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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 17.1906

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Jaumann, Anton: Künstler, Fabrikant und Publikum
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https://doi.org/10.11588/diglit.12313#0185

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INNENDEKORATION

XVII. 3HHRG£in<3. Dcirmttadf 1906. OTM-HCTT.

KÜNSTLER, FABRIKANT UND PUBLIKUM.

Wir schreiben heuer »Im Jahre des Heils 1906«
und haben somit das Heil der kunstgewerb-
lichen Reform bereits etliche zehn Jahre auf uns
wirken lassen. Denn so um das Jahr 1896 herum
trat das neue Kunstgewerbe zum erstenmal in die
grosse Öffentlichkeit, da wurde es auf Ausstellungen
zugelassen, die Presse nahm Notiz davon und sogar
eigene Zeitschriften wurden dafür gegründet. Auch
sollen damals schon von einigen Enthusiasten Ein-
richtungen im neuen Stil »gekauft« worden sein.

Was ist nun in der Zwischenzeit tatsächlich
erreicht worden?

Ausserlich genommen ist furchtbar viel ge-
schehen; die Industrie hat sich des neuen Stils be-
mächtigt, der Markt wurde überschwemmt, die
Sachen wurden gekauft und auch die Künstler haben
ein hübsches Geld daran verdient. Aber da ist gleich
zu konstatieren, dass der Künstler die Herrschaft über
die Gebiete der angewandten Kunst, von der er
träumte, nicht errungen hat. Zehnmal so mächtig als
er sind, wie sie es von allem Anfang an waren, der
Fabrikant, der Händler und das Publikum. Denn
diese drei Gruppen sind für ihn die Abnehmer, die-
jenigen Leute, von denen er allerhand Anerkennung
wünscht. Natürlich auch »klingende«. Tausende

von Berufen tun in dieser Beziehung das Gleiche.
Sie erzeugen Waren, die sie auf den Markt bringen
und abzusetzen, zu verkaufen suchen. Von dem
Erlös leben sie. Nur ein Unterschied waltet zwischen
dem Künstler und den andern Erwerbsarten. Er
identifiziert sich in einem gewissen Sinne mit seiner
Ware, er heisst sein Werk sein »Kind«, er nennt
es »ein Teil von ihm selbst«. Und dann, wenn er
mit seinen Erzeugnissen auf den Markt geht, so
empfindet er das als eine Demütigung, als eine
Herabwürdigung des Besten, das er besitzt. Er
vermag seine Ware und seine Persönlichkeit nicht
zu trennen.

Ein unmoderner Mensch ist der Künstler. Denn
die Begriffe »Markt« und »Ware«, gegen die er
sich so sträubt, die regieren das moderne Leben. In
diesem System ist der Mensch nichts weiter als eine
Arbeitskraft, die ihr Quantum Ware produziert____

Alle Peinlichkeiten des modernen Produktions-
wesens musste der Künstler erfahren. Er reibt sich
auf, er opfert seine besten Kräfte dem Werk, das
er schafft, aber den Wert seiner Ware bestimmt
der Markt. Er weiss nicht einmal, ob er überhaupt
einen Abnehmer findet; vielleicht hat er ganz ver-
geblich gearbeitet. Oder aber sein Werk macht

1906. VII. 1.
 
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