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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 17.1906

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Schulze, Otto: Wohnungs-Kunst, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12313#0169

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INNEN-DEKORATION

161

Und man muss dem zustimmen, die ganze Deko-
rationsweise in ihren immerhin noch lauteren Mitteln
auf Fussböden und Wänden, in sorgfältigst gearbei-
teten Möbeln, kostbaren Geweben aller Art, meister-
haften Wandteppichen, gesteigerten Lichtquellen
aus zahllosen Deckenkronen und Wandleuchtern,
dabei viel Weiss mit milden, gebrochenen Tönen
und viel, viel Gold, wo es sich nur irgendwie an-
bringen Hess, wurden solchen Ansprüchen durchaus
gerecht. Alle eigentliche Farbigkeit hochgedrängt
zur Decke mit reicher Voute und sonstiger Stuck-
bereicherung, inmitten glühende Malereien mit
sausenden Theaterperspektiven, die die Wirkung
des geschlossenen Raumes ganz illusorisch machen.

Dann weiter, die Zeitstufen werden immer
kleiner, nach 60 bis 70 Jahren wieder ein Neues;
das Rococo, der Stil des XV. Ludwigs von Frank-
reich, der Höhepunkt feenhafter Dekorationskunst,
aller Materialschwere und Konstruktionslehre
trotzend. Höchste Lust, gründliche Auskostung,
skrupellose Lebens- und Sinnengier — das Ganze

ein entzückendes, berauschendes Zwischenspiel im
letzten grossen Akte auf Frankreichs Weltbühne.

In Deutschland sind uns Meisterwerke der
Rococo - Dekoration ziemlich zahlreich erhalten
geblieben. Denken wir nur an die Schlösser zu
Bruchsal, Brühl, Wilhelmstal, Würzburg, Ansbach,
Mannheim, Potsdam, Sanssouci u. a. Orten. Um
diese Zeit macht auch die »Grosse Architektur«
tolle Sprünge, einzelne ihrer Werke erscheinen wie
ins Riesenhafte vergrösserte Kommoden und
Schränke im Architekturstil. In der Rococokunst
lebt jede Linie, jede Kraft. Die Möbel, Kamine,
Leuchter, Wände, Decken, Spiegel, Bilder, Brunnen,
Treppen — alles lebt, lacht, jubelt und mit ihnen
die graziösen Malereien eines Boucher und Watteau,
nur die grösseren Monumentalschöpfungen eines
Tiepolo bewahren in etwas einen zeremoniellen
Schein. Und setzen wir nun in alle diese Pracht,
in diese feenhafte Szenerie die kostümierten Men-
schen aus jener Zeit hinein, leichtsinnige, frivole,
kapriziöse, in jeder Hinsicht schwankende Geschöpfe,
 
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