Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 125-149 (2. Juni 1902 - 30. Juni 1902)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.23860#1173

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
rnchr crrichtet werden solleir Er iväre für eine glatie Ab-
lehnung der Vorlage; da aüer ein solchcr Antrag keine Aus-
sicht habe, angcnommen zn werden, stelle er folgenden Antrag:
Das Hans möge die Beschlnszfassung so lange aussetzen, bis
die im .itommissionsbeschlnsz cnthaltenen Vvranssetzungen er-
füllt sind,

Minister Schenkel hofft nicht, das; die Dreesbachh'che
Rede einen solchen Eindruck macht, datz die Vorlage abgelehnt
wird, Drccsbach habe sich heute als ein Mann gezeigt, der
feine internationalen Jdeen für eincn Moment in dic Schnb-
lade gelegt hat, um die Jnteressen seincr Vaterstadt zu ber-
fechtcn, Danebcn aber wollte cr doch sicherlich nicht die allge-
meincn Jnteressen aus dem Auge lasseu, Die Regierung habe
Lic grötzte Vorsicht bcobachtct und sei in ihren Berechnungen
zu dern Ergcbnis gekommcn, datz der Ausfall im Eisenbahn-
verkchr nicht zu grotz sein wird, wie'Drecsüach annchme, Die
Kritik der Mannheimer Handelswelt habe die Regierung durch-
aus nicht gescheut, Wcr solche Vorwürfe crhebe, !vie Drees-
bach, müssc sie besser begründen und auch Material vorlegeu,
Abänderungen eines Staatsvertrags könne die Volksvertretung
allerdings nicht vornehmen; allcin hier handle es sich gar nicht
nrn eincn Staatsvertrag, sondern um cine Budgetposition, an
welche dic Volksvcrtretung sehr wohl cine Bedingung knüpfcn
kann, Allcrdings sei im Staatsvertrag eine Beteiligung Ba-
dens in Höhe von 40 Prozent vorgesehen und die Regierung
sei auch jetzt noch dcr Ansicht, datz dieser Prozentsatz gerccht-
fertigt ist. Denn Baden ziche aus der Rheinrcgulierung grotze
Vortcile: Die Schiffahrt werde das ganze Jahr über gesichert,
die Häfen Karlsruhe und Kchl, später auch Rastatt, werden
dauernd die Vorteile der Schiffahrt genietzen, ein grotzes Hin-
terland wcrde seine Produktc leich'ter absetzen können u, s, w.
Es sei durchaus unrichtig, sich immer nur auf das statistische
Matcrial der letzten zehn Jahre zu berufcn; es komme vielmehr
darauf an, wie sich in Zukunft der Vcrkehr cntwickeln wird,
Die Regierung habc die Hoffnung, datz cs gelingen wird, datz
in Kehl ebenfalls aus Billigkeitsrücksichten ein Transitlager
zugelassen wird und sie habc bei der Reichsregierung bereits
einen entsprcchenden Antrag gestellt, Allerdings sei nicht zu
bczweifeln, datz ein Teil der Güter, die bisher in Mannheim
umgeschlagen wurden, künftig in Stratzburg umgeschlagen ivcr-
den und datz der Gütcrverkehr auf dcn badischen Bahnen
eine Einbutze erleidet, Der Nachteil werde aber nicht so grotz
sein, wie Dreesbach glaube, Mannheim besitze eine solch ela-
ftische Lebenskraft, datz es sich immer wieder emporraffe,
Er erinncre daran, datz es stets gelungen ist, die Politik Hol-
lands, der Hanse- und Mittclmeerstädte, welche Manuheim zu
fchädige» drohte, zu paralysieren, Auch sei trotz der Main-
kmralisierung und der Entwicklung andcrer Rheinhäfen Mann-
heim srckig vorwärts geschritten, Die thatkräftige, wohlge-
fchulte kaufmännische Bevölkerung Mannheims werde auch
dicsen Kampf siegrcich ausfechtcn, Jmmerhin war die That-
sachc von grotzer Bedcutung, datz Elsaß-Lothringen nur Vor-
teile hat; aus diescm Grundc hat die Regierung auch einen
grötzeren Beitrag (50 Prozcnt) abgelehnt, Hütte sic aber
nnr 25 Prozent bewilligt, so wäre die Vorlage gescheitert.
Es wäre widernatürlich, den herrlichen Rheinstrom im Zeit-
altcr dcs Vcrkehrs brachliegcn zu lassen, (Sehr richrig.) Den
Beitrag von 40 Prozent könne die Rcgicrung noch verantwor-
ten, Er ersuche das hohe Haus, die „Voraussetzung" im
Kommissionsbcschlutz fallcn zu lassen, Werden die Bedingnn-
gen angenommcn, so würde das zur Folgc haben, datz das Pro-
jekt höchst wahrscheinlich scheitert. Die Summe sei ja nicht so
bedcutend, datz man deswegen die Rcgiernng in dic Verle-
genheit bringt, neue Verhandlnngen mit Elsatz anzuknüpfen.
Auch werde dadurch das Projckt sehr vcrzögert. Bezüglich der
Oktroifrage könnte er dic Zusage geben, datz, so lange von der
Reichsregierung keine bindcnde Erklürung borliegt, die Rhein-
regnlicrung nicht in Nngriff genommen tvürde,

Abg, Binz (Natlib.) stimmt den Kommissionsbeschlüssen
zu, Die Durchführung der Schiffahrt auf dcm Oberrhein könnte
nicht vcrhindert werdcn, auch wenn die jetzige Generation
wollte, Wir dürfen die zuvcrsichtliche Hoffnung hegen, datz sich
das Unternehmen, von vorübergehenden Schädigungcn abge-
seheu, für unscr Land segensreich erweiscn wird, Dic Be-
fürchtung, datz Mannhcim dauernd geschädigt wird, halte er
für nnbegründct; denn dic Erschlietzung des Oberrheins könne
überall nur fördernd wirkcn, Die von Dreesbach angeführten
Gründe scheinen ihm nicht zutreffend, Nur die Regierungsvor-
lage mit den Abänderungsvorschlägen der Kommission ent-
fpreche den Anforderungen, die man im Jnteresse des allgemei-
ucn Wohls stellen müssc, Redner bittet, in der Transitlager-
frage auch die Wünsche dcr Stadt Karlsruhe zu berücksichtigen
und dcn industriellen Etablissements in Maxau ihre Landungs-
plätze am Rhein zu belasscn,

Abg. Neuhaus (Zcntr.) ist von der Vorlage nicht be-
sonders bcgeistert, Dic Begründung sei so zweifelhaft ge-
haltcn, datz er die Uebcrzeugung bekommen habc, datz nicht
alle Regiernngen anf dcm Boden der Vorlage stehen, Von der
Notwcndigkeit und Nützlichkeit der Rheinregulierung habe er
fich nicht Lberzeugen können,

Abg. Freiherr v, Stockhorner (Kons,) hat gegen die
Vorlage schwere Bedenken, Er betrachte die Anforderung als
nicht bewilligt, wenn die „Voraussetzungen" nicht eintreten.
Redner hofft, datz Maxau nnd Leopoldshafen durch die Regu-
lierung nicht geschädigt werden,

Oberbaudirektor Honsell erklärt, datz die kleinen Rhein-
häfen keinen Schaden von der Regulierung zu befürchten hät-
ten. Die Regulierung werde ansgleichend wirken und die
unregelmätzigen, starken Stromnngen beseitigcn, Wenn Drees-
bach das Mitzlingen des Unternehmens voraussehe, wozu dann
die Furcht vor dcm zu erwartenden Schaden? Durch die Re-
gulierung soll erreicht werden, datz die Schiffahrt auf dem
Oberrhein zu den gleichcn Zeiten möglich wird, wie auf dem
Unterrhein; autzerdem bezweckt sie eine Verbilligung der Frach-
ten, Bezüglich der Bahnfrachten bestehe allerdings eine Un-
ficherheit, die indessen andcrweitige Unternehmungen wie die
zahlreichen Flutzbauten anch nicht gehemmt hat, Was wäre
Mannheim, wenn der Mittel- und Unterrhein nicht in den
drcitziger Jahren mit grotzcn Opfern reguliert worden wärc?
Er bcgreifc nicht, wie man von eincm „Sprung ins Dunkle"
reden könne. Die bisherigen Erfolge sprechen fürs Gegenteil.
Der Aufwand werde wohl kaum überschritten werden; mög-
licherwcise werden vielleicht nicht einmal die Anforderungen
aufgebraucht, Das Maxaubad werde bestehen bleiben; dagegen
müsse die Cellulosefabrik in Maxau vcrlcgt werden,

Obcrbaurat Schulz erklärt, datz sich die Höhe des Ans-
falls der Bahnen nicht berechnen lasse, Er habe die Ueber-
zengnng, datz ein vorübergehender Verlust mit der Zeit voll-
ftändig ausgeglichen wird.

Abg, Heimburger (Dem.) stimmt nur unter der Be-
dingung den Kommissionsbeschlüssen zu, datz die „Voraus-
setzungen" eintreten,

Minister Schenkcl sieht die „Voraussetzungen" als bin-
dend an, Nur wenn die elsässische Regierung darauf eingehe,
werde das Pröjekt in Angriff genommen.

Um 9 Uhr wird die Beratung abgebrochen, Morgen Fort-
setznng nnd Nachtragsetat,

Aus der Karlsruher ZeLtuug.

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben dem
Königlich Preußischen Major und Bataillons-Kommandeur im
5, Lothringischen Jnfanterie-Regiment Nr. 144 Paul Francke
daS Ritterkreuz erster Klasse des OrdenS vom Zähringer Löwen
verliehen.

— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haöen den
Ministerialrat im Ministerium der Justiz, des Kultus und Unter-
richts Dr Adalbert Düriuger insolge seiner Eruennung zum
Reichsgerichtsrat auf den 90. Juni d. I. aus dem Großherzog-
lichen Staatsdienste entlassen und an seine Stelle mit Wirkung
vom 1. Juli d. I. den Oberlandesgerichtsrat Hermann Buch
zum Ministcrialrat in dem genannten Ministerium ernannt, sowie
den Zentralinspektor Otto Hauger in Waldkirch, zur Leitung
der Neubanarbeiten für die Fortsetzung der Mnrgthalbahn nach
Gernsbach versetzt,

— Dem Zeichenlehrerkandidaten Adols Mangold am
Realgymnasium in Karlsruhe wurde die etatmäßige Amtsstelle
eines Zeichenlehrers am Gymnasium in Offenbnrg übertragen.

— Hauptamtsassistent Johann Bapäst Reitze beim Haupt-
steueraint Mannheim wurde zum Steuerkontrolener ernannt.

Karlsruhe, 23. Juni. Der Großherzog empfing
am Samstag Vormittag den Präsidenten Dr. Nicolai zu
längerem Vortrag, welcher nachmittags fortgesetzt wurde.
Am Abend erfolgte die Abreise Sr. Königl. Hoheit des
Kronprinzen von Schweden und Norwegen nach Paris,
von wo heute die Reise nach London fortgesetzt wurde.
Der Kronprinz ist während des Aufenthalts in Badcn
wiederholt zur Jagd gesahren. Gestern, Sonntag Vor-
mittag, fand in der Schloßkapelle in Baden ein von Prälar
I). Helbiug abgehaltener Gottesdienst statt, an welchem
die höchsten Herrschaften mit den Hausgenossen teilnahmen.
Nachmittags nahm der Großherzog den Vortcag des
Staatsministers von Brauer entgegen, welcher mit seiner
Gemahlin auf Einladung für einige Stunden nach Baden
gekommen war. Hieranf folgte der Vortrag des Majors
von Woyna. Abends halb 8 Uhr trat der Großherzog
die Reise nach Dresden an, um daselbst der Beisetzung
des Königs Albert von Sachsen anzuwohnen.

Ausland.

_ England.

London, 23. Juni. Der britiscke Feldmarschall Lord
Roberts gab gesteru Abend zu Ehren des preußischen
Generalfeldmarschalls GrafenWaldersee und der hier
eingetroffenen deutschen Offiziere ein Festmahl. Bei dem-
selben brachte Graf Waldersee ein Hoch auf König
Eduard aus und sagte: „Jch habe die Ehre, an den gegen-
Würtigen Festlichkeiten teilzunehmen. Die Thatsache, daß
ich im letzten Jahre die Ehre hatte, britische Truppen zn
befehligen, erhöht meine Freude und Genugthuung, heute
der Gast eines so ausgezeichneten Oberbefehlshabers der
britischen Armee, des stets siegreichen Feldmarschalls, meines
Wirtes, zu sein. Die deutschen Soldaten wissen alle sehr
wohl, wie schwer nnd mühselig die Aufgabe war,
welche die britische Armee in Südafrika zu bewältigen
hatte. Wir wissen anch, daß Offiziere uud Mamischaften
ihrer Aufgabe mit der äußersten Hingabe an ihr Land, mit
Tapfcrkeit uud Menschlichkeit, erfüllten." Lord Roberts
hieß in seiner Erwiderung den Grafen Waldersee herzlich
willkommen. Die britischen Soldaten seien dem Grafen
Waldersee sehr dankbar für seine frenndliche Gesinniing und
die anerkennenden Worte. Er schloß mit einem Hoch anf
den deutschen Kaiser und das große deutsche Heer.

London, 23. Juni. Jn der gestrigen Nede des
Grafen Waldersee bemerkt die „Daily Chronicle", die
Anerkenmmg, die Graf Waldcrsee der Bienschlichkeit der
britischen Truppen gezollt hat, sei eine zeitgemäße und groß-
herzige. „Daily Graphic" sagt: Die Rede werde im ganzen
Lande mit lebhafter Genugthming vernommen werden. Die
dem Heere mid dem Feldmarschall Lord Roberts gezollte
Anerkenmmg sei ein weiterer Beweis dafür, daß der deutsche
Soldat mit dem Kaiser eins ist in der Veructeilung des
thörichten Feldzuges gegen England. Die Engländer können
nmmiehr wohl dazu übergehen, jene Poleinik zu vergessen
nnd zu vergeben. Wenn die Dentschen eS wünschen, köimen
die Beziehnngen jederzeit jhren alten Charakter der Herz-
lichkeit wieder amiehmeii.

Aus Stadt und Land.

Hsidelüerg, ^4. Fnni.

X Gewerkschafts-Versammlung. Die Vereinigten Gewerk-
schaften hieltcn gestern hier in der Brauerei Krauß eine Ver-
sammlung ab, in welcher Frau Steinbach nnd Herr von Elm
Vorträge hielten. Das nur kleine Lokal war überfüllt, ein
großeres hatte man, wie der Vorsitzende mitteiltc, trotz allcr
Bemühungen nicht betommen. Die Gewerkschaften sind nun
dabei, zu sammeln, um mit Hilfe einer Brauerei ein größeres
Lokal zu pachten oder gar zu kaufen. Was die Vorträge anbe-
trifft, so sprach Frau Steinbach über die kulturelle Bedeutung
der modernen Arbeiterbewegung. Jm Wescntlichen war ihr
Vortrag ein ?lppell an die Arbeitcr, von dem gesetzlichen Koa-
litionsrecht Gebrauch machend, sich zu organisieren, bezw. in
die bestehende Organisation einzutreten und dicse weiter aus-
zubaucn, damit der Macht des Kapitalismus nnd der des
Unternehmertums die Arbeiterschaft als Machtfaktor gegenüber-
steht. Der einzelne Arbeiter sei ohnmächtig. Durch die Or-
ganisation allein erlange die Arbeiterschaft die Kraft, um
im Kampf um günstige Existenzbedingungen dem Kapital die
Spitze bicten zn können. Der Kulturfortschritt aber hänge mit
den besseren Existenzbedingungen der Arbeiterscharen zusam-
men. Diese durchaus zutreffende Ansicht kann man nun ver-
treten, mag man Kapital- nnd Unternehmcrtum für einen
nützlichen und erwünschten Faktor im Wirtschaftsleben halten,
mag man ihm neutral gegenüberstehen, oder mag man ihn für
schädlich nnd beseitigenswert ansehcn und bekämpfen. Für
Frau Steinbach als Sozialdemokratin ist der Kapitalismus
der Menschenfresser; sie konnte sich nicht genug thun, ihn zu
bcrdammen, wobei auch, obgleich sie Kapitalismus und kapi-
talistische Unternehmer ganz auseinanderhalten wollte, für
diese Manches abfiel. Der gute Wille, der Wnnsch der Ar-
beiterschaft zu helfen, sie zu fördern und in die Höhe zu bringen,
leuchtete wohl durch den Vortrag der Frau Steinbach durch,
manche gehässige Redewendung war indessen geeignet, den
Eindrnck ihres Vortrags bei dem nnbefangenen Znhörer zu
beeinträchtigen. Nach ihr sprach Herr von Elm nnd zwar
über den vierten internationalen Gewerkschaftskongreß in
Stuttgart. Er bezeichnete es als einen Fortschritt, daß dort
— zum erstenmal -— Vertreter der Reichsregierung und ein-
zelstaatlicher Regierungen anwesend waren. Ferner bezeich-
nete er es als einen Fortschritt, datz man den Beschutz riskieren
konnte, den Sitz der Generalkommission nach Preußen, nämlich
nach Berlin, zu verlegen. Sodann hob er hervor, daß der
Kongretz sich mit der Arbeitslosenversicherung beschäftigt habe,
ein Problem, dessen Wichtigkeit von allen Seiten anerkannt
wird. Die Arbeitslosigkeit sieht Herr von Elm als notwendige

Begleiterscheiiiung der kapitälistischcn Produktionsweise ans
diese ist ihm das „Mntterschwein", das man schlachten müsse,
wenii die Folgeübel verschwinden sollen. Jnzwischen will Herr
von Elm aber doch auf dem Boden der Gegenwart an der Be-
seitigung des Ucbels mitwirken; nur meint er, die Arbeiter allein
sollten bei Einführnng der Arbeitslosenversicherung über die
Verwendnng der Unterstützungsmittel entscheiden, denn schlieff-
lich stammten die Versicherungsbeiträge doch direkt oder in-
dirckt allein bon den Arbeitern her. Mir den Unternchmern
würde man bei der Frage: Jst der nnd der ohne Verschulden
arbeitslos geworden? so häufig in Differcnzen geraten, datz
cin Ziisammenarbeiten unmöglich wäre. Keinenfalls aber
solltcn die Arbeiter sich berlockcn lassen, für die Arbeitslosen-
bersicherung das 5toalitionsrecht preiszugebcn, oder beschrän-
ken zu lassen. Die Gcwerkschaften und die politische Sozialdemo-
kratie hielt der Nedner wenigstens theoretisch auseinander;
in der Praxis aber ist auch er dafür, datz sie sich gegenseirig
durchdringen. Dieser Standpunkt von Elms wird innerhalb
seiner Partei mitztrauisch angefochten. So erhob sich denn auch
ein Herr aus Berlin, der die Bäcker anf dem Kongretz in Stutt-
gart bertreten hat, um zu betonen, datz die Gewcrkschaften
nichts anderes als eine sozialdcmokratische Organisation sind
nnd sein dürfen. Zu einer Debatte kam es nicht; wohl wurden
die wenigen anwcsenden Angehörigen bürgerlicher Parteien
sehr unverblümt aufgefordert, das Wort zu ergreifen. Frau
Steinbach appcllierte sogar an ihrc Tapferkeit. Demgcgenüber
bcschränkte sich der anwesende Rcdakteur der „Heidclberger
Zeitnng" auf die Erklärung, datz durchaus keine Tapferkeit
nötig sei, um in dcr Versammlung das Wort zu ergreifen,
datz aber nach seincr Erfahrung bei solchen politischen Dispu-
tationen nichts hcrauskomme. Die Vcrsammlung danerte bis
gcgen Mitternacht.

X Sonnwend-Feier. Am Sonntag Nachmittag zogcn viele
Menschenscharen auf die alte Strahlenburg bei Schriesheim,
um einer Einladung der Vereinigten Ortsgruppen Mannheim
und Heidelberg des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-
Verbandes Folge zu leisten, die sich zusammengethan hatten,
dic Sonnwende-Feier zu begehen und so einen alten Brauch
der Vorfahren wieder zu beleben. Bald war der sehr gcräumige
Platz auf der Burg vollständig bcsetzt. Musikstücke, gemeinsam
gesungene Lieder, sowie begeisternde Reden der Herren Tropf,
Müssig-Mannheim, und Jäger-Heidelberg trugen dazu bei,
datz sich das Fest zu einer völkischen Kundgebung gestaltete.
Zahlreiche Telegramme trafen aus Nah und Fern ein; als
sich die Sonne immer mehr dem Horizont näherte, brach man
auf, um sich anf den Edelstein zu begeben, von wo bei Anbruch
der Dunkelheit das weithin sichtbare Feuerzeichen den Bewoh-
iiern der Ebene verkündigte, daß sich dort oben Deutsche ver-
sammelt hatten, die bestrebt sind, deutsches Wesen auch durch
diese alte deutsche Sitte zn bekennen. Mächtig loderten die
Flammen zum Himmel empor, nnd mahnend erklangen die
Worte und der Treuschwur in die dunkle Nacht hinaus: Nicht
nur Treu und Liebc den Brüdern im engeren Vaterlande,
sondern auch denen, die im Ausland für das Deutschtum käm-
pfen und blnten. Als Vertreter des Deutsch-Bundes gelobte
Herr stud. jur. Schmidt-Heidelberg: Richt eher wollen wir
ruhen, bis bon allen Bergesgipfeln Feuer den Thälern mel-
den, datz heute Sonnwend ist. Nach einem Fackelreigen ord-
nete man sich zu eincm imposanten Lampionzug, der unter klin-
gendem Spiel hinunter ins Thal zog. Vor dem Kriegerdenkmal
in Schriesheim gedachte man der teuren Toten, die nns ein
einiges Deutschland geschaffen; die seierliche Rede des Herrn
Müssig-Mannheim und sein Heil auf Kaiser und Bundesfürsten
wurde mit Begeisterung aufgenommen. Dies bildete den
Schluß des in allcm wohlgelungenen Festes.

)!( Rudersport. Das gestern Abend zwischen Neuenheim
College nnd dem Heiüelberger Ruderklnb ausgefahrene Vierer-
reimeii endete mit einem Sieg der Eiigländer, welche die Mann-
s chaft des Riidcr-Klub niit 12 Sekunden gleich 3h'z—4 Boots-
längen schlug. Die englische Maimschift bestand aus großen
kräftigen Leuten, welche das Rennen stcher in der Hand hatten.
Der Rnder-Klub hatte seiire Anfänger-Mannschaft gestellt, welche
dieses Jahr crstmalig ihr Glück auf öffeutlicheii Regatten versnchen
soll. — Die Leistuiig der englischen Mannschaft sowohl wie der
dentschen war, in Beriicksichtigmig der schlechteren Stellnng der
Letzteren, eine aiierkeminngswerte.

-i- Das Schlotzkonzert der „Liedcrtnfcl", welches, wie im-
mer, einen gcimtzreichen Abend zu bieten verspricht, findet auf
alle Fälle statt. Bei ungünstiger Witterung wird es im städt.
Saalbau veranstaltet. Räheres wird in den Tagesblättern
und an den Plakatsäulen bekannt gegeben.

Schöffengerichtssitznng vom 23. Juni. 1) Peter Joies
Heß von Meckesheim erhielt wegen Beleidignng 5 Mk. Geldstrafe:
2) Karl Jäger von Ludwigshafen wegen Körperletznng 2 Wochen
Gefängnis; 8) Franz Zinimermaim hier wegen H-msfriedens-
brnchs imd Sachbeschädignng 3 Wochen Gefängnis; 4) Jakob
Becker von Kirchheim wcgen Körperverletznng 4 Wochen Gefängnis;
5) Gottfried Bender nnd Frievrich Spengel hier erhielten wegen
Sachbeschädigung und Diebstahls Bender 9 Tnge Gefängliis,
Spengel 27 Tage Gefängnis; 6i Georg Bauer von Rohrbach
erhielt wegen Nörperverletznng 3 Wochen Gefängnis; 7) Erhard
Pfaff und Karl Kesselbach hier erhielten wegen Sachbeschädigung
Pfaff 2 Wochen Gefängnis, Kessclbach 20 Mk. Geldstrafe;
8) Emil Eisele, hier in Haft, erhielt wegen Diebstahls 6 Tage
Gefängnis; 9) Franziska Schnlz. hier in tzaft, wegen Diebstahls
3 Wochen Gefän iliis; 10) Theresia Einberger, hier in Haft,
wegen Diebstahls 5 Wochen Gefängnis.

** Unfälle. Der 16 Jahre alte Arbeiter Johann Iakov
brachte gestern im Porphyrwerk zn D o sse nhei m seinen rechten
Fnß iinter einen Rollwagen Dns Bein wurde dabei so zer -
qnetscht, daß es im hiesigen akadeinischen Krankenhanse ampn-
tiert werden mnßte. — Jm Neuban der hiesigen protest. Kirche
in der Weststadt stnrzte gestern ein 24 Jahre alter, verheirateter
Manrer von eineni Geriist aus einer Höhe von 4—5 Mtr-
hernnter und erlitt dabei mehrere Verletzungen am Kopk-
Der Manr:x wurde ins akadem. Krankenhaus gebracht.

---- Polizeibericht. Ein Sattler wurde wegen Diebstahls und
ein Taglöhner wegen Bettelns verhaftet. Wegen Unfugs
kamen zwei Personen znr Anzeige.

Karlsruhe, 22. Juni. (Der Stadtrat) beschloß, die noÄ
offenen Strecken des Landgrabens miter Aufwendiing eines
aus dem Kredit für Einführnng der SchwemmkanalisatioN
zu bestreitenden Kostenbetrages von 382 500 Mk. zu überwölben-
Ferner werden u. A. 3100 Mk. zur Einrichtnng emer öffentlichen
Lesehalle im Schulhause der Schützenstraße im nächstjährigen
Voranschlagsentwurfe vorgesehen.

Aus Baden. Ein 37jährigcr Taglöhner aus BüttenbrottN,
wohnhaft in Mannhetm, wars stch am 21. d. M. eine Schachtel
PhoSphorzündhölzer in eine Tasse Kaffee und trank dieselbe aus,
in der Abstcht, stch zu vergiften. Er wurde tns allgemeine
KrankenhauS verbracht. Motiv zur That ist wahrscheinlich Fur«l
vor Strafe wegen Bedrohung. Auf dem Friedhof ebendort h?r
sich am 22. d. M. ein 25 Jahre alter Schloffer in selbstmörderi'
scher Absicht einen Revolverschuß in die rechte Kopfsette bel'
gebracht. Mittelst Sanitätswagen nach dem allg. Krankenhaur
verbracht, vcrstarb er daselbst in der Nacht vom 22. auf den
23. d. M. Motiv zur That ist Lebensüberdruß. ^

Eingesandt.

Heidelberg, 24. Juni. Die Direktion der Bergbahn wirö
gebeten, darin Abhülfe zu schaffen, daß an Tagen starker Frequenz,
wie z. B. am lctzten Sonntag Nachmittag, die Fahrgäste einc
ganze Viertelstunde eingepfercht im Wagen sitzen müffen. bis oas
Abfabrtszeichen gegeben wird. Es ist dies eine große Zumutung
für das Publiknni nnd verleidet namcntlich den einheimischen
 
Annotationen