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Oechelhäuser, Adolf von; Kraus, Franz Xaver [Editor]
Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden (Band 8,1): Die Kunstdenkmäler der Amtsbezirke Sinsheim, Eppingen und Wiesloch (Kreis Heidelberg) — Tübingen, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.1226#0196
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AMT EPPINGEN - GEMMINGEN

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Geschichtliches. Sehr alter, in den Urkunden der Lorscher Chronik wiederholt G«
zum 9. Jh. erwähnter Ort (römischen Ursprungs?) des Elsenzgaues, nach dem im 13. Jh.
— seit 1272 urkundlich — ein eigenes Rittergeschlecht benannt ist, das heute noch die
Grundherrschaft im Orte bildet und bis zum Jahre 1806 neben der gräflichen Familie
von Neiperg die ritterschaftlichen Gerechtsame besessen hat. Die Reformation ist
hier i.J. 1520 durch Wolf von Gemmingen eingeführt worden. Die durch denselben
hierorts gegründete Lateinschule hat bis zum Dreißigjährigen Kriege bestanden und
manche treffliche und berühmte Männer erzogen. Seit 1806 badisch.

Vorgeschichtliches. Im Walddistrikt »Kuhbach«, 3 km nordöstlich von Gemmingen,
befindet sich ein vereinsamter alter Grabhügel von 20 bis 22 m Durchmesser bei
1,50 m Höhe, den ich 1883 untersuchte. Er enthielt zwei Bestattungen. Die
'eine schon in 50 cm Tiefe zeigte kaum noch Knochenreste, dafür Schmuckstücke von
Bronze, einen Halsring, einen noch größeren Leib(?)ring, zwei Fußringe, Reste einer
Fibel und ein unkenntlich gewordenes Stück Eisen, alles der sogenannten La-Tene-Zeit
(ca. 300 v. Chr.) angehörig.

Westlich davon erschien eine Steinsetzimg von ca. 150 ungeordnet aufeinander
gelegten 10 bis 30 cm langen rohen Sandsteinen ■ und unter ihr, noch 50 cm in den
gewachsenen Boden eingegraben, die zweite Bestattung. Ihr Skelett war noch leidlich
erhalten, mit hinaufgezogenen Knien lag es in der Stellung der sogenannten liegenden
Hocker. In der Schoßgegend waren ihm ein kleines aus weißem Feuerstein geschlagenes
Werkzeug, die Scherben eines geschweiften 22 cm hohen Bechers aus graurötlichem
Ton mit Schnurverzierung um den Hals und Tierknochen vom Schaf oder Reh bei-
gegeben. Das Begräbnis war demnach viel älter und gehörte der spätneolithischen Zeit
(Steinzeit) an. (W.)

Die jetzige Kirche, i. J. 1846 neu errichtet, ist ein stattlicher Bau ohne Kunstwert 1
im Äußeren und Innern. Von der alten, in Urkunden des 15. Jhs. wiederholt erwähnten
und zeitweilig mit sieben Priestern besetzten Pfarrkirche (tit. S. Martini), die zur Wormser
Diözese gehörte, ist einzig der Turm mit Vorhalle erhalten geblieben. Die spitzbogige
Eingangstür der letzteren zeigt die Jahreszahl 1516. An den Ecken des Turmes ragen
kräftige schräg gestellte Strebepfeiler empor, die darauf hinweisen, daß der Turm einst
wesentlich höher gewesen ist. Das Innere der Vorhalle zeigt noch das alte spätgotische
Kreuzgewölbe mit einem großen schön gearbeiteten Allianzwappen am Schlußstein, das
aufPleikhard von Gemmingen (gestorben 5515) und dessen Gattin Anna Kämmer
von Worms (gestorben 1503} als Gründer der Vorhalle hinweist, während bereits vorher,
i.J. 1457, durch Pleikhard von Gemmingen ein neues Langhaus errichtet worden war.
Über dem Portal des Turmes scheint das kleine S. Martin-Relief (w. S.) angebracht
gewesen zu sein, das sich heute leider sehr verstümmelt — der Kopf fehlt — im
Schloßgarten befindet. [Eine ungefähre Anschauung vom ehemaligen Aussehen dieses
alten Gotteshauses gibt eine am Schlüsse des II. Bandes des Denkmalbuches (s. unten)
befindliche dilettantische Federzeichnung. Hiernach ist die Kirche anders, wie die jetzige,
d. h. richtig orientiert gewesen.] Die alte Kirche, an die zwei Kapellen angebaut
waren, enthielt die Grabsteine der Familie von Gemmingen, die jetzt im Schlosse
aufbewahrt werden (s. unten). Einige Reste des Maßwerkes der alten Fenster mit guten
Fischblasenmotiven finden sich zurzeit im Schloßhofe an der Mauer aufgestellt. Daselbst
im Garten auch der spätgotische ehemalige Taufstein, jetzt als Blumenschale verwendet,
 
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