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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 17.1906

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Schulze, Otto: Wohnungs-Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12313#0086

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7*

INNEN - DEK OR ATION

prof. h. van de velde. Ausf. : Weimar'sehe Korbkunst-
Industrie, August Bosse- Weimar.

und dass die allerprimitivste Hütte erst Jahrtausende
darnach aus den Vorbildern der überragenden
Baumkrone, des Felsvorsprunges, der natürlichen
oder gegrabenen Tierhöhle, hohler Baumstämme,
der Tier- und Vogelnester entstanden sein mag.

Die ersten Menschentiere hatten ja noch aus-
gesprochene Tierinstinkte, wenn auch schon in jener
Steigerung, die zur Herrschaft und Ausnützung
gegebener Verhältnisse eine überlegene Stellung ein-
nimmt. Dauerwohnsitze dürften die ersten Menschen
kaum gehabt haben; diese haben sich eben jeweils
da aufgehalten, wo ihnen die Natur die Lebens-
bedingungen am leichtesten machte; und so mögen
sie häufig auf der Wanderung gewesen und sehr spät
zur Ansiedlung und Sesshaftigkeit gekommen sein.

Die Nomaden- und Hirtenvölker Asiens sind
ja noch heute auf steter Wanderung begriffen.
Wir können annehmen, dass die Hütte und das
mit Tierfellen oder Binsen belegte Stangengerüst
des Zeltes fast zu gleicher Zeit entstanden ist als
ein Teil der beweglichen Habe. Die anfängliche
Ohnmacht des Menschen wilden Tieren gegenüber
trieb ihn zum befestigten Hüttenbau, zum Block-
haus oder zur Flucht auf das Wasser, denn dieses
hatte zur Zeit des Erscheinens des ersten Menschen
seine Schrecken verloren. Sehr bald erkennt auch
der Mensch die Schrecken und Wohltaten der Ele-
mente, und je nachdem verschliesst oder öffnet er

ihnen seine Hütte. Er lernt mit Sturm und Wetter
kämpfen, nützt das Feuer und schützt sich vor ihm.
Er stemmt sich gegen den Schnee, wappnet sich
gegen die tückische Flut und gegen stürzende
Lawinen. Die Jahreszeiten und die Himmelsrich-
tungen bestimmen Lage und Art seiner Hütte,
selbst wiederkehrenden Erdbeben weiss er zu be-
gegnen, wenn er die Scholle liebgewonnen hat,
der er sein Teuerstes und seine Habseligkeiten
anvertraute. Anfänglich liefert die organische Natur
das Baumaterial. Erst Zweige und Blätter, dann
Stämme, Bambus, Binsen, Moos, Schilf, Stroh.
Der Stein tritt erst viel später als Baumaterial auf,
der kompliziertere Steinbau geht auf den Holzbau
zurück. Zur Zeit, da Gefässe aus Ton und Lehm
gemacht wurden, deren Brennung resp. Trocknung
anfänglich Sonne und Luft besorgten, da entsteht
auch der Kunst- und Formstein, der, wie wir aus
Forschungen über die Herkünfte der biblischen
Geschichte wissen, in den alten Reichen Asiens
und Afrikas allgemein in Gebrauch und teils bis
zur künstlerischen Ornamentierung gediehen war.
Ganz sind uns die einzelnen Glieder der grossen
Entwicklungskette bis zur heutigen Wohnung nicht
erhalten geblieben, wenngleich uns sehr viele Zeugen
einzelner Epochen und Völker durch Ausgrabungen
und Aufdeckung verschütteter Städte überliefert wor-
den sind. Der Luxus der römischen Villa ist uns so
durch Blosslegung ganzer Strassenzüge in Pompeji
und Herkulanum bekannt geworden. (Fortsetz, folgt.)

prof. h. van de velde. Ausf.: Weimar'sehe Korbkunst-
Industrie, August Bosse- Weimar.
 
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