DOI Artikel:
Schaukal, Richard von: Die Miet-Wohnung, [4]: Revolutions-Snobismus
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.12313#0167
INNEN-DEKORATION
159
ludwig ho hl wein—münchen. Side-Board im Wohnzimmer. Hell Eiche, Eben-
holz - Intarsien , Beschläge getriebenes Eisen.
Wand-Bespannung blau. Ausführung: Möbel-
fabrik Ballin — München. Metall - Arbeiten :
Jos. Zimmermann & Comp.—München. * *
7 Jahren vergeblich bei einer grossen Wiener
Wäschefirma ein einfaches Tischtuchmuster suchte.
Man legte uns nichts als »Damast« mit eingewebten
Blumen — den alten Rococo- und Empireformen —
vor. Endlich Hess ich mir, ungeduldig, eine Partie
anfertigen, die, ohne jeglichen »Dekor«, die
weisse Leinwand, mit einem a-jour-Saum versehen,
aufwies. Heute wimmelts von stilisierten »Pflanzen-
motiven«. Sehr schöne Dinge sind darunter, aber
die Verbreitung dieser neuen Tücher ist kein Fort-
schritt, nur eine Neuerung. »Erwirb, um zu besitzen«,
ist die Devise wahrer Kultur. Niemals haben
Einzelne von heut auf morgen Epochen geschaffen.
»Der Ort ist gut, die Lage neu, der alte Lump ist
auch dabei«, sagt Wilhelm Busch. Das machts.
Gewachsenes Bewusstsein mangelt. Nur Evolutionen
sind stilbildend. Es ist unausbleiblich, dass die
Leute, die sich mit einem Schlage modernisieren,
mit Haut und Haaren dem eben geläufigen Schlag-
wort verschreiben, die Bitterkeit der Enttäuschung
erfahren. Warum, um Gotteswillen, soll man plötz-
lich in allen Zimmern Friese anbringen? »Hand-
gemalt«, sagt, Andacht fordernd, der eingedrillte
Kommis. Man lerne erst sehen, sehen, was not tut.
Man lerne die Augen überhaupt offen halten. Es ist
ebenso ein Zeichen von Blindheit, wenn man kritiklos
umstürzt, als wenn man kritiklos übernimmt. Noch-
mals: »Erwirb, um zu besitzen!« Richard schaukal.
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ludwig ho hl wein—münchen. Side-Board im Wohnzimmer. Hell Eiche, Eben-
holz - Intarsien , Beschläge getriebenes Eisen.
Wand-Bespannung blau. Ausführung: Möbel-
fabrik Ballin — München. Metall - Arbeiten :
Jos. Zimmermann & Comp.—München. * *
7 Jahren vergeblich bei einer grossen Wiener
Wäschefirma ein einfaches Tischtuchmuster suchte.
Man legte uns nichts als »Damast« mit eingewebten
Blumen — den alten Rococo- und Empireformen —
vor. Endlich Hess ich mir, ungeduldig, eine Partie
anfertigen, die, ohne jeglichen »Dekor«, die
weisse Leinwand, mit einem a-jour-Saum versehen,
aufwies. Heute wimmelts von stilisierten »Pflanzen-
motiven«. Sehr schöne Dinge sind darunter, aber
die Verbreitung dieser neuen Tücher ist kein Fort-
schritt, nur eine Neuerung. »Erwirb, um zu besitzen«,
ist die Devise wahrer Kultur. Niemals haben
Einzelne von heut auf morgen Epochen geschaffen.
»Der Ort ist gut, die Lage neu, der alte Lump ist
auch dabei«, sagt Wilhelm Busch. Das machts.
Gewachsenes Bewusstsein mangelt. Nur Evolutionen
sind stilbildend. Es ist unausbleiblich, dass die
Leute, die sich mit einem Schlage modernisieren,
mit Haut und Haaren dem eben geläufigen Schlag-
wort verschreiben, die Bitterkeit der Enttäuschung
erfahren. Warum, um Gotteswillen, soll man plötz-
lich in allen Zimmern Friese anbringen? »Hand-
gemalt«, sagt, Andacht fordernd, der eingedrillte
Kommis. Man lerne erst sehen, sehen, was not tut.
Man lerne die Augen überhaupt offen halten. Es ist
ebenso ein Zeichen von Blindheit, wenn man kritiklos
umstürzt, als wenn man kritiklos übernimmt. Noch-
mals: »Erwirb, um zu besitzen!« Richard schaukal.