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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 17.1906

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Schlicht, Hans: Moderne Villen-Bauten
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https://doi.org/10.11588/diglit.12313#0073

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INNENDEKORATION

XVII. 3HHRGHIN3, Dannftadt 1006. mflRZ-H6?T,

MODERNE VILLEN-BAUTEN.

Schon viel ist über Villenbau geschrieben, so
viel Ästhetik in kluger Form gegeben worden,
(die leider des öftern sofort zu Schanden wird, wenn
der Bauherr energisch seine Wünsche äussert), dass
man sich füglich den belehrenden Ton ersparen
könnte. Es heisst, die Villa soll das Leben ihres
Besitzers wiederspiegeln. Man hört gar oft diese
Phrase, die so wenig definiert werden kann. Würde
man damit die Forderung meinen, dass nur die
Individualität des Bauherrn in seinem Haus sich
ausspreche, so würde zweifellos das ganze persön-
lich-künstlerische Können des Architekten aus-
geschaltet, oder, in andern Worten, der Architekt
müsste die Gabe haben, das Medium des Bauherrn
zu spielen, unbewusst sogar, um diese verrückte
Leistung fertig zu bringen. Der ganze Fortschritt
der Kunst wäre dadurch in Frage gestellt. Der
Architekt hat im Gegenteil die Pflicht, durch seine
Leistung den Geschmack, die künstlerische Gesinnung
des Publikums, insbesondere des Bauherrn, zu
heben. ...

Ein wichtiges Moment unserer Zeit, das durch
unser ganzes Dasein geht, ist der Widerstreit zweier
grosser Strömungen: Zentralisierung und Dezen-
tralisierung alles Lebens. Die eine drängt vom Lande

mächtig herein in die Großstädte, die Menschen-
wohnungen zusammenrückend und mehretagig über-
einander schichtend — die andere strebt nervös
von der Stadt hinweg auf das Land zurück und
würde am liebsten jedem ein Stück unserer
Mutter Erde zuteilen, um jedem das wohltuende
Gefühl eigenen Besitzes zu geben, das widerstands-
fähiger macht im Lebenskampfe, und freiere,
gesündere Menschen erzeugt.

Ein ausserordentlich wichtiges Moment fürwahr,
das in der Gartenstadt- und Familienhaus-Bewegung
recht bezeichnenden Ausdruck gefunden, und uns
eine neue Sorte von Menschen gegeben hat: Stadt-
scheue, die abends nach Geschäftsschluss dem
Häusermeer entfliehen und sich glücklich schätzen,
ein eigenes Heim zu besitzen, vier Wände auf
eigenem Grund und Boden, mit ein paar Bäumen,
einem Kartoffel- und Gemüseacker hinten, mit
einer Laube in einem Garteneck und dem Kom-
posthaufen im andern, vorne nach der Strasse zu
ein paar Blumenbeete. — Untertags der feine
Geschäftsmann, abends im alten Rock mit der
Gartenschaufel in der Hand in der Erde ackernd,
oder ein paar Hühner fütternd. Ein sonderbarer
Kontrast und doch in der menschlichen Natur

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