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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 17.1906

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Vogt, Adolf: Ein neues Atelier für Wohnungs-Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.12313#0009

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INNENDEKORATION

XVII. SHHRGHIIG, Darmftadt 1906. SHIUIHR-HeFT,

EIN NEUES ATELIER FÜR WOHNUNGS-KUNST.

Wenn man die Schöpfungen unseres moder-
nen Kunstgewerbes mit einander ver-
gleicht, so kann man sehr starke Ver-
schiedenheiten konstatieren; Überraschungen kamen
auf Überraschungen; oft schien auch der Zweck
all der Neuheiten gar kein anderer zu sein, als
eben zu überraschen und zu blenden. Gegenüber
diesen langjährigen, heftigen Schwankungen, von
denen man zuweilen glaubte die Seekrankheit be-
kommen zu müssen, bietet das englische Kunst-
gewerbe der gleichen Zeit einen sehr friedlichen
Anblick. Die paar Schotten ausgenommen, die aber
ihren einmal usurpierten eigenen Stil auch konse-
quent beibehalten haben, trägt die ganze übrige
Produktion einen einheitlichen, ausgeglichenen,
ruhigen Charakter. Während bei uns noch tastendes
Suchen war, sah man dort in fast ununterbrochener
Reihe reife Schöpfungen entstehen. Gegenwärtig
klärt sich ja auch bei uns der gährende Most,
aber dessen ungeachtet können wir noch immer
sehr, sehr viel von England lernen, mit dessen jahr-
hundertalter Wohnkultur es unsere Improvisation
noch nicht aufnehmen kann.

Damit soll nicht gesagt sein, dass für unser
Kunstgewerbe der besondere englische Stil in den

Einzelheiten, in den Formen vorbildlich sein müsse.
Vorbildlich ist er nur im Geiste, in der Weise,
wie er sich zum Leben stellt. Der englische Stil
ist eine Begleiterscheinung einer ausgereiften, mo-
dernen Kultur in spezifisch englischer Fassung.
Unsere Aufgabe ist es, einmal ebenfalls zu einer
modernen Kultur zu gelangen und ihr dann, für
unseren Gebrauch, einen spezifisch deutschen
Stempel aufzudrücken.

Die künstlerische Phantasie hat bei uns in
den letzten Jahren in formaler Hinsicht Enormes
geleistet. Sie hat in einem Jahrzehnt an neuen
Formen mehr erzeugt, als die Engländer in einem
Jahrhundert. Allein wir beginnen jetzt allmählich
einzusehen, dass diese äusseren Formen durchaus
nicht so wichtig sind für die Reform unseres
Wohnwesens. Stilvoll wird eine Wohnung nicht
durch die Einheitlichkeit der Ornamente und Profile,
nicht durch die äusserlichen »Stil-Elemente«; die
Einheit und der Stil müssen von innen heraus be-
gründet sein. Wo ein starker, kultivierter Wohnungs-
geist herrscht, ein Wohngeist, der freilich von
unserer Geselligkeit, ja von der gesamten persön-
lichen Kultur nicht zu trennen ist, da allein ist
Stil; dieser Wohngeist aber bestimmt die Gegen-

1806. LI.
 
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