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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-74 (1. März 1902 - 29.März 1902)
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1901 aus dem Kreis Heidelberg noch verbliebene Kolonisten
72 Tage verpflegt.

Mit Rücksicht auf die in Folge des wirtschaftlichen Iiieder-
gangs des letzten Jahres und der dadurch voraussichtlich noch
langer anhaltenden stärkeren Frequenz der Anstalt stellr der
Ausschutz übrigens den Antrag:

„Die Kreisversamlung wolle auch für das Jahr 1902

dem Landesverein für Arbeiterkolonien im Grotzherzogtum

Baden zur Förderung seiner Aufgaben einen Beitrag von

300 M. bewilligen."

VIII.

1. Jahresbericht Lber die Kreiskrankenpflege in Sinshcim,

erstattet vom Vorsitzenden des Sonderausschusses,

Major a. D. C. Koeh.nhorn.

Als Direktor der Anstalt wurde nach dem Tode v. Langs-
dorffs Herr Dr. Eschl e, welcher durch mehrjührige muster-
haste Leirung einer gleichen Austalt für eine Reorganisation
der Sinsheimer besonders geeignet erschien, durch Dienst-
vertrag vom 18. Juli 1901 —- vorbehaltlich dcr Zustimmung
der Kreisversammlung — angestellt. Dessen Dienstantrilt er-
folgte am 1. Rovember 1901.

Das Warte- und sonstige D i e n st p e r s o n a l
wurde vollständig erneuert, woberTder Gesichtspunlt matzgebend
war, datz nur durchaus zuverlässiges Personal für diesen
schweren und verantwortlichen Dienst verwender werdcn
Lürfe und datz ein solches nur bei einem Lohn zu erhalten ist,
wie ihn andere Anstalten dicser Art zahlen; ebenso stellte sich
eine Vermehrung des Personals um einen Wärter und um eine
Wärterin als unbedingt notwendig heraus.

Hinzuzufügen ist noch, dah die notwendige Beschränkung
der Aufnahmen auf die dringbndsten Fälle auch in dem Zustand
der Pfleglinge zum Ausdruck kommt. So können nur 15 Proz.
der Pfleglinge als geistesgesund bezeichnet und nur vereinzelte
mit Sicherheit Zur Arbeit verwendet werden; für beschränkte
Arbeit als Heilfaktor, zu welcher auch Schwachsinnige erzogen
werden sollen, kommen z. Zt. etwa 26 Prozent der Gesamt-
zahl in Betracht. Es erläutert dies am besten die Notwendig-
keit eines vermehrten Aufsichtsdienstes durch geschultes Per-
sonal.

DieE inleitung der Reorganisation der An-
stalt mutzte sich zunächst darauf beschränken, das Allernot-
wendigste ins Auge zu fassen, um Mitzstände, welche sich in
letzter Zeit ergeben hatten, zu beseitigen. Es konnte auch mit
öer Ausfuhrung nicht gewr»-tet werden, ohne schwere Bedenk-
lichkeiten hervorzurufen.

Jn der Hauptsache erstreckte sich dies auf:

1. Böschaffung einer Dircktorwohnung sowie von Räumen
zum Bureaudienst und zur Ausübung ärztlicher Behand-
lung; es wurde sür dieses zusammen durch Umbau
eines vorhandenen kleinen Gebäudes alsbald gesorgt, da-
mit der Einfluß des Direktors und der neuen Verwal-
tung sich von borneherein geltend machen konnte; hier-
mit war verbunden

2. die unaufschiebbare Herstellung von Wasserleitung und
Abtritten;

3. die schon mehrfach angeforderte und nun dringend not-
wendig gewordene Ausbesserung des Hauptgebäudes ein-
schlietzlich der Montage für elektrische Beleuchtung;

4. die äutzeren und inneren Abschlüsse der Anstalt, deren
Mangel zu bedenklichen Mitzständen geführt hatte;

8. die Honorierung der Bauleitung und

6. die Neuanschaffung von unentbehrlichen Jnbentar-
gegenständen, die im Laufe der Jahre teils abgängig,
teils unbrauchbar geworden waren.

Es war ferner notwendig, einige Grundstücke, deren etwaige
anderweitige Verwendung von grotzem Nachteil für die Zukunft
der Anstalt gewesen wäre, sofort in die Hand zu bekommen.
Sie sind daher vorbehaltlich der Zustimmung der Kreisver-
sammlung gekauft worden.

Aus demselben Grunde wird ein Kredit notwendig sein, um
damit vorsorgliche Ankäufe zu machen, welche für die weitere
Reorganisation sich als unentbehrlich herausstellen.

lim durch Lie Zinsen und Amortisation des für die Reorga-
nisation demnächst notwendigen Anlehens nicht die Kreis-
umlage zu sehr zu beeinflussen, wird eine geringe Erhöhung
der Pflegesätze um je 30 Mark erforderlich sein, welche sich
schon durch den jetzt bedeutend besseren Unterhalt der Pfleg-
linge rechtfertigt.

Die bisher bei Aufnahme von Pfleglingen geforderte voll-
ständige Belkeidung hat den Nachteil für die Anstalt, datz
leicht Jnfektionskrankheiten und Ungeziefer in dieselbe ein-
geschleppt werden, abgesehen davon, datz sie nicht zu der gleich-
artigen Anstaltskleidung patzt; aber auch für die Armenver-
bände waren die bisherigen Nachforderungen für Kleidung eine
Last. Es wird beshalb vorgeschlagen, wie bei den meisten
derartigen Anstalten bei der Ilufnahme die mitgebrachten
Kleider zurückzugeben und ein elnmaliges Kleidergeld zu er-
heben; es ist dies mit RLcksicht auf die Armenverbände auf
die niedrige Summe von 30 M. festgesetzt worden.

wurden zur Beförderung der Bagage Pferde requiriert und
dann marschierten wir in grötzeren Abteilungen nach Durlach,
wo wir unser Mittagmahl in der Kirche einnahmen. Jn
Karlsruhe überüachtetcn wir und am anderen Tage zogen
wir in Rastatt ein. Jn Rastatt wurde ich Bedienter bei einem
Major. Dieser, ein Schweizer, namens Ullrich, hatte den
Feldzug der Franzosen gegen Spanien mitgemacht und verstand
die Kriegskunst, wie man sie damals übte, durch und durch.
sEr wurde später nach der Uebergabe der Festung zu acht
Fahren Zuchthaus verurteilt und starb im Bruchsaler Lan-
desgefängnis.)

Die preutzischen Truppen ließen nach unserer Ankunft in
Rastatt nicht lange auf sich warten. Vor unserer Cinschlietzung
in der Festung hatten wir noch einmal ein Gefecht mit ihnen
bei Steinmauern. Eines Tages ritt ich auf dem Pferde meines
Herrn nach der Lünette 34, um meinem sich dort aufhaltenden
Bruder Fleisch und Branntwein zu überbringen. Jch kam
auch glücklich dort an. Der in dieser Lünette das Kommando
führende Kanonier legte mir nahe, datz es für heute nicht mehr
ratsam sei, zurückzukehren. Es fing bereits an, dunkel zu
werden und da und dort sah man preutzische Truppen auf-
tauchen und wieder verschwinden. Nach dem Eintritt der
Nacht schossen die Preutzen mit einigen auf der Kehler Stratze
aufgestellten Geschützen auf eine von uns bei der Murg aufge-
gestellte Batterie. Unser Kanonier machte albald seine Ge-
schütze zum Schiehen bereit, richtete den Lauf der Geschütze
in jene Gegend, wo das Feuer herkam und schon bei dem zweiten
Schutz slog ein mit vier Pferden bespannter preutzischer Muni-
tionswagen in die Luft. Cs wurde noch einige Zeit hin und
hergeschossen. Unser Kanonier richtete auch einmal ein Geschütz
auf einen Pappelbaum, hinter dem er einen preutzischen Posten
vermutete und nach dem Schutz brach der Stamm des Baumes
zusammen, als ob er von einem Blitz getroffen worden wäre.
Die Preutzen stellten aber alsbald das Feuer ein und der
übrige Teil der Nacht verlief ruhig. Am anderen Tage kehrte
ich wieber zu meinem Herrn zurück. Die Einschlietzung der
Festung war bald eine vollständige.

Es dauerte jedoch geraume Zeit, bis die Preutzen ihre
Delagerungsgeschütze herbeigeschafft hatten und die Festung
mutzte kapitulieren, noch bevor ein eigentliches Bombardement
staügefunden hatte. Wohl schickten uns die Preutzen aus zwei
von den Aufständischen in Karlsruhe zurückgelassenen grötzeren
Geschützen etwa acht oder neun Kugeln zu dem Zwecke in die
'Stadt, diese in Brand zu setzen, doch die Geschosse thaten die

Der Kreisausschutz stellt den Antrag zu genehmigen:

1. den Dienstvertrag des Anstaltsdirektors;

2. sür die verwitwete Frau v. Langsdorff Ivährend dreier
Monate — vom 16. Oktober 1901 bis 16. Januar 1902
— das übliche Sterbebeneficium von 150 M. pro Mo-
nat und von da ab eine Jahrespension von 800 M.;

3. einen Kreiszuschutz für das Jahr 1902 von 11 800 M.;

4. die Erhöhung der Pflegebeiträge mit je 30 M. und die
Erhebung eines einmaligen Aversums von 30 M. für
Bekleidung bei der Aufnahme eines Pfleglings;

5. datz durch Anlehensmittel: a. die bei der Einleitung
der Reorganisation entstandenen Kosten mit
21 275 M. bestritten und b. zum vorsorglicheu Ankauf
von Liegenschaften 10 000 M. zur Verfügung gestellt
werden.

IX.

Bericht iiber die landwirtschaftlichc Kreiswinterschule
z» Eppingen,

erstattet vom Aufsichtsrat.

Das Wesentlichste ist schon bei Erscheinen des Jahres-
berichtes 8er Schule mitgeteilt worden.

Die'Stelle eines 2. Landwirtschaftslehrers wurde in diesem
Jahre dem Herrn I. Schirmer aus Königsberg übertragen.

Der Kreisausschuß stellt den Antrag, die Kreisversammlung
wolle:

1. die Rechnung für 1900—1901 mit 2639 M. 63 Pf. in
Einahme und 2638 M. 42 Pf. in Ausgabe;

2. den Voranschlag für das Schuljahr 1902—1903 mit
2700 M. in Einnahme und 2700 M. in Ausgabe ge-
nehmigen und

3. ben Kreiszuschutz für das letztgenannte Schuljahr mit
2400 M, bewilligen.

X.

Bericht über die landwirtschaftlichc Kreiswinterschule zu
Wiesloch,

erstattet von Major a. D. C. Koehnhor n.

Das Wesentliche ist schon beim Erscheinen des Jahres-
berichtes der Schule mitgeteilt worden.

Der Kreisausschuß stellt den Antrag:

Die Kreisversammlung wolle:

1. Die Rechnung für 1900—1901 mit 3437 Mark 57 Pf.
in Einnahme und 3279 Mark 42 Pf. in Ausgabe, sowie

2. den Boranschlag für 1902—1903 mit 1940 Mark in
Einnahme und 1940 Mark in Ausgabe genehmigen und

3. deu Kreiszuschuß für das Schuljahr 1902—1903 mit
1700 Mark bewilligen.

XI.

Jahresbericht der Kreiohaushaltungsschule Neckarbischofsheim
für das Schuljahr 1900—1901,

erstattet vom Aufsichtsrat.

Die beiden Kurse waren gut besucht, der Winterkurs von
20, der Sommerkurs von 16 Schülerinnen.

Der Aufsichtsrat blieb unverändert. Für Fräulein Jda
Streckfutz trat mit dem Winterkurs 1900—1901 Fräulein
Johanna Burghard aus Freiburg als Jndustrielehrerin ein.
Während einer kurzen Erkrankung derselben versah Fräu-
lein Bougine ihre Stelle. Die Stelle der Hausmutter versah
Fräulein Lina Pitzmann aus Pforzheim bis zum Schlusse des
Sommerkurses 1901, seither hat Fräulein Marie Born, die
langjährige erprobte Hausmutter, in voller Gesundheit und
Rüstigkeit wieder ihre frühere Stelle Lbernommen.

Wie im lctzten Jahresberichte schon erwähnt wurde, hatte
burch diesen Wechsel im Lehrererinnenpersonal die Schulkasse
bedeutende Auslagen. Noch grötzere Anforderungen entstan-
den für dieselbe im letzten Schuljahre durch verschiedene bau-
liche Herstellnngen im Schulgebäude.

Der Kreisausschutz beantragt:

1. den für das Schuljahr 1900—1901 weiter bewilligten
Kreiszuschutz mit 1250 Mark nachträglich zu genehmigen
und

2. für das 'Schuljahr 1901—1902 einen Kreiszuschuß von
1800 Mark zu bewilligen.

XII.

Bericht iiber die Beteiligung des Kreises an dcr Ausbildung von
Arbeitslchrerinnen.
erstattet von Dr. 'W. Blum .

Es wurden mit einem Kreiszuschutz von je 120 Mark im
Sommerkurs 1901 als Arbeitslehrerinnen ausgebildet: 1.
Marie Kappes von Mückenloch, 2. Anna Kriechbaum von Rohr-
bach bei Heidelberg, 8. Anna Kohler von Wieblingen, 4. Lina
H^rbolb von Reichartshauscn, 5. Eva> Schweickert von Eppel-
heim, 6. Katharine Schleich von Walldorf.

Jn den Sommerkurs 1902 siud bereits vier Schülerinnen:
Luise Mohr von Rohrbach bei Heidelberg, Anna Marg. Hornig
von Sandhausen, Katharina Janson von Walldorf und Elise
Winkelmann von Neidenstein zur Ausbildung als Arbeits-
lehrerinnen vom Kreisausschuß angemeldet.

gehoffte Wirkung nicht. Ilm der Mannschaft den Sold be-
zahlen zu können, wurden Kupfermünzen (halbe und ganze
Kreuzer) geprügt. Rach einigen Wochen der Einschlietzung
mußte die Festung schon mit Rücksicht darauf, datz doch keine
Hoffnung auf Entsatz mehr bestand, den Preutzeu übergebeu
werden und nun begann fiir mich eine halbjährige Leidenszeit.

Nach der llcbergabe marschierten wir zur Stadt hinaus und
dort wurden uns nicht nur die Waffen, sondern auch alles, was
wir autzer der Kleidung besatzen, abgenommen. Meine Ta-
schen- und Rasiermesser, Uhr, ein halbes Dutzend Hemden,
nahmen fie mir ab und alles verschwand anf Nimmerwieder-
sehen.

- Auf diesen Akt folgte der Rückmarsch in die Festung, wo wir
dann in Abteilungen von 30—40 Mann in die Kassematten
gesperrt wurden. Die Zahl richtete sich je nach der Größe des
betreffenden Raumes. Den Fußbelag des Bodens bildete Kies,
warunter sich ziemlich grotze Kieselsteine befanden. An eine
Lagerstätte für die Nacht war nicht zu denken. Wären wir
nur im Besitze eines kleinen Ouantums Stroh gewesen, so hätten
wir unsere Lage etwas erträglicher gestalten können. Und so
lagen wir denn ohne Nahrung während der Nacht auf dem
Kies. Der Tag brach an, aber von Außen rührte sich niemand,
uns etwa einige Nahrungsmittel zu bringen. Man schien uns
völlig vergessen zu haben. Eswurde wiederAbend und wir mußten
uns, vor Hunger völlig erschöpft, wieder auf den Kies legen.
Am dritten Tage endlich gegen Mittag erblickten wir durch das
Gitter einen vor dem Thore haltenden Wagen. Ein Faß lag
auf diesem Wagen in der Grötze wie dieses Pfuhlfatz, jedoch
kein Fatz für solchen Zweck. Ein Zuber wurde vor dieses Faß
gestellt, der Spund herausgeschlagen und heraus lief eine aus
Brot, Kartoffeln, Wasser und einem winzigen Ouantum Fett
hergestellte Suppe. Ein bei dem Faß stehender preutzischer
Pionier rührte mit einem Lattenstück den Jnhalt des Fasses
durcheinander. Zwei andere Pioniere schlugen vier Pfähle
in den Boden und legten eine Tischplatte darauf. Auf der
Tischplatte standen etwa 30—40 aus Steinzeug hergestellte
Schüsselchen, diese wurde vollgeschöpft. Jeder bon uns atz
ein Schüsselchen leer, bekam dann ein Quantum Brot und die
Mahlzeit ivar für diesen Tag beendet. Dieser Vorgang wieder-
holte sich für die Folge, und zwar bis zu unserer Entlassung
nach einem halben Jahr täglich einmal; autzerdem gab es
aber sonst nichts zu essen. Trotz dieser erbärmlichen Lebens-
weise trmtzten wir uns, wohl oder übel, in unser Schicksal
zu fügen. Ehe wir uns Abends zur Ruhe niederlegten, scharr-

Für den Winterkurs 1902—1903 wird für wenigfrens
zwei Schülerinnen aus dem Kreis der Kreiszuschuß vorzusehen
sein.

Der Kreisausschutz beantragt däher:

Die Kreisversammlung wolle die Einstellung von
720 Mark in die Ausgabe des Voranschlags pro 1902
als Beitrag zur Ausbildung von sechs Schülerinnen tw
Sommerkurs 1902 und im Winterkurs 1902—190c>
genehmigen.

XIII.

Bericht über die Nusbilduug von Haushaltungslehrerinnen an
Fortbildungsschulen,

erstattet von Dr. W. Blum.

Die Kreisversammlnng vom Jahre 1899 hat sich bereit
erklärt, datz bei denjenigenGemeinden, welche denHaushaltungs^
unterricht an denFortbildungsschulen für Mädchen einrichten,ZN
diesemZweckeLehrerinncn inKarlsruhe ausbilden lassen und die-
sen nach bestandener Prüfung den Haushaltungsunterricht an
der Fortbildungsschule für Mädchen übertragen, von deM
Schulgeld ad 200 Mark pro Kurs der Betrag von 130 Mark
auf die Kreiskasse übernommen wird.

Von dieser Vergünstigung hat im Jahre 1899 keine, rM
Jahrc 1900 eine Gemeinde (Kirchheim) Gebrauch gemachZ
im Jahre 1901 kamen die bewilligten 260 Mark ebenfalls
nicht zur Verwendung.

Unter diesen llmständen glaubt der Ausschutz im Jahre
1902 mit der Einstellung eines Kreisbetrages von 130 Mark
zur Ausbildung einer Schülerin als HaushaltungslehrerM
begnügen zu konncn.

Er beantragt: ^ ^

Für Ausbildung von einer Schülerin alS Hau--
haltungslehrerin für das Jahr 1902 den Betrag von
130 Mark in die Ausgabe des Voranschlages einzustellen-

XIV.

Bericht des Sonderausschusses für Landwirtschaft,

erstattet vom Vorsitzenden Ph. H. Stoll.

Von den durch die letztjährige Kreisversammlnng sür
Förderung der Landwirtschaft bewilligt'en 3360 Mark sind ver-
ausgabt worden 2753 Mark 60 Pf.

Den beiden in der Bildung begriffenen Rindviehzuchtge-
nosscnschaften Eppingen und Sinsheim konnte die für dieselbeü
gewährte Summe nicht zügewendet werden, da dieselben now.
nicht in der Lage waren, den für Erlangung des Kreiszist
schusses erforderlichen Bcdingnngen (Vorlage der Zuchtregister
uswT) zu entsprechen. .

Die Gesuche der Ziegerizuchtgenossenschaften Siegelsbaw
und Neckarbischofsheim konnten wegen verspäteten Eintrefseiw
keine Berücksichtigung finden, letzteres dazu deshalb nicht, Ivru
diese Genossenschaften den Kreisausschutz und Sonderausschüb
nicht davon zu überzeugeu vcrmocht hat, datz sie dic durcy
die Beschlüsse der Kreisversammlung ausbedungene Zuchtrich-
tung — hornlose Saanenziegen/— auch wirklich verfolgt.

Als neu zu prüfende Getreidesorte wurde im Herbst 190st
Schlanstedter Roggen vom Originalzüchter bezogen und an dw
Versuchsstation abgegeben. Der Bezug verursachte 52 Mar-
6D Pf. Unkosten.

Das Resultat des Versuchsanbaues mit den übrigen
Sorten läßt sich ungefähr folgendermatzen zusammenfassens
Berner Spelz erwies sich nicht als vollkommen winterf
fest, besonders bei später Saat, auch wird die Dickhülsigkerk
ber Kerne getadelt, welche daran Schuld ist, datz diese Soste
allgemeine Beliebtheit nicht zu erlangen vermag. Die Erträge
haben im Vergleich zu den früheren Jahren nachgelassen. Es
mag dies zunächst den ahnormen Witterungsverhältnisstv
des verflossenen Jahres zuzuschreiben sein, dann aber ist diefe
Varietät unter den hiesigen, von ihren heimatlichen so verschw-
denen klimatischen Verhältnisscn schon so sehr degeneriert, dav
nur ein Neubezug von Saatgut den Anbau wieder lohneno
machen könnte.

Hanna-Gerste wird von sämtlichen Berichterstattern
lobt als frühreifende, gute Körnererträge, wenn auch etiva^
geringe Stroherträge liefernde Sorte. Dieselbe besitzt aw
Eigenschasten einer guten Braugerste und eignet sich besonders
für bessere Boden. Die Anbauversuche mit dieser Spielar
sind als abgeschlossen zu betrachten. ..

Nördlinger Frühgerste ist etwas weniger anspruchsvoll aw
Hannagerste und hat etwas längeres Stroh. Die KörnerertraD
erreichten die der letzteren nicht ganz, auch war die Qualiia
der geernteteten Körner nicht tadellos. ^ ^

Für das laufende Jahr beantragt der SonderaussckM
unter Zustimmung des Kreisausschnsses, die KreisversammluvS
wolle beschlietzen:

1. Die Rindbiehzucht sei nach den altbewährten Gruve^
sähen weiterzufördern und zu diesem Zwecke 2350 Mark s"
bewilligen.

2. die Förderung der Ziegenzucht sei wie bisher durch Unte^

stützung von Ziegenzuchtgenossenschaften zu erstreben. Zv''
Erlangung des Kreiszuschusses ist jedoch erforderlich: ^

ten wir uns in dem Kies eine Vertiefung in solcher Größe
recht, datz der Körper gerade hineinpatzte und wir lagen a>"
der Oberseite etwa mit dem Kies in gleicher Linie, schv'
etwas bequemer. Morgens wurden solche Vertiefungen iviers.
sorgfältig geebnet. Zeitweilig machte sich die Jugendkrai'
in der wir alle standen, in wahrem Galgenhumvr Luft. Allefi
lei Spiele wurden geübt oder ersonnen, um uns die Z'-'ß
zu vertreiben, und hin und wieder wurde der Lärm, der da^
verführt wurde, so stark, datz die vor den Kassematten stehene^
Wachtposten, um uns einzuschüchtern, durch das Gitter schH
sen. An ein richtiges Waschen des Körpers oder an eivfi
Wechsel der Kleidungsstücke war nicht zu denken. Was darM
entstand, kann sich jeder denken .

Die Entbehrungen machten sich aber doch allmählich nfi
merkbar. Die jugendfrischen, vorher kerngesunden Leute
den nach einander alle fieberkrank. Als Heilmittel gegen ^ ,
Krankheit erhielt ein jeber von uns täglich ein Gläschen vn ^
ordinärsten Branntwein. Viel genützt hat jedenfalls dre) .
Fuscl nicht, denn als wir endlich die Kassematten verlaist^
durften, waren wir so schwach und elend, als ob wir die schwe^
Krankheit überstanden hätteu. .

Ja — so schlotz der Erzähler — das bildete für mÄ "1--^
Schlutz der von unseren Volksbeglückern mit so viel Get
inszennierten Volksbewegung im Jahre 1848—1849. Als
tiger junger Maun marschicrte ich etwa breiviertel Jahre?
her aus Heidelberg hinaus und als fieberkrcmker, geb'rocye'
Mensch traf ich wieder dort ein.

Aufmerksam waren die Zuhörer den Schilderungen
Mannes gefolgt. Einer der Anwesenden meinte, eine
Behandlung der Kriegsgesangenen wäre doch abscheulich-

Wasl Kriegsgefangene! — rief dieser aus. — Wir
den nicht als Kriegsgefangene, sondern als Sträflinge be"^.,---

dclt. Als die Anstifter und Führer der revolutionären

gung bemerkten, datz die Sache schief gehe, flüchteten sie
die Grenze und brachten ihr eigenes Jch in Sicherheit,
aber überlietzen sie dem Schicksal.

Die Sonne war während des Plauderns untergegcum^
und die HaiObcsitzersfrau mahnte ihren Manp daran, dav^--
für ihn Zeit sei, sich zur Ruhe niederzulegen. Mit den
ten: „Die Zeiten haben sich gewaltig geändert und
unseren jetzigen politischen Verhältnissen können solche
wie sie sich damals abspielten, nicht mehr vorkommen,
abschiedete er sich, jedem der Antvesenden vorher noch e'
die Schnupftabaksdose präsentierend.
 
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