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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-124 (1. Mai 1902 - 31. Mai 1902)
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Samstag, 10. Mai 1902.

Zwertes Blatt.

44. Jahrgang. — ^ir. 108.

^lcheint täglich, SonntagS ausgenommen. — Preis mit Fawilienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und dcn Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be,

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

^Zejgenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeilc 40 Psg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigcn on bestimmt
,°rgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zettung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82

A

Londoner Wohnungsnot.

.(Nachdruck verboten.)

... Untor deni- packenden Titet „Kein Wohnraum!" ist
U'Ngst ein englischeS Buch erschienen, das viel vou sich
Iprccheir macht. Es schildert iu ganz besonders anziehcn-
Wesse ein geradezu schauerliches Bild von den Woh-
^ungszuständen iu Loudon, den grötzten aller Metro-
polen. George Haw, der unerschrockene Verfasser, nimnit
Uin Blatt vor den Mund. Er enthüllt ohne jcde Be-
Wvnigung die menschenunwürdige Lage, in der ein
^rträchtlicher Teil der Bevölkerung Londons sein er-
^hrmliches Dasein fristen muß. Er macht nebenbci auch
rinige beherzigenswerte Vorschläge, wie dem Uebel ab-
äuhelfen wäre, legt aber das Hauptgewicht aus die Auf-
vrckung der Wohnungsmisere, vou 'dör mau sich bei uns
teinen Begrisf zu machen vermag. ffn der Geschichte
"fr Städte dürfte der Fall einzig dastehen, das; tüchtige,
^üchterne Handwerker mit gutem Lohn obdachloS siud,
Neil sie trotz der hohen Bliete, die sie zu zahlen gewillt
tvären, keine Wohnungen finden können.

Die berühmten „ältesten Leute" erinnern sich uicht,
tr eine solche Zeit erlebt zu haben, in dcr die Bticten so
vvch uud die Arbeiterwohnungen in London so rar ge-
ivesen wären, wie seit einigen Jahren. „Der Kon-
furreuzkampf unter dcn arbeitenden 5Aassen um men-
lchenwürdige Wohnungen ist kein geringerer, als der ihrer
^rbeitgeber um Geschäste. Die Leute überbieten ein-
aiider um einen halbcn oder ganzen Schilling im Wohu-
uüetepreis, nmnche gehen so weit, zwei und drei Pfnnd
uls Psand für den Hausschlüssel zu hinterlegeu. Andere
verleuguen die Zahl ihrcr .lliuder, um bessere Aussichtcu
iu erlangen oder sie beziehen die ungesundesten Wohnun-
6en, um uur überhaupt eiu Tach über deni Kopfe zu ha-
,r>i. Jnfolge der großen Nachfrage schrauben die Haus
vesitzer den Zins inS Fabelhafte hiuauf und die Arbeiter
uüisseu sich das stillschweigend gefallen lassen. denn seit
ver großcn FeuerSbrunst von 1866 hat es in London
chmen solchen Wohnuugsmangel gegeben." Die elende-
Üen Hütten im Armenviertel sind bevölkert. Ein Mieter
ttelst aus und der andere ein, ohne daß die Wohnung vor-
!ser in Stand gesetzt würde. Wie ein Lausfeuer vcrbreitet
üch die.Kunde, wenn ein Mieter gekündigt hat: noch an
veinselben Tagc melden sich 30 bis 40 andere.

Nur wer das Armenleben Londons ans eigcner An-
^chaiiimg kennt, weiß, was die Aermsten anch in den besten
^eiten dulden müssen. Jmnier sind es ja die Parias dcr
^fsellschaft, die bei wirtschaftlichen oder sonstigen Kala-
^itäten das schwerste Kreuz zn schleppen haben. Bislang
aatten sich der Wolmnngsmangel und die Folgen der Uebcr-
völkerung zumeist nnr in dem schrecklichcn Ostend sühlbar
^Macht; jctzt aber verbreitet sich der Notschrei der Obdachs-
chsen über die ganze Riesenstadt. Die WohnungSnot hat
geführt, daß man nicht nur ganze Hänser, Wohnungen
^d einzelne Zimmer in Aftcrmiete giebt, sondern daß anch
^tten zn dem denkbar höchsten Preis ans zweiter Hand
vernüetet werden. Nachtarbeiter (wie Bäcker, Wächter, !
^Malräumer u. s. w.) mieten Leuten, dic bei Tag auswärts ?
Üchäftigt sind, ihre Bettcn ab, so daß diese nicht einmal s
Eü haben, ausznkllhlen. Jn Spitalfields vermieten zahlreiche
jmmilien ihre Lagerl'ättcn nach dem Achtstnndcn-Prinzip, !

so daß sie alle 24 Stunden drei verschiedene Schichten von
Schlüfern aufiiehmen.

Trotz des Gcsetzes von 1891, welches für jeden Er-
wachsenen 400 Kübikfnß Wohnraum vorschreibt, leidet in
diesem Augenblick der sünfte Teil der Londoner Bevölkerung
WohnnngSmangel. Ungefähr 900000 Personen wohnen
in einer dem Gcsetzc widersprcchcndcn Weise. Lant der
letzten Volkszählung wohnen oft acht Menschen und mehr
in einem Zimmer, 9000 Menschcn wohnen zu je sieben
und mehr in einem Kümmerchen und 26 000 dcr
Aermsten der Armen wohnen je sechs und mehr in einem
Zimmer, das gleichzeitig als Küche, Waschraum und Werk-
stättc benützt wird. Wie. die Tiere hausen Alt und Jung,
Münnlein und Weiblein zusammengepfercht; waS Wunder,
wenn ste dabei Opfer ihrer rohen Jnstinkte werden? Und
diese fnrchtbare Uebervölkerung erstreckt sich auch in die
„besseren" Schichten.

„Jn Camberwell habe ich in einem Zimmer 17 Be
wohner gefnnden; in Ehelde bewohnt ein junges Weib
ihr fstmmer nur bei Tag, bei Nacht giebt sie es an einen
Maiin ab; in Stoke Newington bewohnt eine Familie
mit ihren Schweinen zusammen ein Zimmer; in Maryle-
bone sah ich ein Weib, auf dem die Würmer am hell-
lichten Tage herumkrochen; das auf dem Tisch liegende
Brot und die Butter wimmelte von Ungeziefer ....
Bei solchsn Zuständen muß die Sittlichkeit und die Ge-
sundheit des Volkes leiden, namentlich die der Kinder.
Sie verkommen geisttg und körperlich. Die Ueberfüllung
verdammt sie zu einer Kindheit ohne Heim, viele von
ihnen werden zn Nichtsthuern, andere zu jugendlichen
Verbrechern, noch andere, niit Ekel erregenden Krank-
heiten behaftet, werden sich und der Menschheit zur
Last."

Haw weist nach, daß das neuerlich angenommene fest-
ländische Mietskasernensystem das Problein der Ueber-
bevölkerung nicht zu lösen vermag. Gegenwärtig hat
London 600 solcher Riesenhäuser, die von über 200 000
Menschen bewohnt sind; aber auch sie sind oft überfüllt
nnd die Sterblichkeit in ihnen ist zuweilen doppelt s«
hoch als die allgemeine in London. Allerdings hat der
Grafschaftsrat einige große Musterwohnhäuser erbaut;
um dies aber thun zu können, mußte er 24 000 Menschen
wohnungslos machen und dann konnte er nnr 10 000
wieder nnterbringen. Man kann gegenwärtig in London
das Gesetz gegen die Wohnungsüberfüllung beim besten
Willen nicht in Anwendung bringen; sonst müßten zahl-
lose Familien auf dic Straße gesetzt werden oder in die
Armenversorgungshäuser wandern. Wie soll das en-
den?

Ausland.

Afrika.

— Der alte Prinsloo, der vor Christian De Wet
Hauptkoinmandant der Oravjer war und ohne zwingenden
Grund Ende Juli 1900 mil dcr Hauptmacht der Oranjer,
5000 Mann, bei Fouriesburg in den Drakensbergen
kapitulierte, wird begreiflicherweise als Verräter threr Sache
von dcn noch kämpfenden Buren bitter gehaßt. Die
Enflländer haben ibn auf Ebrenwort auf seine Farm in

i der Nähe von Bloemfontein entlassen, und dort hat er sich
k unter dem Schutze der englischen Truppen stcher gefühlt
und bei seiner Pfeife und seinem „Kopje Koffie" in Ruhe
zugeschaut, wie sich die Freiheitliebenden unter seinen
Landsleuten langsam verbluteien. Jüngst aber ward er
doch aus seiner Beschaulichkeit unangenchm aufgerüttelt;
eintge Kühne drangen in seine Farm nnd schlcppten ihn
gefangen von dannen. Er cntwischte jedoch, wie sich die
Morning Post schreiben läßt, seiner aus zwölf Mann be-
stehenden Wache und gelaugte am 1. April zu Fuß nach
Brakfontein, von wo er nach Bloemfontein zurückbefördert
wurde. Eine Thräne hälte ihm kaum jcmand nachge-
weint, wenn ein burischcs Kriegsgericht mit ihm kurzen
Prozeß gemacht hätte.

Amerika.

Washington, 7. Mai. Admiral Sampson
ist gestern g e st o r b e n. Admiral Sampson hat sich
in dem Kriege gegen Spanien 1898 ausgezeichnet. Er
war es, der die Fcindseligkeiten mit der Blockade der
knbanischen Küste eröffnete, indem er sein 23Kriegsschiffe
zählendes Geschwader schnell an die feindliche Küste her-
anbrachte. Er führte den Oberbefehl in den entscheiden-
den Junikämpfen bei Santiago. Jn dem Von Sampson
erbetenen Landheer, welches die Hauptschlacht am 24.
Juni schlug, befand sich auch Oberst Roosevelt, der jetzige
Präsident, mit seinen „wildenReitern", die großen Ruhm
ernteten, aber auch schwere Verluste erlitten.

Aus Stadt und Land.

* Städttsche unentgeltl. Arbeitsnachweis-Anstalt Heidelberg.
MonatSbericht. Nach amtlicher Zusammenstellung wurden
im Monat April 1902 im aunun 1349 Gesuche eingetragcn
l und zwar: 518 von Arbeitgebern, 419 für männliche und 99 für
? wetbliche Pcrsonen, welche 773 Arbeitskräfte (671 männliche und
s 102 weibliche) verlangten und denen 901 Arbeitskräfte (838 männ-
I liche und 65 weibliche) zugewtesen wurden. Arbeitnehmer wurden,
« insofern dteselben etnen Eintrag verlanaten, 831 eingetragen (749
- inännliche und 82 weibl.), von denen 787 sofort Arbeit nachge-
j wtescn werden konnte (714 männlichc und 73 weibliche). Be-
^ friedigt wurden im ganzen 1084, 412 Arbeitgeber (359 männliche
I nnd 53 weibltche) und 622 Arbeitnehmer, darunter 566 männliche
»nd 56 weibliche Personen. Arbeitnehmer. welche noch bei der
Anstalt um Arbeit nachsuchten, auf einen Eintrag ader verzichtetcn,
da ihnen nicht sofort passende Arbeit nachgewiesen werden konnie,
wurden 696 vermerkt (667 männliche und ^9 weibliche) und wacen
eS namentilch Taglöhner, Erdarbeiter nnd Arbeiter der Eiscn-
draiiche.

Maimhcim, 7. Mai. (D i e S t ü d t i s ch e e l e k t r i s ch e
k Stratzenbahn) hatte auch gcstern wieder alle Matz-
i nahmcn gctroffcn, damit der rcgc Vcrkchr nach und von dem
E Rennplatz sich flott abwickeln kvnne. Jm Ganzen liefcn auf
dcn in Betracht kommcndcü Streckcn 69 Motor- mit 29 An-
hängewagen. Diese bcfördcrten insgesamt 55 000 Personcn,
so dah die Einnahme 6600 Mark betrug.

f Mannhcim, 8. Mai. (Vom Oktroi.) Uebcr dic vicl-
iimsnnttcnc Fragc, ob die mit dem 1. Januar 1898 erfolgte
Aufhebnng des Oktrois auf Mchl und Brot cincn Einflutz
auf dic Gcstaltung der Mannheimer Brotpreise ausgeübl har»
wurdc, cincr Anregnng aus dcr Mittc des Bürgerausschusses
i folgend, vom hiesigen Statistischen Amte eine intercfsante
! Denkschrift ausgearbeitct, dic zn sehr bcmerkenswericn Schluß-
folgerungcn bczüglich der Beurtcilung der ganzcn Angclcgenheit
kommt. Bcnntzt wnrdcn bci dcr Statistik lcdiglich dic ganz
cinwandfrcicn Noticrungen dcr Mannhcimer Produktcnbörse

12)

Auf abschüssiger Bahn.

Roman von B. Coronh.
(Fortsetzung.)

.. »So gotteslästcrlich darfst du nicht reden, Vater. Da —
6 dcine Suppcl"

y. -Ach, latz' mich in Ruhe damit! Gieb mir lieber ein Glas
eantwein!"

-.Den haben wir nicht im Hause!"

, -Seid Jhr aber dumml So eine Schnapsflasche ist der
>te Sorgenbrecher. Da wird's einem ordentlich warm ums
! und man fängt wicdcr zn spürcn an, datz man Äärochen
'o Sehnen im Lcibe hat."

. . »Das Branntweintrinken mntzt du dir abgewöhnen", er-
verte sic kurz. „Der Jnst thät's auch nicht leiden l"
er v^^r ^ust rmd immcr wicder der Justl" murrte er, indcm
^>ppe auslöffelte nnd dann nach feiner Pfeife herum-

,, "Die bring' ich nachher," sagte Gertrnd. „Du kannst
im Garten rauchcn. Hier oben giebt's die Muhme
Nt zn."

"Vei euch ist man ja gehalten ivre rn erner Strafanstalt'
LDic frische Luft wird dir gur tyun. Komm nur herunter."
st», ^chwcrfällig und sich ächzend auf das Treppengeländcr
Zcnd, sthlich cr hinab und setzte fich in die Laube.
st scine Tochter spätcr nachsah, fand sie ihn fest schla-
cn,/ öer Bank ausgcstrcckt. Die noch glimmende Pfeifc lag

' Boden.

h„^^rude klopftc die Asche aus rmd zertrat die Funkcn,
itzi ''str Kissen, schob es ihm unter den Kopf nnd ging dann
ins Haus. Dort kniete sie vor dem Schranke nieder,
«g "'"gte ihr Sonntagskleid und fand, datz es recht alt rmd
rragen aussah. Mit diesem Plunder zum Vogelschietzen
N- Ncin, dann schon lieber gar nicht.

Jn der Küchc hörte die alte Lore nicht zn scheltcn auf, datz
es immer nettcr wcrdc, und daß man nun auch noch den
Mathias anf dem Halse habe. „Abcr natürlich, du hast ihn
ja hereinholen und hicr einquartiercn müssenl"

„Herr Gott, Mnhme, cr ist ja doch mcin Vatcrl" ricf dic
jnnge Fran. „Freilich hab' ich ihn mir andcrs vorgcsteltt, aber
jetzt ist cr nnn mal so, nnd ich kann's nicht ändcrnl"

„Du kannst nic ctwas ändcrnl Wcnn du bei dcincn
bnnten Lappen kauerst, ist überhaupt nichts mehr mit dir
zu reden. Ob sich andere totplagen, das gilt dir glcich. Jch
hab' mehr für dich gethan wic dcr, hab' dich- grotzgezogcn und
ernährt aus eigencnr guten Willcn, denn zwingen hätt' mich
keincr dazn könncn. Ne wahre Schande ist's, daß du, cin
jnnges, kräftiges Ding, mir dic Arbcit nicht abnimmst, sondcrn
in dcinem Pritz hcrumkramst!"

„Jn meincm Putz? Der sicht crbärmlich gcnng aus."

„Und kostet noch mchr als zuviel. Kommst du jc heim,
ohne ein Band, cin paar Ellcn Spitzcn oder sonstiges nn-
nützes Zcng mitzubringcn? Dcr Just solltc nur nicht so düm-
lich gntmütig seinl"

Trnde warf mit einer raschcn, zornigcn Bewegung allcs
wieder in die Schnblcide zurück, lief in dic Küche nnd schob
dic Alte vom Hcrd wcg.

„Den Topf lätzt mir steh'n! Du rührst nichts anl" krcischte
Lorc.

„Und jetzt gerade thu' ich's. Meinst wohl immer zu dcincm
Vergnügen anf mir hcrum hockcn zn können? Endlich kricqt
rnan's satt und wcnn's scin muß, greif' ich cbcn so an, wic
andcre. Daß nbcr fedcn Bisscn, den mcin Vatcr in den Btund
steckt, geschimpft wird, mag ich auch nicht mchr hörcn. Er
ist da nnd bleibt da, so lange er nicht wcitz, wo cr sonst
hin soll."

„Du mnckst ja nicht nbel aufl Jn meincm cigcnen Hause
werd' ich wohl anch noch was zu reden haben l Jch kenn' den
Marburg besser, als du ihn kennst und sage dir, es hätt'
nns garnichts ärgeres passicren können, als datz er wieder

daheim ist. Wirst schon sehen, was wir fiir Ehre mit ihm
cinlegenl"

„Schrei nicht so, cr ist drautzen, und hört's!"

„Meinetwcgenl Wie ich's meine, so kann's jeder wisscn
nnd —"

„Was ist denn hicr schon wieder für eine Zankerei los?"
fragtc Rciner cintretcnd. Er sah müde und abgehctzr aus.
Der Schweitz pcrlte ihm auf der Stirn.

„Tot sein möcht' ich, lieber hente wie morgenl" ricf
Gcrtrud uud fing wie ein Kind, das Krämpfe zu Lekommcn
droht, zu schluchzen an. Jmmer wird mir alles Möglichc vorge-
worfcn, als ob ich dran schuld wäre, datz mein Vatcr cin un-
glücklicher, verbummcltcr Mensch ist. Jch mützt' doch kcin Herz
haben, wenn ich ihn deshalb im Stich lassen wollre, jetzt, wo er
krank nnd elend hier angeklopft hat."

Was sie rn der Hand lstclt, flog auf dcn Herd. Wcinend
ciltc sie ins Zimmcr nnd schlug die Thüre hinter sich zu.

Just solgtc ihr. „Mach' doch keine solchen Geschichten,
Trude! Jst vielleicht ein böses Wort über meine Lippen ge-
kommcn? Versag' ich dir irgcnd eincn Wunsch, wcnn ich ihn
crfüllen kann? Totmüde hab' ich mich heute gelanfen, um
dem Marbnrg cin Unterkommen zu suchen. Aber kciner will
ihn anfnchmcn — und datz er hier bleibt, das geht doch nnn
einrnal nicht an."

„Du willst ihn wohl gleich rausweisen, wre wcnn er ein
Strolch odcr ein Bettlcr wäre, dcr dich gar nichts angeht?
Na ja — verlumpt gcnng sieht or ja ans, ist abcr doch nebenbei
immer mcin Vater. llnd wcnn du dich sciner schämst, rnutz du
dich doch meiner auch schämen. Wir hätten schon Ireber garnicht
hciratcn sollen."

Wcnn du so anfängst, nachdem was ich alles gethan
habe —"

„Das hört sich geradc an, als ob dir's leid thät', so vicl
gethan zu haben."

„jtetzt hör' aber auf, oder ich verliere die Gednldl Solche
Wortvcrdreherei kann einen schon ans Rand nnd Band
 
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