Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 21.1905-1906

DOI Artikel:
Schumann, Paul: Die Ausstellung von Handzeichnungen im Kunstsalon Arnold in Dresden
DOI Artikel:
Rosenhagen, Hans: Aus den Berliner Kunstsalons
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12156#0110

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
-*^sö> AUS DEN BERLINER KUNSTSALONS

Frankfurt a. M. vertritt TrObner mit einigen un-
gleichwertigen Blättern und Wilh. Steinhausen,
der mit seinen tief seelischen Kompositionen nicht
minder an unsere Herzen rührt, wie er mit seiner
echt malerisch weichen Zeichnung unser ganzes
künstlerisches Empfinden anregt. Bleiben endlich
noch Karlsruhe und Stuttgart. Höchst interessant
sind Ludwig Dill's alte reizvolle Fischerbilder aus
Chioggia im Vergleich mit den großzügigen Land-
schaftsstudien der letzten Jahre. Die zahlreichen
Studien Hans v. Volkmann's geben ein volles Bild
seiner echt deutschen Art, die Landschaft zu sehen
und liebevoll wiederzugeben. Nicht minder bedeu-
tend sind Grethe's malerische Hamburger Hafen-
und Fischerbilder. Gustav Schönleber gibt intim
gesehene, solid und sicher gezekhnete Landschaften,
besonders fein der Strand von Scheveningen. Von
Robert Haug sehen wir einige seiner so treff-
sicheren Figurenstudien, die in ihrer Fülle seinen
Bildern das Gepräge der Echtheit geben, vom Grafen
Kalckreuth endlich eine Reihe der verschieden-
artigsten Zeichnungen — Bildnis Chtysander, Dörfer
und Bauern, Hamburger Hafen, die in ihrer Mannig-
faltigkeit zeigen, daß dem großen Künstler keinerlei
Schranken nach irgendwelcher Seite gesteckt sind.

Die Ausstellung als Ganzes verdient volle Aner-
kennung, nicht minder der gut illustrierte Katalog,
den Walter Hofmann verfaßt und mit einer vortreff-
lichen Einleitung versehen hat.

Paul Schumann

AUS DEN BERLINER KUNSTSALONS

'Vf/'enn Berlin auch in dem Rufe steht, ein be-
" sonderes Faible für die Kunst der Impressio-
nisten zu haben, so wird doch niemand behaupten
können, daß hier ein Maler allein schon darum
reüssiert, weil er sich impressionistisch äußert.
Man weiß in Berlin vielmehr ganz trefflich zu
unterscheiden und ästimiert einen talentlosen im-
pressionistischen Maler um nichts höher als einen
talentlosen Böcklin- oder Thoma-Nachahmer. Denn
kein verständiger Mensch denkt hier in Wirklichkeit
daran, Bilder nach ihrer Malweise zu bewerten,
sondern gewinnt, genau wie anderswo die ver-
ständigen Menschen auch, sein Urteil über eine
Leistung aus dem Maße der darin offenbarten Kunst.
Man bewundert hier Claude Monet nicht darum,
weil er ein Impressionist, sondern weil er ein aus-
gezeichneter Maler ist. Das bleibt das Entscheidende.
Wenn man es nicht längst wüßte — die erste Aus-
stellung des Kunstsalons Paul Cassirer in dieser
Saison beweist aufs neue, daß Monet von allem
Anfang an ein ausgezeichneter Künstler war. Die
Ausstellung enthält in der Hauptsache unverkäuf-
liche Landschaften aus der kostbaren Privatsammlung
Durand-Ruels. Es ist ein großer Genuß, vor diesem
ausgesuchten Material die Entwicklung des Künstlers
zu verfolgen, der wie der verlästerte Meier-Graefe
fein sagt, >unsere Sinne schärfer und reiner gemacht
und unser natürliches Kapital an schönen Dingen
vergrößert hat«. Nichts stellt die Bedeutung der
Künstlerschaft Monets in ein helleres Licht als die
Logik dieser Entwicklung, deren Ziel nichts anderes
ist, als die Schönheit der Natur überall zu suchen
und sie mit immer überzeugenderer Ausdruckskraft
darzustellen. Es gibt keinen Landschafter, der
schlichter und natürlicher wäre als er und welcher der
Wirklichkeit in ihrem Farbenreichtum und ihrer
Lichtfülle näher gekommen wäre. Gewisse Dinge,
wie den besonderen Reiz der Seineufer, hat er
überhaupt erst sichtbar gemacht. Aber Monet hat

auch die glücklichste und sicherste Anlage gehabt,
die denkbar ist. Sonst hätte er niemals erreicht,
was ihm zu erreichen gelungen. Eine angeborene
Neigung zum Ruhigen, Idyllischen und Heiteren
ließ den Künstler gar nicht in Versuchung kommen,
die Natur anders als lyrisch aufzufassen, nach
anderen als ihren leisen Schönheiten zu spähen.
Sicherlich hat sein >Blaues Haus< von 1869, das
so fein gegen eine graue Luft steht, zur Zeit seiner
Entstehung niemand besonders angezogen. Man
wollte damals interessantere Ansichten haben. Und
als er 1872 das duftige Bild >Die Seine in Argen-
teuil« malte, so intim wie nur je ein alter Holländer,
aber heiterer, farbiger, sind gewiß wenige gewesen,
die Sinn hatten für diese liebliche und herrliche
Naturschilderung. Aber der Geschmack ist dem
Künstler allmählich nachgekommen. Man müßte
das Kunstverständnis und den Geschmack eines
jeden in Zweifel ziehen, der die wundervolle Kunst,
die in dem Bilde von 1873 >Garten Monet in
Argenteuil* mit den üppig blühenden Dahlienbüschen
oder in der, in dem gleichen Jahre gemalten, be-
zaubernd duftigen »Frühsonne« in einer Dorfstraße
im Frühling sich äußert, heute nicht anerkennt.
Was sind das alles für herrliche Schöpfungen, diese
> Seine in Argenteuil« von 1877 bei sinkendem Abend
mit den rotblühenden Sträuchern am Ufer, diese ange-
schneite »Kirche in VetheuiW von 1881 mit dem von
Eisschollen bedeckten Fluß im Vordergrunde oder die
>Klippe in der Normandie« von 1882, die sich steil über
einer flachen, von schimmerndem Wasser überfluteten,
von Steinen bedeckten Sandbank erhebt, und die mit
Villen besetzte »Klippe in Dieppe« über dem Sand-
strand! Wer soll diese Bilder nicht bewundern?
In einigen, auch von den früheren, ist Monet aller-
dings dem Kunstgeschmack immer noch voraus. So
in dem großen Bilde »Die Jagd« mit den hinter
den Bäumen eines Waldwegs verteilten Schützen
(1876 gemalt). Aber das unsichere Licht zwischen
den Laubbäumen kann nicht feiner geschildert
werden, und wie tief sieht man in diesen grünen
Wald hinein! Auch das »Haus Monets in Vetheuil«
von 1881 mit den Kindern auf der Gartentreppe und
den vielen Sonnenblumen gibt eine Darstellung des
brennenden Sonnenlichtes, über die das große Publi-
kum einstweilen immer noch erschrickt. Aber je
weiter Monet sich von dem Ueblichen entfernt, umso
deutlicher offenbart sich seine eminente Künstler-
schaft. Wer, außer ihm, dürfte es wagen, einen
solchen Aufwand mit Grün zu treiben, wie er es in
dem bezaubernd frischen »Ufer der Seine in Giverny<
von 1898 tut? Wer außer ihm hätte den Mut, die
triviale blaugrün gestrichene Eisenhrücke zu malen,
die den »Teich mit Seerosen« von 1899 überspannt?
Es ist nicht möglich, sie wegzudenken. Sie wirkt,
obschon nicht im Vordergrunde, als Repoussoir für
die zarte farbige Schönheit, über der sie schwebt.
Es gibt keinen Landschafter, der weniger Spezialist
wäre als Monet. Welche Fülle verschiedener Motive
in dieser einzigen Ausstellung! Da sieht man Segel-
boote, holländische Kanäle, Kohlenauslader, Tulpen-
felder, Pinien, eine Ueberschwemmung mit heftigem
Regen, die Kathedrale in Rouen und dazu Stilleben
und das Porträt der »Mutter Paul« mit ihrem
Pinscher im Arm, worin van Gogh 1881 bereits vor-
geahnt ist. Dabei sind diese achtunddreißig Arbeiten
doch nur ein kleiner Teil von Monets Lebenswerk. Sie
sind freilich eine bessere Empfehlung für die hohe
Bedeutung der guten impressionistischen Malerei als
alle Worte. — Es spricht sehr für die Qualität der
Kunst von H. G. Breitner, daß sie sich in dieser
Nachbarschaft behauptet. Der holländische Maler
stellt drei Bilder aus, die gleich dem im vergangenen

91

12*
 
Annotationen