Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 21.1905-1906

DOI Artikel:
Plehn, Anna L.: Der Kampf gegen den Bildinhalt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12156#0256

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DER KAMPF GEGEN DEN BILDINHALT

Von A. L. Plehn

J

ahrhundertelang hat die Menschheit nicht Barbaren rätselhaft bleibe. Da es der Inhalt
anders gewußt, als daß ein Bild nicht nur ist, an dem der Kunstfremde seinen Stützpunkt
die Augen beschäftige, sondern durch ihre sucht, so werden die sich als die Bevorzugten
Vermittlung auch dem Geist ein Geschenk erscheinen, welche für ihre Person auf einen
mache. Ganz wie die Wirklichkeit, die in Inhalt verzichten wollen. Bei Uebereifrigen
Gestalt von Formvorstellungen und Farben- lautet dann die nächste Folgerung, daß Inhalt
eindrücken selber in das menschliche Gehirn nicht nur entbehrlich, sondern daß er sogar
eingeht und dort als das Bewußtsein von vom Uebel sei. Weil sie sich gewöhnt haben,
draußen sich bewegenden und handelnden in jedem Malerwerk nur bedeutungsloses Orna-
Körpern eine Art Auferstehung feiert. Was ment zu sehen, weil sie nur Farbenfleck mit
das Kunstwerk und ästhetisches Genießen von Farbenfleck vergleichen und Linienbewegungen
der Wirklichkeit und ihrer Betrachtung unter- gegeneinander abwägen, stellen sie die Be-
scheidet, ist die Loslösung des Wesentlichen hauptung auf, daß dies allein Kunstgenuß sei.
vom Zufälligen, also der straffe, klare Zu- Die Vernachlässigung dieses Hauptwertes der
sammenhang und der Stempel des persön- bildenden Kunst, welche tatsächlich lange von
liehen Künstlerwillens. Aber auch im Werk Leuten geübt wurde, die ihre Augen nicht zu
des Malers nahmen die Augen
einen Inhalt wahr.

Nur in den letzten Jahrhunder-
ten wurde er immer häufiger we-
niger deutlich, als es sonst der
Fall gewesen. Das hing wesentlich
mit der Malweise zusammen. Die
Trennung der Einzelheiten war
nicht allzuscharf. Die Körper ver-
loren die bestimmten Grenzen. Sie
vermischten unmerklich ihre Ober-
flächen miteinander. Der Zusam-
menhang von großen Massen wurde
durch Hell und Dunkel und durch
den Farbencharakter gegliedert. Er
brauchte nicht mehr mit den tat-
sächlichen Einheiten der Indivi-
duen zusammenfallen. Rembrandt
warf seine Sonnenlichter in ein
Chaos von Schatten, so daß die
Menschen in einzelne Teile zer-
hackt wurden, und er war der erste,
dem seine Zeitgenossen vorwarfen,
daß er nicht deutlich genug sei.
Das Inhaltliche wurde schwerer
erkennbar, als die Gewohnheit
wollte. Und gerade darum wird
der große Holländer heute von sol-
chen gefeiert, welche eine für die
Auserwählten vorbehaltene Kunst
wünschen, eine die dem ästheti-
schen Barbaren nichts gibt, weil
er einfach nicht klug daraus wird.
Diese Kunstaristokraten möchten
weiter folgern, daß ein Bild darum
um so wertvoller sei, je mehr es dem H. von habermann bildnis

229
 
Annotationen