Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 21.1905-1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.12156#0122
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Singer, Hans Wolfgang: Bildnisse von Künstler-Müttern
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•^g> BILDNISSE VON KÜNSTLER-MÜTTERN <52-p-
wohl verdankt Rossetti jene Charakterbildung,
die ihn zu dem werden ließ, was er wurde.
Ganz prächtig erscheint Kampfs Zeichnung
in der Erfassung des Charakteristischen.
Wenn man das Bildnis anblickt, ist es einem,
als ob man den Menschen kennen gelernt
habe. Man fragt nicht weiter, das Werk über-
zeugt von selbst. Das ist an sich schon eine
große Leistung.
Als Zeichnung kann auch das Thoma-
sche Mutterbildnis gelten, wiewohl es auf
einer Steindruckunterlage entstanden ist. Der
wunderbare Farbenzusammenklang von ver-
schiedenem Grün mit dem Kreideton, dem
Weiß und dem ins Lila herübergleitenden
Silber der Umrahmung beruht ganz auf
Ueberzeichnung des Druckes. Das so be-
malte Original — das ansprechendste der
drei lithographierten Bildnisse seiner Mutter
— ist eines der geschätztesten Blätter
Thomas im Besitz des Dresdener Kupfer-
stichkabinetts.
Von den Oelbildern unter unseren „Müttern"
frappieren wohl am meisten das erste und das
letzte, der Rethel und der Whistler. Rethel
(s. Abb.S. 100)malteseineMutternoch alsjüng-
ling sozusagen, und es muß einen überraschen,
ihn dabei so technisch gewandt zu sehen, der
in seiner späteren Kunst das Augenmerk doch
wirklich auf alles andere eher als auf die voll-
endete Technik richtete. Ueber Whistlers
Mutterbildnis sind schon herrliche Prosage-
dichte geschrieben worden. Es ist eines der zehn
schönsten Kunstwerke, die das neunzehnte
Jahrhundert hervorgebracht hat. Jetzt ziert es
die Luxembourg-Galerie in Paris. 1888 war
es auf der dritten internationalen Kunstausstel-
lung zu München. Dort hat ihm die Jury eine
Medaille zweiter Güte zuerkannt! Ob sie das
heute nicht gern ungeschehen machen möchte!
JAMES Mc. NEILL WHISTLER
101
DES KÜNSTLERS MUTTER
wohl verdankt Rossetti jene Charakterbildung,
die ihn zu dem werden ließ, was er wurde.
Ganz prächtig erscheint Kampfs Zeichnung
in der Erfassung des Charakteristischen.
Wenn man das Bildnis anblickt, ist es einem,
als ob man den Menschen kennen gelernt
habe. Man fragt nicht weiter, das Werk über-
zeugt von selbst. Das ist an sich schon eine
große Leistung.
Als Zeichnung kann auch das Thoma-
sche Mutterbildnis gelten, wiewohl es auf
einer Steindruckunterlage entstanden ist. Der
wunderbare Farbenzusammenklang von ver-
schiedenem Grün mit dem Kreideton, dem
Weiß und dem ins Lila herübergleitenden
Silber der Umrahmung beruht ganz auf
Ueberzeichnung des Druckes. Das so be-
malte Original — das ansprechendste der
drei lithographierten Bildnisse seiner Mutter
— ist eines der geschätztesten Blätter
Thomas im Besitz des Dresdener Kupfer-
stichkabinetts.
Von den Oelbildern unter unseren „Müttern"
frappieren wohl am meisten das erste und das
letzte, der Rethel und der Whistler. Rethel
(s. Abb.S. 100)malteseineMutternoch alsjüng-
ling sozusagen, und es muß einen überraschen,
ihn dabei so technisch gewandt zu sehen, der
in seiner späteren Kunst das Augenmerk doch
wirklich auf alles andere eher als auf die voll-
endete Technik richtete. Ueber Whistlers
Mutterbildnis sind schon herrliche Prosage-
dichte geschrieben worden. Es ist eines der zehn
schönsten Kunstwerke, die das neunzehnte
Jahrhundert hervorgebracht hat. Jetzt ziert es
die Luxembourg-Galerie in Paris. 1888 war
es auf der dritten internationalen Kunstausstel-
lung zu München. Dort hat ihm die Jury eine
Medaille zweiter Güte zuerkannt! Ob sie das
heute nicht gern ungeschehen machen möchte!
JAMES Mc. NEILL WHISTLER
101
DES KÜNSTLERS MUTTER