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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Schölermann, Wilhelm: Ludwig Paffendorf - Cöln: Sein Wollen und Werden
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0276

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2Ö2

INNEN-DEKORATION

Theorien. Er berichtet zunächst, wie er dazu kam,
sich, als Rheinländer im heimatlichen Boden wurzelnd,
von der »südländisch angehauchten Stilbewegung, welche
ihren Hochsitz in Wien hatte und von dort Zweig-
stellen in Darmstadt und Düsseldorf errichtete«, frei-
zuhalten. Ohne bedingungslos in den Jubel Derer ein-
zustimmen, welche häufig durch Erhaltung rückständiger
Formen, die »etwas nach malerisch« aussehen, eine
fortschreitende Entwickelung durch das Wesentliche nicht
erkennenden »Heimatschutz« und Denkmalspflege eher
hemmen, als fördern, ist auch Paffendorf, wie jedei
Einsichtige und Feinfühlige davon durchdrungen, daß
jede baukünstlerische und schmückende Tätigkeit nur
im Anschluß an etwas in der Überlieferung Vorhandenes
(an die Landesgewohnheiten und lokalen Beziehungen
mit ihren klimatischen und sozialen Voraussetzungen)
zu gesunder Weiterbildung führt. Darin liegt der
Grundzug, den wir nicht aus den Augen verlieren
dürfen, soll uns der Weg des Weiterschreitens nicht
im Nebel unklarer Neuerungssucht um jeden Preis ver-
wischt werden.

Frühere Zeiten haben zwar auch im Wechsel der
Jahrhunderte Neues hervorgebracht, aber den Gegensatz
von modern und stilgetreu (oder gar »Stilarchitekt!«)
hat leider unsere heillose Begriffsverwirrung zu erzeugen
den zweifelhaften Vorzug gehabt. Der Bauhandwerker
machte ehedem eine systematische Lehrzeit und Er-
ziehung zur Einfügung seiner Kunst in die Um-
gebung durch. Die Leitung großer Bauten lag in
der Hand eines hervorragenden »Meister Steinmetzen«
(magister lapicidae), wie der terminus technicus im

mittelalterlichen Latein lautete. Diese »Steinmeister«
oder »Holzmeister« erhielten beispielsweise den Auftrag,
einen Renaissancealtar zu entwerfen und auszuführen,
der in einer altgotischen Kathedrale seinen Platz in Ehren
einnehmen sollte I Alle Künstler haben in mehr oder
minder reizvoller Weise sich dieser Aufträge entledigt.
An dem alten guten Bau- oder Schmiedewerk hatten
sie einen Maßstab, der an ihre Kraft hohe Ansprüche
stellte. Sie mußten wetteifern, etwas ebenso Gutes,
Gleichwertiges (nicht Gleiches!) zu leisten; sie mußten
ihren ganzen ernsten Eifer und Erfahrung im Materiale
einsetzen, damit ihre Empfindungsweise der verklungenen
Zeit gleichbedeutend an die Seite gestellt werden konnte.
Dabei haben sie im großen ganzen das, was frühere
Bau-Perioden geschaffen, geachtet, ohne es sklavisch zu
imitieren. Heutzutage ist das anders. Da wird durch-
gängig nur ein waschechter Stilarchitekt damit beauf-
tragt , unsere alten Burgen, Schlösser oder Dome zu
restaurieren, zu deutsch, zu verderben, in stumpfsinniger
Imitation empfindungslos zu travestieren. Was wir
seit 1870 darin »geleistet« haben, ist kaum wieder gut
zu machen. Die Mißgriffe wären vermieden worden,
wenn der unselige Stilkoller die Köpfe nicht verwirrt
hätte. Dabei ging das Wesen über die Form vorloren.
Hören wir, was Ruskin in seinen »Sieben Leuchtern
der Baukunst« über Wiederherstellung alter Bauten sagte:
»Weder vom Publikum noch von denen, deren Obhut
die öffentlichen Baudenkmäler anvertraut sind, wird die
wahre Bedeutung des Wortes »Wiederherstellung« be-
griffen. Heutzutage bedeutet sie vollkommene Zerstörung,
eine Zerstörung aus der keine Bruchteile gerettet werden
 
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