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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 125-149 (2. Juni 1902 - 30. Juni 1902)
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ber Verlegung unbedingt zugestimmt werden kann, da die
Pforzheimer Interesscn dadurch nichr verletzt werderu Mir
dem Verkauf des alten Platzes an einen Privatmann, wie die
Großh. Regiernng vorschlägt, ist die Stadt Pforzheim nicht
einverstanden. Sic wünscht, daß das neue Finanzamr ans dem
alten Platz crstellt wird. Diesem Wnnsch der Stadtvcrwaltung
ist die Pforzheimcr Handelskammer und der Verein selbst-
ständiger Kaufleute beigetreten. Die Kommission beantragt,
bie Anforderung zu genehmigen, an die Regierung abcr das
Ersuchen zu richten, das Abkommen wegen Berkaufs des alten
Platzes nicht zu vollziehen, sondern der Stadt Pforzheim Ge-
legenheit zu geben, das Gelände selbst zu erwerben. Die be-
zügliche Petirion soll durch diesen Antrag für erledigt erklärt
werden.

Abg. Wittum (Natlib.) betont, datz die Stadt Pforz-
heim ein grotzes Jntcresse daran hat, den fraglichen Platz selüst
zu erwcrben, datz sie äber unmöglich den gleichen Preis anlcgen
kann, wie die Bauspekulanten. Der Verlauf der Verhandlun-
gen habe in Pforzheim eine gereiztc Stimmung gezeigt und
er selbst habe eine Rede im Lapidarstil des „Landsmaun" in
Ettlingen aufgesetzt gehabt lHeiterkeit); aber als borsichtiger
Politiker habe er sich die Sache noch einmal reichlich überlegt
und das Manuskript in Mannheim den Fluten des Rheins
übergeben (Heiterkeit). Er hege die feste Hoffnung, datz die
Angelegenheit im Sinne der Stadt Pforzheim entschieden
wird.

Abg. Gcck (Soz.) freut sich, datz Wittum in Mannheim
auf andere Gedanken gekommen ist; er häbe schon geglaubt,
Wittum wolle sich selbst dem Rhein anvertrauen. (Heiterkeit.)
Der Bürgerausschus; werde zweifellos noch einmal zu der
Angelegenheit Stellung nehmcn. Die Regierung möge bil-
lige Rücksichten auf die Wünsche der Stadt nehmen.

Abg. Wilckens (Natlib.) ist Wittum dankbar, datz
er seine Rede nicht gehalten hat; die Sache sei nicht wichtig ge-
nug, um über Gebühr aufgebauscht zu werden. Wenn auch
das Hauptsteueramt berlegt werde, so bleibe doch eine Zollstelle
am Bahnhof. Wenn die Verhandlungen zu einem Ergebnis
führen sollen, müsse die Stadt einen höheren Preis zahlen,
als sie ursprünglich beabstchtigte. Jm übrigen sei zu hosfen,
datz die Regierung der Stadt Pforzheim möglichst entgcgen-
kommt.

Finanzminister Buchenberger kann nicht zugeben, datz
gegen die Verhandlungen der Zolldirektion, die er ausführlich
darlegt, mit Grund ein Einwand erhoben werden kann. Die
Stadt Pforzheim habe keine Schritte bei der Zolldirektion un-
ternommen, sondern sich seinerzeit mit dem Bescheid der Be-
hörde zufrieden gegeben. Das Finanzministerium sei bereit,
mit der Stadt noch einmal zu verhandeln; Voraussetzung für
einen gunftigen Abschlutz der Verhandlungen sei, datz die Stadt
Pforzheim in ihrem Offert sehr viel weiter geht.

Nach weiteren Ausführungen der Abgg. Geck, Wittum und
Wilckens wird der Kommissionsantrag mit alleu gegen 3
Stimmen cmgenommen.

Der Voranschlag der E i s e n b a h n s ch u l d e n t i l -
gungskasse, über den Abg. Gietzler berichtet, wird
debattelos gutgeheitzen.

Schlutz der Sitzung l41 Uhr. Morgen: Eisenbahnpeti-
tionen. _

L.O. Karlsruhe. 25. Juni. Der Landtag wird
am 11. Juli geschlossen.

L.O. Karlsruhe, 25. Juni. Die Sonderkommission
der II. Kammer für den Enlwurf eines Fahrnis-
versicherungs gesetzes beantragt, dem Entwurf in der
von der I. Kammer beschlossenen Fassung zuzustimmen
nnd die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären.

L.O. Karlsruhe, 25. Juni. Die sozialdemo-
kratische Fraktion der II. Kammer hat beschlossen,
gegen das Budget zu stimmen.

L.O. Karlsruhe, 25. Juni. Der Voranschlag
der Eisenb ahnschuldentilgungskasse hat nicht
nur infolge des neuen Wohnungsgeldtarifs, sondern haupt-
süchlich iufolge der Beschlüsse der Kammer über die Spe-
zialbudgets der Eisenbahnbetriebs- und Eisenbahnbauver-
waltung nebst Nachträgen eine wesentliche Aenderung er-
fahren. Nach dem ersten Voranschlag ist der Bauaufwand
von 83 320925 Mk. auf 88 926123 Mk. gewachsen. Der
Reinertrag mußte aber niederer angesetzt werden. Es be-
tragen nämlich: Die Roheinnahmen der Eisenbahnbetriebs-
vcrwaltung: 73 486 000 Mk. im Jahre 1902 und
73 537000 Mk. i. I. 1903; die Ausgaben 60491 600
bezw. 60 807 600 Mk., sonach die Reineinnahmen 12 994 400
dezw. 12 729400 Mk. Da die Reineinnahme und die
Znschüsse aus allgemeinen Staatsmitteln zur Verzinsung
der Schuld nicht ganz hinreichen, muß der Bauaufwand
sowie der Betrag der planmäßigen Schuldentilgung mit
durchschnittlich jährlich 6 743 624 Mk. durch neue Schulden-
aufnahme gedeckt werden, wodurch anderseits der Betrag
der Schuldzinsen wieder wächst. Es wird daher der
Ausgabeposition Titel VI Schuldenaufnahme die unverbind-
liche Annahme zu Grunde gelegt, daß rund 96 000 000 Mk.
zu beschaffen scin werden, also 6 Millionen mehr als im
Hauptvoranschlag angenommen wurde.

Elsaß-Lothringen.

(N. L. C.) Die G e m e i n d e r a t s w a h l e u in
Elsaß-Lothringen erlangten durch die Neuwahlen am
Verflossenen Sonntag ihren Abschluß. Die Nachrichten
aus den kleineren Ortschaften und Städten lassen ein
bestimmteres nnd genaues Urteil über die Zusammen-
setzung der neuen Gemeindevertretnng noch nicht zn;
aber so viel darf schon heute behausttet werden: die eigent-
liche Politik, d. h. die Frage des Protestlert u m s,
spielte bei diesen Gemeindewahlen garkeineRolle
-nehr; nur in Colmar ertönten hie und da Stimmen,
die nach Frankreich hinüber schrieen. Aber in die abso-
lute klerikale Vorherrschaft ist dort, dank dem Uebereifer
hes Heißspornes Pfarrer Wetterle, eine gewaltige Breschs
kselegt; die Ultramontanen versuchen deshalb auch, den
Herrn Wetterle abznschütteln und ihm den Mißerfolg
allein zuzuschieben. Noch schlimmer erqing es den Kleri-
kalen in Mülhausen, wo die sozialdemokratische
-emokratische Liste einen bedeutenden Erfolg davontrug;
der dortige Gemeinderat besteht nach dem Ausfall der
Wahlen aus 13 Demokraten, 13 Sozialdemokraten und
>10 Parteiloscn. Auch hier hat der Eigensinn des Pfar-

nach Paris zurückkehren oder nicht; das wird von den
Nachrichten abhängen, die wir von unseren Familien er-
halten." Agamemnon Schliemann hatte kürzlich in
Paris von sich reden gemacht, als er mit dem Automobil
einen Straßenpassanten totfuhr.

rers Winterer, der alle gemäßigten Kandidaten von der '
Wahlliste strich, viel zu der Niederlage der Klerikalen >
und dem Siege des radikalen Elements gethan. Am !
erfrenlichsten haben sich die Verhältnisse in Metz gestaltet,
wo fortab Einheimische und Eingewanderte in gleicher
Zahl im Gemeinderat sitzen. Eine große Ueberraschung
für die den Dingen ferner Stehenden und für den
Staatssekretär v. Köller brachte das endgiltige Wahl-
ergebnis in Straßburg: die Sozialdemokraten ha-
ben glänzend gesiegt. Der neue Gemeinderat besteht
aus 14 Liberalen, 13 Sozialdemokraten, 4 Demokraten,

4 Klerikalen und 1 Parteilosen. Staatssekretär von
Köller befand sich somit in einer griinmigen Tänschung,
als er jüngst iin Reichstag gelegentlich der Beratung
über die Nnfhebnng des Diktatnrparagraphen trinmphie-
rend ansrief, daß die Sozialdcmokratie niemals Boden
im Reichsland finden werde.

Sachsen.

— Wie der „Wostotschny Westnik" (Oestlicher Bote)
meldet, ist den Iuden verboten, in der 9N and -
schurei zn wohnen oder sich dort anzusiedeln. Selbst
die Durchreise dnrch die Mandschurei ist ihnen nur auf
Grund eines Auslandspasses gestattet.

Preußc«.

Berlin, 25. Juni. Dem „Staatsanzeiger" zufolge
richtete der Kaiser an den Staatsminister v. Thielen
em Handschreiben, in dem er dem Minister für seine
ausgezeichneten Dienste dankt, insbesondere für die Mann-
haftigkeit, mit der er jederzeit die große Aufgabe auf dem
Gebiete des Verkehrswesens vertreten hat. Es habe dem
Kaiser eine besondere Freude bereitet, dem Minister den
hohen Orden vom Schwarzen Adler zu verleihen und
persönlich übergeben zn kömien.

Aus der Karlsruher Zeitung

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben
dem ersten Vorsitzenden des Vereins der Badener, Emil
Faller in Berlin, dem Postsekretär Adolf Bastian in
Freiburg das Verdienstkreuz vom Zähringer Löwen, sowie dem
Maler Franz Hein in Karlsruhe den Titel „Professor" ver-
liehen.

Auslaud.

England.

L o n d o n, 25. Iuni. Jn dem heute erschienenen
Jahresbericht der englischen Mitglieder des Direktoriums
der S u e z k a n a l g e s e I l s ch a f t wird sestgestellt,
daß von der Zahl, bezw. dem Tonnengehalt der den
K a n a I P a s s i e r e n d e n Schiffe im Jahre 1901:
56,1 Prozent und 57,8 Prozent aus britische Schiffe
entfielen, gegen 56,2 und 67,6 Prozent im Jahre 1900
nttd 64,0 bezw. 66,6 Prozent im Jahre 1899. Dagegen
habe die Zahl bezw. der Tonnengehalt der dentschen
Schiffe im Jahre 1901 18,8 nnd 16,3 Prozent betragen,
gegen 13,4 und 16,1 Prozent ini Jahre 1900 und nur
10,7 bezw. 10,8 Prozent im Jahre 1899. Die Zunahme
des Verkehrs der dentschen Schiffe bildet den wesentlichen
Punkt des Berichtes. Der Prozentsatz der französischen
nnd holländischen Schiffe hat etwas abgenommen, der der
russischen zeigt keine Znnahme.

Türkei.

K o n st a n t i n o P e l, 24. Juni. Der türkische Bot-
schaster in Petersburg, Husni Pascha, benachrichtigte die
Pforte, daß nach den ihm zuteil gewordenen amtlichen
Versicherungen die Frage wegen der Erhebnng Bulga-
riens zum K önigreich e während des Besuches Fer-
dinands nach keiner Seite hin besprochen worden
sei und daß Rußland auch ferner den statns gno anf der
Balkanhalbinsel aufrecht zu erhalten wünsche.

Wom 4 deulschen KewerLschastskongreß in^
Stuttgart.

Zur Arbeitsloseu-Statistik und Arbeits-
l o s e n - V e r s i ch e r ung lag dem Kongretz vom Referen-
ten von Elm-Hamburg die folgende Resolntion vor:

1. Der Gewerkschaftskongretz erachtet es als Pflicht von
Reich, Staat und Gemeinde, Arbeiterir Unterstützung zu ge-
währen bei Arbeitslosigkeit, welche wcder durch Streiks noch
eigenes grobes Verschulden hervorgerufen ist ; die Arbeitslosen-
Unterstützung darf nicht den Charakter eines Almosens oder
einer Armenunterstützung tragen und keinerlei Kürzung der
staatsbürgerlichen Rechte der Arbeiter nach sich ziehen.

2. Als Voraussetzung einer allgemeinen Arbeitslosen-Ver-
sicherung fovdert der Kongreh das uneingeschränkte Koalitions-
recht für alle Arbeiter beiderlei Geschlechts in Gewerbe, Haus-
industrie, Schifffahrt, Landwirtschaft, Staatsbetrieben und in
häuslichen Diensten; die Gewährung der Rechtsfähigkeit an
die beruflichen Organisationen, die Vornahme regelmäßiger
Arbeitslosen-Zählungen und die reichsgesetzliche Regelung der
Arbeitsvermittelung durch Organisation von Arbeitsbörsen,
zu deren Erbauung und Unterhaltnng die Einzelstaaten und
die Gemeindcn zn verpflichten sind.

3. Der Kongreß verwirft jedes System einer Arbeitslosen-
Versicherung auf anderer Grundlage als der freien Selbst -
verwaltnng der Arbeiter und der Gewährnng eines
Reichszuschnsses an Arbeitslosen-Unterstützung am Orte oder
auf der Reise zahlende zentrale oder lokale Berufsverbände.

4. Die Deckung der Kosten des Reichs-Arbeitslosenversiche-
rungs-Zuschusses geschieht zur Hälfte aus Reichsmitteln, die
andere Hälfte der Koften ist durch die Berufsgenossenschaften
zu decken. Je nach den Anforderungen für die einzelnen Be-
rnfe hat das Reichs-Versicherungsamt die durch die Berufsge-
nossenffhaftcn zn zahlenden Beiträge festzusetzen, )die von
diesen auf dem Wege des Umlageverfahrens von den Arbert-
gebern zu erheben sind.

Frl. Imle - Berlin befürwortet einen Antrag, in der Re-
solution im zweiten Absatz hinter die Worte „in häuslichen
Diensten" die Worte einzuschalten: „die Anerkemmng der
zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern des Gewerbes ver-
einbarten Tarife" nnd am Schluß hinzuzufügen: „Der Kon-
greß empfiehlt den Gewerkschaften als Vorbedingung eines
solchen Reichszuschusses die Einführung respekttve den Aus-
bau der Arbeitslosen-Unterstützung, um auf diese Weise die
emzig aimehmbare versicherungstechnische und organisatorische
Grundlage der Staatssubvention zu schaffen."

Mit diesem Zusatze wurde die Resolution angenommen.

Datz die Regierung darauf eingehen wird, den Reichs-
zuschutz und den Zuschuh der Berufsgenossenschaften den Ge-
tverkschaften zur Verfügung zu stellen. ist nicht anzunehmen.

Aus Ttadt und Land.

H - i p -1 b e re, 6.

Kommers. Die Heidelberger Burschenschaften feierteir
am 21. Juni im Frankenhause die Gründung der deutschen
Bnrschcnschaft. Herr cand. jur. Frey begrüßte die Gäste
mit folgender Ansprache: „Jm Namen der Heidelberger Bur-
schenschaft heiße ich die pcrehrlichen Gäste, welche zu nnscrer
heutigen Feierlichkeit erschicnen sind, herzlich willkommen und
sprcche ihnen dafür unseren Dank aus. Wir aktiven Burschen-
schaftcr freuen uns iiberaus, daß unserer Einladnng so zahl-
reich Folge geleistet wurde. Wir erblicken darin wieder einen
Bewcis dafür, datz das Jnteresse an der burschenschaftlichen
Sache auch in den Hcrzen der höheren Semester und der
alten Herren stets weiterlcbt, eine Thatsache, die wir mir
Freuden begrützen, und auf die wir stolz sein dürfen. Jch
hoffe, datz die verehrlichcn Gäste sich in unserer Mitte hei-
misch fühlen und im Kreise der jungen Bnrschenschafter einige
frohe Stuuden verlcben mögen. Jch fordere die Aktiven
anf, mit mir ihre Gläser zu leeren auf das Wohl der Gäste."
Später kommandicrte Herr cand. med. A st i n e t einen Sala-
mander auf die Burschenschaft nach folgcnder Rede: „Werte
Gästel Licbe Burschenschafter! Noch nicht lange ift es her,
kanm cinige Tage sind verflossen, darf ich wohl sagen, seit jencm
denkwürdigen Ereignis, welches beinahe die gesamte deutsche
Bnrschenschaft, Jung und Alt, in Thüringens wald- und berg-
begrenzter Wartburgstadt, in dem lieblichen Eisenach ver-
einigte. Wer von uns, die wir das Glück hatten, daran teil-
nehmcn zu können, stcht nichr jetzt noch voll und ganz unter dem
Eindruck dieser erhebenden, herrlichen Feier, wcm sollten nicht
begeisternde Erinnerungen geblieben sein von diesem für uns
deutsche Burschenschafter so bedeutungs- nnd ehrenvollen
Festel Die Einweihung des Burschenschafts-Denkmals, die
in so glcmzvoller, echt burschenschaftlicher, patriotischer Weise
vor sich gegangen ist, hat uns unverhohlen in Wort und That
gezeigt, wie stattlich und blühend die deutsche Burschenschaft
dastcht. Der deutsche Geist, der von jeher, von ihrem An-
fang an die Burschenschaft belebt hat und einer ihrer schönsten
nnd wichtigsten Faktoren gewesen ist, er hat bewiesen, was er
bei fortgesetzter Bethätigung erreichen kann. Jn bewunderns-
werter Grötze nnd Herrlichkeit steht heute die deutsche Bur-
schenschaft da. „Vereint' sind auch die Schwachen mächtig",
heitzt ein altes, hier wohl richtig gebrauchtes Wort! Wenn
man bedenkt, wie im verflossenen Iahrhuiidert, zn Beginn des-
selben, Verfolgung anf Verfolgung die deutsche Burschenschaft
traf, wie die Feinde durch Verstellung und Vcrleumdung ihrer
edelsten Prinzipien: „Ehre, Freiheit, Vaterland", sie zu über-
rnmpeln und zu unterdrücken suchten, und wie sie trotz all
dieser Anfeindungen so groß und herrlich ncu aufblüht, — wenn
sie anch erst unter Ringen und Mnhen sich davon wieder be-
frcien und erheben konute, so ist es in dcr That berechtigt,
zu sagen, der echte deutsche Geist hat in den Wcnigen vereinigt,
die ihn dann weiterpflanzten, Grotzcs vollbracht. Ich habe
nicht die Absicht, Jahrzehnt für Jahrzehnt hier vor Jhnen,
liebe Burschenschaster, zu entwickeln, Jhnen die Ebbe und
Flut, so darf ich wohl sagen, während des Bestehens der Bur-
schenschaft vor Augen zu führen und Sie jetzt zu langweilen —
da Sie dieselbe ja alle schon kennen und die vielen älteren
Herren genauer wie wir jüngeren Semestcr. Mich bewegt
vielmehr ein Anderes. Der Wunsch, der Geist, der bisher
unser Haus, unsere Bnrg beseelt und bcschirmt hat, möge
weiter uns beschützen, damit die deutsche Burschenschaft blühe,
wachse und gedeihe. Und diesem meincm Wunsche, der ja
wohl unser Aller mniger Wunsch ist, wollen wir nach alter stu-
dcntischer Art und Weise Ausdruck geben, indem wir eine»
Salamandcr reiben auf ein ewiges vivat, ereseat, üorsat die
deutsche Burschenschaft.

** DieNebenbahn Manirheim-Weinheim Heidelberg-Mann-
heim hat im Mai 5652 Mk weniger als im gleichen Monat des
Vorjahres vereimmhmt. Der Ausfall schreibt stch ausschließlich
vom Personenverkehr her. Das schlechte Wetter des Mai spiegelt
sich deutlich in dieser Rechnung. Auch bei den anderen badischen
Nebenbahnen findet man im Mai überall ein Weniger in der
Einnahme aus dem Personenverkehr, z. B. bei Karlsruhe-Herren-
alb und Ettlingen-Pforzheim 8474 Mk.; nur Müllheim-Baden-
weiler hat ein kleines Mehr von 244 Mk. Der Güterverkehr hat
der einen Hälfte der Nebenbahnen ein Mehr, der anderen ein
Weniger gebracht. Meist handelt es sich dabei nur um gering-
fügige Summen.

O Nichtigstellung. Jn der Besprechnng der Weis'schen Oper
„Der polnische Jnde" wnrde irrtümlicherweise das Erckmann-
Chatrian'sche Original als Novelle bezeichnet. Es soll dafür
„Drnumtisches Charakterbild" heißen.

-i- AuSstcllmrg. Eine interessante Ausstellung ist von heute
an im goldenen Römer zu sehen. Ein Liliputanerpaar, sowie
ein Knabe, welcher am ganzen Körper behaart ist. Die Aus-
stellung dauert nur einige Tage (siehe Jnserat im heutigen
Blatte) und es dürfte sich empfehlen, derselben recht bald
einen Besuch abzustatten, da man etwas Derartiges so bald
nicht wieder sehen dürfte.

-s- Grober Unfug. Ein grober Unfug wurde heute Nacht
an dcm Witterungsbeobachtungskasten an der neuen Brücke
verübt, indcm die Scheibe eingeschlagen wurde. Auch ist
daraus ein Barometer gestohlen worden.

Bcsitzwechsel. Von Frau Baumeister Ueberle, Witwe,
kaufte das Haus Nenschulhausstratze 30 Herr Fleischermcister
Müller um den Preis von 78 000 M.

— Polizeibericht. Ein Kellner wurde wegen groben Un-
fugs, Ruhestörung und Widerstands verhaftet. Zur Anzeige
kamen fünf Personen wegen Unfugs und eine wegen Körperver-
Ictznng.

? Von der Bergstratze, 25. Juni. Einem Landwirt ia
Dossenheim wurden von ruchloser Hand auf seinem Grnndstück
drci schöne, starke, junge Kirschbäume auf Meterhöhe voM
Boden abgesägt. Die Wnrzeln mit den Slammsrümpfen grnb
der also Geschädigte aus und befestigte dieselben mit-
telst Draht an einem am Wege stehenden Baumstamm. Urn
dem Missethäter, falls dieser abermals am Ort seiner That
vorübergehen sollte, mit einer ernsten Sprache ins Gewissen
zu reden, befestigte er am Ort der That über den abgesägtcn
Stämmen an eincm Baumstamm ein KLstchen, in das ein
Papierblatt eingehängt ist, auf dem folgendcr wort- und buch-
stabengetreue Zornesergutz jctzt noch zu lescn ist: „Hier Clender
Schuft, stehen die ferstimelte Bäumme An denen Du Dich ge-
recht hast. Aber die Gerechtigkeit Gottes Wird sich einst aucy
an Dir Rcchen, Gott allein hatt die Rache, das kann nur ein
schlechter Mensch, Ein drunksichtiger Mensch, Ein Missgünstigec
Mensch, Ein vom Täuffcl Eingenommerer Mensch. Mensch-
denk an Deinen Todt, Dn hast einen dreifachen Mord be-
kangcn. Der beschädichte Eichendimer."

UO Mosbach, 25. Juni. (Schloh B i l l i g h e i
Das tcilweise vom Brande zerstörte gräflich Leiningensch^
Schlotz Billigheim wird, der „Bad. Neckztg." zufolge, dem Erd-
boden gleichgemacht und nicht wieder anfgebaut werden. Für
die Gemeinde Billigheim bedeutet das eine erhebliche Ein-
butze an Umlagen, was für sie um so empfindlicher ist, als
dieselbe auch durch die Auflösung des Bärschen Geschäftes, sa^
wie den Nichtweiterbetrieb der ehemals WestheimerscheN
Mühle ein ganz beträchtliches Steuerkapital verliert. Ob
sich uach Aufgabe des Bärschen Geschäftes die israelitisH
Gemeinde Billigheim wird halten können, dürste sehr fraglich
sein.

z- Cppingen, 25. Juni. (Besuch.) Gestern machte dec
Historische Verein Heilbronn einen Ausflug hierher. Ec naM
 
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