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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-124 (1. Mai 1902 - 31. Mai 1902)
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zwischen stadtischen und ländlichen Bezirkcn. Jch glaube, die
Warnung bezüglich des „lüchtigen" und „unrüchtigen" Lehrers
tvar ganz gerechtfertigt,

Aüg. Mampel (Antis.) meint, die Berhülmisse in Nusz-
loch seien vorübergehend, die Uebersüllung dcr Klassen resultiere
aus dem Anwachsen der Beoölkerung, die sehr arm sei.

Abg. Greisf (Natlib.): Der AbgeorLnete Mampel mutz
schlecht untcrrichtet sein, wenn er behauptet, Nutzloch sei eine
ganz arme Gemeinde. Die Jndustrie ift hoch entwickclt und
der Fleitz dcr Bebölkerung hat dazu beigetragen, dah Nutzloch
heute zu den tvohlhabendsten Gemeindcn des Landes gezählt
werdcn kann. Jn wie weit die Behauptungen des Abgcord-
netcn Drecsbach in Bezug auf dic Ueberfiillung einer Schul-
Aasse richtig sind, kann ich nicht prüfen, das glaube ich aber
sagen zu könncn, datz die Gemeinde Nuhloch, die in Bezug auf
kulturelle Fortschrirtc sich von niemand übertreffen lätzt,
gerne zur Abstellung begründeter Beschwcrdcn bcitragen wird.

Die Paragravhen 54—62 werden angcnommcn.

Zu Paragraph 62 richtet

Abg. Geppert (Zcntr.) an die Regicrung die Bitte,
bei Schulhausbauten auf dem Lande genügend Iachleutc zur
Beaufsichtigung zur Verfügung zu ftcllen und darauf zn ach-
ten, dah die hhgienischen Einrichtungen in den Vordcrgrund
gestelll würden. Von architektonischem Schmuck könne abge-
sehen werden. Der Redner bringt eincn Wunsch aus der
Gemcinde Thicrgarten vor; der dortige Schulhausneubaii möge
beschlcunigt werden und die Regierung möge eine Beihilfe zur
Verfügung stellen.

Oberschnlratsdiretor Dr. Arnspcrger: Von unsercr
Seite werden keine Vrachtbauten von Schulen verlangt, die Ge-
meinden aber wollen in dsr Regcl etwas Ansehnliches haben.
Ein Staatsbeitrag wird der Gcmeinde Thiergarten wohl nicht
vorenthalten werden.

Zu Paragraph 63 crwähnt

Abg. Goldschmir (Narlib.) dcn ihm unteibreitcten
Wunsch von Lehrerpraktikanren, man möge davon absehen, an
den Bürgerschulen akademisch gebildete Praktikanten zu vcr-
wenden. Man möge diese Stellen mit Reallehrern besetzen.

Oberschulratsdirektor Arnsperger: Jch bin der Ansicht,
dah es ein Borteil ist, wenn an den Bürgerschulen akademisch
gebildete Lehrer angeftellt werden. Wenn nur Reallehrer
verwendet würden, würden allerdings manche Reibercien, die
sich zwischen den beiden Kategorien von Lehrern ergeben, ver-
mieden werden. Aber ich meine, als Leitcr der Bürgerschulen
solltc man eincn akademisch gebildeten Lehrer anstellen. Der
Würde der akademisch gebildeten Lehrer, glaube ich, imrd
es keinen Eintrag thun, wenn sie an Bürgerschulen thärig

^Abg. Hause r (Natlib): Die Erklärung des Oberschul-
rats hai mich autzerordentlich befriedigt. Die Reallehrer allein
Knnen den Unterricht an den Bürgerschulen gar nicht erterlen,
da neben Französisch und Englisch auch Laieimsch gelehrt
Werden soll. Jch mcine, man sollte das jetzige Verhältnis
lassen. ^ ^ .

Abg. Hautz (Natlib.) ersucht dcn Ober,chulrat, kerne
Rücksicht darauf zu nehmen, ob die Praktikanten in kleine Orte
gehen wollen oder nicht. Sie sollten dorthin versetzt werden,
wohin sie nach Ansicht des Oberschulrats am besten passen.

Abg. Heimburger (Dem.) erklärt, datz derartrge
Beschwerden ihm nicht bekannt seien. Der Redner bespricht
einen Fall, in dem ein Praktikanr einer Realschule zum Vor-
stand einer Volksschule ernannt wordcn ist, was von den
anderen Lehrern nicht gern gesehen wurdc.

Die weiteren Debatten beziehen sich auf Urlaulft der
Lehrcr, Handfcrtigkcitsunterricht, das Ghmnasinm in Pforz-
hcim uud das Progymnasium in Durlach.

Zum Etat der Gewerblichen Unterrichtsanstalten bemerkt
dcr Berichterstatter Obkircher, datz die Petition der Ge-
werbeschullehrer Berücksichtigung verdiene, da sic in allen
Teilen tvohl bcgründet erscheine.

Abg. Fischer (Zentr.) ist im allgcmeinen befriedigt
über den Stand unseres Gewerbeschulwcscns. Zrr verwundern
fei, datz dcr erweitcrte Landesgewcrbeschnlrat nur alle vier
Fahre zusammentrete. Unter solchen Umsründen hätte die
Berufung der auherordentlichen Mitglieder füglich unterbleiben
können. Zur Heranbildung der Gewerbclehrcr sollten auch äl-
tere tüchtrge Gcwerbelehrer verwendet tverden. Sehr zu wün-
schen wäre auch, wenn die Gewerbelehrer in den Handelsfächern
besser ausgcbildct würden. Redner empfiehlt zu diesem Zwecke
die etatmähige Anstellung des ReallehrerS Bergmann. Weiter
befürwortct er die Petition der Gewerbclchrer.

Um 12 Uhr wird die Beratung abgebrochcn. ° Fortsetzung:
Freitag. _

— Zur Frage der Reform d e r P e r s o u e n-

Glocke zu gietzen, es mutz ein Glockenspiel sein unL er wird
selbst Bauherr; ein Weltgebäude, die ganze Menschheit zu
vereinigen, rn Liebe für einander beirn Klange des wundersamen
Spieles zu entzünden, will er errichten. Und er wird zum
Religionsstifter — in der Phantasie — als lcbensfroher Jüng-
ling soll der tote Heiland vom Kreuzc steigen. Das hat er alles
dem Pfarrer verkündet, der als treusorgendcr Hirt in die Berge
gestiegen war, das verirrte Schaf wieder anf dcn rechten
Weg zu leiten. Es fruchten weder seine Mahnungen, noch
Drohungen, auch der Hinweis auf das unglückliche Weib und
die Kinder vermag nur einen vorübcrhuschenden Schatten auf
sein sonnentrunkenes Gemüt zu werfen. So wahr wie die
abgrunddurstige Glocke nicht mehr klingen wird, so wahr hält
sich Heinrich für unverwundbar, unbesiegbar. — Jm Frühling
sahen wir den Meister fallen und ungeahnt steigen, im Som-
mcr hören wir ihn hinreitzenden Schwunges von seinen him-
melstürmenden Pläncn sprechen, im Herbst sehen wir ihn am
Werk. Er schafft und gestaltet mit fünf Zwergen, der Sechste
aber, der Gekrönte, schaut zu, er spricht nur einmal, das
Wort: vollbracht. Nicht unbedingt sind dem Meister die
Zwerge unterthan, er muh sie anspornen, ihnen drohcn, sie
strafen. Freilich, auch der Begeisterung sind dic Gehülfen
fähig; der vorzüglichste von ihnen ninimt sich im Schöpfer-
drange nicht Deit, Geräte für das glühende Eisen herbeizu-
holen: „Jch bild es mit der Handl" ruft er im Eifer. Aber
der frühe Abend zwittgt zu unerwünschter Ruhe. Jn kühler
Dämmerung, ermattet aber nicht beruhigt, bang, zweifelnd,
„was denn an diesem Teil dient nicht dem Ganzenl" wirft
sich Heinrich aufs Lager zu unerquicklichem Schlummer. Da er-
scheint als Traum der Nickelmann, er prophezeit ihm Nn-
glück: Alle bösen Geister stehen auf, der Segen Gottes ist
nicht zu ertrotzen; Schuld bleibt Schuld. — Den Erwachten
vcrmag Rantcndelein nicht zu erheitern, sie schluchzt, sie ist ge-
brochen. Die anstürmenden Feinde aus dem Dorfe treibt
Heinrich zwar noch mit Felsblöcken in die Tiefc und Rauten-
delein singt noch' ein letztes wundersames Siegeslied, aber
stärkcre Feinde nahen; seine Kinder, der totcn Mutter Thränen
in einem Krüglein herbeischleppend, und der stärkste Feind, der
Klang der versimkenen Glockc. Der Glockengietzer wird rascnd
und stürzt heraus; Rautendelein ist ihm eine hassenswerte
elbische Vettel. — Auf derselben Bergwiesc, wo er Rautende-
lein zum erstenmale gesehen, haucht Meistcr scin Leben
aus; noch einmal darf er sie erblicken. Sein Bauwcrk, „hoalb
ane Kerch, hoalb a Kenigsschlutz", geht in Flammen auf.
Rautendelein geht zum Wasscrmann, sie wird ihm cin Men-
schenkind gebären. Die Wittichen, Waldschrat und Nickelmann
sind am Ende, ivas sie am Anfang gewesen, dadurch bckunden
sie ihre Zugehörigkeit zu einer anderen Welt. Rautendelein

t a r i s v bemerkt der KommissicmHberichterstatter der
Ersreir Kammer, Geh.-Rat Engler: §re Frage mutz zur
Zeit zurückgestellt werden, insosern es sich dabei nicht
blos; um Nereinheitlichung, sondern auch nm Nerbilligung
der Tarife handelt, weil die letztere Mafzregel unter dem
Druck nnserer derzeitigen lvirtschaftlichen Verhältnisse
zweifellos zu einem bedeutenden Einnahmeansfall füh-
ren nnißte. Jn der Frage der eventuellen Durchführung
einer Tarisreform bleibt die Kommission wie schon in
den letzten Budgetperioden bei der Ansicht stehen, daß
ein einseitiges Vorgehen der badischen Eisenbahnverwal-
tung nicht zu empfehlen sei, daß vielmehr in erster Reihe
eine einheitliche Reform für das ganze Reich angestrebt
werden müsse und falls dies aussichtslos bleibe, die bis
jetzt leider ebenfalls resultatlos verlansenen Versuche
einer Verständigung unter den süddentschen Eisen-
bahnen fortgesetzt werden sollteu. Darüber, daß nach
lleberwindnng der derzeitigen Krisis in Handel und Jn-
dustris die Frage der Reform der Tarife im Sinne einer
Vereinfachung nnd Vereinheitlichung, wenn thunlich
auch eine Verbillignng derselben wieder in Angriff ge-
nommen werden sollte, hsrrschte in der Kommission keine
Meinungsverschiedenheit.

Baden.

— Eine E ise n b a h n geh i l fe n p r ü fn n g findet bis
auf weiteres nicht stait.

Elsaß-Lothringcn.

Straßbnrg, 7. Mai. Der Kaiser traf zu drei-
tägigeni Aufenthalt hier ein. Nächsten Freitag ist efn
Besuch der Hoh-Königsburg beabsichtigt.

Preuße«.

Berlin, 6. Mai. Dem Landtag ging ein Gesetz-
entwurf über die Befähigung für den höheren
Ver waltung sdienst zu. Danach ist zwischen der
ersten und zweiten Prüfung ein Vorbereitungsdienst von
wenigstens acht Monaten bei einem Amtsgericht und
wenigstens zwei Jahren und zehn Monaten bei Verwaltungs-
behörden zurückzulegen. Bisher war eine Beschäftigung
von neun Monaten beim Amtsgericht, von zwölf Monaten
bei einem Landgericht und mehreren Monaten bei der
Staatsanwaltschaft vorgeschrieben.

Aus der Karlsruher Zeitung.

— Zcllvkrwaltei Josei Dlahl iu Gienzacherhvrn wuide in
gleicher Eigeaschaft nach Erzüigen. ve'setzt

Karlsruhe, 7. Mai. Die Großh. Herrschaften
trafen gestern Abend 8 Uhr aus Mannheim ivieder hier
ein. Heute Vormittag 9 Uhr fuhren der Großherzog und
die Großherzogin mit der Kronprinzessin Viktoria
zum Hanptbahnhof, wo nach 9 Uhr die Kaiserin
und Königin mit Extrazug eintraf. Fhre Majestät wnrde
von den HöchstenHerrschaften herzlich begrüßt nnd verließ
den Waggon, um etwa eine Viertelstunde mit Fhren
Königlichen Hoheiten im Fürstlichen Wartesaal zu ver-
weilen. Die Kaiserin war begleitet von dem Prinzen
Joachim, der Prinzessin Viktoria Lnise und zahlreichem
Gesolge. Jhre Kaiserliche Hoheit die Prinzessin Wil-
hilm und ein Teil des Hosstaates der Großherzog-
lichen Herrschaften waren ebensalls anwesend. Nach
heczlicher Verabschiednng setzte Jhre Majestät die Reise
nach Miillheim fort, von wo sich dieselbe zu Wagen über
Badenweiler nach dem Luftknrort „Haus Baden" begab.
Jhre Majestät gedenkt dort mehrere Wochen zu verweilen.
Seine Königliche Hoheit der Großherzog erteilte heute
Vormittag von l I Uhr an einer Anzahl Personen Au-
dienz. Gegen halb 1 Uhr fuhr der Großherzog zum
Hauptbahnhof, um den Großfürsten Michael zu empsan-
gen, welcher zum Besnch aus Baden hier eintras. Seine
Kaiserliche Hoheit nahmen an der Frühstückstafel mit den
Höchsten Herrschaften teil, zu welcher auch die Prinzessin
Wilhelm erschien. Nachmittags machte der Großfürst
verschiedene Besuche und kehrte dann nach Baden zurück.
Der Großherzog hörte im Laufe des Nachmittags und

mutz ihre Sehnsucht zur Menschenwelt, ihre Hingabe an einen
Menschen bützen. Schon da sie nach ihrer ersten Begegnung
mit dem Glockengießer die erste Thräne vergietzt, hat sie einen
Teil ihres Heimatsrechts in der Geisterwelt verloren. Heinrich
aber, der sterbende Künstler, fühlt sein Mcnschtum auch als
Heimatslosigkeit hier wie dort. Schwer darnieder liegend an
unbefriedigtem Drange, meint er sich zu erheben, höher denn
je, indem er alle alten Verhältnisse hinter sich wirst, aber in
seiner ncuen Welt ist er ebenso wenig ein Meister über die
Geister und die alten Verhältnisse sind stärker als er, sic
lassen ihn nicht, die versunkene Glocke tönt, die Hand der toten
tm Bergsce crtrunkenen Gattin berührt die Glocke imd bringt
sie zum Klingen. Und Heinrich kann diese Tönc nicht ertragen.
Er hat kein gutes, aber auch kcin robustes Gewissen. Er ist kein
Mann der Renaissance, in deren Epoche der Dichter, wie aus
szenischen Hinweisen ersichtlich, wenn überhaupt beim Märchen-
drama hierbon zu reden gestattet ist, seinen Helden wohl vor-
gestellt wissen will. Er ist ein Verwandter von Johoäines
Rosmer, von Johannes Vockerat, ein Mann unserer Tage. Der
Wert der Dichtung, scheint mir, wird hierdurch nicht beein-
trächtigt.

Leider verbietet es der enge Rahmen, dem srch dies Referat
anzupassen hat, über die rohe Schilderung auch nur ein wenig
hinauszugehen. Es ist mir versagt, darauf einzugehen, in
welch meisterhafter Weise der Dichter dem Naturgefühl eine
lebensvolle Form zu geben berstanden; man könnte hierüber,
auch ohne gelehrten Apparat, eine umfangreiche Abhandlung
schreiben und so bleibt vieles nocki unerörtert.

Die Karlsruher Hofschauspieler begingen eine That der
Selbstverleugnung, als sie sich entschlossen, die versunkene
Glocke hier aufzuführen, denn sie mutzten auf wichtige Bundes-
genossen: Prospekte und Maschinen, und wie die Vorstellung
zeigte, geübtes tcchnisches Personal verzichten. Es klappte
in dieser Hinst'cht manches nicht. Drei Szenen waren ausge-
lassen worden. Jm crsten Akt die Speisung dcr ' ''-männer-
chen imd Holzweibchen durch die Buschgrotzmuttcr, k... 4. Akt
die Emgangsszene, Heinrich mit den Zwergen an der Arbeit
nnd im fünftcn Akt zu Anfcmg die Elfenszene. Letztere bildet
einen guten Aktanfang nnd giebt Nachricht von dem geschehenen
Kampfe imd dessen Wirkung in weitercn Kreisen, das heitzt
Wicderspiegelung im Reiche der Natur. Dieser Auftritt hätte,
zumal doch bie Elfen zur'Stelle waren, wohl gespielt iverden
können. Die im ersten Akte ausgelassene Szene ist unwesent-
lich, wenn anch nicht überflüssig. Dagegen bildet die Werkstatt-
szene im bierten Akt einen so weise vorbereitenden Anfang und
ist ein durchaus organisches Glied dieses sorgsam abgetönten
stimmungsvollen und sorgfältig aufgebauten Aufzuges, datz
sie meiner Meinung nach nicht vermitzt werden kann. Jm

Abends die Vorträge des Präsideiiteu Tr. Nicotai und
des Gcheimrats Freitzerru v. Babo. Tie Prinzessin
Wiltzetm reiste heute Nachmitrag ö Uchr 47 Mmuren
nr Begleituirg der Hofdame Freiin von Gemmingen ziinr
Frühjahrsansenthalt nach Baden-Baden.

Ausland.

Ocstcrreich-Ullgarn.

Büdape st, I. Mai. Der K aiser richtetze an
die D e l e g ationen die folgende Thronrede:
Jn dem seit der letzten ^ession der Telegationen verftos-
senen Fahre hat die allgemeine politische Lage kcinerlei
ivesentliche Aendernng ersahren. Nach wie vor ist das
nnansgesetzte Besrreben nnserer Regierung ans die Pslege
des engen Verhältnisses zn nnseren Verbündeten sowie
vertrauensvoller Beziehungen zu allen anderen Mächten
gerichtet und trägt hierdnrch znr Erhaltung und Konso-
lidierung des europärschen Friedens Lei. Auch ist spe-
ziell unser freundschafttiches Einve.rnehmen mit dem
russischen^keiche bezüglich der Vorgänge im näheren Ori-
ent dem Fortbestande der Ruhe und Ordnung in jenem
Gebiete förderlich. Die im vorigen Fahre durchgesührte
Unterdrücknng ^des Aufstandes in China hat die Rückbe-
rnsung des größten Teiles der von den Btächten dorthin
entsendeten Land- und Seestreitkräfte ermöglicht nnd
gereicht mir zur Genugthuung, der Haltung und der
Leistnng der bei diesem Anlasse verwendeten Abteilung
meiner Seemacht meine bolle Anerkenmmg ansznspre-
chen, meine Kriegsverwattung muß diesmal Mehrsorde-
rungen einbringen zum Zwecke der Beschaffung von
Artilleriematerial, zu Reorganisationen in der Artillerie-
waffe und zur Aufbesserung der Mannschaftskost, meine
Kriegsmarine solche sür unvermeidliche Personalver-
mehrungen und Schsffsbauten. Diese Mehrforderun-
gen sowohl als die sonstigen Ausgabeposten in den
Kriegs -und Marinebndget sind in den engsten Grenzen
der Notwendigkeit gehalten.

Bndapest, 7. Mai. Jm Expose über die
auswärtige Lage sagte Gras Goluchowski im Bud-
getausschuß der österreichischen Delegation: Der Drei-
bund, dessen Giltigkeitsdauer im Monate Mai 1903 ab-
länft, geht nunmehr seiner Erneuernng entgegen, nach-
dem die drei Kabinete formelle Zustcherungen hinsichtlich
ihrer festen Absicht ausgetauscht haben, den zwischen
ihnen bestehenden Allianzvertrag in seinem vollen Werte
anfrechtzuerhalten und an die Unterzeichnung der ein-
schlägigen Jnstrumente rechtzeitig zn schreiten. Aus
der Basis sich gegenseitig deckender Jnteressen aufge-
baut und jeder agressiven Tendenz nach was immer für
eine Seite bar, wird somit der eminent konservative
Bund der europäischen Zentralmächte auch weiter die
hehren Friedensziele, denen er sein Entstehen verdankt,
mit einer um so größeren Zuversicht versolgen, als
er nach den von berusener Seite wiederholt abgegebenen
Erklärungen über die nicht minder friedfertigen Zwecke
des ihm gcgenüberstehenden Zweibundes in dieser Grup-
pierung eine höchst wertvolle Ergänzung nnd Förderung
seiner eigenen Äufgaben wohl erblicken darf.

Frliukreich.

Marseille, 7. Mai. Die Ankunft Brisson's
der hier kandidiert, weil er in Paris durchgefallen ist,
gab trotz der polizeilichen Maßnahmen Anlaß zu lärmenden
Kundgebungen und Zusammenstößen zwischen
Nationalisten und Radikalen. Einer der Anhängcr Brisson's
Generalrat Maysonnave, wurde durch einen Stockhieb am
Kopfe schwer verletzt. Als Brisson auf dem Balkon seines
Hotels erschien, um an seine Anhänger eine Ansprache zu
halten, wurde er von den Radikalen und Sozialisten mit
stürmischen Zurufen begrüßt, während die Nationalisten
pfiffen und zischten. Es heißt, der nationalistische Kandidat
Vaulberd werde seine Candidatur gegen Brisson aufrecht-
erbalten.

übrigen fielen recht häufige und umsangreiche Streichungen,
besonders in den das Naturgefühl offenbarenden Reden auf.
Es fehlte respektive war stark gekurzt die wunderbare Schilde-
rung Ntckelmanns vom Frühlingswetter. Waldschrats farben-
prächtige Derbheiten vom Liebesleben in der Natnr waren
zugestutzt. Jch hatte bei der Aufführung das Buch nicht zur
Hand und habe nur ans dem Gedächtnis das erwähnt, was mir
besonders aufgefallen ist.

Unter den Darstcllern sind an erster Stelle Fritz Herz
und Alwine Müller zu erwähnen. Beide führten ihre
grotzcn anstrcngenden Rollen einheitlich durch und erzeugten von
Anfang an im Hörer wohlthuendes Gefühl der Sicherheit.
Die Wirkung des Zaubertranles stellte Hcrr Herz überzeugend
dar, in den großen Reden bekundete er prächtige Behandlnng
der Sprache und hinreitzendes Feuer. Alwine Müller, an-
mutig und doch kräftig, hatte irgendwo ein ganz kleines Rest-
chen Salonschlange bersteckt und lietz es manchmal mehr ahnen
als sehen. — Eine ganz stilreine Gestalt, ganz im Sinne der
Dichtnng schuf Herr Mark durch Darstellung des mildmah-
nenden, trcusorgenden Pfarrherrn. (R:staunt waren wir,
Hngo Höcker in der Rolle des Waldschrat zu sehen. Welcki
eine Kluft zwischen Johannes Rosmcr und diesem vollsaftigen
Waldgeist, der sich nnr des einen Triebcs bewutzt ist. Doch ist
die Wiedergabe dieser Rolle durch Herrn Höcker als durchans
gelungen zn bezeichnen. Den Nickelmann gab Hcrr Wasser-
männ recht wirkungsvoll. Er, wie Herr Höcker trugen vor-
zügliche Masken. Besonders gelungen schien mir, wie im
fünften Akt der Nickelmann seinen Kopf hinterrncks ganz platt
anf den Brunnenrcmd legte und so den grotzen Trnmpf aus-
spielte. Jch möchte an dieser Stelle dankbar der genialen
Schöpfung gedenken, welche der früh verstorbene Hermann
Müller als Nickclmann bei der allerersten Aufführung in Berlin
darbot. — Marie Wolff hatte als Wittichen zunächst auf
dialektische Wiedergabe vollkommen verzichtet, aber dann muß
man, wenn man nicht „Madel" sagen will „Mädchen" sagen
und nicht „Mädele". Durch die Uebersetzung ins Schrift-
deutsche gewinnt die Rolle sicherlich nichts, übrigens schien die
Darstellerin dnrch Heiserkeit behindert zu sein. Minna
Höckers Magda war schlicht und herzlich, aber etwas zu
laut. Die Kinder hielten sich sehr brav. Zn dcn Elfen hätte
man da capo sagen sollen, vielleicht wären sie im fünften Mt
wiedcr gekommen; sie waren alle zart und anmutig, Schnl-
meister, Barbier nnd Nacbbarin wären in grötzcren Aufgaben
jedenfalls auch am Platze gewesen. Das Hmis war fast
ansverkauft; der Beifall rege.
 
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