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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Jaumann, Anton: Über technische Schönheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0330

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316

INNEN-DEKORATION

ENTWURF UND AUSFÜHRUNG: RUNGE UND SCOTLANÜ—BREMEN.

Schreib-Ecke aus dem Salon auf Seite 314.
Schnelldampfer »Kronprinzessin Cecilie«..

zusammengehalten werden, daß sie keine Erschütte-
rung zu trennen vermag — in all dem steckt eine Un-
summe von Arbeitsleistung, die das Auge schauend
mitfühlen und genießend miterleben kann. Diese
ungeheuren Eisenkolosse, vor denen es dem
Menschen bange wird, und im Gegensatz dazu
diese feinsten Spitzen und Rädchen und Hebel!
Da ist Zug und Druck in jeder Variation, straffes
Zusammenfassen und weites Ausgreifen, da ist eine
Mannigfaltigkeit der Funktionen und damit der
Formen, die selbst mit der so erfinderischen Natur
konkurrieren kann. Der Ingenieur wagt jede Ge-
stalt und Kombination von Massen; er kennt keine
Schablone, keine Rücksicht auf Symmetrie. So bringt
er fortwährend neue Gebilde hervor, die oft sehr
apart, manchmal bizarr, immer aber interessant sind.

Doch die volle Schönheit der Maschine offen-
bart sich erst in der Arbeit, denn für die Arbeit
ist sie geschaffen. Da enthüllt sich der Sinn dieser
Anordnungen, da tritt das vom Ingenieur erdachte
wunderbare Zusammenwirken zutage, das fesselnde
Spiel der Kräfte. Wenn es ein ästhetischer Genuß
ist, dem Landmann beim Säen, dem Schmied beim

Hämmern, dem Schiffer beim Rudern zuzuschauen,
so gewährt einen solchen nicht minder die
Maschine. Wie sie schiebt und zieht, wie sie stößt
und hämmert, schneidet, biegt und dreht, all das
wird mit großartiger Sicherheit und unermüdlicher
Kraft ausgeführt; sie macht die kompliziertesten
Verrichtungen, sie produziert sich in wahnsinnigen
Schnelligkeiten. Nicht nur grobe Arbeit, auch
wunderbar feine verrichtet sie: Sie stickt zierliche
Ornamente, sie webt die duftigsten Spitzen, wie
man sie nur den geschicktesten und zartesten
Frauenfingern zutrauen würde.

Auch der sinnlichen Schönheit entbehrt die
Maschine nicht ganz. Zwar ist ihre Farbe meist
rußig schwarz; aber an den riesigen Massen hat
diese Schwärze etwas Grausig-Großes. Und sieg-
haft strahlen in der schwarzen Umgebung die
blanken Teile aus Lagermetall oder Stahl, meist
zugleich die Träger der Energie, die eigentlichen
»Arbeiter«. Wie gut paßt in diesen seltsamen
Akkord die Glut des Feuers unter dem Kessel
und sein gespenstischer Widerschein an der Wand
und im Antlitz der Arbeiter.
 
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