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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Jaumann, Anton: Vom künstlerischen Eigentums-Recht
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0119

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INNEN-DEKORATION

bald wird aus der Freundschaft erbitterte Fehde. Der
„Schüler" wird zum „Nachahmer" umgetauft. Und wie oft
weiß der betroffene Künstler selbst nicht, soll er sich mehr
freuen über die Annahme seines Evangeliums, oder über
Verletzung seiner Rechte klagen.

Der strenge Individualismus, der jeden Künstler als
Einzelpersönlichkeit faßt und von jedem die Ausprägung
einer eigenen Formensprache verlangt, ist heute ein undurch-
führbares Extrem. Ein großer Teil unserer Künstlerschaft
hat viel mehr Talente der Ausführung, der Anwendung
allgemeiner Formen auf eine spezielle Aufgabe als Erfinder-
genie. Auch in der Musik sind heute die großen Dirigenten
häufiger als die großen Komponisten. Und diese Talente
haben eine wichtige Rolle in unserer Kunstentwicklung zu
spielen, sie sind die Apostel des Neuen, die es in das
praktische Leben einführen, und es den wechselnden Be-
dürfnissen anpassen. Sie leisten Tüchtiges mit den Werk-
zeugen, die andere erfunden; wären sie auf ihre eigenen
Einfälle angewiesen, so sänke das Niveau der künstlerischen
Produktion um ein Bedeutendes. Ein extremer Individualis-
mus im Kunstgewerbe würde sich auch mit den derzeitigen
Produktions- und Marktverhältnissen gar nicht vereinigen
lassen. Je einheitlicher eine neue Richtung'auftritt, desto
kräftiger ist ihre Wirkung, desto leichter
kann der Markt mit ihr arbeiten. Für die
Erzeugnisse eines bestimmten Künstlers in
München besteht vielleicht nur in Hamburg
Interesse, wie viel schwerer wird er seine
Abnehmer finden als ein Kollege, der sich
der allgemeinen Richtung angeschlossen
hat, die den ganzen deutschen Markt be-
herrscht. Und genau so geht es dem
Fabrikanten. Auch wenn er nicht Massen-
ware erzeugt, darf ihm das Aufsuchen des
Bedarfs doch nicht zuviel Spesen verur-
sachen, er riskiert weniger, wenn er im
allgemein geltenden Stil arbeitet. Daß auf
dem Weltmarkt das geschlossene, ein-
heitliche Auftreten des deutschen Kunst
gewerbes von ganz enormerBedeutungwäre,
ist hier schon wiederholt gesagt worden.

Dies alles weist uns darauf hin, den
Schuß der künstlerischen Eigentumsrechte
nicht unsere einzige Sorge sein zu lassen,
vielmehr den wenigen wirklich erfindenden
Neuerern eine recht große Jüngerschar zu
wünschen, die ihre Formen anwenden,
ohne an ihrem Geist zu Verrätern
zu werden, und auf Mittel zu sinnen, den
Originalwerken jener Künstler eine größere
Verbreitung zu verschaffen, an Stelle der jetjt
herrschenden Varianten und Kombinationen.

„Ohne an ihrem Geiste zu Verrätern zu
werden, sollen Schüler und Jünger in den
Fußstapfen der Großen wandern. Von diesen
aufrichtigen Anhängern haben wir zu wenig.
Dagegen wimmelt es von unehrlichen
Kopisten, die hier und dort gedankenlos, ge-
wissenlos bunte Federn zusammenstibitzen,
um ihr garstiges Kleid damit zu putzen.
Daß eine Form nur in einem gewissen
Organismus Sinn und Bedeutung hat, das
fühlen sie nicht. Es ist ihnen ganz gleich-
gültig, wo sie ihre Motive finden. Sie plün-
dern englische, französische wie deutsche

Zeitschriften, Vorlagewerke, Ausstellungen . . ., sie befinden
sich ständig auf einem Raubzug nach künstlerischen Gebilden
anderer, die sie verarbeiten, wie der Wilde die geraubte
Europäerkleidung. In die unmöglichsten Verbindungen werden
die einzelnen Motive gebracht, was ehedem schön war im
rechten Zusammenhang, wird jetzt zur tollen Maskerade. Denn
das ist der Fluch des Kopierens, es tötet den Geist, es stumpft
das Gefühl ab, es führt unaufhaltsam weiter hinein in Unselb-
ständigkeit, in seelenlose Unkunst. Dieses Kopieren ist die
größte Sünde in künstlerischen Dingen, dagegen hilft aber kein
Gesetz, denn das Benützen fremder Motive für eine neue Arbeit
ist von rechtswegen ausdrücklich erlaubt, da man es keinem
Richter zumuten kann zu entscheiden, wo der Geist und das
eigene künstlerische Empfinden aufhört. Und gerade hierin liegt
der springende Punkt. Doch trägt das verwerfliche Kopieren
seine Strafe in sich, es ruiniert den, der sich ihm ergibt. Es
ist nur zu bedauern, daß gerade die Hauptmenge unserer Pro-
duktion, besonders in der Musterindustrie, voll derartiger
Kopien, Varianten und Kombinationen ist, die die Originale
bedeutend überwiegen. - Auf gesetzlichem Wege wird, ich
wiederhole, dieses Unwesen nicht zu bekämpfen sein, da hilft
nur die forcierte Verbreitung echter Kunstwerke und innigerer
Anschluß der Jugend an die Meister.

RICHARD R1EMERSCHMID—MÜNCHEN.

Ausführung;

Bücher- Geste 11.
Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst.
 
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