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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 21.1905-1906

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Ostini, Fritz von: Die Frühjahr-Ausstellung der Münchener Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.12156#0394

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ALOIS KOLB

MORGENLUFT (RADIERUNG)

Frühiahr-Ausstellung der Münchener Sezession

DIE FRÜHJAHR-AUSSTELLUNG DER MUNCHENER SEZESSION

Von F. v. Ostini

Wer über diese frischeste, sonnigste und
für das Werden unserer Malerei bedeut-
samste Münchener Ausstellung zu berichten
hat, fühlt sich immer wieder gedrängt, das
gleiche zu sagen: daß sie nicht umsonst im
Frühjahr veranstaltet wird, daß sie selbst den
Frühling bedeutet. Das ist jetzt schon ein
Gemeinplatz — aber es stimmt! Heuer mehr
als je. Denn sie stellt uns heuer mehr als
je „neue Leute" vor — fast zwei Drittel der
dort vertretenen Künstler und Künstlerinnen
sind hier noch so gut wie unbekannt, oder
doch nicht genügend bekannt gewesen. Den
Eindruck der Frische macht die Ausstellung
auch durch ihre große Mannigfaltigkeit. Sie
wird nicht mehr, wie einst, zum überwiegenden
Teile aus kühn hingebürsteten Landschafts-
studien bestritten, in ihr dominiert nicht mehr
eine Schule wie damals, als die Zügelschüler
alles andere mit der Bedeutung ihrer flotten
Leistungen erdrückten. Jetzt kommt hier bei-
nahe jede künstlerische Möglichkeit zu Worte
und ein Ringen nach persönlichem male-
rischem Ausdruck wird offenbar, das uns mit

froher Hoffnung erfüllen kann, das Streben
nach rein malerischer Vollendung ebensowohl
als das, mit neuen künstlerischen Mitteln etwas
zu sagen!

Noch wenig gekannt war hier der Stutt-
garter Hermann Pleuer, ein Maler der
modernen Arbeit von Wucht und Kraft. Aber
diese Wucht ist frei von leerer, großer Ge-
bärde und diese Kraft ist gebändigt durch
malerischen Geschmack. Der Schauplatz seiner
Bilder ist meist ein moderner Bahnhof mit
seinem Schienengewirr, seinen Werkstätten und
Arbeitshallen, mit der ernsten, fast wilden
Poesie seines Verkehrs, seinen rußgeschwärzten
Menschen, Maschinen und Bauwerken. Pleuer
wird nicht müde, diesem düsteren und doch
lebensvollen Milieu immer neue Reize abzu-
sehen und ist himmelweit weg von der Nüch-
ternheit, welche die bildnerische Darstellung
der modernen Arbeit nur zu oft zeigt. Es
ist charakteristisch für ihn, daß ein paar Bilder
aus dem Leben der Boheme, „Im Atelier"
und „Kartenspieler" viel trockener und trost-
loser sind, als seine Darstellungen der Werte

Die Kunst für Alle XXI. 16. 15. Mai 1906.

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