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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0292

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284

III. Ergebnisse

Ganz an den Schluß stelle ich ein Muster, das in der gesamten mykenischen
Kleinkunst nicht seinesgleichen hat: den bemalten Kristallknauf 105, LXXVIII.
Die Technik ist uns durch hervorragende minoische Kunstwerke bekannt (Evans
III 108 ff. Abb. 60 f. mit Farbtafel XIX), scheint sich aber auf dem Festlande nicht
eingebürgert zu haben. Die Verzierung unseres Knaufes unterscheidet sich nicht
nur dadurch von allen anderen aus den Schachtgräbern (außer den Tongefäßen),
daß sie aufgemalt ist, sondern auch und vor allem durch ihre amorphe Ge-
stalt, die offenbar gar kein bestimmtes Muster, sondern einen Stoff, am ehesten
gemasertes Holz oder vielleicht buntes Gestein, nachahmt. Auch dies ist typisch
minoische Übung, die sich auf Kreta schon sehr früh findet; eine reiche Serie von
Beispielen hat Evans zusammengestellt (I 59 Abb. 19. 178 Abb. 127. 238 Abb.
178 f. 413 Abb. 298. 596 Abb. 438 und Taf. VII). Auf dem Festlande findet sich
ähnliches erst in der ganz minoisch bestimmten Wandmalerei der Spätzeit; vgl.
G. Rodenwaldt, Arch. Jahrb. XXXIV 1919, 98 ff. Unser Kristallknauf wird daher
wohl ein kretisches Importstück sein.

Dasselbe gilt von den Fayenceschleifen 558 ff., CLI f., denen an sich beson-
dere Bedeutung zukommt, weil sie die ältesten auf dem Festlande bezeugten Wie-
dergaben von bunten Geweben sind. Leider sind sie, im Gegensatz zu gleichaltrigen
minoischen Fresken und den Fayencen der Temple Repositories (Evans I 501 ff.
544 ff. II 728 ff. 751), nur ganz einfach, in der Art schottischer Plaids karriert. Für
das spezifisch mykenische Ornament lehren sie uns nichts.

Die Ornamentik der Tongefäße zerfällt in mehrere Gruppen. Die hei-
mische Mattmalerei bietet bloß einfache Wellenlinien, Bogenfriese, Zickzack
(157 f., CLXVI. 222. 591, CLXX), gestrichelte Dreiecke (222, CLXX), ein ge-
drücktes Spiralband der in dieser Keramik und auf den gravierten Pfannen von
Naxos beliebten Form (198, CLXVIII), endlich die hybride Verbindung eines
Spiralschnörkels und einer Punktrosette mit senkrechten Strichgruppen, für die
ich keine Analogien kenne (953, CLXXIII, S. 255 Abb. 101). Die Scherben 161 f.,
CXLIX lagen wohl nicht ursprünglich im Grab III, sondern sind mit dem eindrin-
genden Schutt dahin gelangt.

Die Gruppe feiner, kleiner, rottoniger Gefäße aus Grab VI (941. 943. 944.
954, CLXXIII) zeigt neben einfachen Bogenreihen hängende Bögen mit gegitter-
ten Zwischenräumen und strichgefüllte Wellen mit hängenden gegitterten Blättern
oder Tropfen; man fühlt minoischen Einfluß, der sich aber nicht wirklich durch-
setzt. Die Gruppe der Schnabelkannen (946. 947. 950. 952, CLXXIV, S. 164 Abb.
80 f. 303 Abb. 124 f.) bietet außer den unten S. 302 besprochenen Vögeln bloß
breite Wellenbänder, 200, CLXXIV, die nicht derselben Herkunft ist, ein sehr
sauber gezeichnetes, ganz metallisch wirkendes, doppeltes Spiralband, der plumpe
Topf 858, CLXXII Friese konzentrischer Bögen.

Über die Spiralbänder des echt minoischen Rhytons 221, CLXX und des „mi-
noisierenden" Kraters 856, CLXXII, sowie der Kanne 945, CLXXV ist oben S. 256
 
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