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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Frank, Willy: Der Gobelin als Wand-Schmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0079

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INNEN-DEKORATION

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herab. Er hat das Lebendige und Feurige des
Kunstwerkes und das Beruhigende der toten Dinge.
Er ist ein Bild, das nicht als fremdes, andersgeartetes
Ding an stummen Wänden schwebt, sondern jeder-
zeit bereit ist, die schlichte Würde eines dienenden
Nutzgegenstandes anzunehmen. Diesen großen
Vorzug, den besonders ein empfängliches Gemüt
mit lebhaftestem Danke anerkennen wird, hat der
Gobelin vor dem Ölbilde voraus: Er ist den Möbeln
und Teppichen, all den gezimmerten, gefügten und
gewebten Einwohnern des Raumes innig verwandt.
Während das Ölbild mit seinen glänzenden, glatten
Flächen ein fremdes Element ins Zimmer bringt
und vornehmlich durch diesen oft heftigen Kontrast
zu wirken befähigt ist, läßt sich der Gobelin jeder-
zeit als ein Stück Wand betrachten, das er nicht
verdeckt und unterschlägt, sondern schmückt und
hervorhebt. Der Tastsinn versichert uns: Es ist
ein Stück Wand, denn es ist weich und warm.

Doch sobald wir des toten Teppichs müde sind,
sickert wie mit einem Zauberschlage Farbe, Licht
und Leben durch das Gewebe und tritt als
leuchtende Fläche vor das Auge. Die vorher so
sieht- und greifbaren Fäden verschwinden und es
bleibt nur das Kunstwerk, das mit seinen geheimnis-
vollen geistigen Kräften den phlegmatischen Wider-
stand des Stoffes überwunden hat.

Und noch einen anderen Vorzug hat der
Gobelin als Wandschmuck vor dem Ölbilde voraus.
Obgleich wir ihn nämlich in der Regel nur in
hohen, weiten Räumen zu erblicken gewohnt sind,
läßt er sich doch mit gleichem Vorteil in solchen
Zimmern unterbringen, deren Dimensionen die bei
Mietwohnungen üblichen Maße nicht überschreiten.
Das Ölbild beansprucht nachdrücklich einen großen
Raum, um seine ganze Wirksamkeit voll entfalten
zu können. Es bedarf dieses Raumes schon des-
halb, weil es rein äußerlich eines gewissen Rück-

PROFESSOR BRUNO PAUL—BERLIN. Spiegel-Schrank mit Wasch-Toilette

in grau Ahorn mit reicher Intarsia.

Ausgeführt von den Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk—München.

1907. II. 3.
 
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