Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 21.1905-1906

DOI Artikel:
Thode, Henry: Die künstlerische Wiedergeburt des Menschen aus der Landschaft, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12156#0100

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE KUNSTLERISCHE WIEDERGEBURT DES MENSCHEN
AUS DER LANDSCHAFT

Von Henry Thode
II.

Auf diese Beziehungen zwischen Malerei und lung der Malerei das landschaftliche Element
Musik sah ich mich genötigt kurz ein- immer stärker in den Vordergrund tritt, so
zugehen, einmal weil es für die Erkenntnis stellt sich nun im 19. Jahrhundert als das
des historischen Zusammenhanges, in dem ge- wichtigste und markanteste Ereignis heraus:
wisse Erscheinungen in beiden Künsten stehen, die künstlerische Neugeburt des Menschen aus
wichtig ist, und dann weil ein Buch von der Landschaft. Dies ist die große phäno-
G. Niemann, in welchem Böcklin mit Richard menale Tatsache: die Landschaft genügt den
Wagner verglichen wird, von Meier-Graefe mit starken schöpferischen Geistern nicht mehr,
Hohn behandelt worden ist. Diese Schrift sondern aus der landschaftlichen Stimmung
brachte geistvolle und tiefgreifende Bemer- heraus, heraus aus dem Unbestimmten, was
kungen über die eben berührte Frage, wenn die Landschaft doch an sich hat, sehnt sich
auch der Verfasser sich hinreißen ließ, jene der Künstlergeist wieder nach der bestimmten
von mir hervorgehobene Grenze zwischen Gestalt des Menschen. Und so entsteht von
den beiden Künsten nicht zu beachten, sondern neuem ein mythologisches Schaffen. Die Natur
eine Wesensidentität der Landschaftsmalerei ist von der Kunst erobert worden. In langem,
und der Musik zu behaupten wagte. Leicht heißem Sehnen ist der Mensch dahin gelangt,
war es, dies als die Idee eines Ueberspannten sie als Spiegel des Seelenlebens-im Bilde hin-
hinzustellen, wenn man nur das Extreme ins stellen zu können. Und siehe da! Der Augen-
Auge faßte. Auf dies aber kommt es, wie blick kommt, da diese so beherrschte Natur
Alfred Peltzer, der mit Schärfe das Bedeu- wiederum, wie in den Zeiten der Gestaltung
tende in dieser Schrift in einer Besprechung eines Volksglaubens, in menschliche Erschei-
hervorhob, nachwies, nicht an, sondern auf nung verwandelt wird.

die Darlegungen über jene geheimnisvolle Wie konnte das in den Zeiten unserer hoch-
Annäherung zwischen den beiden Künsten. entwickelten Zivilisation möglich werden?
Gewahren wir, wie in der langen Entwick- Es gibt hierfür wohl nur eine Erklärung.

Das Suchen eines
freien, ursprünglichen
Menschentums ist es
gewesen, welches, von
der Liebe zur Natur
und dem tief erken-
nenden Verständnis
für sie veranlaßt und
geleitet, zu solchen
neuen Bildungen ge-
führt hat. Diese Sehn-
sucht nach dem rein
und ewig Menschli-
chen fand ihren ersten
Ausdruck im 18. Jahr-
hundert. Im Wider-
spruch zu einer alle
Wahrhaftigkeit be-
drohenden, unerträg-
lichen Zivilisation und
Konvention. Mächtig
und mit sich fortreis-
end ertönt der große
Ruf der Seele nach
Freiheit, nach einer

tonistadler bei Bruckmühl Rückkehr zum Natür-

82
 
Annotationen