IQO
INNEN-DEKORATION
RTCHARD HIRSCHL—PRAG. Cafe im Hotel Stefan—Prag. Ausgeführt von der Möbelfabrik Heinrich
Rohrs—Prag. Prima-Vera-Holz mit Intarsien in Cocola, Ebenholz und
Perlmutter. Wände und Tischplatten aus Rosa-Diamant-Marmor. *
DIE MIET-WOHNUNG.
Fortsetzung aus dem Juni-Heft 1906.
V. Utopien.
Zu Mietwohnungen bestimmte Häuser sollte man
ganz »charakterlos« bauen, nach einem uni-
formen Schema. Prinzip: alles Angenehme im
Innern, die Außenseite nichts als »Rückwand«.
Allmählich würde so der einzig mögliche moderne
Großstadtstil sich ausbilden: das Kasernenbild. Das
ist nicht etwa Ironie, sondern ehrliche Überzeugung.
Das liebe alte Bürgerhaus, dessen ehrliche innige
Züge ich so gern erhalten sähe, muß dem Miet-
koloß weichen: das ist brutales Recht des Stärkern,
beileibe nicht — Auslese des Tüchtigsten. Es fragt
sich nur, was an die Stelle der alten Kultur zu
treten hätte. (Denn dieses liebe alte Bürgerhaus
war »Kultur«.) Und da gibt es für Einsichtige nur
eine Antwort: das Einfachste. Nüchtern sei die
moderne Straße, nüchtern — bis zur Karrikatur. Darin
läge eben ihr »Stil«. Heute reißt man ein Goethe-
haus nieder und errichtet auf der Baufläche ein
Protzenungetüm von widerlichem Surrogat»gehalt«
und niederträchtigem »Dekor«firlefanz. »Man«
müsste sich einmal ernstlich die Frage beantworten:
habe ich das Recht zu einer derartigen Beleidigung
des bessern Menschen und seiner Bedürfnisse? Es
wäre Sache einer ästhetischen »Baupolizei«, diesem
Unfug energisch zu steuern. Der Privatmann, der
zu eigener Benutzung baut, sollte gleichfalls der
Kontrolle unterliegen. Ein Villenviertel könnte als
eine Art Ghetto den Unverbesserlichen, den Un-
bekehrbaren angewiesen werden. Die andern aber,
zumal die »Bauunternehmer«, hätten nach dem
Schema »Charakterlos« zu bauen, unweigerlich. Und
INNEN-DEKORATION
RTCHARD HIRSCHL—PRAG. Cafe im Hotel Stefan—Prag. Ausgeführt von der Möbelfabrik Heinrich
Rohrs—Prag. Prima-Vera-Holz mit Intarsien in Cocola, Ebenholz und
Perlmutter. Wände und Tischplatten aus Rosa-Diamant-Marmor. *
DIE MIET-WOHNUNG.
Fortsetzung aus dem Juni-Heft 1906.
V. Utopien.
Zu Mietwohnungen bestimmte Häuser sollte man
ganz »charakterlos« bauen, nach einem uni-
formen Schema. Prinzip: alles Angenehme im
Innern, die Außenseite nichts als »Rückwand«.
Allmählich würde so der einzig mögliche moderne
Großstadtstil sich ausbilden: das Kasernenbild. Das
ist nicht etwa Ironie, sondern ehrliche Überzeugung.
Das liebe alte Bürgerhaus, dessen ehrliche innige
Züge ich so gern erhalten sähe, muß dem Miet-
koloß weichen: das ist brutales Recht des Stärkern,
beileibe nicht — Auslese des Tüchtigsten. Es fragt
sich nur, was an die Stelle der alten Kultur zu
treten hätte. (Denn dieses liebe alte Bürgerhaus
war »Kultur«.) Und da gibt es für Einsichtige nur
eine Antwort: das Einfachste. Nüchtern sei die
moderne Straße, nüchtern — bis zur Karrikatur. Darin
läge eben ihr »Stil«. Heute reißt man ein Goethe-
haus nieder und errichtet auf der Baufläche ein
Protzenungetüm von widerlichem Surrogat»gehalt«
und niederträchtigem »Dekor«firlefanz. »Man«
müsste sich einmal ernstlich die Frage beantworten:
habe ich das Recht zu einer derartigen Beleidigung
des bessern Menschen und seiner Bedürfnisse? Es
wäre Sache einer ästhetischen »Baupolizei«, diesem
Unfug energisch zu steuern. Der Privatmann, der
zu eigener Benutzung baut, sollte gleichfalls der
Kontrolle unterliegen. Ein Villenviertel könnte als
eine Art Ghetto den Unverbesserlichen, den Un-
bekehrbaren angewiesen werden. Die andern aber,
zumal die »Bauunternehmer«, hätten nach dem
Schema »Charakterlos« zu bauen, unweigerlich. Und