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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 125-149 (2. Juni 1902 - 30. Juni 1902)
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Der Kultusminister Dr. t>. Landmann bemerkt, daß bei !
den Bemfungen nicht nur die wissenschastliche Tüchtigkeit
und die Lehrbefähigung, sonderu auch die verschiedenen
Richtnugen zur Geltuug kommen müssen. Es sei also auch
geboten, daß in Geschichte und Philosophie die katholische
Richtung den gebührenden Platz erhalte. Das sei in Straß-
burg geschehen, worüber eiue besondere Entrüstuug gar nicht
angebracht war. Die große Mehrzahl der Professoren,
welche sich der Adresse an Mommsen angeschlossen haben,
habe gewiß nichts gegen das Christentum beabsichtigt. Cor-
referent Dr. Casselmann kann dem Minister nicht recht
geben, wenu er sage, daß in Straßburg nichts Ungcwöhn-
liches sich ereignet habe. Der Brief Mommsens enthalte
keinen Angriff gegen das Christentum Mommsen wende
sich gegen die Berufungen, die konfessioneller Rücksichten
halber erfolgen. Nach einem Schlußwort des Referenten
wnrde der Gegenstaud verlasseu.

Ausland.

England.

LoIIdo II, 6. Juni. Akiß R o o s e v e l t, die
Tochter des Präsidenten der Vereinigten Staaten, ist
hier eingetroffen.

Türkei.

Konstantinopel, 6. Juni. Fuad Pascha, welcher
im Februar Leute „gegeu die staatlichen Sicherheitsorgane
bewaffnet und andere revolutionäre Handlungen begangen
hatte", wurde vom Kriegs'gericht zu lebenslänglicher Fest-
ungshaft, Degradation /und Verlust aller Orden verur-
teilt. 11 Offiziere und 3 Mann sind der Mitschuld cmge-
tlagt. Ein kaiserliches Jrade bestätigt das Urteil bezüg-
lich Fuads, verfügt dessen Jnhaftierung in Damaskus und
Legnadigt die Mitschuldigen.

Amcrika.

.—' Nach eimw Meldung der „Tcibune" hat der
Zuckertrust die Kontrolle über alle amerikanifchen
R ü b e u z u ck er f a b r i k e n erlaugt.

— Deni „Herald" zufolge dürfte die Elder aüd
Dempster Linie den Kern des neueu Dampfer-
trusts bilden, der über zweihundert Fahrzeuge hätte.

Aie Iuviläumsadresse der evangelischen
Kemeinden.

Anläßlich des 40jährigen Dienstjubiläums des Herrn
-Stadtpfarrers I). Honig hier wurde bekanut, daß der-
felbe der Verfasser der Adresse sei, welche die evangelischeu
Gemeinden an den Großherzog zu dessen SOjährigem
Regierungsjubiläum gerichtet habeu. Wir lassen die Adresse
im Wortlaut folgen:

Durchlauchtigster Großherzog I
Gnädigster Fürst und Herrl

Ew. Kgl. Hoheit wollen geruhen, unter den tausenden
von innigen Glückwünschen, die bei Vollendung einer fünf-
zigjährigen Regierungszeit heute vor den Thron niedergelegt
werden, auch diejenigen der Diener der Kirche und der Ver-
treter der evangelischen Gemeinde huldvollst entgegenzu-
nehmen.

Wenn wir heure dankerfüllt auf die Alannigfaltigkeit
gnädiger Gottesführungen während dieses bedeutungsvollen
Zeitabschnittes und den Reichtum ihres Segens zurück-
Llicken, so ist es uns eine besondere Freude wahrzunehmen,
wie unter der verständnis- und liebevollen Pflxge Ew. Kgl,
Hoheit auch unsere evangelische Kirche an dem erfreulichen
Aufschwung des allgemeinen Lebens teilgenommen hat. Wir
Lenken dankbar daran, daß unsere Kirche unter einer weisen
Regierung diejenige Selbständigkeit erlangt hat, deren sie
znr Pflege ihres eigenartigen Lebens bedarf, daß sie frühe
fchon in der Lage war, fich eine Verfasstmg, zu schaffen, die in
segensreicher Weife auch Kräfte der Gemeinde für die Arbeit
an der Gemeinde herangezogen hat, daß sie durch eine reichere
Ansstaitung auch mit äuheren Mitteln in den Stand gcsetzt
worden ist, unabhängig von äußeren Schranken ihre Thätig-
keit zu entfalteu, und datz sie in rastlosem Streben nach
immer reicherer Ausgestaltung ihres Lebens bemüht war,
die beilcnden nnd versöhnenden Kräfte Jesu Christi an unse-
rem bedürftigen Geschlechte wirksam zu machen.

An diese Segnungen können ivir aber nur mit dem Ge-
fühl innigster Dcmkbarkeit gegen d,en Bischof unserer Landes-
kirche, den Fürsten, denken, der an den uns gewordenen Wohl-
thaten das grötzte persönliche Verdienst hat. Die ganze Ent-
wicklung unserer badischen Berhältnisse innerhalb dieses
großcn Zeitraumes trägt auf allen Schritten die Spuren eines
königlichen Herzens, das „nicht finden kann, daß ein feind-
licher Gegensatz sei zwischen Fürstenrecht und Volksrecht",
das in unwandelbarer Treue für sein Volk schlägt, seine
Freuden und Leiden als die seinigcn fühlt und kein anderes
Mel kennt als cin glückliches Volk zu schaffen. Zu allen

Zeiic» sehen ivir Eiv. Kgl. Hoheit als Vorbild warmer, per-
söulicher Fiömmigkeit, kirchlicher Gesimmng, christlichen Ka-
milienlebens, edler Sorge für die Schwachcn und Notleiden-
dcn vocanlenchten, in allen Bestrebungen, die dem Volkswohle
dienen, in edler Gesinnung und mit selbstlosem, hingeben-
den Hcrzen boranjchreiten. W-ir verehren in Ew. Kgl. Hoheit
cinen treuen Freund unscrer Kirche, der sich ihrer Notstände
annimmt. sie m!l seincm gerechten, ausgleichenden Snm auf
die Wege friedlicher Enrwtcklung zu leiten und ihren segens-
reichen Einfluß zn fördern unermüdlich bemüht ist.

„Der Herr hat dich gesegnet in allen Werken deiner
Hände." Dieses Wort der Freude geht heute durch alle evan-
gelischen Gcmcinden des Landes, das ist das Dankgebet, das
heute iu alleu Gotteshäusern zum Himmel dringr. „Der
Herr segne dich und behüte dich auf allen deinen Wegen":
das ist unser inniges Flehen, das wir voll Zuversicht an den
Gott der Gnade richten, der bis dähin nnsern Grohherzog
durch ein langes, gesegnetes Leben mit so großer Treue
üegleitet hat.

Müge der Barmherzige Ew. Kgl. Hoheit noch einen
freundlichen Lebensabend in Gesundheit uud rüstiger Kraft
und eine noch reich gesegnete friedliche Regierung verleihen!
Möge er Ew. Kgl. Hoheit hohe Gemahlin, die rastlos thätige
Miiarbeiterin am Volkswohl, möge er das ganze Grotzherzog-
liche Hans in seine treue Obhut nehmenl

Der Allmächtige erhalte und mehre Gerechtigkeit und Got-
tesfurcht im Lande! Er sei der Schutz und Schirm unserer
teuren evangelischen Kirche zur Auferbauung des Reiches
Jesu Christi auf Erden und zum Heile unseres Volkcsl
Der Großherzog erwiderte:

Tie Getstlichen und Kirchengemeinderäte haben die
Frcnndlichkeit gchabt, mir zu meinem 50jährigen Regierungs-
jubiläum iu einer von den Mitgliedern der Diözesanausschüsse
uuterzeichneten Adresse ihre Glück- und Segenswünsche
darzubringeii. Fch habe mir inniger und bewegter Freude
diese Huldigung entgegengenommen, denn ich darf darin nicht
nur eine werte Kundgebung der mir gewidmeten Gefühle der
Trene und Anhäiiglichkeit erblicken, sondern zugleich den
wohlthuenden Ausdruck dcr Anerkennung für das, was mir
durch Gottes Güade vergönnt war in meiner langen Regie-
rungszeit für unsere tetlre Evangelische Lcmdeskirche zil thun
und zu wirken.

Empfangen Sie alle meinen aufrichtigeu, ivarmeu und
herzlichen Dank und zugleich die Versicherung, daß ich, so-
lange mir Gott der Herr das Leben schenkt, meine Pflichten
gegen die Kirche, zu deren Bischof ich bestellt bin, treu im
Bekcuntnis erfüllen und stets für das Wohl ihrer Glieder
besorgt sein werde.

Karlsruhe, den 2. Mai 1902.

F r i e d r i ch.

Aus Stadt und Land.

cp Schöffengcrichtssttzung vom 5. Juni. Joseph Spegg von
Schlierbach erhielt wegen Diebstahls 3 Tage Gefängnis; 2) Ferd.
Gustav Depping von Heidelberg wegen Sachbeschädigung 3 Tage
Gefängnis und Karl August Schwartz von da wegen des gleicheu
Vergehens einen Verweis; 3) Emil Flechsenhaar und Heinrich
Bender von Leimen erhielten wegen Sachbeschädigung je 3 Mk.
Geldstrafe nnd Johann Schnppel von da einen Verweis; 4) Hngo
Aldolf Aldinger von Heidelberg erhielt wegenWiderstands 23 Mk.
Geldstrafe; 5) Gottfried Spengel von Heidelberg wegen Dieb-
stahl rc. 5 Tage und Friedrich Bender von da 3 Tage Gefäng-
nis; 6) August Müller in Haft hier wegen Hansfriedensbruchs
2 Wochen Gefängnis, Engelbert Heiler, Karl Friedrich Heinrich
Reich, Johann Peter Schmitt und Andreas Klein, genannt Bär,
alle z. Zt. in Haft hier, je 10 Tage Gefängnis ; 7) Karl Friedr.
Mack von Heidelberg erhielt wegen Vergehens gegen 8 183 St.G.B.
20 Mk. Geldstrafe; 8) Johann Schmitt, z. Zt. in Untcrsuchungs-
haft hier, weaen Bedrohung 14 Tage Gefängnis.

8LI. Freibnrg, 5. Juni. (Freiherr Marschall
von B i e b e r st e i n), der deutsche Botschafter in Konstan-
tinopel, ist heute früh 7 Uhr 5 Minuten mit Familie hier
cingetroffen uud 7 Uhr 10 Minuten nach Neuershausen ge-
fahren. Vor einigen Tagen hat er einen kürzen Urlaub
angetreten.

TodtNa» (im Wiesenthal). Ueber eine Hochzeit,
wie solche sonst nur in der „guten alten Zeit" abgehalten
zu werden pflegten, Ivird aus Breitcnau berichtet: Braut war
Fräulein Wißler „zum Lamm" in Schlechtnau und Bräu-
tigam Herr Hermann „zum Löwen" in Breitnau. Also bei
dieser Hochzeit ging- es ganz außerordentlich hoch her. Es
betciligten sich an derselben „nur" 500 Personen (für 600
Personen war gedeckt); das ganze Gasthaus war bis unter
das Dach für die Festgäste eingerüumt. Auf etiva 40 Fuhr-
werken kamcn die auswärtigen Gäste angefcchren. Der
Tanzboden war im Freien errichtet und etne 15 Mann
starke Musikkapelle spielte auf demselben zum Tanz auf. Die
schönen Trachten sollen dabei ein buntes Bild geboten haben.
Zur Zubereitung des aus 12 Gängen bestehenden Festmahles
waren in dcr Küche zwei Köche und sechs Köchinnen thätig;
zwei Metzger waren mit dem Herrichten des' Fleisches und der
Zubereitung der Würste beschäftigt. Verzehrt wurden drei
Zentner Ochsenfleisch, bier Schafe, drei Kälber, drei Schweine,
200 Bratwürste nebst einem Zentner Nudeln und ungezählten
Knchen, sowie sonstigem Dessert. Zur Befeuchtung der Keh-
len dienten 1500 Liter offener Wein; hierzu kamen noch

diberse Flaschenweine. Sämtliche Teilnehmer sollen von dec
Bewirtung und Bediemmg, sowie dem ganzen Verlanf dec
Festes hochbefriedigt gewesen sein.

TYeater- und Kunstnachrichten.

Heidelberg, im Juni. Am 19. Juli laufenden Jcchres
giebr das aus ersten Solisten Opernsängern bestehende
Deutsche Männer-Doppelquartett in Gemeüischaft mit dem hie--
sigen stüdtischen Orchester ein Konzert. Das deutsche Män-
ner-Doppelquartett besteht aus den Herren: Opernsänger
Ernst Brandenbnrger, Heldcntenor, Augsburg; Hans Hacker,
lyrischer Tenor, Augsburg; Josef Horwitz, lyrischer Tenor,
Stettin; Karl Dehn, lyrischer Tencch, Darmstadt; Vikior
Litzelmami, Baryton, Aachen, Aachen, Karl Reusch, Baryton,
lllm; Max Luipold, serieuser Baß, Augsbnrg; Großherzog-
lich Sächs. Weün. Hofopernsänger Karl Bucha, serieuser Baß,
Weimar. Aus allen Stüdten, wo das Ouartert bisher aus-
getreten ist, liegen sehr anerkennende Urteile der Presse übec
seine Leistimgen vor.

Eingesan-t.

Herdelberg, 5. Juni.

Am oberen und unteren Ende der Plöck fristet harm-
los und beschaulich je eine Bekanntmachung ihr Daseiu, welchh
besagt, daß der Wagenverkehr, soweir nicht die Plöck selbst
sein Ziel ist, diese^ Straße vermeiden soll. Diese Be-
kanntmachung ist schon alten Datums' und scheinl bei deN
Fuhrleuten aus dem Gedächtnis entschwunden zu sein, denn
iu letzier Zeit stauen sich, namentlich auf dem Stück zwischen
Neugasse inid Wredeplatz die Wagen öster zu eüiem großen
Verkehrshindernis. Die Arbeiten auf -dcr Hcruplstratze,
welche bisher eine Erklärung gaben, sind beender unü mehr
Häuser als früher hat die Plöck auch nicht, welche zum Ziel
dieser überzahlreichen Fahrten gemacht worden sein kömüen-
Es würe dringend zn wünschen, wenn Veranlassung genorn-
men würde, den Vertehr durch die Plöck durch schärsere Auf-
sicht zu entlasten. Ein Anwohner der Plöck.

Geschästtiches.

Auszeichnung. Die Firma Georg Schaefer, Ludwigs-
hafen, welche hier in tzeivelverg, Rohrvacherstraße, etne Filiale
besitzt, har auf der Fachgewerbe-Ausstellung fur Hotel- nnS
Wirtschaftswesen in Kaiserslautern fnr ihre dort ausgestellteN
Wirtschafts- und Haushaltnngsherde, sowie HeißwassereinrichtnngeN
die gotdene Medatlle erhalten.

Kieme Zeitung.

ü Gcweihausstcllnng zn Straßburg i. E. Gelegent-
lich der Haupwersammlung des allgemeinen Deutschen
Jagdschutzvereins zu Stratzburg i. E. findet in eineiü
öer unteren Säle Les alten Schlosses am Münster voM
11. öis 18. Juni dieses Jcchres eine Ausstellung voN
Hirs'chgeweihün, RehboMgehörnen und nnderen in
Elsaß-Lothrmgen erbeuteten Jagdtrvphäen statt. DM
selbe ist mit ca. 1000 Regehörnen, 100 Hirjchgeweihev

— einschtießlich einiger Damschaufler — unö ca. 80
andereu Jagdtrophäen beschickr. Die beiden ersteren
Arten werden, nach den Obersörstereien des Landes ge-
trennl, ein getreues Bild der Geweihbildung der eriv
zelnen Bodenformationen abgeben. Der AusstelluNg-
mit welcher eine Prämiierung der besten Stücke ver^
bunden sein lvird, wird ein aügemeines Znteresse enst
gegengebracht, so daß der Eröfsnungstag — 11. Iur"

— nstt Spannung erwartet wird.

— Cianz nach Wnnsch — gebvren. Die „VossisM
Zeitung" meldet zum Thema Ler Litulatur sotgenL^
hübsche Satyre: Ein Berliner S-pediteuc sandte jüngl''
inr Auftrage eineS 5lnnden an einen standesbewnßtvst
Herrn im äußersten Norden DMtschlands^emen Briel
mit der Titntatur: „Wohlgeboren". Der Empfäng^
des Briefes beklagte sich bei dem Auftraggeber bitterlrch-
daß ihni das ihni gebührende „Hochwohlgeboren" vvr"
enthalten wordcn sei. Dec Spediteur, dem die Klag^
übermittelt wurde, hat nun durch diesen Vorfall g^
witzigt, sür seinen Gebrauch 5louverts anfertigen lal"
sen, mit dem Aufdruck: Wohlgeboren, Hochwohlgeboreü
und dem Vermerk: „Nicht Gewünschtes bitte durchzu"
streichen." Gewiß äußerst praktisch und sehr bequeR-
für alle, die genau wissen, wie wohl und wie hoch
geboren wurde».

-— Dcr Kronprinz als Fahrgast der viertcn Eise""
bahn-Wagenklasse. 51ronprinz Wilhelm nnternahm,
wir kürzlich berichteten, mit mehreren AngehörigeH
des Corps „Vorussia" bon Bonn aus einen Ausfst^
nach dem Laacher See, beziehungsweisei dem 5tlost>-^
Maria Laach. Wie hiezu nachträglich gemeldet wirLs
benutzte der Kronprinz mit seinen Kommilitonen st^
die Eisenbahnfahrt einen gewöhnlichen Wagen viertci
Klasse, weil, so äußerte der ThronfolgLr, es in eineR

„Nein, ich hatte an jenem Abend mehr als gewöhnlich ge-
irunken, befand mich unter der Einwirküng eines flüchtigen
Sinnenrausches und sagte Dinge, die mir am nächsten Tage
kaum mehr im Gedächtnis hafteten, die Konstanze jedoch
für ein heiliges Versprechen nahm."

„Hättest Du so leichtsinnig irgend einem Mädchen aus
Äem Bolke gegenüber gehandelt, so würde ich Di«i nicht min-
der scharf tadeln. Aber Deine Kousine steht unter meinem
Schntzl Jch habe mein Wort gegeben, ihr den Vater zu er-
setzen — sie ist aus vornehmer Familie —- folglich bleibt
Dir 'nichts weiter übrig, als ihr die Haud zu reichen und
Deinen Namen zu gcben."

„Auch wenn ich sie nicht liebe?"

Mluch dannl"

„Und wenn mich diese Verbindung grenzenlos unglück-
lich macht?"

„So mußt Du eben Trost in dem Gedanken suchen, die
Pflichten eines Ehrenmannes erfüllt zu haben. Jch hege
arge Bedenken in Bezug auf diese Verbindung, aber diese
inüssen vor dem Gebote des Rechtsgefühles verstummen."

„Kann man mit Kälte und Widerwillen im Herzen eiu
Weib beglücken?"

„Jn Deinem Falle rnuß man diese Empfindungen ver-
bergenl Du bist zu weit gegangen, um zurück zu können.
Das Wort jcdes achtungswürdigen Mannes ist bindend —
und einem Weib gegenüber doppelt. Soll ich Dich noch län-
ger meinen Sohn nennen, so löse Deine Ehrenschuld ein imd
zwar sofort!"

.„Meine ganze Seele gehört einer andern, Vaterl"

Schweigen gebietend erhob der Oberförster die Hand.
„Davon kann jetzt gar keine Rede mehr sein. Diese Wünsche
und Hoffnungen sind für ewig begraben. Es hat bis jetzt
keinen Wcrther gegeben, deu als Schurke gehandelt hätte.
Wolltest Du dcr erste sein, so müßte ich mich von Dir los-
sagen."

„Nun, ich halte es nicht für unmöglich, mir cmch ohne
Deine Hilfe eine Zukimft zu gründen."

„Ja, vielleicht gelänge es' Dir, obgleich Du noch nie in
der Lage warst, Deine Kraft in dieser Hinsicht erproben zu
müssen. Aber eins ivill ich Dir sagen: Wenn auch Du diq
hohe Bedeuiung des vierten Gcbotes nicht kennst, so ist sie
Margots kindlich-reiner Seele desto tiefer eingeprägt. Sie
wird Dir nie auf dem Wege des Ungehorsams und der Pflicht-
vergessenheit folgen. Dieses Schahes holdester Jungfräu-
lichkeit hast Du Dich selbst beraubt. Deshalb rette, was noch
zu retten ist: Deine Ehre und Vertrauenswürdigkeit. Mit
ihnen HLttest Du auch jedes Anrecht auf den Namen Werther
und auf meine Achtung verloren. Du hast Dich entweder zu
fügen oder wirst es verantworten müssen, wenn Dein Vater
«ls einsamer, um nlle Erwartungen betrogener Mann
ftirbt."

„Wenn Du so sprichst, bleibt mir überhaupt nichts weiter
übrig, als zu gehorchen."

,'.Also gutl"

Der Oberförster drückte auf die Kliugel. „Jch lasse Frau
und Fräulein von Felsing bitten."

Als die Damen erschienen, legte er Konstanzens und
seines Sohnes Hände ineinander und sagte: „Konstanze ist
Herberts Braut — vorausgesetzt, daß Du cinwilligst,
Melitta."

„Jch willige ein," erwiderte Frau von Felsing kalt.

Riemals hatte es eine sreudlosere BeÄobungsfeier ge-
geben,' als diese. Man satz bis gegen Mitternacht beisam-
men, leerte einige Flaschen Champagner und zog sich dcmn
zurück. Des Assessors Geldberlegenheit blieb dem Hreiherrn
nach wie vor verschwiegen.

Es' war dcr erste Tag des neuen Monats und Konstanze
sollte, wie geivöhnüch, ihren Vater besuchen, aber erst gegen
Mittag in die Stadt fahren.

Melitta lietz ihre Tochter immer mit deren alter, treuer
Amme Henriette fahren. schärste dieser aber heute noch be-

sonders ein: „Bleibe dem gnädigen Fräulein stets zur S-eist'
Wache über sie. Hörst Du? Wache, als hättest Du Dev
eigenes Kmd zu behüten." .

„O Du mein liebster Jesusl Das arme, kleine Gren->
das seme Augen kaum auf und gleich wieder zugemacht hast
Ja, wenn die mir herangewachsen wärel Ach, wenn ich,.nvtv
an den winzigen, kleinen Sarg denke — na, aber das gnädiö
Fräulein ist mir anch ans Herz gewachsen."

„So hoffe ich wenigstens I"

„Ja, ja, gnädige Frau! Gewiß und wahrhaftig!"

„Du versprichst inir also, sie überall hin zu begleiten-

„Ucberall, gnädige Frau." , .

Jch lohne Dir Deine Treue, Du gute Seele.

Tochter wird übrigens Freifran von Werther."

„Herr Gott!" ..

„Ünd sie soll Dich immer, falls Gott mich abberuft,
mein Vermäch-tnis betrachten. Mir ist aber heute so bang „
ich weiß nicht warum — versprich mir, Konstcmze nicht nw
den Augen zu lassen."

„Jch verspreche es. Da patz' ich schon auf." .

Kurz bevor Fräulein von Felsing und deren Begleitehs^
in der Hauptstadt anlangten, hatte Herbert eine sehr sm -
mische Auseinandersetzung mit dem alten Breuer, der o
seiner Weigerung, den Wechsel zu prolongieren, beharrte.

„Jhr boshafter Starrsinn könnte mich wer weiß wod
treiben!" rief der junge Mann. >

„Es thut mir leid."

„Der höhnische Ausruck Jhres Gesichtes steht mit diel
Versicherung nicht im Einklang. Sie sind ein herzloser, caa.
süchtiger MensH, ein böser Dämon, dem es teuflische Freu
gewährt, die Verlockten in den Abgrund zu stürzen. Sie
dienen nicht einmal, daß man Jhnen zürnt, man karm ^
nur veracksten!'"

^ (Aortsetzung folgt.)
 
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