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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-124 (1. Mai 1902 - 31. Mai 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0882

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die im ganzen Land zerftreuten Gewerbe. Wenn der proviso-
rische Mädchenkurs nichl prospcriere, sollle der freiwerdenöe
Raum fiir die Abhaltung vou Winterkursen fiir Bauhand-
werkcr vcrwendet wcrden.

Abg. Herghr (Zentr.) tritt fiir dic Pctition der Ge-
werbeschulmänner ein.

Aüg. Greiff (Natlib.) bedaucrr den geringen Zugang
zum Gewerbelehrerstand; er HLtte darum gewünscht, daß die
Regierung den Wiinschen auf Besserstellung üer Gewerbelehrer
mehr entgegengekommen wäre.

Abg. Wilckens (Natlib.) anerkennt die Leistung der
Gewerbcschulmänner und hofft, das; ihre Wünsche nach Besser-
stellung bald erfüllt werden können. Die Gewerbesthulvor-
ständc insbesondere sollten in eine höhere Gehaltsklasse versetzt
und mit cinem anderen Titel ausgezeichnet werden. Der Ge-
werbeschulzwang, mit dem bis jetzk gute Erfahrungen gcmacht
wurden, sollte überall durchgesiihrt werden. Jm Gegcnsatz
zu Witium sei er der Meinung, dasz es einen Fortschritt be-
deutct, wenn man immer mehr von dem Abendunterrichl ab-
kommt, der in pädagogischer und sittlicher Hinsicht seine Schat-
tenseiten haüe. Die Anregung des Abgeordneten Wittum
Lerreffend die Handelsschulen verdienen die größte Beachtung;
eine gute Wirkung verspreche er sich von der Eiiiführung des
Schulzwanges. Redner anerkennt dankbar die Verdienste des
verstorbenen Direktors Götz um die Ä-unstgcwerbeschule und um
das Gewerbe. (Bravol)

Nach kürzen Ausführungen der Abgcordnetcn Fischer
stZentr.), Edcr (Dem.), Kramer (Soz.), Wittum
(Natlib.) und Hofmann (Dem.) stellt

Geh. Oberregiernngsrat Braun für die Handelsschulen
eine ähnliche Verodnung iu Aussicht, wie für dic Gewerbe-
schulen. Mit der Stadt Schwetzingen stehe die Regierung in
llnterhandlung wegen Einrichtung einer kaufmünnischen Fort-
bildungsschule. Mit den Ausführungen Wittums über den
Äbendunterricht ist Redner nicht einverstanden. Die Wünsche
der Mcister werdcn beim Tagesuuterricht gebührend berück-
sichtigt. Den Wunsch Fischers bctreffend dic Verwcndung von
Gewerbclehreru an der Baugewcrkschule werde die Regierung
im Auge behalten. Redner versichert, datz die Kunstgewerbe-
schule im Geiste Götz' auch fernerhin geleitet wird, wofür
der Name des neuen Direktors bürge. Die Abteilung für
Schülerinnen wcrde kaum wieder aufgehoben werden, denn
sie entspreche einem wirklichen Bedürfnis. Mit dem Zeichen-
bureau woste die Kunstgewerbeschule den Gewerbetreibenden
keine Konknrrenz machen.

Nach einem Schlutzwort des Berichterstatters tritt das
Haus in die Spezialberatung ein.

Abg. Heimburger (Dem.) wünscht Erhöhung der
Änterrichtsgebühren für die Gewerbeschullchrer.

Geh. Oberregierungrat Braun findet diesen Wunsch
gerechtfcrtigt.

Abg. Kist (Natlib.) bcfürwortet die Anstellung ernes
kaufmännisch und schultechnisch vorgebildetcn Handelsschul-
inspcktors.

Geh. Oberrcgicrungsrat Vraun erklärt, datz bereus die
Anstellung eincs solchen Bcamten in Aussicht genommen sei.

'Samtliche Anforderungen wcrden genchmigt.

Schluß der Sitzung 12 Nhr. Nächste Sihung: Samstag
S Uhr. Tagesordnung: Hochbauwcsen.

Elsaß-Lotlfrinqcn.

Straßburg, 9. Mai. Der Kaiser ist heute
Voriuittag 8 Uhr in Beqleitung des Statthalters und
des Staatssekrotärs v. Köller uach SchlÄtstadt zum
Besuch der Hohkönisburg abgereist. Staatssekretär Graf
Posadowsky ist bereits gestern auf der Hohkönigsburg
eiugetroffen.

Sachscn.

Dresden,9. Mai. Jn der Zweiten Kammer er-
klärte Finanzminister Krüger heute, die sächsische
Regierung wolle die volle Selbständigkeit der sächsischen
Bahnen unbedingt aufrechterhalten. Eine EisenbahngS-
meinschaft mit Preußen werde, abgesehen von polihschen
Bedenken, Sachsen keinerlei wirtschaftliche, finanzrelle
oder andere Vorteile bringen.

Preußc«.

Schloß Rh einstein, 9. Mai. Heute Morgen
sechs Uhr traf der Sonderzug mit der Leiche des Prinzen
Georg hier ein. Der Zug hielt auf freiem Felde. Die
Mitglieder des Kriegervereiues Trechtlingshausen bilde-
ten die Ehrenwache und trugen den Sarg zum Schloß,
wo heute Nachmittag zwei Uhr die Trauerfeier stattfin-
det. _

Aus der Karlsruher Zeitung.

— Seine Königl. Hoheit der Großherzog haben dem
Stadtrat ünd früheren Knrdirektor Hermann Weber in Baden
die ErlanbniS znr Annahme und zum Tragen der ihm von dem
Kaiser verliehenen Chinadenkmnnze aus Stahl und dem Kammer-
virtuosen Professor Hugo Becker in Frankfiirt a. M. die Er-
laubnis zur Annahme nnd zum Tragen des ihm von dem König
von Dänemark verliehenen Ritterkrenzes des Dannebrog-Ordens
erteilt. .

— Betriebsassistent Karl Etienne m Emmendingen wurde
zur Versehnng der Stelle des Stationsvorstandes nach Jhringen,
Betriebsassistent Bernhard Heng in Bretten nnter Ernennung
zum Betriebssekretär zur Zentralverwaltung versetzt.

Karlsruhe, 9. Mai. Gestern Vormittag nahmen
die Großherzoglichen Herrschaften an dem Gottesdienst in
der Schloßkirche teil, wobet Hofdiakonus Dr. Frommel die
Predigt hiclt. Nach 12 Uhr empfingen Jhre Köntglichen
Hoheiten die Vorsteherinnen der Lehranstalten und anderer
unter dem Protektorat Jhrer Königlichen Hoheit der Groß-
herzogin stehenden Anstalten dcs Badischen Frauenvereins,
die Oberinnen des Ludwig-Wilhelm-Krankenheims und des
hiesigen städtischen Krankenhauses, sowie die Hausmuttcr
der hiesigen Kleinkinderbewahranstalt und des Mutterhauses
zur Ausbildung von Kleinkinderlehrerinncn. Gestern Abend
Srachten etwa 160 Posaunenbläser des Oberrheinischen
Jünglingsbundes, welche in Durlach bei dem Posaunenfest
badischer Jünglings- und Jungfrauenchöre beteiligt und
nach demselben hierher gekommen waren, den höchsten Herr-
schaften eine musikalische Huldigung dar. Heute Vormittag
nahm Seine Königliche Hoheit der Großherzog von 11 Uhr
an den Vortrag des Ministers des Jnnern Dr. Schenkel
entgegen. Darnach meldeten sich mehrere Offiziere. An
der Frühstückstafel nahm die Fürsttn zur Lippe teil.
Hierauf machte Seine Königliche Hoheit der Großherzog
Besuche bei dem Oberststallmeister Freiherrn von Holzing-
Berstett und Gemahltn sowie beifStaatsminister Dr. Nokk.

Ausland.

England.

London, 8. Mai. Die White Star-Gesellschaft

veröffentlicht heute den Wortlaut des vom 4. Februar
1902 datierten Abko m ni e n s zwecks Bildung der
Schiffahrtsvereinigimg. Kontrahenten sind: die White
Star-, die Dominion American- und die Atlanti Trans-
Port-Linie und I. P. Morgan und Co. Ter Zweck
des Abkommens ist der vor dem 31. Dezember 1902
durchzuführende Erwerb des Vesitzes obiger Gesellschasten
und die Uebernahme des Betriebes derselben durch eine
amerikanische Korporation, die unter Direktion der Ver-
käufer organisiert wird, mit einem Kapital von 120 Blil-
lionen Dollars. Davon sind 60 Mllionen Vorzugs-
aktien, mit 61 Prozent verzinslich, und 60 Millionen ge-
wöhnüche Aktien, mit 10 Prozent verzinslich. Dazu
kommen als Nebensicherheit 50 Millionen Trustobliga-
tionen (Collateral Trnst Debentures), mit Prozent
verzinslich und nach fünf Jahren mit 106 rückkaufbar.
Folgende Schiffahrtswerte sollen erworben werden: 760
Anteilscheiue zu 1000 Pfund der While iLtar Liuie, das
Geschäft von Ismay, Jmrie uud Co. einschließlich seiner
Stellung als Leiter der Ocean Steam Navigatiou Com-
pany, alle Anteilscheine der Dominion Linie einschließlich
der Mississippi and Dominon Steamship Company, das
Vermögen und der fonstige Besitz und die Aktiva der
American Linie nnd Atlantic Transport Linie. Die
Käufe der Korporation gelten vom 1. Januar^1901.
Die Korporation wird unter den Gesetzen des Staates
dtewyork oder eines anderen von Morgan ausgewählten
Staates organisiert werden.

London. 9. Mai. Zwischen Morgan und Har-
land und Wolff in Belfast ift ein Abkommen getroffen,
wonach letztere sich verpflichten, nur für den Trust zu
bauen, sich aber das Necht vorbehalten, Aufträge von der
Hamburg-Amerika-Linie anzunehmen. Der Trust ver-
pflichtet sich, alle Anfträge für neue Schiffe oder Repa-
raturen, welche im Vereinigten Königreich zur Nus-
führung zu gelangen haben, Harland und Wolff zu über-
tragen, doch'soll der Trust durch das Abkommen nicht ge-
hindert sein, neue Schiffe oder Reparaturen in den Ver-
einigten Staaten in Bestellung zu geben.

London, 9. Mai. Der „Daily Telegraph" erführt,
die Nichterwähnung des von dem transatlantischen Schiff-
fahrtssyndikat mtt der Hamburg-Amerika-Linie und dem
Norddeutschen Lloyd getroffenen Abkommens sei auf Wunsch
der deutschen Gesellschaften zurückzuführen, die in der Leitung
der Kombination keine Stimme haben und nur dem mit
der Korporation getroffenen Abkommen unterliegen. Die
Blätter stnd geteilter Ansicht über das Schiffohrtsabkommen.
Man läßt gelten, daß die neue Korporation, die drei
Viertel des Besitztums der Geschäftsthätigkeit der verkaufenden
Linien durch Jnbesitznahme des Hauptteils der Stammaktien
kontrolliert, in Amerika ihr Domizil nimmt. Die Blätter
heben hervor, daß das jetzt veröffentlichte Abkommen nicht
die ganze ausgedehnte Kombination enthülle, die von
Morgan geplant ist, sondern nur als Teil zu be-
trachten sei.

Asien.

Peking, 9. Mai. Dem Bischof Anzer wurde von
der chinesischen Regierung durch kaiserliches Edikt wegen
seiner Verdienste um die Aufrechterhaltung guter Beziehungen
zwischen den christlichcn und andersgläubigen Chinesen der
erste Rangknopf (als Mandarin, der er schon war) verliehen.

Aus Stadt und Land.

H eidelb e rq, 10. M<il.

** Dcr Besuch dcs Groscherzojstichen Paarcs. Nnlützlich
der morgcn Vormittag stattfindenden feierlichen Einweihung
der neuen cvangelischen Kirche im Stadteil Neucnheim wcrden
Jhre Königlichen Hoheiten der Grotzherzog und die Grotzherzo-
gin morgens 9 Uhr 69 Minuten dahier eintreffen und nach
der Begrützung auf dem Bahnhofe durch die Leopold-, Sophien-
und Brückenstratze sich nach der neuen Kirche begeben. Nach
der dortigen Feier findet die Fahrt übcr die Neuenheimer Land-
stratze, die alte Brücke. Steingasse und Hauptstratze nach dem
Grotzh. Palais statt. Zur Fahrt nach dem Kohlhof am Nach-
mittag wird die Schlotzstratze benutzt. Die Rückkehr erfolgt
über die Schlotzstratze und Leopoldstrahe nach dem Bahnhof.
Mit dem Schnellzug um 6 Uhr Minuten werden die Höch-
sten Herrschasten die hiesige Stadt wiedcr verlassen.

Unsere Nuderer. Wie wir hören, werden die hiesigen
Rudervereine — Heidelbcrger Ruöer-Klub nnd Rudergesellschaft
Heidelberg — morgen, Sonntag, gegm 12 Uhr mittags, für
Jhre Königl. Hoheiten den Großherzog und die Großherzogin
eine Huldigmig veranstalten und zwar in der Weise, daß nach der
Einweihung der nenen Kirche Mannschaften der Vereine die
Allerhöchsten Herrschaftm, währmd des Passterens der Nmm-
heimer Landstraße, mit einer großcn Anzahl von Bootm von der
neiien biS zur alten Briicke begleiten werden. — Wir möchten
nicht verfehlen, auf dieses eigenartige Schauspiel an dieser Stelle
aufmerksam zu niacheu.

X Der Pferdebahnbetrieb auf dem östlichen Teil der Haupt-
stratze wurdc heute (Samstag) Mittag wiedcr aufgenvmmen.
Die Wagen verkehren vorläufig vom Ludwigsplatz bis zum
Karlsthor.

Unfall. Gestern Mittag kurz vor 12 Uhr wurdcn die
Pferbe des Lastfuhrwerks einer hiesigen Grotzkaufmannsfirma
auf der nenen Neckcrrbrücke scheu und gingen durch. Der ver-
heirateteFührmann kam unter den Wagen und die Räder gingcn
dem Mann über den rechten Futz. Mittlerwcile blieb der
Wagen an cinem Baume hängen, so datz das Fuhrwerk zum
Stehen kam. Der Fuhrmann mutzte wegen der erhaltenen
schweren Quetschwunden ins akademische Krankenhaus ver-
bracht werden.

Mannheimer Maimarkt-Lotterie. Glücklicher Gewinner des
ersten PreiseS ist der Bauführer Jos. Götzenberger in Mannheim.
Den zwetten Preis gewann Jos. Neuendörfer tn Kleinhausen bei
Lorch, dm dritten Preis erhielt Bernhard Bär in Seckenheim.

A Die Kälte der letzten Tage hat viclerorts großen Schaden
angerichtet. Aus ganz Süddeutschland, Tirol, der Schweiz, Eng-
land und Frankreich kommen Klagen über Vernichtimg oder starke
Beeinträchtigung der Hoffnungen der Winzer und der Obstbauer.

Polizeiüericht. Vier Kellnerinnen und eine Buffetdame
wurden wegen Umherziehens, ein Metzger wegen Bettelns
und ein Schreiiier wegen Betrugs verhaftet. Wegen Unfugs
kamcn siebeii Personen zur Anzeige.

X Unteröwisheim, 8. Mai. (Der Reif) am Morgen des
Himmelfahrtsfestes richtete auf hiesiger Gemarkung an Rebm,
Kirschen, anderem Obst imd der ganzm üppigm Vegetation
großen Schaden an.

ö.O. Vom Rhein, 9. Mat. (F r o sts ch a d en.) Jn der
sonst so milden Nheinebene sank in oen letztm Tagen das Ther-
mometer auf 2—3 Grad R. unter Nnll. Der Frost brachte sehr

großen Schadm. Die Fruchtansätze an den Obstbänmen fallen
ab; die Nußbüume, der Klee, daS Korn, zum Teil anch die
Reben und noch vieles andere sind erfroren.

80. Karlsruhe, 9. Mai. (W e g e n u n l a n t e r e n
Wetrbewerbs ) hatte sich vor dem hicsigen Schöffengeri<ist
dcr Schuhwarenhändler K a u f m a n n aus Pirmasens, ivohii-
hafr in Pforzheim, zu veranstalteri. Dre Strafverfolgung
wurde Vvm Verein der Schuhdetailgcschäfre von Karlsruhe,
Baden, Pforzheim, Bruchsal, Rastatt, Etrlingen, Durlach und
Umgegend veranlaßr. Kaufmann harte Mirre Februar dreses
Jahres bis zum Ostersamstag cin Wanderlager in Karlsrnhe
Marttplatz 5, errichlet und in täglichen Anzeigen eiiien „Aus-
verkauf" iuserierr. „Nur turze Zeit", „Nur wenige Tage",
„Eiletl Eilet!", „Noch nie dagewescul", „Beste Gelegenheit
zum wirklich^villigcn Einkauf" — waren die immer wieder-
kehrenden Schlagworte der Jnserare. Autzcrdcm hatre K. in
seiucm Pforzheimer Hauprgeschäfr au den Fenstern iu großcn
Lettern stehen: „Eigene Fabrrkeri mir Krafrbetrieb." Dic
Verhandlung ergab die Unwahrheit aller Behauptimgeii. K.
harte keinen Ausverkauf und verkaufte teurer als andere Ge-
schäftc und nur die allergeringste Ausschutzwarc. Er hatte
keinc Fabrikcn. Das Gericht verurteiltc den Angeklagten zu
400 Mark Geldstrafe, Tragung der Kostcn und Publikatiou, '
in drci Zeiiungen. Jiitercssant war die Feststellung, daß diescr
Schwindclausverkauf grotzen Zulauf hattc.

bc. Karlsruhe, 9. Mai. (H u l d i g n n g mit P o s a u-
nen.) Gstern Abend brachten etwa 160 Posauirenbläser
des Obcrrheinischen JLnglingsbundes, welche in Durlach bei
dcm Posaunenfest badischer Jünglings- und Jungfraueii-
chörc bcteiligt und nach dcmsclben hierher gekommen waren,
den Grotzherzoglichen Herrschaften einc musikalische Huldigung
dar. Der Chor vcrsammelte sich im Schlotzgarten und brachtc
mchrere schöne Choräle aus älterer Zeit in vortrcfflicher Har-
monie zum Vortrag. Jhre Königlichen Hoheiten versammeltcn
darauf die jungcn Musiker in dem Gärtchen nächst dem Schlotz
rmd dankten ihnen und den sie führenden Geistlichcn.

80. Karlsruhe, 9. Mai. (Senatspräsident Dr.

Biiigner) am Reichsgericht ist gestern gestorben. Dr. Bing- i
ner, dcr im 72. Lebensjahre stand, gehörtc dem Rcichsgericht
seit 1879, also seit seiner Errichtung an und war borher,
von 1865^—1879 Ministerialrat im badischen Justizministeri-
um. Er hatte die Absicht, dcmnächsi in dcn Ruhestand zu tre-
tcn. Nun hat der unerbiitliche Tod dcm Leben dcs verdienten
Beamten ein jähes Ende bereitet.

8.6 Karlsruhe, 9. Mai. (A k t n a r s p r ü f n n g.) Am
Montag begann im Bibliotheksaal des Frauenvereins dcr schrift-
ltche und am Mittwoch im Justizministcrium dcr mnndliche Teil
der Aktnarsprüfnng, an der 37 Kandidaten teilnchmen. Vor-
sitzender der Prüsungskommission ist Ministerialrat Dr. Düringer,
außerdem wirken noch mit: die Landgerichtsräte Beck nnd Wolf.

Aus Vaden. Ein Äanonier schoß in der Wirtschaft „Znm
Enrop. Hof" in Karlsruhe aus Unvorsichtigkcit einer Kellnerin
eine Revolverkngel in den Hinterkopf. Ein 46jähr. verheirateter
Maschinist ebendort stürzte, als er in angetrunkenem Zustande
nach Hanse ging, in seiner Wohnnng über das Sticgengeländer
des 3. Stockes hinniiter in den 1. Stock nnd erlitt schwere Ver-
letzungcn. — Jn Mannhcim trank am 17. Mai,
nachts in seiner Wohriung der Dachdecker Lorenz Torkowitz
von Griffen (Oestcrreich) in seiner Wohnung aus Versehen
Salzsäure und erlitt dadurch so erhebliche Verlctzungcn, datz
er am 8. ds. im allgemcinen Krankcnhans starb.

Geschäftliches.

Wie in jeder einigermaßen bedentendcn Stadt, so trifft man
auch hier am Platz eine Zweiganstalt der verlitr Svtiools ok
Lauxumrso, jenes Jnstitus das sich zur Aufgabe gesetzt bat, die
Kenntnits moderner Sprachen in rationeller Weise zu fördcrn.
Obgleich schon I. I. Roussean vur mehr als hnndert Jahren
dnrch seinen „Emile" den Unterricht anf natnrliche Wege lenken
wollte, so war anf dem Gebiest des Unterrichts moderner
Sprachen Herr Professor M. D. Berlitz der erste, der diesen
Weg einschlug. Wie ein Kind in der Muttersprachx znerst sprechen
nnd denken lernt nnd die Grammatik ihm erst später gelehrt
wird, so soll man in dem fremden Jdiom znerst sprechen nnd
denken lerneii. Es ist sslbstverständlich, daß es hierzu einer bis
in das Einzelste ausgearbeiteten Lehrmethode und eines mit dieser
Methode wohl vertrauten Lehrers bedarf. Die Lehrer der Berlitz-
Schulen, welche nebenbei bemerkt in über 180 Städten existieren,
sind immer Angehörige der Naiion, deren Sprachen sie lehren
und außerdem dnrch lange Uebung und sorgfältige Unterweisung
so mit der Berlitz-Methode bekannt, daß es Jhnen leicht ist,
sichere Erfolge zu erzielen; daß es an änßeren Erfolgen dem Jn-
stitute auch nicht gefehlt hat, beweist der Umstand, daß ihm
2 goldene nnd 2 silberne Medaillen anf der Weltansstellung in
Paris verliehen wnrden. Herr ! Prof. Berlitz, der Oberleiter
sämtlicher Berlitzschulen, wurde bei dieser Gelegenheit znm Ritter
der Ehrenlegion ernannt. ES ist sehr leicht, sich mit dieser Me-
thode bekannt zn machen, da Probestunden, wie wir höhren, jeder-
zeit gratis erteilt wcrden.

Kleine Zeitung.

— Regensburg, 8. Mai. Jn Gegenwart des Prinz-
regenten, des Prtnzen Ludwig und avderer bayerischer
Prinzen und Herzöge fand heute die Enthüllung des
Denkmals des Königs Ludwig I., des Vaters
des Prinzregenten, statt. Die Festrede hielt der Bürger-
meister v. Stobäus. Auf die Enthüllung folgte ein Festzug
der Vereine und Gew.-rbe mit vielen Prunkwagen, eine
Parade und sodann eine Festtafel, an der außer dem
Prinzregenten und den anwesenden Prinzen auch die Spitzen
der Behörden teilnahmen. Der Prinzregent kehrte abends
nach München zurück.

— Tcr Unfall des Fürstcn Ferdinand Vvn Bulga-
rien. Das neulich gemeldete Vorkommnis bei dem
Fnrst Ferdinand nur mit knapper Not einer
schweren Verletzung entging, wird in der „Neuen Freien
Presse" des Näheren geschildert. Es heißt da: Als
der Fürst im Hofwagen mit seinem Adjutanten Obersten
Markow, zur Eröffnung der Sobranje fuhr, scheute
vor einer sich senkenden Regimentsfahne das Pferd des
den fürstlichen Wagen auf der linken Seite begleitenden
Leibgarde-Rittmeisters Katzarow; das Pferd sprang mit
den Vorderfüßen in den fürstlichen Wagen, setzte aber,
durch den Rittmeister angespornt, glücklich über den
Wagen hmweg. Katzarow hatte die Steigbügel losge-
lassen, drückte dem Pferde die Sporen in die Flanken
und setzte in einem vier Meter langen Sprunge auf das
gegenüberliegende Trottoir, wo er über die Kroupe des
Pferdes hinunterfiel. Er richtete sich aber schnell auf,
eilte zum fürstlichen Wagen zurück und küßte die darge-
reichte Hand des Fürsten. Dieser hatte während des
Vorfalles volle Selbstbeherrschung bewahrt und nur die
Füße zurückgezogen und den Oberkörper zurückgelehnt.
Unmittelbar darauf trat er in das Sobranjegebäude ein
und verlas mit fester Stimme die Thronrede. Nach
der Eröffnungsfeier ließ er, wie gewöhnlich, das vor
dem Palais Spalier bildende Militär vorbeimarschieren.
 
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