-^s£> DEUTSCHE KUNST IN AMERIKA
sorgfältig erhobenen Tatsachen sich leicht
die nötigen Schlüsse ziehen lassen.
(Der Schluß folgt)
GEDANKEN ÜBER KUNST
Ein Porträtmaler kann einen Gegenstand gemein
und kann ihn groß behandeln. Gemein, wenn er
das Zufällige ebenso sorgfältig darstellt wie das
Notwendige, wenn er das Große vernachläßigt und
das Kleine sorgfältig ausführt; groß, wenn er das
Interessanteste herauszufinden weiß, das Zufällige
von dem Notwendigen scheidet, das Kleine nur an-
deutet und das Große ausführt. Groß aber ist nichts
als der Ausdruck der Seele in Handlungen, Gebärden
und Stellungen.
Schüler über »Das Gemeine and Niedrige in der Kunst*
franz von lenbach« frau hedw ig dohm (1894)
DIE ERKENNTNIS GOTTES
Ich hab' einen Kanari, einen recht possierlichen
Kerl. Meine Nase und meinen Bart liebt er zärtlich,
meine Fingerspitzen haßt er, vom Aermel meiner
wollenen Joppe ist er entzückt, mein Strohhut aber
erfüllt ihn mit Entsetzen — daß alle diese Dinge
zu einer Person gehören, begreift er nicht.
Wenn die Weisen das Wesen Gottes zu erklären
suchen, muß ich immer an meinen Kanari denken.
Adolf Oberländer
men. Freilich darf man nicht ver-
gessen, daß die Preise dieser guten
Franzosen von zehn- bis fünfzigtau-
send Dollars rangieren, also nur den
ganz Reichen zugänglich sind, daß die
weniger guten Bilder, für die noch
immer bis zu zehntausend Dollars
geboten wird, diesen Preis nicht ver-
dienen und sich überdies eine Fäl-
scherfabrikation von Barbizons ent-
wickeln mußte, um der vorhandenen
Nachfrage zu genügen, welche beson-
ders in den letzten Jahren mit eben-
soviel Frechheit als Erfolg arbeiten
konnte. Es ist zweifellos, daß diese
Umstände allein genügen, um freiere
Bahn für andere Künstlergruppen zu
schaffen, wie es ja auch tatsächlich
nicht zu leugnen ist, daß sich seit eini-
gen Jahren Verschiebungen im ameri-
kanischen Kunstgeschmacke vollzogen
haben, welche gerade den deutschen
Künstlern zu denken geben sollten.
Ich möchte versuchen, ganz kurz
und demgemäß auch bis zu einem
gewissen Grade oberflächlich darüber
zu orientieren, welches im gegen-
wärtigen Zeitpunkte die Neigungen
des amerikanischen Publikums sind,
weil aus diesen zuverlässigen und franz von lenbach hermann von lingg (1897)
Die Kunst für Alle XXI.
17
3
sorgfältig erhobenen Tatsachen sich leicht
die nötigen Schlüsse ziehen lassen.
(Der Schluß folgt)
GEDANKEN ÜBER KUNST
Ein Porträtmaler kann einen Gegenstand gemein
und kann ihn groß behandeln. Gemein, wenn er
das Zufällige ebenso sorgfältig darstellt wie das
Notwendige, wenn er das Große vernachläßigt und
das Kleine sorgfältig ausführt; groß, wenn er das
Interessanteste herauszufinden weiß, das Zufällige
von dem Notwendigen scheidet, das Kleine nur an-
deutet und das Große ausführt. Groß aber ist nichts
als der Ausdruck der Seele in Handlungen, Gebärden
und Stellungen.
Schüler über »Das Gemeine and Niedrige in der Kunst*
franz von lenbach« frau hedw ig dohm (1894)
DIE ERKENNTNIS GOTTES
Ich hab' einen Kanari, einen recht possierlichen
Kerl. Meine Nase und meinen Bart liebt er zärtlich,
meine Fingerspitzen haßt er, vom Aermel meiner
wollenen Joppe ist er entzückt, mein Strohhut aber
erfüllt ihn mit Entsetzen — daß alle diese Dinge
zu einer Person gehören, begreift er nicht.
Wenn die Weisen das Wesen Gottes zu erklären
suchen, muß ich immer an meinen Kanari denken.
Adolf Oberländer
men. Freilich darf man nicht ver-
gessen, daß die Preise dieser guten
Franzosen von zehn- bis fünfzigtau-
send Dollars rangieren, also nur den
ganz Reichen zugänglich sind, daß die
weniger guten Bilder, für die noch
immer bis zu zehntausend Dollars
geboten wird, diesen Preis nicht ver-
dienen und sich überdies eine Fäl-
scherfabrikation von Barbizons ent-
wickeln mußte, um der vorhandenen
Nachfrage zu genügen, welche beson-
ders in den letzten Jahren mit eben-
soviel Frechheit als Erfolg arbeiten
konnte. Es ist zweifellos, daß diese
Umstände allein genügen, um freiere
Bahn für andere Künstlergruppen zu
schaffen, wie es ja auch tatsächlich
nicht zu leugnen ist, daß sich seit eini-
gen Jahren Verschiebungen im ameri-
kanischen Kunstgeschmacke vollzogen
haben, welche gerade den deutschen
Künstlern zu denken geben sollten.
Ich möchte versuchen, ganz kurz
und demgemäß auch bis zu einem
gewissen Grade oberflächlich darüber
zu orientieren, welches im gegen-
wärtigen Zeitpunkte die Neigungen
des amerikanischen Publikums sind,
weil aus diesen zuverlässigen und franz von lenbach hermann von lingg (1897)
Die Kunst für Alle XXI.
17
3