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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 17.1906

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Architekt Otto Prutscher, Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.12313#0101

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INNENDEKORATION

XVII. 3flHRGHIlG. Darmlfcidf 1006. HPRIk-HEFT.

ARCHITEKT OTTO PRUTSCHER—WIEN.

Ich glaube, dass die jungen Leute in keiner Stadt
einen schwereren Stand haben als in Wien. Ob
modern oder nicht modern, ist in Berlin, Darmstadt,
München keine Frage mehr. In Wien können die
Leute noch ernstlich einen Streit darüber führen,
ob sie sich modern oder nicht modern einrichten
lassen sollen. Sie haben keinen Sinn für die Absur-
dität, die in der Ablehnung einer zeitgemäßen
Arbeit liegt. Die Talente, hier dichter gesät, als
in irgend einer andern Stadt, führen einen harten
Kampf gegen die eingewurzelte Voreingenommen-
heit und Trägheit der Bürgerschaft, die künstle-
rischen Neuerungen abhold ist. Staat und Gesell-
schaft geben kein Beispiel, wie die Kunst zu fördern
und die Kultur zu heben ist. Gewissenlose Speku-
lationen und der Industrialismus haben sich der
künstlerischen Ideen bemächtigt und die berühmte
falsche Sezession geschaffen, durch welche die Ab-
neigung gegen die Moderne nur noch vergrössert
wurde. Unter diesen Verhältnissen ist es fast zu
wundern, dass im Einzelnen so viel geschehen konnte,
als geschehen ist. Es ist ganz erstaunlich, welche
Summe von Lebensmut und Spannkraft die Künstler
aufbringen, sich unter den widerwärtigen Verhält-
nissen zu behaupten und sich durchzusetzen. Sie

werden sich durchsetzen, darüber kann kein Zweifel
obwalten; die immense Arbeit, die täglich im Stillen
geschieht, wird nicht verloren gehen.

Bei der heutigen Lage der Dinge erscheint es
fast als eine tapfere Tat, dass ein paar Wiener
Tischler das allzu Selbstverständliche unternahmen
und den Entwurfskünstler aufsuchten, damit er ihnen
für eine kleine Möbel-Ausstellung eine Reihe von
Interieurs zeichne und die Ausführung beaufsichtige.
Diese Handvoll kleiner Handwerksmeister haben
plötzlich wieder die alte Wahrheit verspürt, dass sie
wieder zum Künstler kommen müssen, wenn sie für
unsere Kultur wieder Bedeutung gewinnen sollen.

Was der junge Architekt Otto Prutscher für
diese Leute gemacht hat, ist nun in diesen Bildern
zu sehen. Alles ist recht nett und hübsch geraten,
von dem unverkennbaren Streben nach Sachlichkeit
geleitet, ein wenig auffallend nach dem Vorbild der
Wiener Werkstätte, aber dem Vorbild leider nicht
wieder ganz getreu, was strenge Sachlichkeit und
Enthaltsamkeit von gewisser spielerischer Zier-
macherei betrifft. Aber diese gewissen kleinen
Mängel zählen den Vorzügen dieser Arbeiten gegen-
über nichts, denn sie enthalten eine sichere Gewähr,
dass es künftighin noch besser gemacht und die

1900 IV. 1.
 
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