bestehen nur
Vorschriften, die den Beamtcn den Besuch des Gottesdienstes
jermöglichen. Die Conduitenlisten könne man vorerst nicht ab-
schaffen.

Abg. Goldschmitt (natl.) nimmt den Bürgermeister
von Derghausen gegcn die Vorwürfe Vorderer's in Schutz.

Abg. Neuwirth (natl.) wünscht für die Landgemeinden
unter 1000 Einwohner Aufhebung der Ladenschlutzstunde oder
mindestens Verlängerung bis 10 Uhr.

Abg. Fehndrich (Soz.) ersucht die Regierung, gegen
das Truncksystem energisch vorzugehen uud sich durch die An-
wälte nicht absckrccken zu lassen. Die praktischen Kenutmste
der Baukontrolleure lasse oft sehr zu wünschen ubrig.

Abg. Binz (natl.) ist der Ansicht, datz in den Karlsruher
Fällen nicht korrekt gegcn 'die Baumeister borgegangen werde.
Jedenfalls hätte man nicht gleich mit Strafe kommen sollen.

Abg. Wilckens (natl.) wünscht Vermehrung der Ak-
tuarstellen bei den Bezirksämtcrn. event. Erhöhung der autzer-
etatsmätzigen Bezüge der älteren nicht ctatsmätzigcn^ Aktuare.

Mnisterialpräsident Schenke l betont, dast infolge der
knappen Mittel leider nur 10 neue Stellen angefordert werdcn
konntcn; er hoffe abcr, daß dies in Zukimft ermöglicht wird.
Eine weitere Aufbesserung der nicht etatmätzigen Aktuare ware
denkbar im Anschlutz an die Wohnungsgeldvorlage, aber im-
merhin fraglich, weil dcr Nachtragsetat ohnehin stark be-
lastet ist.

Abg. Heimburger (Dem.) bemerkt gegcnuber dem Abg.
Goldschmitr, datz auch chm schon seit Jahren Klagen über den
Bürgermeister von Bcrghausen zngegangeu sind. Er wün,che
nur, daß die Angelegenheit gründlich nntersucht wird.

Abg. Frühauf (freis.) unterstützt diesen Wunsch und
wendct sich gegen die Ausführungen des Ministcrialdirektors.

Abg. Birkenmeyer (Zentr.) wünscht Erhöhung der
Staatsbeiträge an arme Gcmeinden und bittct um Unter-
stützung einiger Gemcinden der Bezirke Schönau und St.
Blasien. ^ ^ ,

Ministerialpräsidcnt Schenkel (agt thunlichste Beruck-

^ ^ ??bg lei n (natl.) macht auf dcn Mitzstand aufmerksam,
datz in den Grenzbezirkcn die Veterinärpolizei verschiedenartig
oehandhabt wird. ^ ^

Ministerialdirektor Heil versichert, datz kunftig derartige
Ritzstänbe nicht mehr hervortreten, nachdem erst kürzlich mit
der bayer. Regierung bezügliche Verhandlnngcn zu einem Ein-
vernehmen geführt haben.

Abg. Klein bittet um kräftige Untcrstützung der Unter-
«inder Fischereigenossenschaft.

Abg. Gießler (Zentr.) bringt Klagen des Fischerer-
Bereins Reichenau vor über allzn grotze Beschränkungen der
Zuggarnfischerei.

Als Staatsunterstütziing für Kreisstratzen u. Gemcindewege
sind im Budget 400 000 M. eingestellt. Nach eincm Antrag
Klein u. Gen.. der von Abgeordneten aller Parteien unter-
stützt wird, soll/die Regierung ersncht werdcu, diesc Summe
durch eine entsprechende Position im Nachtragsetat auf
TOO 000 M. zu erhöhen.

Ein weiterer Antrag Obkircher u. Gen., der ebenfalls
von allen Parteien unterstützt wird, ersucht die Regierung, in
den Nachtragsetat eine angemessene Summe zur Erhöhung
der Verpflegungssätze einzustellen, falls dies aber
nicht möglich sein sollte, in das nächste Budget eine entsprechende
Position aufzunehmen.

Abg. Klein (natl.) begründet den ersten Antrag.

Ministerialpräsident Schenkel bittet, dcm Antrag keine

wendet em, dasz Amerika sie verhindert habe, frei zn dis-
Pomeren, Amerikas Delegierte hätten selbständig gehan-
Lelt, daher sei die ottomanische Regierung frei von Ver-
antwortung. Allgeniein glaubt man, daß die Pforte
nachgeben werde.

Folge zu geben mit Rücksicht auf unsere Finanzen. Jm Nach-
trag wcrden noch Hundertransende genug kommen.

Nach längerer Debattc, an der sich die Abg. Birkenmcyer,
Hergt, Eichhorn, Frühauf, Wacker und Fehrenbach beteiligen,
wird dcr Antrag mit allen gegcn 9 Srimmen (der Zentr.-Mg.
Herth, Grüninger, Wackcr. Hergt, Köhler, Fehrenbach, Dieterle
Fischer und Hug) angenommen.

Abg. Obkirker (natl.) begründet sodann dcn zweiten
Antrag, mit dem Ministcr Schcnkel einverstanden ist. Der-
selbe wird n ach kurzen Bemerknngen des Abg. Fehrenbach,
Blankeiihorn und Wacker einstimmig aiigeilommcii.

Abg. G e p p er t (Zcntr.) bittct um Beschleunigung des
Neubaues des Bezirksamts in Obcrkirch.

Ministerialdirctkor Heil hofft, datz bis im nächsten Budgct
eine entsprechcnde Anforderung cingestellt werden känn.

Abg. Müller (natl.) giebt seiner Befricdigung übcr die
Korrekrion der Weschnitz Ausdruck.

Abg. Greiff (natl.) bitet um Erhöhung der Staatsbei-
träge für Wasservcrsorgung der Gemeinden in de» Rhein-
ebeneii.

Abg. Hauser (natl.) dankt der Regierung für die Was-
scrvcrsorgung der Heubergorte und bittet, etwaige weitere
Wünsche wohlwollend aufzuuehmen.

Um halb 9 Uhr wird die Beratung abgebrochen. Fort-
sctzung morgen 9 Uhr.

Äus der Karlsruhcr Zeitnng.

— Seine Königliche Hohcit der Grotzherzog haben
dem Kommerzieniät Karl H a a s in Mannheim die Erlaubnis
zur Annahme und zum Tragen des ihm von dem Präsidenten
der französischen Republik verlieheneu Ritterkreuzes dcr Ehren-
lcaion und dem Marstalldiener Friedrich Dietz in Karlsruhe
die Erlaubnis zur Annahmc und zum Tragen der ihm von dem
Grotzherzog von Sachsen-Weimar verliehenen silberneu Ver-
dienstmcdaille erteilt. Seine Königliche Hoheit dcr G r o tz-
herzog haben den Vorstand der Bezirksbauinspektion Lörrach
Oberbaninspektor Farl Forschner nach Badcn und den
Vorstand der Bezirksbauinspektion Waldshut, Oberbauinspektor
Georg Bayer nach Lörrach versctzt, ferner dem Regierungs-
baumeister Karl R i t t e r in Karlsruhe den Titel Bezirksbau-
inspcktor verliehen.

Karlsruhe, 21. März. Der Großherzog empfing
heute Vormittog dm Finanzminister Dr. Bnchenberger zn
längerer Vortragserstattung. Danach meldete sich der
Generalmajor von Hausmann, Kommandeur der 28. Ka-
vallerie-Brigade, von Rom zurückgekehrt. Hierauf empfing
Seine Königliche Hoheit den Vize-Oberzeremonienmeister
Grafen von Berckheim. Nachmittags erteilte Seine Königliche
Hoheit dem Hofrat und Professor der klassischen Philologte
an der Universttät Freiburg Dr. Hense eine Audienz.
Hierauf hielt Hofrat Dr. Hense von 5 Uhr an vor den
höchsten Herrschaften und einer zahlreich versammelten Ge-
sellschaft einen Vortrag über „Friedrich Hölderlin". Spä-
tär hörte der Großheizog noch den Vortrag des Legations-
rats Dr. Seyb.

Ausland.

Frankrcich.

Paris, 20. März. Der neueste Fortschritt des
Deutschtums ist eine deutsche Zeitung in Paris, deren
Erscheinen soeben für den 1. April angekündigt wird. Sie
soll den Titel tragen „Pariser Zeitung."

England.

L o n d o n, 20. März. (U n t e r h a u s. Schluß.)
Harc o u r t erklärt, er werfe der Regierung nicht vor,
daß sie das Land täusche. Die Regierung täuschte sich
aber selber. Lloyd Ge o r g e (liberal) nnd andere setzen
die Beratung fort, die stellenweise einen hitzigen Charak-
ter annimmt. George sagt, England habe während des
Krieges 18 Niederlagen erlitten, die schlimmer seien als
SNajuba. C a y s e r (kons.) nnterbricht ihn mit den
Worten: Darüber freuen sich die Burensreunde ja! Zu-
stimung auf den Bänken der Ministeriellen. KUnegs-
minister B r o d r i ck führt ans, in den Operationen sei
ein großer Fortschritt erzielt worden. Der Hauptwider-
stand im Oranjefreistaat sei gebrochen und dc Wets
Trnppcn nach allen Richtnngen zersprengt. Jn der
Kapkolonie seien die Operationen mehr in der Hand
derPolizei als daß sie einen militärischenCharakter tragen.
Auch in Osttransvaal seien' große Fortschritte erzielt
worden. Wahr sei allerdings, daß von Delarey, einem
der besten Burengenerale, lebhafte Thätigkeit entfaltet
wcrde, aber im allgemeinen führte der Lauf der Dinge
dahin, den Buren einen großen Teil ihrer Streitkräfte
nnd Lebensmittelzufuhr zu nehmen in einem Umfange,
der bei weitem das Maß der Erwartungen übertreffe.
England habe infolgedessen nur mit einer kleineren Zahl
8es Feindes zu rechnen. Walke r (Kons.) bringt die
Debntte auf die chinesischen Angelegenheiten. Un-
terstaatssekretär des Aeußeren Cranborne bemerkt, was
die Mantschurei betreffe, erwarte die Regierung
von Rußland, daß es die Politik auch durchführe, sür
die es sich ausgesprochen habe. Zur Zeit seien Verhand-
lungen zwischen der rnssischen und chinesischen Regiernng
im Gange, diese Politik dnrchzuführen. Es sei un-
möglich, Tientsin zu ränmen, bis die Vorkehrungen für
die militärische Besetzung Tschilis weiter vorgeschritten
seien. Alle Mächte hätten den Wunsch, Tientsin zu räu-
men, sobald die Truppenzahl anf den seinerzeit bestimm-
ten Satz ermäßigt werden könne. Er glaube, das werde
innerhalb der nächsten beiden Jahre möglich sein.
Schließlich drückte Cranborne seine Befriedigung darüber
aus, daß heute zwei Mächte ihre warme Zustimmung zu
dem englisch-japanischen Abkommen ausgedrückt hätten.
Die dntte Lesung der Approbationsbill wird mit 240
gegen 49 Stimmen angenommen.

,sianrn.

m .^1/ 20. März. Bei einer Spazierfahrt zwische
Ventmuglia uud Mentoue stürzte die Equipage des Füi
sten Ferdinand. von Bnlgarien nni. Der Fürst wnrd
herausgcschleudert, blieb aber unverleht. Der Unfa
gab später Veranlassnng zu Gerüchten von einem anarch:
stischen Attentat auf den Fürsten.

b Karlsruhe, 20. März. Anlätzlich der Beratuna des
setzentwurfs betr. die Erbauung eiuer schmalspurigeu Nc
^hn bou Mosbach nach Mudau hat die Kormnission de
Kammer für Eisenbahueu uud Stratzeu ai" der F

Stelluug geuommeii, ob es nicht zweckmätziger erscheiue, weuir
der Staat alle Bahnen im Lande selbst baue u n d
b e t r e i b e. Der Staudpunkt des eineu Teils ging dahin,
daß der Staatsbahnbau dem Bau durchPrivatiinternehmer unter
alleu Umständen vorzuzieheu sei. Wenn auch nicht die schmal-
spurigen Bahnen, welche übrigens möglichst zu vermeiden
seien, durch den Staat gebaut iind betrieben werden sollein
so dürfte es doch Ausgabe des Staates sein, alle normal-
spurigen Bahnen in der Hand zu behalten. Das sei ein
Wunsch, der im ganzen Land herbortrete. Gegen die Privat-
gesellschaften herrsche vielfach Mitzstimmung, da der Betrieü
der Privatbahncn kein so flotter sei, wie auf unseren Staats-
bahnen. Auch die Wünsche der Bevölkerung fänden häufig
nicht diejenige Beachtung, welche man glaube an eine solche
Verkehrseinrichtung stellen Zn köniien. Namentlich sei es auch
die Einrichtnilg, welche der Seknndärbetrieb mit sich bringe,
womit man sich nicht befrennden könnc. Die Ueberwachung
wichtiger Bahnübergänge sei im Jnteresse der Verkehrssicher-
heit dringend zu wünschen. Das Fehlen dieser Einrichtung
habe schon zu vielen Klagen Veranlassung gegeben. Uebcr-
haupt sei es nicht zu verstchen, wariirn dcr Staat LinieN'
von welchen vorauszusehen war, datz sie sich gut rentieren,
nichi selbst gebaut habe.

Der andere Teil der Koinmission, welcher in dem dcrma-
ligen Stand der Sache eiiien unbefricdigten Zustand nicht er-
blicken kann und auch gegen das von der Regierung befolgte
sogenannte gcmischte System beim Eisenbahnbau Einwem
dungen nicht zu erheben hat, geht dabei von folgendcn Er-
wägungen aus: Vor ca. 10 Jahren habe bekanntlich der frühere
Herr Finanzininister sich dahin ausgcsprochen, datz nnser Eiseiw
bahnnetz Znnächst als abgeschlossen betrachtet werdcn müsse.
Was aber seit dieser Zeit in Bezug auf den Ausbau von Haupt-
und Ncbenbahnen in unserem Lande gcschehen sei, das hätte iv
dicscm raschcn Tempo sicher nicht geschehen können, wenn man
nicht für die Nebcnbahnen das Privatlmternehmertum heran-
gezogen hätte. Welche bolkswirtschaftlichen Nachteile wärcn
aber den betreffcnden Landesteilen erwachsen, wenn sie auf
ihre Eisenbahncn, die sic anf diese Wcise schr rasch erhalten
habcn, vielleicht eine Reihe von Jahren hätten wartcn müsscn?
Aber auch nach langem Wartcn wärcn die materiellen Opfey
für die Jnteressenten die gleichen gewesen, da ja auch bei
Staatsbahnen freie Geländestellung vcrlangt wird. Nicht un-
beachtet dürften die Vorgänge in Württcmberg blciben, wo man
kürzlich ein Ncbenbahngesetz beraten habe. Auch die württew-
bergische Kammcr wollte dem Bau der Eisenbahnen durch den
Staat den Vorzug gegeben wissen, sie habe aber mit Rücksicht aus
den rascheren Ban sich ebenfalls znr Heranziehung des Pri-
vatkapitals entschlietzen müssen. Jn Württemberg würden
grotze Subventionen verlangt, deren Bewilligung die Regicrung
damit bcgründct habe, datz es schwer sei, Unternehmcr zu ge-
winncn, da diesclben in seltenen Fällen ihre Rechnung fändcn-
Auch in Bayern seien Stimmcn laiit geworden, datz es nütz-
licher gewesen wäre, das Privatkapital beim Bahnbau heran-
zuziehen. Die kürzlichen Vörgänge in Sachsen, wo die grotzen
Etätüberschreitungen beim Eisenbahnbau die Ursache des Kon-
fliktes gewesen seien, dürften ebenfalls nicht ohne Bcachtnng
blcibcn. Sachsen habe zwar den Vorzug, das am bestcn
entwickeltc Eisenbahnnetz der Erde zu besitzen, aber es stecke
auch ein inimcnses Kapital darin, wobci die Erträgnisse der
wenigen wirklich borteilhaften Linien durch die andern urn
das doppelte imd dreifache aufgebraucht würden. Die Mchr-
zahl unscrer Nebcubahnen seien mit verhältnismätzig geringen
Staatszuschüssen gebaut worden. Jm Allgemeinen habe cinc
gerechte Verteilung der in Privathände gegebenen Bahnen
stattgefnnden, indcm der Unternehmer, welchcm eine gutc Limc
übertragen ivurde, dafür aber auch wicdcr mit einer schlew-
teren bedacht wordcn sei. Es sei anzunehmen, datz, wenn der
Staat nur die guten Linien gcbaut hätte, sich für dic gering"
wertigen Unternehmer nicht gefunden hätten. .

Ucber einen Punkt ist die Kommission vollständig eimg
gewesen. Es ist dcr Wunsch, die Grohh. Regierung wolle
trotz der augenblicklichen wirtschaftlichen Depression einc
V e r l a n g s a m u n g in dcr Fördcrung gerechtsertigter
Eisenbahnwünsche nicht eintreten lassen, da die Schaffung
von Verkehrsgelegenheit am besten geeignet erscheint, den Rück^
gang zurückgebliebener Bezirke aufziihalten und bessere Er-
werbsbedingnngen herbeizusühren.


Heidelberg, 22. März.

!. Evangelischer Kapellenchor Morgen, am PalmsonntaS'
veranstaltet der Heidelberger Kapellenchor in der evangelischen
Kapelle, Plöck 47, ein geistlicheS Konzert, auf daS wn
nicht verfehlen wollen, besonderS hinzuweisen. Das Konzert finder
unter Leitung des HauptlehrerS K. Gebhard und untcr Mi^
wirkung der Herren G. Ströbel vom städt. Orchester um
Hauptlehrer Baumann aus Mannheim statt und wird a»s
einem Präludium von Bach, einer Reihe prächtiger geistlicher
Lieder, Viola-Solis und Chorälen bestehen. Den Besuchern, dij
ich hoffentlich recht zahlreich einfinden dürsten, stehen sown
einige erhebende Stunden bevor. DaS Konzert beginnt um 5 Uw
liackmittagS

b Theater. Die Opernsaison geht zu Ende und es ist, als ob
uns Direktor Heinrich den Abschied noch recht schwer mache"
wollte, deim das Theater hat wohl selten einen gläiizendercN
Abend erlebt, wie den gestrigen. Eine große, reine Frcnde wnrde
uns bereitet. Als Stern des Abends erhellte natiirlich hanp^
achlich Fräulein Anna Reinis ch vom Königl. Hoftheater i"
Stuttgart d!e Vorstellung. Aus einer zierlichen, sehr schlankep
kleinen Dame ist eine sehr eindrucksvolle Bühiieiierscheinnilg g^
worden. Hohcit, Anmut und Schelmerei wußte fie in ihre vor-
zügliche Darstellimg der Philine gleichmäßig zu verwebeu. Ä''
Organ hat sich gegen früher kaum verändert. Noch immer be-
zaubert sie dnrch ihre glockenklare Stimme, ihre schöne dentlich^
Aussprache. Stärker ist die Stinime geworden, ein Vorzug. der
ihr besonders in der herrlichcn großen Arie im 2. Aktc prächtib
zu statten kam. Wie leicht nnd kräftig qnollen die wnndervollel'
Laute ihr aus der Kehle; es war wirklich ein Genuß, sie r"
hören. Mit dem Gaste wetteiferte der Liebling unserer Buhne-
Fräulem Koppenhöfer; doppelt bemüht, es ihrer Rivalin a"!
Abend gleichzuthun, bot sie auch gestern wieder in der Rolle der
Mignon elne Glanzlcistung. Die tzerren nahmen sich an deo
Damen ein Bcispiel; fie gaben ihr Bestes mid halfen den AbeN"
zu einem uiwergeßlichen zu machen. Lorbeer wnrde Fräulew
Anna Neinisch mid Herrn Leo vonKeller gespendet. Großes
Beifall wurde am Schlusse jeden Aktes den Darstellern. besoiide^
aber dem Gaste, zn teil.

* Am Katser-Wilhelm-Denkmal ist heute als am GeburtStaS
des verstorbenen Kaisers ein Kranz in den städtischen Farbeb
niedergelegt worden. "

O Bon der Matn-Neckarbahn. Vom 1. April d. I-
werden dte Züge 59 d, 61. 68b und 72 in Seckenheiw
halten. Die Abfahrtszeit daselbst ist sestgesetzt:

bei Zug 59 b auf 5" vorm.

... 61 . 6°- „

„ „ 68b „ 6^ abends und

,, O U«gluck«fall. Aus Mannheim wird bertchtet: BeA
U°b"schl°gei, von Bl-iring-n mittelst DampfkrahnS zerriß E
woch Vormittag eine Tauschlinge, an welcher 14 je 1 ZentN^
Lleiringe hingen. Die ganze Last fiel in das Jnnere d«-
SchiffeS „Fendel Nr. 20". welches im Rheinhafen bei der Lag^
halle der Pfalztschen Bank vor Anker liegt. Ein Teil der Zb
stürzenden Last traf den im Schiffsranm beschäftigten Schi^
 
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