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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 125-149 (2. Juni 1902 - 30. Juni 1902)
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giebt geschichtliche Pückblicke zu beiden Punkren und beantragt
riamens der Äommission Aimahme in der Fassung der Zweiten
Kammer. Was die Lehrcrpctition betrifft (der Ersten Kam-
mer ist nur eine Petition zugegangen), so isr der Teil, der
sich mit den Gehaltsverhülrnissc» beschüfrigr, durch den Ge-
setzentwurf erledigr. Weiter wird die Beseirigung der Kir-
chenaufsicht beantragt; dcm tann die Kommission uicht zustim-
mcu. Sic wünschr nichr jcdcs Band zwischen Kirche und
Schule zerschnitten zu sehen. Jn der Ausübung dcr Liirchen-
aufsicht erblickt die Kommission nichts Hcrabwürdigendes, son-
dern glaubt, datz sie zur Befestigung des Ansehens der Lehrer
dienc, wie denn die Kommission öer Änsicht ist, daß der Lchrer
ikünftig auch ohne Zwang Organist sein werde. Diesen Punkt,
ivie auch den betreffend den Diätenbezug bei Lehrerkonferenzen
beantragt die Kommission nicht cmpfehlend, sondern nur zur
Kenntnisnahme zu überweisen. Von allgemeineu Gesichrs-
punkten aus schildert schlietzlich der Redner die Bedeutung des
Lehrerstandes für das Volksleben. Unsere Volksschule ist
eine Waffe im Kampf ums Dasein mir anderen Völkern, die
tvir nicht rosten lassen dürfcn. Datz die deutsche Volksschule
von andern Ländern überholt sei, bezeichnet Redner als eiue
haltlose Vcrzerrung, die fälschlich eincm Historiker zugcschrieben
tverde. Nur in einigen Schweizerkantoncn und in Schweden-
Norwegen stehe die Volksschule auf glcicher Höhe wie bei uns.
Auf dcr errungenen Höhe wollen wir sie auch erhalten. Bei
der Neuregeluug des Gehaltstarifs würden die Lehrcr aus-
giebig bedacht werden. Jetzt schon stünden unsere Lehrer
besser als die preutzischen uud württenrbergischen Lehrer; nur
Hessen sei etwas voraus. Die ganz vortrefflichcn würlrem-
bergischen Schulen bezeugten, dah die Leistung nicht in direkter
Beziehung zu dem Einkommen der Lehrer stehe. Redncr kommt
auf die Agitation der Lehrer zu sprechen, die zum Teil an-
stößige Formen augenommen habe. Zur Erklärung führt er an
die gleichmätzige und abgeschlosseue Bildung, die den Lehrern
im Seminar zuteil wird; dabei fehle aber oft die Ansicht, datz
dieses Wissen nicht alles Wissen ist. Daher das gesteigerte
Selbstbewußtsein, der Stolz.» Ferner sei zu berücksichtigen die
Leichtigkeit in der Handhabung der Feder, die dazu verführe,
die Standesinteressen möglichst „energisch" zu vertreten. Zwei-
fellos würden die Lehrer ihrer Sache besser dienen, wenn sie
andere Formen der Agitation wählten als diese, die, weil
sie über das Ziel hinausschietzen, auf die matzgebenden Kreise
keinen Eindruck machen. Redner bcspricht noch die Halbtags-
schüle, die nicht mehr genüge, die Klassenüberfüllung, die er der
Regierung zur Beachrung empfiehlt, die Universitätsbildung, die
er nicht für nötig hält, wcnu auch das Hören von einzelnen Vor-
lesungen wie in Sachsen guten Erfolg habe, und die notwendige
Bermehrung der Kreisschulräte.

Prälat D. Helbing freut sich der Besserstellung der Leh-
rer und hätte ihnen mehr gewünscht, wenn es finanziell an-
gegangen wäre. Der Paragraph 38 (Organistendienst) hätte
nicht aufrecht erhalten werden können; immerhin wolle er dem
Paragraph bei der Abschaffung einige Geleitsworte mitgeben.
Derselbe verdanke seine Entstehung dem Wohlwolleu, das der
Staat der Kirche erweisen zu sollen glaubte, indem er das
Orgelspiel beim Gottcsdicnst sicher stellte. Jn den 38 Jahren
des Bestehens habe es in dcr cvangclischcn Kirche lange Zeit
gar keine Differenzen gegeben. Dann seien in den letzten
Jahren im Ganzen fünf Konfliktsfälle entstauden, die mit dcm
Zwang nichts zu thun hatten, obwohl sie an den Paragraph
anknüpften. Die Agitation in der Presse habe die Sache so
dargestellt, als liege ein dringendes Bedürfnis vor. Wenn
der Paragraph 38 als Hindernis erscheine, so sei es das beste,
ihn abzuschaffen; diesen Standpunkt habe auch die evangelische
Generalsynode eingenommcn. Redncr glaubt, datz der grötzte
Teil der Lehrer seiner Kirche freundlich gesinnt sei und auch
künftig gegen angemesseue Entlohnung das Orgelspicl üüer-
nehmeu werde. Manchen armen Gemeinden sei es allerdings
unmüglich, grötzere Vergütungen zu leisten, da werde vielleicht
das Orgelspiel ausfallcn nnd ein kirchlicher Mitzstand cin-
treten. Jetzi versichere die Regierung, datz an den Seminaricn
das Orgelspiel weiter gelehrt werde, man habe jedoch kcine
Gewähr, wie lange dieser Standpunkr festgehalten werde. Das
hinzugekommene Französisch nnd andere neue Fächer könnten
leicht das Orgelspiel zurückdrängen; ganz abgeschafft könne die
Musik natürlich wegen ihres Wertes als Bildungsmittel nicht
Merden, aber man werde sich vielleicht mehr dem Klavier- uud
Violinspiel zuwenden. Trotzdem hofft Redner, datz es der
Kirche nicht an Organisten fehlen wird. Hebe man den Para-
graph 38 auf, weil er der Lehrer unwürdig sei, so müssS
man noch viel mehr dic K i r ch e n a u f s i ch t auf-
ih eb en. Hier sei die Kommission nicht konsequent. Jn den
Städten und vielen Landorten sei die Aufsicht gar nicht mög-
lich. Sie stehe auch mit dem Lehrerberuf nicht in Zusammcn-
hang. Die Eltern und Kirchenältesten hätten die Pflicht,
die Kinder zu beaufsichtigen, und sie dürften dies nicht aus
Bequemlichkeit dem Lehrcr zuschiebcn. Die Regieruug möge
bei einer Revision des Gesetzes die Kirchenaufsicht falleu lassen.
Nedner stimmt dem Kommissionsantrag zu.

Freiherr v. Göler hat bei keiner Budgetposition die
Cbbe der Staatskasse so bedauert, wie bei dem Volksschuletat.
Er verkennt nicht, was bereits geschehen, aber man müsse reich
gewähren, um das wichtige Jnstitut der Volksschule zu för-
Lern. Feder Hausvater rücke gern ein Stück Vermögen daran,
nm seincn Kindern eine gute Erziehung zu verschaffen. Das
Wudget enthalte viele Positionen, die er gerne daran gegeben
hätte, um den Lehrern die noch gewünschten 120 000 M. zu
verschaffen. Redner schildert die Fortschritte der llnterrichts-
methode, die in den letzten 25 Jahren in Stadt nnd Land
gemacht wurden; dafür spricht er der Regierung und den
Lehrern Anerkennung aus. Jn erzieherischer Hinsicht seien
die Schulen eher zuriickgcgange». Daraus soll dcu Lehrern
kein Vorwurf gemacht werden, denn sie müssen zuviel und zu
Vielerlei unterrichteu. Der Sinn für Erziehung habe über-
haupt abgenommen, durch alle Kreise hindurch, wofür Rcdner
drastische Beispiele anführt. Er wünscht, datz die Regierung
diese Seite des Volksschülwesens wieder mehr ins Auge fasse.
Das könne nicht ohne bedeutende Steigerung der Ausgaben
geschehen, allein dafür wäre dem Redner nichts zu viel. Wir
müssen mehr Lehrer und bessergestellte Lehrer haben. Jn der
Zweiten Kainmer habe mqn eincn Lchrcr blotzgestellt, weil er
einem ungezogenen Juugen cine Ohrfeige gab; dieser Tadel
schade mehr als 1000 Ohrfcigen, dcnn er erschüttere die Auto-
rität der Lehrer, die gekräftigt werden solle. WaS Pralat
Hclbing über das Organistenwesen sagt, cignet sich Redner an;
bezüglich der Kirchenaufsicht sollte der Lehrer selbst sich nicht
ganz befrcien wollen.

Ministerialpräsident Freiherr v. Dusch begrützt den ?ln-
trag der Kommission und ist ganz einverstanden, datz es wün-
schenswert gewesen wäre, in der Gehaltsaufbesserung weiter
zu gehen, datz aber die Finanzlage Schranken zog. Wie weit
man künftig gehen werde, sei heute nichl zu erörtern, auch nicht
die Frage, ob Einreihung in dcn Gehaltstarif oder Spezial-
Hesetz. Jedenfalls werde sich eine starke Bclastung der Staats-
kassc ergeben und man müssc fragen, ob nicht auch die Gemein-
den zu dieser Schullast heranzuziehen seien. Redndr erklärt
die jetzige Art des Diätenbczugs für eine Begünstigung der
Lehrer; die Regierung werde die Frage prüfen. Der Orgel-
paragraph sei nicht zn halten, aber die Regierung wünschte,
datz eine praktische Aenderung nicht einrritt. An die Aufhebung
des Orgelunterrichts in den Seminarien denke die Regierung
nicht und werde auch in zehn Jahren nicht daran denken; das
Orgelspiel werde seinen Platz behaupten. Bezüglich der Kir-
chenaufsicht waren dic Vorredner nicht üüereinstimmend. Prä-

lat Helbing iverdc Recht behalten, daß die Konsequenz zur Auf-
hebung der Kirchenaufsicht führen wird. Diese sei am besten
durch die Äirchenältcsten auszuführen. Der Paragraph 18
der Dienstweisung verpflichte den Lehrer, das ungehörige Ver-
halren dcr Kinder autzerhalb der Schule zu beachten, daher
befreie ihn die Aufhebung der Kirchenaufsicht nicht ganz von
der Vcrfolgung der Wahrnehmungen, die er als Kirchenbesucher
mache. Von der Agitation will Redner nicht sprechen; er
hofft, datz nach Annahme des Gesetzes die Lehrerpresse ihren
Ton mätzigcn wcrde. Redner wiederholt, datz die Vermehrung
der Kreisschulräte in Aussicht genommen sei; die Vermehrung
der Lehrer an überfüllten Schulen, die Herabsetzung der Maxi-
malzahl seien Finanzfragen. Ueber das Universitätsstudium
spricht sich der Minister übereinstimmend mit dem Berichter-
statter aus.

Ohne Spezialdiskussion werden die einzelnen Artikel des
Entwurfs aiigenommen und hierauf der ganze Gesetzentwurf
einstimmig. Ebenso einstimmig der Kommissionsantrag auf
Ucberweisung der erwähnten Punkte der Petitionen zur Kennt-
nisnahme.

Dann beschäftigte sich die Erste Kammer mit dem Eise n-
b a h n b a u - B u d g e t. Den Bericht über diesen Teil der
Sitzung tragen wir morgen nach.

Karlsruhe, 26. Juni. Die Zweite Kammer
erledigte einige Petitionen und überwies dabei die Eingaben
um Erbauung der Bahnen von Pforzheim nach Bretten,
von Krozingen nach Breisach und von Langenbrücken nach
Waibstadt, bezw. Mingolsheim nach Philippsburg der Re-
gierung zur Kenntnisnahme.

L.6. Karlsruhe, 26. Juni. Der Bericht der
Budgetkommission der 2. Kammer über den Nach-
trag zum Budget des Ministeiiums des Jnnern betr. d e
Errichtung zweier neuer Jrre uanstalten, 1. Rate,
ist vom Abg. Wacker erstattet und umfaßt 45 Seiten.
El beginnt mit einem Ueberblick über die Geschichte der
Jrrenpflege in Baden sowie mit einer Schildernng des ge-
genwärtigen Standes derselben. Die Fürsorge für Geistes-
gestörte ist danach keineswegs auf die 5 staatlichen An-
stalten beschränkt. Ein großer Prozentsatz ist in den 9
Kreispflegeanstalten untergebracht. Man dürfte kaum fehl-
gehen, wenn man auch ohne bestimmtes Zahlenmaterial den
1200 geisteskranken Jnsassen der 9 Kreispflegeanstalten
außerdem noch einige Hundert zuzählt, die in Spitälern
und ähnlichen Anstalten untergebracht sind. Einige weite e
Hundert befinden sich in den Anstalten, welche private
Wohlthätigkeit ins Leben gerufen hat. Die Notwendigkeit
eines Ersatzes der Anstalt in Pforzheim ist schon seit Jahren
anerkannt worden. Es wären hierfür 1 oder 2 Anstalten
mit mindestens 650 Plätzen erforderlich. Jn den letzten 30
Jahren ist der Krankenstand aller staatlichen Jrrenanstalten
von 970 auf 2407 gestiegen. Die Gesamtzahl der in
einem Jahre in allen Anstalten Verpflegten ist
im gleichen Zeitraum von 1461 auf 3559 gestiegen.
Die Platzfrage für die beiden neu zu errichtenden
Anstalten ist einer genauen Untersuchung unterzogen worden,
Die Regierung schlägt auf Grund derselben vor: für die
Budgetperode 1902/3 als I. Rate 400000 Mk. zu be-
willigen und zwar 390 000 Mk. für die Erstellung einer
Anstalt bei Wiesloch, 10000 Mk. zu Vorarbeiten für
eine solche beiReichenau. Die Kommission empfiehlt bei
Stimmenenthaltung eines Mitgliedes mit allen gegen eine
Stimme diesem Antrage zuzustimmen und die geforderten
400000 Mk. zu bewilligen. Ferner beantragt sie die
Petittonen von Eppingen, Adelsheim rc. wie auch die
Petition von Thiengen in Sachen der Oberländer Anstalt
sür erledigt zu erklären. Die Kosten für die Anstalt
bei Reichenau sind auf 3 Millionen, die der Anstalt bei
Wiesloch auf 5 Millionen veranschlagt. Der Bericht erklärt
es schließlich für wünschenswert, wenn bereits dem nächsten
Landtage eine Vorlage betr. Errichtung einer Trinkerheil-
stätte unterbreitet würde, wie ja eine solche bereits vom
Justizministerium, wie ja anch vom Ministerium des
Jnnern als ein dringendes Bedürfuis bezeichnet worden sei.
Als eventuellen Platz hierfür werden entweder das Gelände
bei der kleinen Seekreisanstalt oder die Mitte des Landes,
die Gegend von Ottersweter bezeichnet.

Heffen.

Darmstadt, 26. Juni. Der IV. Ausschuß der
Zwejien Kammer hat Bericht erstattet über den Antrag
Pennrich und Brentano betr. die Ueberfah r tsv erhält-
nisseBingen-Rüdesheim. Der Antrag wurde ver-
anlaßt durch den am 17. April 1900 vcrgekommenen
schweren Unglücksfall, bei dem auf dem Rhein 18 Personen
zwischen Bingen und Rüdesheim ihr Leben einbüßten.
Der Ausschuß beantragt an dieRegierung dasErsuchen zn
richten, falls die preußische Regierung die Erbauung einer
festen Rheinbrücke zwischen Rüdesheim und Bingen
in Anregung bringen sollte, diese Angelegenheit im Jnter-
esse der Stadt Bingen und der anderen umliegenden hesst-
schen Gememden ebenfalls in wohlwollende Erwägung zu
ziehen.

Darmstadt, 26. Juni. Die Zweite K a in-
mer beriet gestern und heute den Gesetzentwurf betref-
fend die Wo h n u n g s f ü r s o r g e für Minderbemit-
telte; das Gesetz soll nicht nur für große Städte gelten,
sondern anf alle Gemeinden über 5000 Einwohner aus-
gedehnt werden. Es sieht ferner die Schaffung einer
Wohnungsinspektion als Organ der Wohlfahrtspflege
vor, sowie die Forderung der Erbauung von Wohnungen
für Minderbemittelte. Das Gesetz fand einstimmig An-
nahme.

Aus der Karlsruher Zeitung.

Karlsruhe, 26. Juni. Gestern Abend unter-
nahmen die Großherzoglichen Herrschaften mit der Kron-
prinzessin von Schwcden und Norwegen eine Fahrt nach
Schlotz Eberstein und verweilten dort einige Stunden
bei schönstem Wetter. Heute Mittag empfing der Groß-
herzog den Generalmajor z. D. v. Schubka, bisher
Kommandeur der Gendarmerie-Brigade in Elsaß-Loth-
ringen, welcher von Straßburg kam und sich bei Seiner

Königlichen Hoheit verabschiedete. Heure Abend verläßt
die Kronpriiizessin Biktoria dic Hochsten Herrschasten, um
nach Lchweden heimznkehren. Die Bessernng im Be-
finden Fhrer Königlichen Hoheit hält an, dieselbe bedars
aber noch großer Schonung.

Wlrgerausfchnßsihung.

^ Heidelberg, 26. Juni.

Vor Erostnung der isitzung wird die Wahl oon Mitgliedcrn
des Stiftungsrates des Landfriedschen Bürgerstifts vorgenom-
men. Es werden gcwählt die Herren Hermann L a n d f r i e d,
die Stadträte Krall, Ellmer und D i l g, Bankdirekior
Krastel nnd Privatmann Johann T r a u.

Darauf eröffncte Oberbürgermeister Dr. Wilckens kurz
nach 5 Uhr die Sitzung. Der Namensaufruf ergiebt die An-
wesenheit von 78 Mitgliedern, die Bersammlung ist also be-
schlutzfähig.

Punkt 1 der Tagesordnung, die Rechnung der städt. Spar-
kasse fiir 1901 betreffend, wird ohne jede weitere Diskussion
einstimmig äls verkündet crklärt.

Die G a s v e r s o r g n n g v o n H a n d s ch u h s h e i m,
welche uoch in diescm Jahre hergestellt werden soll, obgleicb
der Sliischlutz Handschuhsheims erst am 1. Januar uüchsten
Jähres erfolgt, wird ebenfalls ohne Diskussion einstimmig ge-
nehmigt.

Punkt 4, die ll e b u ii g s p l ä tz e für die hiesige Garnison
betreffend, cmpfichlt Bürgermeister Wielandtan der Hand
der gedruckten Vorlage. Nach kurzcii Bemerkuugcu seirens
der Herren G o o s, Walz uud W i l ck e n s wird auch diese
Vorlage einstimmig geuehmigt.

Es folgt nim wohl der wichtigste Gegenstand der heutigen
Tagcsordnung, die Verlegung der Kellerschen
Fabrik, wozu die Stadt eiucu Bcitrag von 17 000 Mark
leisten soll. Der Obmaiiu des Stadtoerordneteuoorstandes
crgreift hierzu das Wort uud empfiehlt die Vorlage warm.
Er führt aus, datz die Aulage einer derartigeri Fabrik zur
Jetztzeir iiicht mehr in das Rohrbacher Viertel patzt. Die
ganze Umgegend besteht aus Villen.. Der Rauch und der
Lärm eiuer derartigeu Fabrik beeinträchtige den Wert des
dortigeu Villenbaugeländes sehr, besonders ist aber die Feuer-
gefährlichkeit einer chemischcn Fabrik ins Auge zu fassen.
Bereits 1873 sei die Fabrik zum erstenmale abgebrannt und
es sei ein Wiederaufbau scinerzeit wohl nur geschehen, weil
die Gaisbergstratze und die Rohrbacherstratze noch nicht so be-
baut gewesen seien. Auch hätte man früher an dic Zukunfts-
fragen der einzelnen Bauviertel nicht so gedacht, wie hentzu-
tage, da man die ungeheure Eutwicklung der Städte im letzten
Jahrzehnt erlebt habe. Die Feuergefährlichkeit der Kellerschen
Fabrik besteht hauptsüchlich in dem Vorhandenseiii vieler
feuergefährlicher Gegenstünde im Keller, dereu polizeiliche Ue-
berwachuug in Bezug auf die Einhaltung des richtigcn
Matzcs gar schwer wäre. Als Ankaufspreis haben
die Besitzer 400 000 M. gefordert, dcm gegenüber der jctzt ge-
fordcrte Beitrag der Stadt iu Höhe vou 17 000 M, ein ge-
ringer zu nemien sei, zumal sich die anstotzenden Villenbesitzer
zur freiwilligen Zahlung eiues Zuschusses von 8000 M. bereit
crklärt hätten, und zumal die Besitzer der Fabrik ihre For-
derung früher auf 100 000 M. uormiert hätten. Eine kurze
Unterhaltung entspinut sich nur noch über die Erfüllung des
Paragraph 4 des Vertrages, nach welchem auf eiu Entge-
genkommen der Generalbrandkasse gerechnet werden mutz.
Diese Frage wird vom Stadtverordneten WoIf angeregt,
der Borschende hofft auf Eutgegenkommen seitens des Mini-
steriums des Jmierii und hebt noch eiumal die Vorteile hervor,
die dem Rohrbacherviertel durch Geuehmigimg der Vorlage zu-
teil würden. Herr Ebert begrüßt ebenfalls die Vorlags
uud sagt aus, datz ihm ein hoher Chemiker erklärt habe, datz
tvenii die 1896 im Keller gelagerten Chemikalien in Brand
geraten wären, eine grotze Explosion stattgefunden haben
würde, wodurch die Umgebung vollstäudig zerstört worden wäre.
Ein ähnlicher Fall sei im oergangenen Jahre in Nkanchester
vorgckommen und sei bei dem dortigen Braude eiu ganzer
Stadteil verwüstet. Oberbürgermeffter Dr. Wilckens benutzt
die Gelegenheit, um der Freiwilligen Feuerwehr für ihr ener-
gisches Eingreifen beim Brande des Kellerschen Ilnwesens
1896 seine Anerkennung auszusprecheu und zu sagen, datz nur
durch ihr schnelles und rechtzeitiges Entfernen der Explosiv-
stoffe aus dem Keller ein grötzeres Unglück verhütet worden ist-
Auch diese Vorlage wird einstimmig gutgeheihen.

Die Erwerbung des Aiiwesens Untere Neckarstr. 10s
empfiehlt Bürgermcister Dr. WaIz, obgleich sie ja nicht gerade
nötig wäre, ste würde aber eine gute Arrondierung des iu
dieser Gegeud befindlichen stüdtischen Besitzes zur Folge haben
und sehr gut verwendet werden könneu. Auch ihr toird
eiustimmig zugestimmt.

Ebenso erhebt sich betreffs Beizugs der Ilnstötzer zu den
Kosten der Stratzenherstelliingeii in der Kronprinzenstratze
u. s. w. kein Widerspruch.

Die Einführung der e l e k t r. Beleuchtung im T h e a^

ter empfiehlt der Obmauu des Stadtverordiieteiivorstandes

wärmstens, da sie in Bezug auf Feuergefahr, Hitzeentwicklmlg
und Lichteffekte bedeutende Vorteile biete. Auch die Für^
sprecher für einen Neubau eines Stadttheaters hier, von den>
schon in der hiesigen Presse ab und zu die Rede wäre, würdeu
wohl gerne diese Forderung bewilligen, zumal von der Er^
richtuug eines solchen für die nächste Zeit wohl noch nicht dw
Rcde sein könne. Erst 1896 seien 100 000 M- zum Ilusbau deS
jetzigen bewilligt wordeu. Selbst die vor kurzem hier auwesenden
Mannheimer hütten sich übcr die hiesigen Bühnenve^
hältnisse im Gegensatz zu den Maiinheimer sehr güiistig aps^
gesprochen, wenn ja auch nicht zn bestreiteii Iväre, datz eiN
Vergrößerung der Bühne und der Requisiteuräume sehr wün-
scheuswert wäre. Bürgermeister Dr. Walz weist noch kurz am
die uuerträglichen Zustände hin, dic durch die Hitze auf dem
Schnürboden entständen und die eineii aufmerksamen dlufenj"
halt der Feuerwehr dasclbst uumöglich machten. Auch diel

Vorlage wird ebenso wie derAnkauf e i n e r K i e s g r u v

einstimmig angenommcn.

Der letzte Punkt der Tagesordnung betrifft die Wer^
stratze hicr und zwar die Herstellung der Strecke Mi>a^
Schröder- und Mönchhofstratze. Die Herstellung wird
Bürgermeister Walz an der Hand der gedruckten Vorlage
fürwortet. Herr S e n d e l e möchte gern einen Fortschr'
an dem aiigefangenen Neubau des Herrn Ildelhelm sehen M
bittet ferner um Durchführung der Werderstratze als Zufahr
straße bis zum Neckar. Bürgermeister Dr. Walz würde rbe
falls gern beide Punkte erledigt sehen, setzt aber die Schw^
rigkeitcn, die zu überwinden sind, auseinander. Herr
ger bittet um Herstellung der Schröderstratze zwischen
der- und Kepplerstratze, zumal sehr viel Arbeitsuchende
Heidelberg wären. Letzteres schlietzt Herr Jörger dara
daß so viele Arbeiter nach Beschäftigung bei ihm borspraw
Dem Borsitzenden ist von eiuer Arbeitslosigkeit in Heidew .
nichts bekannt. Wenn Herr Jörger so viel belästigt wu
so müsse das wohl an dem Mangel an polizeilicher
in seiner Gegend liegen; er rät ihm zu einer hierauf beZUllff
Eingabe an das Bezirksamt. Daraufhin imrd auch diese wy ^
Vorlagc einstimmig genehmigt und die Sitzung geschlossen.
 
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