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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0034

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26

I. Die Schachtgräber und der Plattenrine,

halten, wie die Lehren am oberen Rande beweisen. Diese sind ganz unregelmäßig
verteilt, meist zwei an jeder Platte, aber bisweilen drei, eine oder keine; oder
die Lehre fällt in die Fuge zweier benachbarter Platten, so daß jede eine Hälfte
trägt. Die Abstände der Lehren schwanken zwischen 0,22 m und 0,85 m (meist
0,40—45 oder 0,60—65 m). Die Querhölzer lagen mehrfach ganz schief (Abb. 8).
Sie halfen auch die Deckplatten tragen. Eine solche Stütze war nötig. Denn obwohl,
wie Wace sehr richtig gegenüber meiner ehemaligen Ansicht betont, das Innere
des Plattenringes sicher mit Erde angefüllt war, konnten die Deckplatten beim
allmählichen Einsinken der Füllung leicht brechen. Und jetzt, wo die Querhölzer
längst verschwunden sind, ist dies ja auch bei allen noch an ihrer alten Stelle er-
haltenen Deckplatten — ein halbes Dutzend im Osten — eingetreten1). Ganz eigen-
artig ist der Eingang gestaltet: doppelte Anten, nach außen mehr als zweimal so
weit vorspringend als nach innen, bilden die an den Ecken durch Falze verbun-
denen Gewände des 2,50 m breiten Torweges. Die wenig abgetretene Schwelle
(Tsuntas, MvySjvcu 106) besteht aus drei mächtigen Platten. Von einem Verschluß,
einer Türe findet sich nirgends eine Spur. Frei und offen lag der Eingang zum
Königsfriedhof, in seiner schmucklosen Einfachheit wirkt er ebenso monumental
wie der ganze Plattenring.

An dem Alter der Anlage kann nach den englischen Ausgrabungen kein
Zweifel sein. Sowohl an den gut erhaltenen Teilen im Osten wie am Eingang und
unter dessen Schwelle geben jungmykenische Scherben einen sicheren terminus
post quem: Anfang des XIV. Jahrhunderts. Stützmauer und Plattenring sind dem-
nach in einem Zuge erbaut. Möglicherweise ist der Eingang noch einmal umge-
baut worden; wenigstens könnten dafür die auf Abb. 8 bemerkbaren Unregel-
mäßigkeiten sprechen: in der östlichen Hälfte fehlt die Fortsetzung der Ring-
platten, in der westlichen dafür die in der Flucht der Antenmauer stehende Platte.

Es ist sehr bedauerlich, daß wir noch immer keine genaue Aufnahme dieses
einzigartigen Bauwerks besitzen. Hoffentlich wird sie uns Wace noch einmal be-
scheren, dem ich hier nicht vorgreifen wollte. Bei einem so wichtigen Denkmal
müßte Stein für Stein gezeichnet werden. Technisch zeigt der Plattenring zweifel-
los starken minoischen Einfluß, nicht bloß in der Holzverstrebung senkrechter
Steinplatten (vgl. Evans, Palace of Minos 1128 Abb. 95), sondern vor allem in der
ganzen Konstruktion: sie entspricht durchaus der in kretischen Palästen beliebten
Art, dünne Innenmauern aus zwei feinen Alabasterplatten mit Erdfüllung herzu-
stellen. Auch dort fehlt jede seitliche Verbindung der einfach nebeneinandergestell-
ten Platten. Und in beiden Fällen staunt man über die Haltbarkeit dieser scheinbar
so unsoliden, wohl aus der Tischlertechnik des Fournierens übertragenen Bauweise.

Dagegen ist die Form des mykenischen Gräberrundes von Kreta unabhängig.

') Die Photographien des Gräberrundes können leicht irreführen, weil die herumliegenden Deckplatten und Frag-
mente z. T. in situ zu liegen scheinen, vor allem einige in der Osthälfte modern zu einer Art von Bogen zusammengelegte.
Im Südosten ist ein Haufen von Plattenstücken aiifgeschiehtet.
 
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