DIE KUNSTLERISCHE WIEDERGEBURT DES MENSCHEN
AUS DER LANDSCHAFT
Von Henry Thode*)
Betrachtungen allgemeiner Art sind es, die Problem ist in der Tatsache einbeschlossen,
jedem, welcher sich mit der Kunst Böck- daß diese große phantasievolle Kunst sich
lins und Thomas beschäftigt, unabweisbar sich aus der Landschaftsdarstellung entwickelt hat,
aufdrängen. Ein Problem bedeutungsvoller die ja im Mittelpunkt der Malerei des 19. Jahr-
Art, das mit kurzen Worten freilich nur an- hunderts steht und deren Kern bildet,
gedeutet werden kann, bietet sich der Er- Zwei große Welten mußten wir schon ein-
wägung dar, wenn man sich fragt: wie ent- mal im Verlauf dieser Vorlesungen, im Hin-
stand diese Kunst? Wie waren ihre Eigen- blick auf die Verschiedenartigkeit der von
tümlichkeiten — so weit es sich eben um der Kunst behandelten Ideen und Vorwürfe,
gemeinsame bei beiden Meistern handelt — einander gegenüberstellen: die antike hel-
vorbedingt? Wie war sie möglich? Das lenische und die germanische christliche.
_„ . , , , _ Die Darstellung des Menschen war für die
*) Wir veröffentlichen im folgenden (unter Weg- ,. & . . , . , r».
lassung der Einleitung und etwas verkürzt) den erstere die Hauptaufgabe und in der Plastik
sechsten der von Thode im Sommer an der Heidel- gewann das griechische Ideal seine ausgepräg-
berger Universität gehaltenen Voiträge. Diese wer- teste Form. In der neueren Kunst, die wir
den demnächst in ihrer Gesamtheit in Carl Winters Uurzweg, wenn wir das in ihr waltende schöpfe-
Verlag (Heidelberg) unter dem Titel: »Bocklin und . , °; .. . ,f
Thoma. Acht Vorträge über die deutsche Malerei rlsche Element uns vergegenwärtigen wollen,
des 19. Jahrhunderts«, erscheinen. als die germanische bezeichnen, sehen wir
OSKAR GRAF-FREIBURG GEBET VOR DEM KAMPF (AQUATINTA)
IX. Internationale Kunstausstellung München 1905
80
AUS DER LANDSCHAFT
Von Henry Thode*)
Betrachtungen allgemeiner Art sind es, die Problem ist in der Tatsache einbeschlossen,
jedem, welcher sich mit der Kunst Böck- daß diese große phantasievolle Kunst sich
lins und Thomas beschäftigt, unabweisbar sich aus der Landschaftsdarstellung entwickelt hat,
aufdrängen. Ein Problem bedeutungsvoller die ja im Mittelpunkt der Malerei des 19. Jahr-
Art, das mit kurzen Worten freilich nur an- hunderts steht und deren Kern bildet,
gedeutet werden kann, bietet sich der Er- Zwei große Welten mußten wir schon ein-
wägung dar, wenn man sich fragt: wie ent- mal im Verlauf dieser Vorlesungen, im Hin-
stand diese Kunst? Wie waren ihre Eigen- blick auf die Verschiedenartigkeit der von
tümlichkeiten — so weit es sich eben um der Kunst behandelten Ideen und Vorwürfe,
gemeinsame bei beiden Meistern handelt — einander gegenüberstellen: die antike hel-
vorbedingt? Wie war sie möglich? Das lenische und die germanische christliche.
_„ . , , , _ Die Darstellung des Menschen war für die
*) Wir veröffentlichen im folgenden (unter Weg- ,. & . . , . , r».
lassung der Einleitung und etwas verkürzt) den erstere die Hauptaufgabe und in der Plastik
sechsten der von Thode im Sommer an der Heidel- gewann das griechische Ideal seine ausgepräg-
berger Universität gehaltenen Voiträge. Diese wer- teste Form. In der neueren Kunst, die wir
den demnächst in ihrer Gesamtheit in Carl Winters Uurzweg, wenn wir das in ihr waltende schöpfe-
Verlag (Heidelberg) unter dem Titel: »Bocklin und . , °; .. . ,f
Thoma. Acht Vorträge über die deutsche Malerei rlsche Element uns vergegenwärtigen wollen,
des 19. Jahrhunderts«, erscheinen. als die germanische bezeichnen, sehen wir
OSKAR GRAF-FREIBURG GEBET VOR DEM KAMPF (AQUATINTA)
IX. Internationale Kunstausstellung München 1905
80