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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-124 (1. Mai 1902 - 31. Mai 1902)
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Mittwoch, 28. Mai 1902

Grstes Blertt.

44. Jahrgang. — .N 122

S rH-int taglich SEwgs ausgmowwen. "Pr°is mit FamM-E^ und dm Zw-igstellcn abgeholt 4° Pfg.^. Turch di- Post be-

^chri°LVT°gmOwS>L LLL

Des Fronleichnamstages wegen erscheint
^ Ȋchste Nunnner am Freitag.

I r

Aum Aesuche Louöets in Kopenhagen.

Der Pariser „Temps", der Fühiung mit dem
,, ^ nzösischeu auswärtigen A m t hat, macht
^ Besuch Loubets in Kopenhagcn Glosse n, die
j in Teutschland nicht llbergehen dars, wenn man
^ssöeutung auch nicht zu hoch einschätzen darf. Die
Lns? offenbaren, teils verhockten Andeutungen zeigen,
iw >» sZrant'reich mit dcm Gedanken der Rache

wner noch kokettiert, wie sich ans den Andentungen
glebt. Das genannte Pariser Blatt schreibt:
ü u>an bedeirkt, daß heute der Präsident der

^'>äösischen Republik der Gast des dänischen Königs
ke«--^^ dänischen Volkes ist, so kann man sich der Er-

"sEnis nicht verschließen, datz die Geschichte
mitunter gliickliche und gerechte
^^ublungen aufweist. Wir haben hier schon oft
im r ^ Rolle hingewiesen, die auch die kleinen Völker zu
bea - "^kurögen. . . . Das dänische Volk hat den sest-
.^^nndeten Ruhm, das gebildetste der ganzen Welt zu
. n, eine derjenigen Nationen, deren innere Tiichtigkeit,
si/^ AbsorptionSkraft nnd deren geistige Thätigkeit
T? fühlbarsten macht. Es nimmt eine bedeutsame
u.Eung im modernen Europa ein. Ein Lenchtturm
> tein Bollwerk, keine Festung; aüer es giebt Lcnte,
g ')dn gerade die schlanke Form und die heilsame Auf-
^ ve tzx.- Lcuchtturms sympathisch ist. An den beiden
^ .chen Europas thun sich die französische und die
j.^uische sltation — jede gemätz ihrer Mission nnd
^Riltel — anf gleichem Gebiete hervor; sie lassen
? Licht ihrer geistigeu Thätigkeit nach allen Seilen
i) ^uhlea. . . . B e i d e h a b e n u n l ä n g st u n t e >'
R chH ll l e i ch e n G e s ch i ck u n d f ll r d i e g l e i ch e n
Un> r ^ g e l i t t e n, deshalb find sie auch so lange
g, ? so oft besreundet und verbündet gewesen. Die
' ck die G e m e i n s a m k e i t ihrer
ihrer Jdeen zum Ausdruck gebracht

ost besreundet
^^chlchte hat
Und^ und

de:

es

ist nur rccht und billig, datz ein klarcr, unzwei-

U'kler Akt den Beweis liefert, datz der sinn fllr diese
d„,'^'nsamkeit und die Erinnerung daran noch fort-
Uai-^-' ' ' ^ Rber dank der heutigen Lage des mo-
d^^ch'l.chen Europas und dank den vielen Verbindungen
, Königshauses ist Kopcnhagen heute auch

Der

^chslleruiatzen ^ie Wiege der Dynasüen.

»iii^ ^önig von Dänemark ist hcute der Patriarch
Herrschern; an seine Person kniipfen sich die
dx,, ^ gegenscitiger Achtung, welche die Lber dcn Frie-
^uropas wachenden Staatsoberhäupter vcreinigen.

tz i ^ seinen Augen haben sich die Dauer verheitzenden
h ^ n v e r st ä n d n i s s e herausgebildet. Jn Kopen-
fr^n entwickelte und befestigte sich das russisch-
ch c"zösische Bündnis. . . . Es wäre absurch
öie Besuch, den das Oberhaupt einer Demokratie,
dg^ ^on Wert kennt und ihn mit Stolz zu wahren weitz,
oiiie ^Meinsamcn Herde so vieler Dynastien abstattet,
^lch i- ^ iLiiobismus zu erblickcn; nein, diesem Be-
Zr,, "vgt ein Icgitimes Bestreben zugrunde: er ist ein
cheEöor beiderseitigen gnten Beziehungen, ein Be-
dio >, gegenseitigen Achtung, eine Pilgerfahrt derer,
^^htedie rnssisch-französische Allianz feiern und ver-

herrlichen, zu denjenigen, die sie einst begünstigtcn, zu
den Stätten, die sie haben entstehen sehen."

Wenn die Dänen vernllnftig sind, dann lassen sie
sich durch derartige Sinnesäußerungen nicht dazu vcr-
leiten, den Weg einer für sie sehr gefahrreichen Praris
zu beschreiten.

Deutsches Reich.

— Ueber den Vertrag zwischen den dcutschen
Dampferltnien und dem amerikanisch-engli-
schen Dampfertrnst urteilt die Nationallib. Korresp.
folgendermaßen: Nach dem jetzt veröffentlichten Jnhalt
des Vertrags stnd alle diese Befürchtungen, die im Parla-
mente und in der Preffe zum Ausdruck kamen, grundlos
gewesen. Beide Teile, der englisch-amerikanische Trust und
die deutschen Gesellschaften, haben den Boden von Ver-
handlungen betreten und haben hicr ihr Verhältnis in einer
k Weise geregelt, wie sie für Deutschland im nationalen
Jntercsse nicht erfreulicher gewünscht und gehofft werden
konnte. Die Hamburg-Amerika-Linie und der Norddeutsche
Lloyd geben auch nicht ein Tüttclchen von ihrer Selbst-
ständigkeit und Unabhängigkeit preis. Sie bleiben als
gleichberechtigte und sreie Macht neben dem englisch-ameri-
kanischen Trust bestehen. Blcibt also die Selbständigkeit
dcr deutschen Rhedereien völlig unangetastet, so ist anderer-
seits aber auch durch das Abkommen dafür gesorgt, daß
ein ruinöser Konkurrenzkampf zwischen den Parteien ver-
mieden wird. Es wird im Gegenteil ein freundschaftliches
Zusammenarbeiten vereinbart. Die in dieser Hinsicht ge-
troffenen Bestimmungen werden, davon sind wir überzeugt,
sich in der Praxis als nützlich für alle Beteiligten, nicht
nur för die Gesellschaften und ihre Aktionäre, sondern auch
für die als Perladei oder Passagiere an den Unternehmungen
Jnteressicrien erweisen.

Pxeuße».

Berlin, 27. Mai. Das nach den Pftngstferien heute
wiedcr zusammengetretene Abgeordnetenhaus beriet
die Po l env o rl ag e, welche vom Ministerprästdenten
Grafen Bülow begründet wurde. Graf Bülow führte aus,
die Regierung habe nicht nur das Recht, sondern auch die
Pflicht, im Jnteresse der Sicherheit der Monarchie ein
Bollwerk gegen die großpolnische Agitation zu errichtcn.
Die verfaffungsmäßigen Rechte der polnischen Mitbürger
sollten auch fernerhin gewissenhaft gewahrt werden. Die
Regierung werde aber jede auf eine Aenderung der bestehen-
den Verhältnisse gerichtete Bestrebung unterdrücken. Es
handle sich um die Fortsetzung der Politik, die Fürst
Bismarck im Jahre 1886 eingeleitet habe. Die Vorlage
wurde an eine Konimission von 21 Mitgliedern verwiesen

Ausland.

Ocstcrrcich-Ungarn.

Pest, 26. Mai. (O e st e r r e i ch i s ch e Dele-
gatiori.) Jn der Fortsetzung der Beratung llber
daS Budget des Aentzern richtet Kaftan (Jnng-
tscheche) heftige Angriffe gegen den Dreibniid. Dieser
sei nach Bisinarcks eigener Begründung gcschaffeii wvr-
den, um Deutschland gegen Revanchegelüste Frankreichs

und Kriegsdrohungen Rußlands zn schützen, habe aber
Oesterreich-Ungarn weder auf dem Balkan, noch im
Adriatischen Meere Vorteile gebracht. Deutsche Bun-
desfllrslen förderten die Germanisierttiigsbestrebuiigen
der Alldeutschen durch die Ausweisung von Slawen.
Redner fragt, ob die Regierung geneigt sei, von Deutsch»
land Tarisbegllnstigungen sllr österreichische Waren
auf den kleinasiatischen Bahnen zu verlangen. Fer-
ner verlangt Kaftan, die Regierung solle engeren An-
schlutz an Rutzland in Ler Balkansrage suchen. In
Oesterreich-Ungarn soüe der innere Friede durch Er-
fllllung der Forderungen der Tschechen und Siidslawen
hergestellt werden. Graf Dzieduszycki (Pole)
nennt es eine bittere lleberraschung fur Oesterreich, daß
Deutschland es fllr geboten erachtet habe, mit einem dem
Treibimde angehürenden Staate ainen Rllckversicher-
ungsvertrag abzuschlietzen. Trotz der kllrzlich !vbn
den Oberhäupteni dreier großer Kontinentalstaaten ge-
haltenen Friedensreden bestehe kein Vertrauen zum
Frieden. Weim man wirklich Frieden haben wollte,, so
solle maii dafllr sorgen, daß in allen staaten jedermann
volle Religioiisfreiheit und auch das Recht ktzewährt
iverde, seine Kinder im Glauben der Eltern unterrich-
ten zu lassen, wie dies unter der Regierung des Kai-
sers Franz Zosef geschehe. Politische Bllndnisse nnd
wahrer Friede seien aber auch nur zu erhalten, wenn
die Verbllndeten nicht auf einen gegenseitigen wirt-
schaftlichen Kampf ansgingen. Herold bedanert,
daß Oesterreich-Ungarn in der Abrllstungsfrage sich von
Rutzland habe den Rang ablaufen lajien. Oeslerreich
sollte sich mit um so größerer Energie an die Spitze
der Friedensbewegung stellen. Frhr. von Pari s h
spricht die Ueberzeugnng aus, daß der Dreibund, ob-
wohl nicht mehr so notwendig wie in frllheren Zeiten,
auch in dcr nächstcn Zeit noch geeignet ist, Oesterreich-
Ungarns Jnteressen in richtiger Weise zn schiitzen. Er
se.ber hätte sehr gewünscht, datz der Dreibund angesichts
der von den Panamerikanismus und dem englischen
Fmperialismus'drohenden Gefahr sich einen nenen Fn-
halt gegeben hätte, indem er nicht nur die politischen,
sondcrn auch die wirtschaftlichm Jnteressen der drei
verbllndeten Staaten gemeinsam behandelte. Auf der
Briisseler Konferenz habe es sich gezcigt, welche Ersolge
zu erzielen gewesen wären, wenn diesei drei Mächte
vereint vorgegangen wären. Die Unterstiitzung, die
Ocsterreich-Ungarn in dieser Frage von seiten der Ver-
bllndeten yrfahren habe, sei aber kaum einc sUnter-
stützung zu iiennen gewesen, und habe das Gefiihl iiber
den Wert des Bündnisses in der Bcvölkerung autzer-
ordentlich erschiittert.

Amerika.

— Deni „Berl. T." zufolge ist in den Verei-
nigten Staaten eine Bewegung im Gange.
Kaiser Wilhelms Geschenk der Statue Friedrichs des
Grotzen durch eine ähnliche Schenkung zu erwidern. Es
hat sich ein Komitee von hervorragenden New-Aorker
Biirgern zu dem Zwecke gebildet, als Gegengabe eine
Statue Georg Washington's dem Kaiser anzutragen.
Man will sich aber, bevor das Komitee an die Oeffent-
lichkeit tritt, vergewissern, daß das Geschenk auch ange-
nominen wird.

Kin Knaks im NeöeröreM.

d j A^nst Wolzogen hat den Theater-

!chöi7^7>"' satt! Er sendet der Presse folgendes
N'nkular: Als ich vor Jahr und Tag das Ueber-
^'orj,, ?s>8nindete, und meine Absicht, das Prinzip des
aiich oinmal auf das Gcbiet der kleinen Künste oder
deii, biirklichen Kunst in kleinen Formen anzuwen-
^ikiiin s " ^ unerwarteten Erfolg beim deutschen Pub-
öie j, si>ud, als es mir über alle Hoffnungen glllckte,
dolttztj; 1',?" unserer deutschen Lyriker wirklich
Äeisw,.^ sch Zu machen, und schließlich gar die bösen
>ve,ii - 3 o t e, der rohen Geschniacklosigkeit

v u a öen besseren Varistes der grotzen Städte

viesir j'I u g'r a u l e n, war ich llberzeugt, mit
ö e i j »»verhin uicht ganz unerheblichen Kulturar-
^'chge vbenbei auch die Anerkennung der künstlerischeii
^'iverh^" vrnster Teilnahme verfolgenden Presse zu
Mn Es ist anders gekommen: Mit ciner in sol-
bisher nur selteii dagewesenen Ueberein-
R e i werde ich von der gesamten K ritik der
Re,„ luuptstadt und auch vicler Provinz°
iiin,t bie an Geist und Einsicht hinter die-

Hwott >;, öurllckstehen wollen, mit Schimpf, Hohn und
"ch ssir Nicht nur, datz man mich Persön-

^bNier 7«^ ^ündcn geschmack- und gewissenloser Nach-

7 aim!" d.vrantwortlich Zu machen scheint, trachtet

i^.chcheii ganze litterarische Vergangenheit aus-

i^ische iegliches Talent und jede ehrliche künst-

'hö es ii, '"Ü "ach jeder Richtung hin abzusprechen —
U o 2"^ öum Teil dieselben L e u t e, die
w vor wenigen Monaten

wie einem

Messias P a l m e n streuten! Das große Publikum,
das ich mir durch meine Schriften sowohl als auch durch
meine Thätigkcit als Bllhnenleiter zu Freundcn ge-
macht habe, wird es begreiflich finden, daß ich es unter
diesen Umständen vorziehe, mit Ablaus dicser ^pielzeit
wieder in das Privatleben z u r ü ck z u t r e t e n.
um weiter — wie einer der geistvollsten Kritiker Berlins
sich auszudrücken beliebt — „Schmöker zu schmieren im
Geiste der Kraftmayr und des dritten Geschlechts!" Da
aber nach der iNeinung äußerst zahlreicher und nicht
ganz unintelligenter Leute die gebildeten Berliner im-
mer noch das von mir wachgerufene Bedllrfnis empfin-
den, hie und da eine anmutige Abendunterhaltung in
g e s ch m a ck v o l l e n Gaben der kleinen Künste zu
suchen, so wird der reizende Endell'sche Bau in der Kö-
Penickerstraße auch im nächsten Jahre seiner bisherigen
Bestimmung erhalten bleiben. Einige der bewährten
alten und etliche vielversprechende neue Kräfte werden
im Großen und Ganzen das alte Programm fortsiih-
ren, und niein bisheriger Oberregisseur, Dr. Martin
Z i ck e l, an der Spitze dieser kleinen Kllnstlerschar blei-
ben. Jch selbst wcrde mich bemühen, im Verborg e-
nen wenigstens mit meinem Rath nieinen Unterneh-
men nützlich zu sein. Da ich mich Gottseidank einer her-
vorragend elastischen Körper- und Geisteskonstruktion
erfreue, hoffe ich in der Lage zu sein, den Humor ihrer
w o h l w o l l e n d e n Nekrologe gcnießen zu
können, trotz der energischen Zertrampelungsprozedur,
der die Mehrheit unter Jhnen meine bescheidene Person
seit Monaten unterworfen hat. Hochachtungsvoll Ernst
von Wolzogen."

Kleine Zeitung.

— Wcimar, 26. Mai. (Gesellschaft fllr
Volksbädcr.) Die diesjährige Versammlung der
deutschen Gesellschast fllr Volksbäder wurde heute Vor-
mittag durch eine Begrllßungsansprache des Professors
Lassar-Berlin eröffnet. Die Lachsen-Weimarischcn Mi-
nister Dr. Rothe und v. Wurmb, sowie Vertreter der
Regierungen Preiißcn und Schwarzburg-Rudolstadt
nahmen an der zahlreich besuchten Sitzung teil. Vor-
träge von Landgerichtsrat Aschrott-Berjlin, Stabsarzt
Dr. Krebs-Berlin, Baurat Peters-Magdeburg und Jn-
genieur Oslender-Dllsseldorf behandelten die Bedeutung,
Verbreitung, Bauanlage und Einrichtung der Volksbä-
der, sowie Mittel zur Beschasfung derselben. Nachdein
als Ort fllr die nächstjährige Tagung Tanzig festge-
setzt war, wurde die Versammlung geschlossen.

— Brnunschwcig, 24. Mai. (S p a r g e I e r n t e.)
Ter Mai geht zu Ende und noch ist keine Spargelernte
zu verzeichncn. Düs Pfund Primaspargel wird mit
1 M. his 1.20 M. bezahlt, die zweite Sorte kostet 60
bis 76 Pfennig. Die Spargel-Baugenossenschaft, die
500 Dlorgen im Betriebe hat, hatte im vorigen Jahre
bis zum 20. Mai 1500 Zentner mehr. Nimmt man
nun an, daß sich 20 000 Morgen Spargelfelder in ver
Umgegend befinden, so wird man ermessen, wie grotz der
Verlust ist.

— Tas Wcrk dcs Grafcn Hocnsbrvcch. Am 7. Mai

wurde von Breitkopf u. Härtel der zweite Band des
Werkes deS Graseu Hoensbroech: „Das Papsttum in
seiner sozialkiiltnrellen Wirksamkeit" auSgegeben, und
zwar mit Rücksicht auj den großen Ersolg des ersten
 
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