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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 75-100 (1. April 1902 - 30. April 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0607

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Das Erfordernis für dicselben wird mit 180 bis 200
Millio ncn Kronen veranschlagt; es ist jedoch noch nicht
sichergestellt, daß schon in diesem Jahre die Vorlage über
die Kanoiienfrage eingebracht werden wird. Jedenfalls
wird ein kleineS Erfordernis für Haubitzen angesprochen
werden. Ueber die Wahl des Geschützmaterials ist noch
keine Ewscheibnna getroffen.

Wien, 29. März. Jn E i l l i fand eine imposante
deutsche P r o t e st v e r s a m m l n n g gegen die weitere
Belassnng der slovenischen Paralleltlassen ain Gyimiasium
statt, welche anch von zahlreicheu Vertrauensmämiern
des steirischen Unterlandes besucht war. Die Persamm-
lung sprach sich dahin ans, das; von teinem Kompromiß
die Rede sein kann nnd es mit der Regierung tein weiteres
Zusaimnenarbeiteu mehr geben tönne. Tie deutschen
Nolksvertreter werden aufgesordert, dahin zu wirkeu, das;
nach dem Gewaltstreich vom 2t. Mürz der verletzten Ehre
des deutschen Voltes volle Geiiugthnung zu Teil werde.
Als die Haltung der Klerilalen besprochen wurde, ertöuteii
stürmische „LoS von Rom"-Rufe.

Hollaud.

H a a g, 29. März. Die aus Amerika zurücktehren-
Len B n r e u d e l e g i e rt e n Wolmaranch Wessets nnd
Debruyn werden erst anfangs nächster Woche hier ein-
treffen. Sie sind heute friih in Havre gelandet und be-
sinden sich bereits in P a r i s, nm mit Leyds zu kou-
serieren. Ruch ihre Frauen sind ihnen dorthin entgegen-
gereist. Inwieweit der holländische Ministerpräsident
Dr. K u y P e r mit den Verhandlungen in Verbindung
steht, läßt sich nicht feststetlen. Blan uimmt hier jedoch
als ziemlich sicher an, daß Dr. Kuyper inoffizielle Ver-
mittlerdienste leistet, teilweise auf eigene Jnitiative. So
wird auch eine Reise nach Brüssel nnd Berlin ausgelegt.
Vor seiner Abreise hat Dr. Kuyper eine kurze Unter-
redung mit dem deutschen Gesandten im Haag, wobei
er jedoch lediglich Empfehlungsschreiben an die Ressort-
minister erbat, um die Handwerkerschulen kennen zn ler-
nen. Ueber nndere Zwecke seiner Reise lies; Dr. Kuyper
nichts verlauten.

F-rnnkreich.

Paris, 29. MLrz. Die Regierung unterbreitete
der Kammer eiuen Gesetzentwurf, durch den die B r ü s-
seler Z u ck e r k o n v e n t i o n ratifiziert nnd die
französische Zuckergesetzgebung vom 1. Sept. 1903 an
abgeändert wird. Der Betrag der abgeschafften Prämie
wird ganz nnd gar dazu benutzt, die S t e u e r h erab-
Znsetze n, nnd zwar um 23 CentimeS per Kilogramm.

England.

L o n d o n, 29. März. Nach der „Daily Blail" hat
CecilRhodes die Hauptmasse seines-Vermögens für
U n t e r r i ch t s z w e ck e hinterlassen. Sie soll nach
seinen Bestünmnngen im allgemeinen dazn verwandt werden,
England für den Wettbewerb mit anderen Itationen besser
auszurüsten und die ReichSidee zu fördern.

L o n d o n, 29. März. König E d u a r d trat am
Donnerstäg Abend eine Aachtsahrt, wie verlautet, nach
der Küste Süd-Jrlands an. Von der Fahrt nach Ko-
penhagen ist nichts bekannt.

Jtalicn.

R o m, 29. März. Eine Ertranummer der offi-
ziösen „Agenzia Ztalia" sagt: Stach neneren Jnforma-
tionen sei die Begegnung P r i n e t t i's mit Bülow
p o l i ti s ch h o ch b e d e n t en d. Beide Staatsmänner
stellten die Jdentität ihrer Ansichten über^die Handels-
verträge fest. Es seien keine ernsten schwierigkeiten
Zu fürchten. Beide Staatsmänner hegen den lebhaftesten
und aufrichtigsten Wnnsch, die Veziehungen zwischen
Deutschlaud und Jtalien so herzlich wie bisher zu be-
lassen.

Roni, 29. März. Heute ist eine EncykIica des
Papstes Leo des Dreizehnten erschienen, die gleichsam sein
Testament bildet. Der Papst dankt in dieser Uckunde zu-
nächst Gott, das; er ihm ein so langes Leben geschenkt
habe, und wiederholt nochmals seine Lehren an die Katho-
Uken. Er spricht sein Bedauern über die Angriffe gegen
Lie Kirche und die neuen Jrrtümer unter Erwähnung
der Ehescheidung aus und giebt endlich ein Bild der
jetzigen Gesellschaft, die einem Zustande der Gesetzlosigkeit
entgegengehe. Er fordere jedermann znr Rückkehr zum
Christentum und zum römischen Bischof auf, von denen
allein die Welt Heil und Frieden erhoffen könne.

Nußland.

Tiflis, 29. März. Nach einer dem hiestgen Persi-
schen Generalkonsul zugegangenen Afftteilung des per-
sischen Großveziers wird der Schah auf seiner Europa-
reise am 12. tNai in Krakau, am 15. Plai in Wien ein-
treffen, sich aber dort nicht aufhalten. Von Wien kw
giebt sich der Schah nach Venedig, wo ein Aufenthalt
vom 18.—21. Mai, und darnach nach Rom, wo ein Auf-
enthalt vom 21.—25. Mai vorgesehen ist. Von Rom
reist der Schah über Mailand und Frankfurt a. M. nach
Berlin, wo er vom 29. Mai bis zum 2. Juni zu ver-
weilen gedenkt. Von Berlin begiebt sich der Schah na-ch
Contrexeville, wo er vom 3. Juni bis zum 13. Juli
bleibt. Vom 13.—20. Juli wird der Schah in London,
vom 20—23. Juli in Antwerpen und vom 25. Juli bis
zum 9. August in Karlsbad sein. Auf der Rückreise
wird der Schah sich 20 Tage in Rußland aufhalten.

Amerika.

Washington, 28. März. Das Staatsdepartement
wird den Behauptmigen des Dänen Ehristmas betref-
fend Bestechungen keine Beachtung schenken. Dieselben
enthalten angenfällige Jrrtümer. Das Staatsdepartement
weiß, das; Dänemark in keinem Falle gewillt ist,
auch nur einen Centime der von Christmas geforderten
Provision zu zahlen.

Washington, 28. März. Jn der heutigen Kabi-
uetssitzung gab der Ackerbauminister eine Erklärnng hin-
sichtlich der Differentialpolitik ab, welche von Dentsch-
land gegen amerikanische Nahrungsstosfe, insbesondere
gegen Fleisch ausgeübt wird. Der Ackerbauminister be-
merkte, nian analysiere diese Waren in Deutschland sehr
strenge. Wenn die amerikmiischen Beamten die in den
Vereinigten Staaten ankoinnienden deutschen Erzengnisse

e-ner gleichartigen Analyse imteriverfen würden, würden
deutsche Waren im Werte von Millionen Tollars jährlich
ausgeschlossen werden.

Washington, 27. März. Jm Re präse ntanteu-
hause teilte Richardson mit, er besitze die Abschrift eines
geheimen Berichts, den ein dänischer Staatsangehöriger
namens Christmas, der sich sowohl im Namen Dänemarks
wie im Namen der Vereinigten Staaten an den Verhand-
lungen über den Verkauf von Dänisch-Westindien beteiligt
habe, an die dänische Regierung gesandt habe. Aus dem
Bericht gehe hervor, daß die dänische Regierung eingewilligt
habe, deni Christmas zehn Prozent der Verkaufssumme
zuzugestehen zur Bestechung von Kongreßmit-
gliedern und zur Zahlung von Subsidiengeldern
an Blätter u. s. w. Das Haus nahm einstimmig eine
von Nichardson beantragte Resolution an, daß zur Unter-
suchung hieser Angelegenheit ein Ausschuß eingesetzt
werden solle.

Aus Ltadt und Land.

H-idelb-:rg, I. Aocil.^

** Di- Osterfriertake. Unseres Wetterprophcten Voranssage
Kat sich während der nnn verflossenen Osterfeiertage bcwährt.
Das Wetter hielt sich so ziemlich. Ain ersten Feiertage herrschtc
vormittags starker kalter West- nnd Iiordwestwind, nachinittags
wnrde es besser. Am zweiten Feiertage war die Wittcrnng
milder, etwas Regen trat erst gegcn Abend eiu. Beim Pnblikiim
machte sich cin starkes Bedürfnis, ins Freie zn kommen, geltcnd.
So waren schon am Nachmittag des ersten Feiertags die bekaimten
Ausflngspnnkte in der nühreren Umgednng der Stadt stark be-
sncht. Noch lebhaftcr ging es am zweiten Feiertage zn, der nicht
nnr die Städter hinansführte, sondern anch zahlreiche Landlente
in dic Stadt lockte. Die Konzcrte auf dem Schloß waren stark
besncht.

al. Fund. Heutc i» ciller Frühe hat cine Arüeiterbrigade
i» der vstliche» Hauptstraße mit dcm Aufbreche» des Pflasters
mid de» Grabarbeite» für die Neuherrichtung der Siratze mit
Nsphalt u»d die Umändcrung des Pferdebahngeleises i» ei»
solches für eiiie elektrische Bah» begonue». Gegc» 10 Uhr
stietz ei» Arbeiter i» der Nähe des Amtshauses auf eiiien har-
ten Gegenstand, der sich bei näherem Zusehcn nls das Frag-
mciit einer Löweiifigiir erwies. Obgleich das Brnchstück imr
aus einem Teile deS Kopfes soivie einer Schulter bestcht, so
bezeichiie» Llemier es doch als ziveifellos, datz ma» es mii eiiier
tüchrigen Arbeit aus der Mitte des 16. Jahrhmiderts
zu rhun hat. Ein Pergleich mit den Figuren am Ottohciiirichs-
ban imd namentlich mit dem herrlich durchgebildetcn Wappen, i»
dem üekcmntlich Löwenfignren vorhcrrschen, lätzt cs als nahezn
sicher erscheiuen, datz man es mit eincm der Löiven zu thun hat,
die Alexander Cvli» vertragsmätzig für dc» Kurfürsten zu
haiie» übernommen hat. Ma» hofft, aus dcm vorgefrmdcnen
Brnchstück die Halrung dcr ganzen Figur rckonstruiercn zu
köimeii, ivoraus anf dcren Platz am Ottoheimüchsbau und da-
mit indirekt auf diesen selbst sehr wichtrge Schlüssc zu ziehen
iväre». Das Fmidstück bleibt bis hcutc Abend im „Adler"
ausgestellt und Ivird danach dcr städtischcn Sanimlung anf denr
Schlotz einverleibt.

s- Dem Andenken Bisnmrcks. Jn daukbarcm Gedcnkcn
bcgcht hente am 1. April das deutsche Volk den Geburtstag
seines Siationalhelden ,des Fürsten Bismarck. Bismarcks Ver-
dicnste als des Reiches Hanptbegrnnder, seine Thatkraft bei
der Leitung der Siaatsgeschäftc werd-.n immerdar, soweit nur
die deutscke Zunge klingt, nnvergetzlich bleibcn. Es ist etwas
Schönes um das Dankbarkcitsgefühl. Heute werden im dent-
schen Reiche übcrall von zahlreichen Flammensäulen die Ge-
dächtnisfeuer auflohen imd der Tag durch crhebende Feicrn
würdig begangen wcrden. Auch wir in Heidclbcrg bringen dem
Alt-Reichskanzler heute nnseren Tribut. Freilich sind es keme
prunkendcn öffenklichen Kundgcbungen, dnrch die wir den Erin-
nerimgstag feiern, deshalb gcdcnken wir seiner aber in nicht
minder dankbaren Gefühlen. Das Bismarckdenkmal
an der Sophienstratzc zeigt sich heute in seinem schönsten
Schmuck. Das Denkmal-Komitee, der Militärverein und die
Sindentenschaft habcn hier in der Frühe prächtige Lorbeer-
kränze niedergelegt.

i. Loge Wehrkraft. An dcm llnterhaltmigsabcnd der Loge
Wehrkraft, dcren Weihe gester» am Ostcrmontag durch den
Grotztcmpler Blume, Hambnrg, feierlich startgefunden hat, be-
teiligtc sich cine stattliche Besncherzahl. Autzer den hiesigen
Mitglicdern, ca. 50 von auswärtS erschieilcueu Guktemplern,
wohiiten auch verschiedene Gäste der hübschcu Bcranstaltung
in dem Vereinshause der Loge Ruprecht zu dcn fünf Rosen bci.
Bci Nnsprachen, ernsten imd heiteren Jnhalts, Klavier und Gc-
sangsvorträgcn und sonstiger Kurzweil vergingen den Teil-
uehmern imd Teilnehmerinnen nur zu rasch cin paar angenehme
Stuudeu. Schr gefielen die Darbictimgen auf einem Gram-
mvphou und daiübar wurde ihnen der cntsprechendc Tribut
gezollt. Mögen die günstigen Vorzeichen, unter denen die Gut-
tcmplerloge mmmehr ihre Thätigkeir aufnahm, sich bewähren
und mögen die Bestreüungen der Aiittcmpler anch hier üei
uns n» Bodcn gelvinncn!

DaS Jubiläums-Portrkt unseres Großherzogs, welches
wir den Abonnenten unseres Blattes zum Jubiläum zu dem
so autzergewöhnlich billigen Preise von 3 Mark abgeben wer-
den, hai in seinem Oiminal die ganz besondere Beachtung
Seiner Kömglichen Hoheit des Grotzherzogs gefunden. Die
-p:sten phokographischen Aufnahmen zeigcn, so schrcibt das Ge-
heime Kabinet," so recht die grotzen Vorzüge des Propheter-
schen Gemäldes, wclches allgemein als sehr gclungen bctrachtet
wird, so datz der Wiedergabe in Photogravnre mit besonderer
Erivarnmg entgegengeschen wcrden dars". Tas Porirät licgr
demnächst in nnserer Geschäfrsstclle zur Nnsicln aus imd wir
ladcn unserc verehrreu Lcscr zum Besnchc freuudlichsr ciü.
Vorausbestellimgcii iverdcn schon jetzr ciitgegengcnomnici:.
Rechtzeitigc Snbskription dürfte um so ratsamer crschcineii, als
aller Voranssicht nach knrz vor dem Jubeltage der Vorrat nicht
mehr reichcn wird.

O Fünfter Anfängerkurs in Nationalstenographie. (Siehe
Anzeige!) Der Verein für Nationalstenographie eröffnet am
1. April seinen 5. Anfängerkurs in diesem Jahrc. Da die Teil-
nehmer schon in 6 bis 8 Stunden jeden znsammenhängenden Text
lesen nnd schreiben lernen, so haben sie Lnst am Unterricht, fallen
nicht ab nnd schließen sich gerne an die Fortbildnngsübnngen des
Vereins an, die wöchentlich einmal stattfinden nnd in kurzer Zeit
zu der sür den Privatgebranch nötigen Fertigkeit im Stenoqraphieren
führen. Der Verein verfügt über 6 Lehrkräfte (darnnter 3
Berufslebrer). die fich in den Unterricht teilen, so daß es ihm
möglich ist, die Anfängerkurse nnentgeltlich abznhalten, mn
jedermann, namentlich jugendlichen Personen, die Beteilignng so
leicht als möglich zu machen. Die Kurse weisen aus allen Kreisen
und Altersstufen (12 bis 50 Jahre), von Damen und Herren
eine lebhafte Beteilignng anf. Die Nationalstenographie ist
trotz ihres erst 3'/°jäbrigen Bestehens in Deutschland von 300
Vereinen vertreten (in Baden 18), die im Jahre 1901 über 14000
Personen nnterrichtet haben. Der Verein Heidelberg zählt bereits
130 Mitglieder.

— Polizeibericht. Zwei Arbeiter wurden weaen Bettelns,
ein weiterei Arbeiter wegen Körperverletzung, ein Packer wegen

Rubcstörimq und eiu B.'uinenhänölcr we.en Hausf: edcnsbrucks
verdatler Weien Unf kamen ir Perwnea zu: ^nie'ae.

m. Schöua» a. H., 1. April. (H o ch i n t e r e s s a n r e r
Vers u ch.) Neben der Moror-Omiübusfrage bcschäfrigt
gegeuwärtig das Thema, wie man es anzustcllen habe, nm
Schönan den Stcmpel eines modernen Luftkurortes aufzu-
drücken, dic üffentliche Meinung ganz autzerordcntlich. Alle
Vorbediiignngen zu einem Luftknrorie wären hicr so ziemlich
vorhaiiden, wenn nur die Lederfabrik als nichr bei „brüngcm
Werier" das prozenruale Gemisch der Atmosphürc mir Sauer-
stoff und Stickstvff weseiitlich und zu Gunsren der lctzleren
Luftart beeinfluffen Ivürde, in der sicy ein empfindliches Ricch-
organ natnrlich nicht behaglich sühlcn kann. Angesichts diefer
Thatsache wird man es anch bcgrcifen, datz man sich schon hin
und her den Kopf darüber zerürochcii har, wie am beften dic-
sem Mitzftaiide aüzuhelfen fei, um möglichsr bald das vorgc-
streckte Ziel zu erreichen. Eiiüge steheu auf dem Standpunkte,
man soll eiue Aktieiigesellschafr grüiiden, die Fabrik antaufen
uud alsdann das gesamte Anwesen zu cinem Bad- und Kurhaus
erstcn Ranges ummodeln. Für solcbe Einheimische, dre Geld
im Ueberflusse habeu, böte sich auf diese Weise zur Verüutzerung
desselben ein sehr grotzes Feld dar. Aber — I Freilich ist
dieses ein Plan, von dcm man nicht hoffen darf, datz seine
Früchte von heute auf mvrgen reifen. Es mag dieses Projekt
ganz getrost den künftigen Generationen überlassen bleibcn.
Aus pnrer Menschenfreundlichkeit könncn wir nns auch unter
den sctzigcu Verhältuisse» für einen derartigen Plan absolut
uicht bcgeiftern; denn selbst ein Durchschmttsmensch sieht auf
den ersten Blick, datz durch ein solches Ünrernehmen mindestens
90 Prozent hiesiger Existenzen mit einem einzigen Rnck einfach
der Todcsstotz versetzt wiirde. Nun sctzt man hier grotze Hoff-
nng auf cine geradezn staunenswertc Erfindung, lioii der das
Patentbnrcau Sch. Windelberger n. Cie. in Berlin zu bcrichten
weitz, welche speziell für Schönau cinen grotzarligcn kulturellcn
Fortschritt nnd Aufschwnng cmzubahncn verspricht: es ist dies
die Erfindung eines Elektrodynamo-Ventilatorenshstcms, das
jedcn einfallendcn Geruch binneii wenigen Minutcii aufsaugt,
sodatz in jeder Stratze, in jedem Gätzchen, die herrlichste, reinste
Luft herrscht. Ein einziger Drnck anf den elekrrischen Knopf
genügt, mn den Apparat zu dirigieren. Itnd mcrkwürdig:
Tritt der Ventilator riickwärts in Tbätigkeir, so wird die gesamtc
atmosphärische Luft innerhalb dcr Gemarkungsgrcnze mit einem
geradczn märchenhaften Duft erfüllt. Ohne eine Jndiskretion
zu begehen, können wir zur Jnformation weiterer Kreise mit-
teilcn, datz das provisorische Knrkomitec selbstverständlich Ver-
anlassung gcnommcn hat, sich nrü obiger Firma behufs Auschaf-
fung und Einführung eines solchen Vcntilators ins Bcnehmcn
zn setzcn, nntcr der ausdrücklicben Bedingung, dah ein prak-
tischer Versuch voranzngehen habe. Jn der zuborkommendsten
Wcise hat die Firma diesem Verlangen stattgegebcn. Ein Ver-
treter dersclbcn wird also heute Abend zwischen 8—9 Uhr auf
dem Steigerturm d-er Feuerwehr mit cinem Bcntilator demon-
stricren. Man hat diese Zeit deshalb gcwählt, um es möglichst
vielen Einwohnern zn ermöglichen, ihre Neugicrde zu befric-
digcn. Nachhcr wird eine Konfercnz von Sachvcrständigen
und Jntereffcntcn im „Odenwald" znsammentreten, um sich
über die definüibe Anschaffung eines solchen Bentilators, sowic
übcr desscn rarioiiellen nnd möglicbst rentablen Betrieb zu bc-
sprcchen. EZ ist geplant, dcnselbcn danernd auf dem Steiger-
turm zu plazicren, da sa dieser doch bisher so ziemlich seinen
Daseinszeweck verfehlt zu haben schcint. Auf diese Weise wird
rmser Städtchcn um eine Zierde und grotzartige Sehenswür-
digkeit reicher, was unbedingt dazn beüragen wird, datz noch
nnbedingt in dicsem Jahrhrmdert eine Eisenbahn hierher
kommt. Das Komitee wird auch dahin Sorge tragen, datz
Miniaturventilatoren, die ja ganz billig find, 'obligatorisch in
dcn hiesigen Wirtschaftslokalen cingeführt werden, nm den
bisherigen -Onälereien ein schleuniges Ende zr, bereiten. Nach-
dem min der Stein einmal ins Rollen gebracht ist, werden sich
.hoffentlich dahier auch genng Lente finden, die in jeder Weise
dafür sorgen, datz er cmch bis ans Ziel gewälzt wird. Gelingt
rms dicses, wird mit dem 1. Mai d. I. auch hier die Saison, aber
mü verfeinerter Luft, eröffnet werden können. Man komme
also heute Aberid, höre und sehe selbst, und man wird dieser
höchst sensationellen Erfindnng die Bewunderung nicht versagen,
die sie wirklich verdientl

" Vom Odenwald. (Landwirtschaftliches.) Wie
schr gnt dieses Jahr die Schweinezucht rentiert, mag Folgendes
darthun. Die jungen, nur vier Wochen alten Ferkel kostcn
zur Zeit pro Stück 17—18 Mark. Da bekanntlich die Mutter-
schweine gewöhnlich mchr als zehn Stück und jährlich mmdestenS
zweimal werfen, so giebt es Leute, denen im verflossenen
Jahr cin cinziges Muttcrschwein mehr als 300 Mark Ein-
nahme gebracht hat.

Manuheim, 29. März. (Schauplatz einer ge-
f ä h r l i ch e n W i d e r st a n d s a f f ä r e) war gestern in der
MitragSstimde die schwimmenüe Botverleihanstalt von AdaM
Klein oberhalb der Friedrichsbrücke. Das Bezirksamt hat deM
Besitzer dieser Anstalt wegen des starken Windes und Hoch-
wassers untersagt, von 12 Uhr ab Boote abzugeben. Ltlein kehrre
sich nichi an diese Anordnung und hieü scinen Betrieb aufrecht.
Als cin Schutzmann kam, um Klein anzuhalten, der Verfügung
des Amtes nachzukommen, wurde er von der ganzen Familie
beschimpft, und sogar versucht, ihn in dcn Neckar zu werfen.
Andere Schutzleute eilren ihrem Kollegen zu Hilfe und es cnt-
stand ein Handgemenge, wobei die Familie Klcin mit GumrM-
schläuchen nnd Holzstücken auf die Schutzleute einschlug. Einer
der Schutzleute zog alsdann seinen Säbel und vcrsctzte Klein
einen Hieb über den Kopf, der den Exzedenten kampfunfähig
machte. Klein wnrde darcmf ins Allgemeine Llrankcnhaus vcr-
bracht. Die Szene hatte eine grotze Menschencinsammliliig
verursacht.

8. 6. Radolfzell, 31, März. (Jtalienische Kultui'°
damen). Wegen Mangels an einheimischen weiblichen Arbeits-
kraften, der sich anch bei der Forstwirtschaft füblbar macht, solle»
der „Fr. St." zufolqe demnüchst 40 bis 50 Jtalienerinnen als
„Knlturdamen" im Bezirk des F. F. Forstamts Friedenweiler
Verwendung finden.

Dienstnachrichten. Zuin Kominandeur der 55. Jnsanterie-
Brigade Karlsruhe ist der Oberst v. d. Armee Hoffmeister,
früher Kommandeur des 4. Ostaüatischen Jnfanterie-Regiments.
ernannt worden. Oberst Hoffmeister hatte sich bckanntllch na«
seiner Nückkehr aus China längere Zcit in Baden-Baden anst
gehalten. Der bisherige Kommandenr der 55. Brigade General-
major Lölhöffel v. Löwensprnng ist mit der Führnng der
19. Division — Hannover — betrant worden.

Kleine Zeitung.

— Die geschiedene Großherzogin Vik' toria M r"
lita von Hessen beahsichtigt sich im Herzogtum Saäst
lemCoburg anzukausen, da sie mit ihrer Ntutter unj'
ihRr jimgsten Schwester viel zusammen zu sein gederffff
Haimoper, 29. März. Am Charfreitag starb der'
Geh. Regierungsrat Konrad W. Haase, 83 JaE
alt. Der Verstorbene war der Erbauer von mehr al-
hundert Kirchen, des hiesigen alten Museums, der Marier^
burg bei Nordstemmen und mehrerer bedeutender ProsasU
bauten. Er war Mitglied der Akademie der Künste ü
Berlin und der bildenden Künste in Wien. i,

— Abdul Hamid ru Sorgen. Merkwürdige Milte
lungen über das jetzige Leben des Sultans Abdul Harüst
macht ein englischer Berichterstatter, der in Buka^l
 
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