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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 75-100 (1. April 1902 - 30. April 1902)
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SamsLag, 26. April 1902

Grstes Blatt.

44. Jahrgang. — 97,

Erscheinttäglich, Sonntags ansgenonivicn. Preis rnit Farnilicnblättern monatlich S0 Pfg. in's Haus gebracht, bei d>r Expedition und dcn Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

Anzeigeupreis: L0 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile odcr deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Anfnahme von Anzeigen an Pestimmt
vorgcschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fcrnsprech-Anschluß Nr.«.82.

Aer Krieg in Südafrika.

Aus L o n do n, 24. April fchreibt man uns: Die
gestrigen Redm der Mtglieder des Kabinetts, Mr.
Wyndham und Mr. Long, tönnen nur die Wirkung
haben, das zuversichtliche Gefühl bezüglich des günsügen
Ausganges der F r i e d e n s v e r h a n d I n n -
gen zu bestärken. Beide Redner erklärten, daß die
Regierung dem heldenmütigen Feinde in der großmütig-
sten Weise entgegenzukommen bereit sei und daß zu er-
warten stehe, den Krieg in der allernächsten Zeit be-
endigt zu sehen. Diese Aeußerungen gelten allgemein
als eine Bestätigung der Vermutung, datz in der That
in Pretoria bereits ein Einverständnis über die Frie-
densbedingungen erzielt worden sei. Die weitere Er-
klärung Mr. Longs, datz England selbstverständlich
in der Hauptsache seinen Standpunkj geltend machen
müsse, nm den dauernden Frieden in Südafrika zu
sichern, wird dahin gedentet, daß die Buren in die Ein-
berleibung der früheren Republiken in den britischen
Staatsverband eingewilligt und auf ihre weitere Unab-
hängigkeit verzichtet haben, wogegen man ihnen in der
Frage der materiellen Untsrstützung, der Teilnahme an
der Landesverwaltung und der Amnestierung der Kap-
buren Zugeständnisse gemacht haben muß. Es verlautet
auch, datz die Herren Steijn,Reitz und Schalk Bnrger dem
Neuen Kabinett, das Lord Milner bei der administrativen
Organisation der neuen Landesteile beratend zur Seite
stehen soll, angehören werden und soll auch der frühere
Staatssekretär des Oranjefreistaates, Herr Fischer, der
gegenwärtig in Holland weilt, sür einen wick)tigen und
eiuflußreichen Posten in Aussicht genommen worden
sein. Was befremdlich wirkt und ein gewisses Miß-
trauen in die zuversichtlichen Aeußerungen der Minister
Zu erregen gceignet ist, und dies teils auch thut, sind
die ununterbrochenen weiteren Truppennachschübe und
bie soeben getrosfenen Verfügungen in drei außerafrika-
vischen Kolonian weitere Lagbr für Bnreugefangene
einzurichten. Von den „Zuversichtlichen" wird dies aber
als eine Demonstration gedeutet, die keinen anderen
Zweck hat, als deu Burcn zu zeigen, daß England ent-
schlossen ist, den Krieg bis zur vollständigen llnter-
cherfung des Gegners weiterzusühren und so die Buren-
tommaudos gesügiger zu Machen, den ihnen vorzulegen-
ben, in Pretöria getroffenen Vereinbarungen ihre Zu-
stinimung zu geben. Es wäre wohl zu wünschen, daß
diese Teutung der kriegerischen Maßnahmen die rich-
tige sei. _

Deutsches Reich.

— Der Kaiser hat bestimmt, daß die beiden Garde-
^nfanterie-Divisionen fortan die Bezeichnung: „1 Garde-
Division" und 2. „G arde-D i v i si o n" zu führen
iiäben. Eine weitere Kabinetsordre verfügt die Einführung
sseuer Unif ormkn öpfe. Dann wird bestimmt, daß
ssir die Knöpfe an den Waffenröcken, Kolleru, Ulankas und
^änteln der Ofsizicre und Mannschasten, sowie an den
Mletots der Offiziere nnd an den Litewken der Mann-
.chasten bei Neubeschaffungen der neue Knopf maßgebend
mn soll. Für die Ueberröcke der Offiziere und für die
mimmer-, Abzeichen- und Auszeichnungsknöpfe dcr Mann-
schasten behalten d e bishcrigen Knopsmuster Giliigkeit.

An den Osfizierwaffenröcken der Kürassicre und Jäger zu
Pferde sollen die bisherigen flachen Knöpfe beibehalten
werden.

— Die P e t i t i o n s k o m m i s s i o u des Reichs-
tags ging nach umfassender Erörterung über die Eiu-
gabe desDeutschen Frauenvereins um
Aushebung der Gesindeordnung und obli-
gatorischen Fortbildungsunterricht für häusliche Dienst-
boten zur Tagesordnung über.

— Wie einer Meldung aus Bloemfontein zufolge
amtlich festgestellt ist, sind die Nachrichten, die deut-
schen S P e n d e n für die Buren seien in schlechtem
Zustand in Südafrika eingetrofsen, stark übertrieben.

— Die Zolltariskommission des Reichs-
tages nahm gestern unter Ablehnung aller Anträge die
Zölle sür Oele nach der Regierungsvorlage an und zwar
die Position 170. Ebenso die Position 171 (Stärke,
Gummi und Klebestoffe). Die Verhandlnngen über
Zucker und Stärkezucker werden auf Wunsch des Staats-
sekretärs zurückgestellt, weil in nächsterWoche dem Reichs-
tago ein Gesetzentwurf über Zuckersteuer zugehen wird.
Die Positionen für Branntwein wurden nach der Re-
gierungsvorlage genehmigt. Ebenso die Positionen für
Weine.

AeuLscher Weichstag.

Berlin, 25. April. Präsident Graf Ballestrem
teilt mit, der Großherzog von Baden habe in
einem Telegramm in herzlicher Weise seincn warmen Dank
für die aus Anlaß des Regierungsjubiläums vom Reichs-
tag dargebrachün Glückwünsche ausgesprochen.

Es folgt die dritte Beratung der Seemanns-
ordnung und der Nebengeietze.

Jn der Generaldebatte spricht der Abg. F r e s e (fr. Ver.)
die Hoffnnng aus, daß es gelingcn werde, dgs Gefch nunmehr
zu verabschieden; es werde dem Seenmnn vifl Gnies vringen.

Abg. M etz g e r (Soz.): Von der Gestallzing, die das Gc-
setz in 3. Lesung crhält, hängt es ab, ob wir ihm unsere Zu-
stimmung geben oder ob wir mit ällen zulässigen Mitteln
die Vorlage noch jetzt in den Grund bohrcn.

Kontreadmiral Schmidt stellt auf eine gelegentliche
Acußerung des Vorredners den Begriff des Seeklarmachens
fest. Wenn man allc über dreißig Jahre altcn Schiffe am
Auslaufen verhindern wollte, könnten wir ein Drittel unscrer
gesamten Segelschisfe als Brennholz verkaufen.

Jn der Spezialdiskussion werden üie Paragraphen 1 bis 3
mit einer redaktionellen Aendcrung angenommen. Jm Para-
graph 4 wird die Bestimmung gestrichen, wonach von den Bei-
sitzern der Seemannsämtcr der eine, salls sich> das Verfahren
gegen einen Schifsmann richtet, aus dem Kreise der see-
fahrenden Schiffsleute zn entnehmen ist. Die weiteren Para-
graphen bis Paragraph 33 werden angenommen, Paragraph
33 mit der Streichung, dah die Arbeit über zehn Stunden
als Ucberstunden bezahlt wird, wenn sie zur Seeklarmachung
erforderlich ist. Die solgcnden Paragraphen bis Paragraph
41 Iverdcn angenommen. Morgcn 1 llhr Fortsetzung.

Aus der Karlsruher Zeituug.

— Seine Königliche Hohcit der Großherzog haben
dem Präsidenten des Zentralkomitees der Jubiläumskunstaus-
stellung, Profcssor Ludwig Dill in Karlsruhe, das Kom-
mandeurkreuz zweiter Klasse des Ordens vom Zähringer
Löwen und dem ersten Schrift- und Geschäftsführer des ge-
nannten Komitees, Maler Karl von Bayer-Ehren-
berg, Königlich Württembergischer Hauptmann a. D. in

Karlsruhe, das Ritterkreuz des Ordcns Berthold des Ersten
und dem Schatzmeister der griechisch-russischen Kirche in Baden.
Kankdircktor Wilhelm Müller daselbst das Ritterkreuz
crster Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen verliehen.

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog häben
dem Postkassier Karl König aus Knielingen, unter Ernen-
nung desselben zum Postdircktor, die Versteherstelle bei dem
Postamt Waldshut, ferner unter Verleihung des Titels Post-
inspektor dem Oberpostdirektionssckretär Albert Kölitz aus
Karlsruhe die Kassiercrstclle bei dem Postamte in Konstanz,
dem Postkassierer Christian Lehmann ans Schiltach die
Kassiererstelle bei dem Postamte in Bruchsal, dem Oberpost-
direktionssekretär Hugo Röser aus Bruchsal die Kassierer-
stelle bei dem Postamt in Offenburg, dem Oberpostdirektions-
sekretär Michael Schmunck aus Edingen die Kassiererstelle
bei dem Postamte in Rastatt, dem Oberpostdirektionssekretär
August Stöhr aus Offenburg die Kassiererstelle bei dem
Postamte in Freiburg, dem Postkassier Karl Huber in Frei-
burg die Stelle eines Ortsaufsichtsbeamten llei dem Postamte
in Freiburg und unter Ernennung zum Telegraphendirektor
dem Telegraphcnamtskassier Wilhelm . G e i ß i n g e r aus
Weinheim die Vorsteherstelle bei dem Telegraphenamt Heidel-
berg, sowie dem Oberpostdirektionssekretär Christian L o ch-
müller aus München die Vorsteherstelle bei dem Tele-
graphenamte in Konstanz übertragen.

Karls ruhe, 25. April. Jm Auftrag des GroßherzogS
wurden durch Geheimerat Freiherrn von Marschall gestem
Nachmiitag in der Stadtkirche Lorbeerkränze auf den
Särgen Jhrer Königlichen Hoheiten der hochseligen
Großherzoge Leopold und Ludwig niedergelegt. Der
Großherzog und die Großherzogin haben schon seit einigen
Tagen mehrere Fahrten durch die Stadt unternommen und
haben dabei mit besonderer Freude in den verschiedenen
Stadtteilen die überaus schöne und reiche Ausschmückung
der Häuser und der Straßen bestchtigt. Heute Vormittag
halb 10 Uhr empfing der Großherzog im Schloß eine Ab-
ordnung seines Oesterreichischen Jnfanterie-Regiments, des
Kaiserlichen und Königlichen Regiments Nr. 50. Die
Deputation besteht cms folgeuden Herren: dem Kommandeur
Obersten Rieger, dem Major Kißling und dem

Hauptmann Perz.

Wie mitgeteilt wird, haben Seine Majestät der

Kaiser von Rußland, um Seine Sympathie für die
Jubelfeier der fünfztgjährigen Regierung Seincr Königlichen
Hoheit deS Großherzogs kundzugeben, verschiedene hohe und
höchste Rnssische Ordensauszeichnmigen verliehen, namentlich
das Großkreuz des Ordens der heiligen Anna dem Ober»
hofmarschall Grafen von Andlaw und dem Finanz-
minister Dr. Buchenberger, das Kommandeurkreuz mit
Stern des Ordens vom heiligen Stanislaus dem Ober-
bürgermeister Beck in Mannheim, das Kommandeurkreuz
desselben Ordens dem Geheimen Legationsrat Dr. Kühn
und dem Rektor der Technischen Hochschule, Geheimen Hof-
rat Haid. Die Orden sind den Dekorierten zum Feste zu-
gestellt worden.

Worn Wegierungsjuöikäum des KroßHerzogs.

LL. Karlsrnhe, 25. Juli. Die Eröfsnung dev
I u b i l ä um s - K u n sta U s st e jl l u n g ging programm-
gemäß von statten. Gegen 10 Uhr versammelrcn sich in der
Rotunde des Ausstellungsgebäudes etwa 200 Ehrengästc, dar-
unter der Fürst von Fürstenberg mit Gemahlin, das diplo-
marische Korps, die Spitzen der Zivil- und Militärbehörden.
hervorragende Künstler und Gelehrte. Punkt zehn Uhr trafen

Maudereien vom Schloßkerg.

(?) Heidelberg, 26. April.

Zur gcwohnten Abendstunde hatten sich am Ende ver-
^Ngener Woche in ciner Wirtschaft aus dem Schlotzberg
Stammgäjte emgefuudcn. Wie man schon außcn vor dcr
^irtschaft hören konnte, war hcute die Unterhaltung eine
^cht lebhafte. Schlossermeister Feilmeier setzte nämlich mit
^vedten Wortcn dö: Anwesendcn von seiner neuesten Erfin-
Fiig in Kenntnis, üie epochemachend wirken und deren An-
^ndung einem schlimmen Uebelstande abhelfen werde. Zweck
^ Erfindung ist folgender: Bekanntlich kommt es bei solchen
^chtorwagcn, öie zur Beförderung von Frachtgütern, Waren
diencn, häufig vor, datz aus irgend welchcn Gründen
INechanismus versagt, so daß der Wagen einsach stehen
^ibt und der Wagenlenker in einer bösen Patsche sitzt. Unser
xjchlossermcister hat nun, um diesem Ucbclstandc zu bcgegnen,
ij.Au Motorwagen ersunden, der zur Aüfnahme von zwci
Aitigen Pferden eingerichtet ist. Versagt der Mechanismus
dix Triebkraft des Ntotorwagens, flugs werden die Pferde
t vorgespannt und das Fuhrwerk kann fröhlich weirerkutschie-
y Ü Feilmeier ist geradc daran,, die auf einer Zeichnung fest-
qFultimc Jdce seiner Erfindung zu erklären, als die Thüre
^lgeht und alsbald ein weiterer Stammgast an gewohntem
A sich niederläßt.

^.-Abcr Herr Wmdmeier", bcgann ciner dcr Tischgenossen,
sxZe kommt es, vaß Sie hcutc so blaß und angegriffen aus-
>)^u? Sind Sie krank, oder greift Sie die Bergluft zu
an?"

ü, "Wäre ich krank, so ginge ich nicht ins' Wirthaus", erwiderte
^ Augeredete, „uud von eincm Angegrifsensein durch die
-i chlust kann wohl schon deshalb nicht die Rede scin, da ich
Vergluft nun schon bald 10 Fahre atme."

>>, . "Jch wciß, was ihm fehlt!" warf der Stammgast Bier-
'kv ein. „Er trinkt zu viel und die Lcute auf dem Schloß-

berg werden ihr Urteil bald über ihn sprechen und sagen:
Der Windmeier hat sich den Hals „abgetrunkenl"

„Nach dcm Urteil ücr Welt frage ich nicht viel!" sagte
Windmerer ruhig. „Was dieses Urteil wert ist, will ich euch
an einem Beispiel erklären: Stirbt ein Schnapstrinker in
jungcn Fahren, dann sagt die Welt, es ist schade um dieseu
Menschen, doch der Schnaps hat ihn umgcbracht, wird aber ein
Schnapstrinker alt — und wir haben alte Schnapslumpen
genugl — dann sagen die Leute, diesen Mann hat der
Schnaps so lange am Lebon „erhaltcn"!

„Uebrigens'", so fuhr Windmeier fort, „ich kann Euch über
die Ursache meines bleichen Aussehens Aufschluß geben. Als
ich die Stadt verlietz, wurde ich von einem Herrn gcbeten,
ein kleines Paketchen in ein Haus auf den Schloßberg mit-
zunehmen und crhielt glcich als Belohnung für meine Ge-
fälligkeit drei Cigarren ansgehändigt. Jch dachte, mit Dampf
geht cs leichter den Berg hinauf und steckte also glcich einc von
diesen Cigarren iu Braud; dieselbcn scheincn abcr aus cinem
bösen Kraut fabriziert zu sein, denn es wurde mir trotz
meines gutcn 'Magens beim Rauchen wind und wehc und
daher rührt auch mein bleiches Aussehen."

„Ahal Der Herr hat Jhnen wahrscheinlich dic Cigarrcn
von der Marke „Winncweh" verehrtl" fiel der Schlossermeister
Feilmewr dcm Redenden in's Wort; „vielleicht glaubt der-
sellbe, er habe Jhnen insofern einen Dienst damit crwiesen,
als man sich beim Rauchen derselbeu die gegcnwärtig schon in
großer Anzahl herumschwirrenden „Bergschnoken" vom Halse
halten kann."

„Das vcrmute ich weniger", warf ein am Tische sitzender
Maurer, der spezielle Freund Windmeiers, cin. „Der Ge-
söienkgeber dachte einfach, diese Cigarren eignen sich vorzüg-
lich znm Rauchen auf dcr Höhe des Schloßberges, wo der ge-
wöhnlich dort herrschenbe Luftzug das Aroma gleich> mitnimmt.
Uebrigens — fügte der Redendc zu Windmeier gewandt
hinzu — du hast ja noch zwei Stück davon! Laß sie einmal
sehenl"

Windmeier griff in die Tasche und gab scincm Freund
eine von den Cigarren mit den Worrcn: „Hicr hast du eine;
du kannst sie, wenn du Lust zum Rauchen hast, behalten."

Dcr Maurer sah dic Cigarren mir prüsenden Augen cm.
gab sie aber alsbald wicdcr mit den Worten zurück: „Nein.
Freundl Du wirst wissen, dah vom 1. März jcdeu Jahres
ab ein Maurcr nicht uur tcin trockou Brot mehr ißt, sondern
auch teiuc schlechte Cigarre mehr raucht."

Nrm bat ein am Tische sitzender Bretzclträger um dis
Cigarrc uud erhielt ste auch; er steckte sie soforr iu Brand.
Das Gesicht des Bretzclträgers' wurdc jedoch beim Rauchen
immer länger uud da obcndrcin noch einer dcr Gästc behaup-
tete, dcr Gestank, den die Asphaltkessel gegenwärtig in der
Hauptstraße verbreiten, sei nvch ein Wohlgeruch im Ver-
gleich zu dem Aroma dieser Cigarrc, zcrbrach der Bretzel-
rräger dicselbe und wars die Stückc in den beim Osen stehen-
den Kohlenkasten.

Nach nnd nach wurde die Gesellschaft kleincr und auch
Windmeicr süchte seinc Wohnung aus. Ehc er scinen
Rock auszog, legte er die le^te von den drei Cigarren aus
sein Schreibzeug und machte uch wciter keine Gcdanken mehr
übcr das Geschenk.

Am folgendcn Sonntag Vormittag kam Hans, cin halb-
wüchstgcr Sohn Windrnciers, krcidcbleich mit schlottcrnden
Bcincn in die. Wohnstube und sctzt sich auf cinen Stuhl.
„Jch kanii nicht in die Kirche", scufztc cr. Kalter Schweitz
war ihm auf dic Stirnc getretcn und dabei zitterte er am
ganzcn Körpcr.

„Jesses, Mannl" schric dic Frau Windmeicr auf. „Du
mußt cincn Doktor holcn. Hans hat einen Krankheitsansall;
dcr armc Kcrl wird doch nicht sterben; er hat uns neulich
crst Wicdcr, als er in die achte Klasse kam, das viele Geld
für Schulmatcrialieu gckostetl Ja, ich habe schon einigcmale
dic Bcobachtung gcmacht, daß er nicht recht gcstmd ist."

„Wäs, nicht recht gcsundl" sagtc Windmeicr ruhig. „Wir
Bcidc habcn heute früh gleichzeitig den Kaffee getrunken und

Die heutige Nummer besteht aus drei Blättern mit zusawmen 14 Seiten.
 
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